Zuständigkeit in Einspruchsverfahren

K

Kand.

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Hat sich jemand schon die jüngste Eilunterrichtung des 11. Senats des BPatG (11 W (pat) 383/06; leider noch nicht als Entscheidung im Volltext verfügbar) angesehen?

Deren Inhalt dürfte noch zahlreiche Diskussionen auslösen, denn der 11. Senat erklärt sich darin nach (vollständigem) Wegfall der Übergangsregelung aus § 147 PatG für erstinstanzliche Entscheidungen über Einsprüche als unzuständig, auch wenn diese noch zu Zeiten der in Kraft stehenden Übergangsregelung aus § 147 PatG (also vor dem 1. Juli 2006) anhängig gemacht wurden.

Was mich jedoch wundert ist, dass diese Entscheidung klar im Widerspruch zu anderen BPatG-Entscheidungen steht und dennoch die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist.

Mir schwant, dass sich nun einige Einspruchsverfahren in die Länge ziehen werden .......
 
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sichfragender schrieb:
Das ist in der Tat merkwürdig. Vor allem weil die Mitteilung
http://www.dpma.de/veroeffentlichungen/mitteilungen/mittlg2006_08.html

eindeutig besagt, dass die Zuständigkeit für vor dem 1. Jul 2006 bereits anhängige Einsprüche beim Bundespatentgericht liegt.
was das amt sagt, ist nicht gesetz! das gesetz trifft keine übergangsregelung, in der gesetzesbegründung wird sich zu diesem thema ebenfalls ausgeschwiegen. stattdessen heißt es dort nur pauschal, dass für einsprüche wieder das dpma zuständig ist.

ganz neu ist diese thematik auch nicht, da sie beim bpatg bereits sseit mehr als einem jahr diskutiert wird. allerdings hat sich bisher kein senat getraut eindeutig zu sagen, dass der gesetzgeber (mal wieder) geschlampt hat und dem dpma wollte wohl aus pragmatischen gründen auch keiner die zusätzliche arbeit aufbürden.

die begründung wird vermutlich darauf hinauslaufen, dass zpo und gvg für die frage der zuständigkeit gerade keine anwendung finden (§ 99 BPatG ... in Verfahren vor dem BPatG ...) und die gesetzesänderung insoweit eindeutig ist, da mit streichung des § 147(3) PatG gerade keine Übergangsregelung für anhängige verfahren getroffen wurde.
 
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gast II

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Gast schrieb:
sichfragender schrieb:
Das ist in der Tat merkwürdig. Vor allem weil die Mitteilung
http://www.dpma.de/veroeffentlichungen/mitteilungen/mittlg2006_08.html

eindeutig besagt, dass die Zuständigkeit für vor dem 1. Jul 2006 bereits anhängige Einsprüche beim Bundespatentgericht liegt.
was das amt sagt, ist nicht gesetz! das gesetz trifft keine übergangsregelung, in der gesetzesbegründung wird sich zu diesem thema ebenfalls ausgeschwiegen. stattdessen heißt es dort nur pauschal, dass für einsprüche wieder das dpma zuständig ist.
das Gesetz ist hier ziemlich eindeutig, vgl. http://www.bgblportal.de/BGBL/bgbl1f/bgbl104s3232.pdf

dort Artikel 1
 
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sichfragender

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Natürlich ist die Mitteilung des Präsidenten des DPMA kein Gesetz, aber es ist auch nicht nichts.

Mal abgesehen davon ist doch allein aus Gründen der Rechtssicherheit die Frage der Zulässigkeit eines Einspruchs nach der gesetzlichen Lage zum Zeitpunkt der Erhebung des Einspruchs zu beurteilen, wenn es an einer gesetzlichen Übergangs-Regelung mangelt.

Insofern ist eindeutig nach § 147 (3) a.F. das BpatG für Einsprüche zuständig, die vor dem 1. Juli 2006 anhängig waren.

Sogesehen, sehe ich auch keine Schlamperei des Gesetzgebers.
 
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Guest
In der Tat ist diese Entscheidung höchst verwunderlich. Es ist auch eine Entscheidung gegen den klaren Wortlaut des bis zum 30.06.06 geltenden § 147 (3) Nr.1 PatG.

Die Begründung, dass der Grundsatz "perpetuatio fori" in diesem Fall nicht gilt, ist meiner Ansicht nach aus weiteren Gründen sehr fragwürdig:

Das § 147 (3) Nr.1 Patentgesetz nicht mehr gilt, ist klar. Der Gesetzgeber hat diesen aber bereits bei seiner Einführung als Übergangsvorschrift geschaffen, also in dem Bewußtsein, dass er eines Tages wegfallen würde. Vor diesem Hintergrund wurde § 147 (3) Nr.1 bewußt so formuliert, dass für Einsprüche bis zum Stichtag das BPatG zuständig sein soll. Wenn ein solcher Paragraph im Hinblick auf einen später gewollten Wegfall so formuliert wird, kann es nicht sein, dass man hinterher eine Übergangsvorschrift fordert, die die bereits bewußt im Hinblick auf den späteren Wegfall formulierte Norm für eben diesen Wegfall erneut regelt.

