EPÜ Patentvereltzung auf offenem Meer

Fip

*** KT-HERO ***
Man denkt ja immer, ein solche Frage eines Mandanten bliebe einem während seines Berufslebens erspart, aber dann ... Naja, vielleicht ist es gar nicht so schwer zu beantworten, wie ich meine, aber ich finde derzeit keine klare Antwort.



Also: Ein Patent schützt ein Verfahren zum Erstellen von Ölförderbohrungen auf hoher See außerhalb der Grenzen eines nationalen Hoheitsgewässers. Das Patent sei in NL, DK und NO validiert.


Kann überhaupt eine Patentverletzung vorliegen? Falls ja, wovon hängt das ab? Ich suche noch in der Literatur (Hinweise auf Fundstellen sind willkommen), aber dachte, ich setze die Frage hier auch mal ab.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Für das Patentrecht gilt das Recht des jeweiligen Staats. Auf hoher See gilt kein Patentrecht; es gibt kein Amt, wo man ein entsprechendes Patent anmelden könnte.

Auf Schiffen, die sich im Hoheitsgebiet eines Staates befinden, gilt das Recht dieses Staates, auch hinsichtlich einer möglichen Patentverletzung. Eine patentverletzende Handlung nach deutschen Recht (§ 9 PatG) auf einem Schiff, egal unter welcher Flagge, liegt also erst vor, wenn das Schiff deutsche Hoheitsgewässer erreicht. § 11 PatG enthält unter Nr. 6 eine Ausnahme für Schiffe, die nicht unter deutscher Flagge fahren, falls der patentverletzende Gegenstand "für die Bedürfnisse des Schiffes verwendet" wird. Für mit den Schiff transportierte Gegenstände (insbes. Ladung) gilt diese Ausnahme nicht.

Für ein "Verfahren zum Bohren nach Öl auf hoher See" kommt danach als patentverletzende Handlungen nach deutschen Recht allenfalls in Frage, dass "wesentliche Elemente" für ein solches Verfahren (§ 10 PatG) Gegenstände sind, die - vor oder nach Gebrauch - in deutsche Hoheitsgewässer mitgeführt werden.

Jedenfalls ist zu empfehlen, die Patentansprüche auf Vorrichtungen und nicht auf Verfahren zu richten und zu überlegen, in welchen Häfen (bzw. in den entsprechenden Staaten) Patentschutz erforderlich und effektiv ist.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Für ein "Verfahren zum Bohren nach Öl auf hoher See" kommt danach als patentverletzende Handlungen nach deutschen Recht allenfalls in Frage, dass "wesentliche Elemente" für ein solches Verfahren (§ 10 PatG) Gegenstände sind, die - vor oder nach Gebrauch - in deutsche Hoheitsgewässer mitgeführt werden.

Nein, denn für eine mittelbare Patentverletzung ist der "doppelte Inlandsbezug" erforderlich. Nicht nur müssen die Mittel im Geltungsbereich des PatG angeboten oder geliefert werden, sondern der Zweck muss auch die "Benutzung der Erfindung im Geltungsbereich dieses Gesetzes" sein. Wenn es der Zweck ist, die Mittel auf hoher See zu benutzen, scheidet §10 PatG aus.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Also: Ein Patent schützt ein Verfahren zum Erstellen von Ölförderbohrungen auf hoher See außerhalb der Grenzen eines nationalen Hoheitsgewässers. Das Patent sei in NL, DK und NO validiert.

Also wenn hohe See i.S.d. UN Seerechtsübereinkommen verstanden wird, dann sollte nach dieser Zusammenstellung zumindest für NO und NL eine Patentverletzung nicht in Betracht kommen:
https://octrooifabriek.blogspot.com/2016/01/patent-tip-extend-of-offshore-patents.html
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Also wenn hohe See i.S.d. UN Seerechtsübereinkommen verstanden wird, dann sollte nach dieser Zusammenstellung zumindest für NO und NL eine Patentverletzung nicht in Betracht kommen:
https://octrooifabriek.blogspot.com/2016/01/patent-tip-extend-of-offshore-patents.html

So eindeutig finde ich es nicht. Zunächst ist da mal die Frage nach dem Flaggenstaat des Schiffs, auf dem oder von dem aus das Verfahren durchgeführt wird. Der Link sagt ja, dass die Staaten die Verwaltungs- und Rechtsprechungshoheit über Schiffe unter ihrer Flagge haben (und das deutsche Strafrecht zumindest gilt definitiv auf Schiffen deutscher Flagge, auch wenn sie sich auf hoher See befinden). Man könnte also durchaus versuchen, ein Patent aus dem Flaggenstaat des verletzenden Schiffs durchzusetzen. Das kann ein Verletzer natürlich leicht umgehen, indem er eine Flagge nimmt, wo kein Patentschutz besteht. Wer hat schon Patentschutz in Panama oder Palau?

Ansonsten ist zu bedenken, dass nach Öl meines Wissens nicht in der "richtigen" hohen See gebohrt wird, sondern auf dem Kontinentalschelf, allein schon wegen der Tiefe des Meeres. Das wird also meist in der ausschließlichen Wirtschaftszone eines Staates stattfinden oder zumindest auf seinem Kontinentalschelf, und da scheinen ja zumindest die Niederlande kein Problem damit zu haben, Verfahrenspatente durchzusetzen.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Der Link sagt ja, dass die Staaten die Verwaltungs- und Rechtsprechungshoheit über Schiffe unter ihrer Flagge haben (und das deutsche Strafrecht zumindest gilt definitiv auf Schiffen deutscher Flagge, auch wenn sie sich auf hoher See befinden).

Der Link sagt aber auch, dass dies im deutschen Recht nach h.M. mittels einer Erstreckungsklausel explizit geregelt sein muss, was im PatG im Unterschied zum StGB (§§ 4ff. StGB) gerade nicht der Fall ist, so dass nach h.M. kein deutsches Patent außerhalb der deutschen 12 Meilen-Zone verletzt sein kann. Außerdem ging es hier ja auch gar nicht um deutsche Patente (NL, DK, NO war gefragt).

Durchfahrende Bohrschiffe, die mal einen Stopp einlegen, um eine Bohrung zu machen, sind auch schon etwas anderes als fest platzierte Ölbohrinseln/Bohrplattformen (die u.U. gelegentlich verschoben werden). Letztere würde ich jedenfalls nicht als Schiffe ansehen und der Artikel schließt auch nur durchfahrende Schiffe aus, weil diese wegen Art. 5ter Nr. 1 PVÜ kein ausländisches Patent verletzen können.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Durchfahrende Bohrschiffe, die mal einen Stopp einlegen, um eine Bohrung zu machen, sind auch schon etwas anderes als fest platzierte Ölbohrinseln/Bohrplattformen (die u.U. gelegentlich verschoben werden). Letztere würde ich jedenfalls nicht als Schiffe ansehen und der Artikel schließt auch nur durchfahrende Schiffe aus, weil diese wegen Art. 5ter Nr. 1 PVÜ kein ausländisches Patent verletzen können.

Auch durchfahrende Schiffe können ein Patent verletzen, sofern die Erfindung nicht "für die Zwecke des Schiffs" benutzt wird. Wenn das durchfahrende Schiff mal schnell nach Öl bohrt, wird das kaum unter den Ausschluss im PVÜ fallen.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Auch durchfahrende Schiffe können ein Patent verletzen, sofern die Erfindung nicht "für die Zwecke des Schiffs" benutzt wird. Wenn das durchfahrende Schiff mal schnell nach Öl bohrt, wird das kaum unter den Ausschluss im PVÜ fallen.

Gut, der Artikel ist diesbezüglich knapp gehalten, aber der Artikel ist ja zumindest voll angegeben.
 

PatFragen

*** KT-HERO ***
Mit der im Link dargelegten h.M. in Deutschland habe ich mal wieder meine logischen Probleme.

Wie funktioniert eine solche "Erstreckungsklausel" denn?
Eine solche Erstreckungsklausel für ein Gebiet kann man logischerweise eigentlich nur machen, wenn man die Rechtshoheit über das Gebiet hat. Dann gilt ja aber das Recht auch dort, wenn das Gebiet nicht explizit ausgenommen ist. Das ginge, ein Gebiet auszunehmen. Aber die herrschende Meinung würde ja bedeuten, dass man ein Gebiet, über das noch keine Rechtshoheit besteht, mit einer "Erstreckungsklausel" einfach in das Gebiet seiner Rechtshoheit aufnimmt. Wenn das wirklich funktioniert, würde ich einfach mal vorschlagen, dass wir entsprechende "Erstreckungsklauseln" auf alle Ölplattformen weltweit machen :).

Logisch wäre es viel sinnvoller, die entsprechenden "Erstreckungsklauseln" in anderen Gesetzen als Klarstellung aber nicht als Notwendigkeit anzusehen. Insbesondere im Zusammenhang mit dem StGB, da dort ja beispielsweise Analogien strikt ausgeschlossen sind.
 