Außerdem ist Sinn und Zweck des Grundsatzes "perpeuatio fori" gerade die Verfahrensökonomie. Wie ist es aber nun um diese bestellt? Alle beim BPatG anhängigen und noch nicht entschiedenen Einsprüche wandern zurück ans DPMA oder wie? Was sollen die Beteiligten dazu sagen, deren Verfahren kurz vor dem Abschluss steht?

Das Argument des Verstoßes gegen die verfassungsmäßige Garantie auf einen geseetzlichen Richter ist ein Witz. Im meinem Amtsjahr, als § 147 PatG noch in Kraft war, wurde jegliche Diskussion hierüber von den Richtern grundsätzlich abgebügelt (siehe auf Jahresbericht BPatG 2006, S.34).

Meines Wissesn wurde der Paragraph eingeführt, weil das DPMA zu viel und das BPatG zu wenig zu tun hatte. Entweder der Leitsatz ist mißverständlich formuliert oder die Richter am BpatG wollen wohl doch nicht so viel arbeiten ...
 
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Es stellt sich für mich im Hinblick auf die Mitteilung des Präsidenten und die damit eindeutig einhergehende Selbstbindung der Verwaltung auch die Frage, was ein Einsprechender, der im Vertrauen auf diese Mitteilung einen Einspruch vor dem 30.06.06 nur eigelegt hat, weil er zwar eine lange, aber keine ewige zwei Instanzen dauernde Verfahrendauer zu erwarten hatte, nun machen kann. Was ist, wenn sein bisher vor dem BPatG anhängiger Einspruch schon fast entscheidungsreif ist und nun zurückverwiesen wird?

Das BPatG hat einmal mehr wenig Fingerspitzengefühl bewiesen.
 
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Gast schrieb:
Das § 147 (3) Nr.1 Patentgesetz nicht mehr gilt, ist klar. Der Gesetzgeber hat diesen aber bereits bei seiner Einführung als Übergangsvorschrift geschaffen, also in dem Bewußtsein, dass er eines Tages wegfallen würde. Vor diesem Hintergrund wurde § 147 (3) Nr.1 bewußt so formuliert, dass für Einsprüche bis zum Stichtag das BPatG zuständig sein soll. Wenn ein solcher Paragraph im Hinblick auf einen später gewollten Wegfall so formuliert wird, kann es nicht sein, dass man hinterher eine Übergangsvorschrift fordert, die die bereits bewußt im Hinblick auf den späteren Wegfall formulierte Norm für eben diesen Wegfall erneut regelt.
die schlampigkeit besteht darin, den § 147(3) gestrichen zu haben. hätte man ihn einfach noch ein paar jahre stehen gelassen, wäre die zuständigkeit des bpatg für die "altfälle" geregelt gewesen, neue einsprüche wären wegen der zeitlichen begrenzung wieder ans dpma gegangen. die regelung wurde aber stattdessen bewußt gestrichen, die zuständigkeit des bpatg also durch den gesetzgeber rückgängig gemacht. insofern ist auch die diskussion eines allgemeinen grundsatzes fragwürdig, wenn der gesetzgeber sich gerade dagegen entscheidet.

im übrigen war diese problematik in dem zuständigen referat des bundesjustizministeriums vor der letzten lesung des bundestags zu der gesetzesänderung bekannt
 
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Guest
Gast schrieb:
Es stellt sich für mich im Hinblick auf die Mitteilung des Präsidenten und die damit eindeutig einhergehende Selbstbindung der Verwaltung
soll das heißen der präsident des dpma soll eine gerichtliche instanz binden?

Gast schrieb:
Das BPatG hat einmal mehr wenig Fingerspitzengefühl bewiesen.
endlich haben mal wieder richter nach gesetz und ihrem gewissen entschieden und sich nicht von irgendwelchen mitteilungen des oder dgl. beeinflussen lassen, auch wenn dies im einzelfall für die verfahrensbeteiligten lästig sein möge.
 
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sichfragender

Guest
Ich wundere mich gerade ein wenig über die Pro-Entscheidungskommentare. Es gibt m.E. ein recht wichtiges Institut im Rechtswesen und das heißt "Vertrauensschutz".

Wie oben schon ausgeführt wurde, ist es doch mehr als unbillig, dass ein Einspruchsverfahren, das womöglich schon entscheidungsreif ist, jetzt plötzlich wieder an das DPMA zurückverwiesen werden soll.

Natürlich ist es grundsäztlich auch im Verwaltungsrecht möglich Gesetzesänderungen rückwirkend zu beschließen. Aber im vorliegenden Fall gibt es gar keinen Hinweis darauf, dass die Gesetzesänderung rückwirkend gelten soll.

Außerdem ist es mehr als fraglich, wie hier die Prüfung der Zuständigkeit erfolgt ist. Das der Entscheidung zugrundeliegende Einspruchsverfahren war ja vor dem 1. Juli 2006 anhängig. D.h. die Frage der Zuständigkeit wurde im Zweifelsfall vor dem 1. Juli 2006 geklärt, d.h. zu einem Zeitpunkt zu dem § 143 (3) noch in Kraft war. Danach (!) wurde das Gesetz geändert.