Zuletzt bearbeitet:

Lysios

*** KT-HERO ***
Eine solche Erstreckungsklausel für ein Gebiet kann man logischerweise eigentlich nur machen, wenn man die Rechtshoheit über das Gebiet hat.

Ohne jetzt in das spannende Thema der Rechtsphilosophie und -theorie bis hin zu Platon, Aristoteles und dem Aquinaten eintauchen zu wollen, ist es denn nicht in der Praxis einfach so, dass jeder Staat alles machen kann, solange er damit nicht gegen Völkerrecht verstößt?

Vielleicht sind ja die Ausführungen des LG München zum Völkerrecht in seiner Anti-Anti-Suit Injunction Entscheidung etwas erhellend? Siehe:
https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2019-N-25536?hl=true
 

PatFragen

*** KT-HERO ***
Shit, hätte ich doch bei der Völkerrechtsvorlesung im dritten Semester besser aufpassen sollen :).
Nein jetzt erntshafter. So einfach ist das nach meinem Verständnis nicht mit den "machen können", was er will, weil es gibt ja durchaus noch nationale Grundgesetze/Verfassungen, außer beispielweise in den UK, da gibt es sowas ja nicht :).
Aber dem habe ich ja auch gar nicht widersprochen. Sondern genau auch aus diesem Grund ist doch logisch gesehen, die h.M. unsinnig. Das Völkerrecht verbietet, dass du in die Rechtshoheit eines anderen Staates eingreifst. Nur im Rahmen des Gebietes deiner eigenen Rechtshoheit, darfst du Regeln erlassen. Und deshalb ist doch gerade eine "Erstreckungsklausel" widersinnig. Dass Deutschland nicht einfach eine solche "Erstreckungsklausel" auf alle Ölplattformen weltweit machen kann, zeigt doch gerade, dass Völkerrecht einzuhalten ist und dass die von der h.M. geforderte "Erstreckungsklausel" unsinning ist. Entweder Deutschland kann das unter Einhaltung des Völkerrechts machen, dann ist die Plattform aber schon zum Gebiet der Rechtshoheit Deutschlands zugehörig und man braucht die "Erstreckungsklausel" gar nicht. Oder die Plattform ist (noch) nicht Teil des Gebiets der Rechtshoheit von Deutschland und dann würde eine solche "Erstreckungsklausel" nicht greifen, weil sie völkerrechtswidrig wäre ;-). Logisch kann Deutschland nur ein Gebiet "ausschließen" aber nicht mittels einer "Erstreckungsklausel" "einschließen". Gegen diesen logischen Widerspruch hatte sich mein Post gewandt und implizit dazu aufgefordert mir den von mir gesehenen Widerspruch zu lösen ;-).
Da hilft auch die von dir verlinkte Entscheidung gar nichts um den logischen Widerspruch zu lösen. Insbesondere versucht da ja wenn überhaupt das US Gericht in die deutsche Rechtshoheit einzugreifen und wie nicht verwunderlich haut da das deutsche Gericht sofort drauf. Insbesondere sagt es ja gleich, dass die Injuntion Entscheidung in den USA sowieso keine unmittelbaren Wirkungen in Deutschland entfalten würden. Was es natürlich nicht direkt sagt, ist dass die deutsche einstweilige Verfügung wohl auch eher keiner direkte Wirkung in den USA hat ;-). Auch das US Gericht wird sich wohl eher nicht wirklich an die eV des deutschen Gerichts halten bzw. diese berücksichtigen.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Nur im Rahmen des Gebietes deiner eigenen Rechtshoheit, darfst du Regeln erlassen. Und deshalb ist doch gerade eine "Erstreckungsklausel" widersinnig. Dass Deutschland nicht einfach eine solche "Erstreckungsklausel" auf alle Ölplattformen weltweit machen kann, zeigt doch gerade, dass Völkerrecht einzuhalten ist und dass die von der h.M. geforderte "Erstreckungsklausel" unsinning ist.