D.h. in der obigen Entscheidung wird automatisch davon ausgegangen, dass die Gesetzesänderung eine ex tunc Wirkung entfaltet. Oder der Gedanke dahinter ist, dass die Zuständigkieit ständig neu ermittelt werden muss. Degegen spricht wiederum der Rechtsgedanke "perpetuatio fori".

Wie man es dreht und wendet - es bleibt eine kuriose Entscheidung.

Die Argumentation mit dem Gebot des gesetzlichen Richters kann ich erst recht nicht nachvollziehen. Zur Zeit der Einlegung des Einspruches war der gesetzliche Richter der entsprechende Senat. Durch die obige Entscheidung ist dem Einsprechende gerade der gesetzliche Richter entzogen worden. Soviel ich weiß, gelten Prüfer beim DPMA nicht als gesetzliche Richter i.S.d. Art. 101 GG. Oder liege ich da etwa falsch?
 
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gast

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sichfragender schrieb:
Natürlich ist es grundsäztlich auch im Verwaltungsrecht möglich Gesetzesänderungen rückwirkend zu beschließen. Aber im vorliegenden Fall gibt es gar keinen Hinweis darauf, dass die Gesetzesänderung rückwirkend gelten soll.
von rückwirkender geltung spricht auch niemand. es geht hier um die wirkung ab inkraftreten des gesetzes.

sichfragender schrieb:
Außerdem ist es mehr als fraglich, wie hier die Prüfung der Zuständigkeit erfolgt ist. Das der Entscheidung zugrundeliegende Einspruchsverfahren war ja vor dem 1. Juli 2006 anhängig. D.h. die Frage der Zuständigkeit wurde im Zweifelsfall vor dem 1. Juli 2006 geklärt, d.h. zu einem Zeitpunkt zu dem § 143 (3) noch in Kraft war. Danach (!) wurde das Gesetz geändert.

D.h. in der obigen Entscheidung wird automatisch davon ausgegangen, dass die Gesetzesänderung eine ex tunc Wirkung entfaltet. Oder der Gedanke dahinter ist, dass die Zuständigkieit ständig neu ermittelt werden muss. Degegen spricht wiederum der Rechtsgedanke "perpetuatio fori".

Wie man es dreht und wendet - es bleibt eine kuriose Entscheidung.

Die Argumentation mit dem Gebot des gesetzlichen Richters kann ich erst recht nicht nachvollziehen. Zur Zeit der Einlegung des Einspruches war der gesetzliche Richter der entsprechende Senat. Durch die obige Entscheidung ist dem Einsprechende gerade der gesetzliche Richter entzogen worden. Soviel ich weiß, gelten Prüfer beim DPMA nicht als gesetzliche Richter i.S.d. Art. 101 GG. Oder liege ich da etwa falsch?
die frage, die hierbei im raume steht ist u.a. auch die, wann die zuständigkeit des bpatg begründet wurde. schließlich war auch unter geltung des §147(3) der einspruch beim dpma einzulegen...

dass durch die rückverweisung der sache ans dpma der gesetzliche richter entzogen sein soll, kann ich nicht ganz nachvollziehen. die entscheidung des dpma ist ja anschließend durch die beschwerde zum bpatg durch ein gericht kontrollierbar.

in jedem fall dürfte die schriftliche begründung sicherlich interessant und eine spannende diskussion auslösen...
 
K

Kand.

Guest
Auch für mich ist die Entscheidung beim besten Willen nicht nachvollziehbar, wenngleich man - rein formaljuristisch - zugestehen sollte, dass sich in der jetzt gültigen Gesetzeslage keine Grundlage für eine erstinstanzliche Entscheidung des BPatG findet (sofern nicht der SOnderfall des § 61 II PatG vorliegt). Insoweit hat der Gesetzgeber unsauber gearbet.

Nichtsdestotrotz halte ich den Grundsatz des Fortbestehens einer einmal begründeten Zuständigkeit im vorliegenden Fall eher anwendbar, als der Grundsatz des Anspruchs auf einen gesetzlichen Richter.

Eine Patentabteilung kann nicht einem gesetzlichen Richter gemäß Art. 101 GG gleichgesetzt werden. Daran kann auch die gerichtsähnliche Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens vor dem DPMA nichts ändern, denn Art. 101 spricht - mit Recht - nicht davon, dass sich keiner seinem gestzlich zugeordneten Beamten entziehen darf!!!!

Ich glaube der 11. Senat hat eine Schlampigkeit des Gesetzgebers erkannt und die Gelegenheit gesehen, sich zahlreicher Akten zu entledigen. Wenn dann - in ca. 2 Jahren - die jetzt vielleicht schon entscheidungsreifen Einsprüche endlich vom DPMA entschieden sind und der 11. Senat für die Beschwerde zuständig wird, dann erklären sich die Richter für befangen, da sie schon mal mit dem Fall befaßt waren. So kann man sich für mehrere Jahre die Aktenregale frei halten :)
 
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