So ist die hier gemeinte Erstreckungsklausel aber gerade zu verstehen. Das Völkerrecht ist das UN Seerechtsübereinkommen. Und das Thema Erstreckungsklausel wurde intensiv diskutiert. Siehe z.B. Böttcher: Das Meer als Rechtsraum – Anwendbarkeit deutschen Sachenrechts auf Offshore-Windkraftanlagen und Möglichkeiten der Kreditsicherung, RNotZ 2011, 589 (abrufbar in Beck Online):

"Das liegt für im Gebiet des Meeres errichtete Windkraftanlagen nicht unmittelbar auf der Hand. Hier ist die entscheidende Frage, welches Recht auf diese Anwendung findet. Denn eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung im Sinne einer Erstreckungsklausel, nach auf „deutsche” Offshore-Windkraftanlagen deutsches Recht anwendbar wäre, gibt es in Deutschland – anders als beispielsweise in Rumänien – gegenwärtig nicht.
...
Dieser definiert die ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) als ein jenseits des Küstenmeers gelegenes und an dieses angrenzendes Gebiet, das der in diesem Teil festgelegten besonderen Rechtsordnung unterliegt, nach der die Rechte und Hoheitsbefugnisse des Küstenstaats und die Rechte und Freiheiten anderer Staaten durch die diesbezüglichen Bestimmungen des SRÜ geregelt werden. In der AWZ besitzt der Küstenstaat keine volle Souveränität, sondern gemäß Art. 56 SRÜ lediglich souveräne Rechte zum Zweck der Erforschung und Ausbeutung, Erhaltung und Bewirtschaftung der lebenden und nicht lebenden natürlichen Ressourcen der Gewässer über dem Meeresboden, des Meeresbodens und seines Untergrunds sowie hinsichtlich anderer Tätigkeiten zur wirtschaftlichen Erforschung und Ausbeutung der Zone wie der Energieerzeugung aus Wasser, Strömung und Wind. Aber auch Hoheitsbefugnisse, vor allem in Bezug auf die Errichtung und Nutzung von künstlichen Inseln, von Anlagen und Bauwerken. Diese Definition zeigt bereits, dass die Rechte des Küstenstaats weniger an die Zone im räumlichen Sinn als an die dort vorhandenen Ressourcen anknüpfen. Für die Frage der (sachen)rechtlichen Behandlung von Sachen in der AWZ ist daher streng zwischen dem gebietsrechtlichen und dem nutzungsrechtlichen Status der AWZ zu differenzieren: Während die AWZ gebietsrechtlich „Niemandsland” ist, lässt sich ihr nutzungsrechtlicher Status zwischen dem maritimen Aquitorium und dem Staatengemeinschaftsraum „Hohe See” als „Meereszone sui generis” beschreiben. Insoweit überlässt das SRÜ dem jeweiligen Küstenstaat die alleinige Entscheidung, ob und wie er in der AWZ seine funktional begrenzten Hoheitsrechte ausüben will."
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Dass Deutschland nicht einfach eine solche "Erstreckungsklausel" auf alle Ölplattformen weltweit machen kann, zeigt doch gerade, dass Völkerrecht einzuhalten ist und dass die von der h.M. geforderte "Erstreckungsklausel" unsinning ist.

Da wäre ich mir nicht so sicher. Ich empfehle mal, §§5-7 des Strafgesetzbuchs durchzulesen. Deutschland erstreckt darin seine Rechtshoheit ganz nonchalant auf sämtliche Straftaten, die im Ausland an Deutschen begangen werden, auf alle Straftaten von Deutschen im Ausland, und auf einige besonders "heftige" Straftaten weltweit, egal wo und von wem sie an wem begangen werden.

Wenn also ein Ausländer im Ausland einen Terroranschlag mit einer Kernwaffe begeht oder mit Sklaven handelt, kann er nach deutschem Strafrecht verurteilt werden. Voraussetzung ist natürlich, dass ihn die deutschen Behörden in die Finger bekommen. Piraterie fällt auch darunter, deshalb konnten z.B. somalische Piraten, die auf hoher See Schiffe überfallen hatten, in Hamburg verurteilt werden. Die Frage ist also eher eine nach der Durchsetzbarkeit und damit Sinnhaftigkeit solcher Erstreckungsklauseln.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Deutschland erstreckt darin seine Rechtshoheit ganz nonchalant auf sämtliche Straftaten, die im Ausland an Deutschen begangen werden, auf alle Straftaten von Deutschen im Ausland, und auf einige besonders "heftige" Straftaten weltweit, egal wo und von wem sie an wem begangen werden.

In der Praxis muss das Problem der teilweisen Völkerrechtswidrigkeit wohl durch passende Auslegung gelöst werden. Siehe z.B. MüKoStGB/Ambos, 3. Aufl. 2017, StGB § 5 Rn. 11:
"Insoweit fordert eine völkerrechts- und damit verfassungskonforme (Art. 25 GG) Anwendung von § 5 das Vorliegen einer identischen Tatortnorm iSv § 7 (→ § 7 Rn. 5 ff.). De lege ferenda muss der Gesetzgeber also den § 5 insoweit ergänzen."
 
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