DE Widerrechtliche Entnahme?

Hans35

*** KT-HERO ***
Ein hypothetischer Fall:

Die Fa. A meldet am 1.1.2000 eine Erfindung, sagen wir ein Arzneimittel, in DE zum Patent an, die Anmeldung DE1.

Im Februar 2000 macht Fa. A einen (am besten notariellen) Vertrag mit ihrer Konzernmutter KA, gemäß dem alle Rechte aus der Anmeldung auf diese übergehen. Innerhalb des Prio-Jahres wird von KA die US1 angemeldet, und vielleicht noch mehr. Aber es wird "vergessen" die DE1 auf KA umschreiben zu lassen. (Alternativ kann DE1 auch durch Nichtzahlung der Anmeldegebühr fallengelassen werden.)

Nun reicht A am 1.1.2001 dieselbe Anmeldung (DE1) noch einmal als DE2 ein, und zwar unter Inanspruchnahme der inneren Priorität aus der DE1. Anmelderidentität ist offensichtlich gegeben. Die Inanspruchnahme der Priorität ist wirksam, DE1 gilt als zurückgenommen. KA als neuer Inhaber aller Rechte schweigt dazu.

Nach 7 Jahren (am 1.1.2008) wird für DE2 Prüfungsantrag gestellt, und, sagen wir, 3 Jahre später wird das Patent erteilt und die PS erscheint am 1.7.2011. Die Einspruchsfrist endet am 1.4.2012.

Jetzt tritt KA auf die Bühne, legt seinen notariellen Vertrag vor und erhebt Einspruch wegen widerrechtlicher Entnahme, denn A war nicht berechtigt, die Anmeldung DE2 zu tätigen. Nach 3 Jahren Einspruchsverfahren wird das Patent DE2 am 1.4.2015 wegen der klaren widerrechtlichen Entnahme widerrufen, und nach § 7 PatG hat KA nun das Recht, innerhalb eines Monats, also bis zum 1.5.2016 eine Anmeldung DE3 mit der Priorität von DE2 (die ihrerseits die Priorität aus DE1 in Anspruch nimmt) anzumelden.

Auf diese Art erhält KA also ein Patent DE3, das, ab dem 1.5.2016 gerechnet, 20 Jahre läuft, also bis zum 1.5.2036 und zwar für eine Erfindung, die erstmals am 1.1.2000 offenbart wurde.

Patentdauer für ein Arzneimittel 36 Jahre! Eine tolle Sache oder? Gibt es da einen Denkfehler? Bei "widerrechtlicher Entnahme" denkt man ja immer, dass die Erfindung "geklaut" wurde und nicht, dass auch alles abgesprochen sein könnte.
 
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Asdevi

*** KT-HERO ***
Nein, kein Denkfehler.

Ich habe genau dieses "Schlupfloch" im Amtsjahr mit meinem ausbildenden Richter diskutiert. Er war auch der Ansicht, dass sich durch solche "widerrechtlichen Entnahmen" die Schutzdauer verlängern lässt.

Das Risiko ist halt immer, dass beide Parteien mitspielen müssen. Wenn A die Anmeldung fallen lässt oder das Erteilungsverfahren in den Sand setzt, kriegt KA gar nichts. Da muss man sich schon bedingungslos vertrauen.

Außerdem ist wohl nicht ganz gleichgültig, wie das Verhältnis von A und KA ist. Wenn sie formal nichts miteinander zu tun hätten, würde es funktionieren. Wenn KA aber die Konzernmutter ist, steht eine konkludente Rückübertragung des Prioritätsrechts im Raum. Die kann nach BGH "Fahrzeugscheibe" ja formlos erfolgen. Die Konzernmutter (die vermutlich die Konzerntochter über Mehrheit der Anteile kontrolliert) müsste also glaubhaft belegen, dass die DE2 gegen ihren Willen angemeldet wurde. Insbesondere bei gemeinsamen Personen im Aufsichtsrat/Vorstand könnte das schwierig werden.
 
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Hans35

*** KT-HERO ***
Eine "konkludente" Rückübertragung des Rechts, DE2 anzumelden, würde das gewünschte Ergebnis natürlich verhindern.

Im Rahmen des Einspruchsverfahrens werden aber A und auch KA (absprachegemäß, und anders als bei BGH "Fahrzeugscheibe") übereinstimmend vortragen, dass es eine solche Rückübertragung nicht gegeben hat. Und ein Dritter, der nur das Patent beachten muss (so er überhaupt Stand der Technik hat, um einen zulässigen Einspruch hinzubekommen und am Einspruchsverfahren beteiligt zu werden), hätte idR in das Innenverhältnis zwischen A und KA ohnehin keinen Einblick, um zur Frage der Rückübertragung der Rechte irgendetwas qualifiziert vorzutragen.

Ich kann mir auch nicht recht vorstellen, dass die Patentabteilung ohne weitere Anzeichen oder gar Beweise eine Rückübertragung der Rechte nur wegen der allgemein bekannten Beziehungen zwischen A und KA unterstellt, und dass sie daraufhin das Patent trotz der vorgelegten (notariellen) Ubertragung der Rechte und der durch KA getätigten US-Anmeldung nicht widerruft. Zwar gilt die Amtsermittlung (zumindest in eingeschränktem Umfang), aber die Patentabteilung müsste dann wohl (unterstellt: im Jahre 2014) nach Zeugen für "Geschäftsgeheimnisse" zwischen A und KA aus dem Jahre 2000 suchen. Das wird sie nicht tun.

Und selbst wenn das Ganze schief geht (z.B. durch einen ausgeschiedenen Mitarbeiter als Zeugen), dann wird das Patent eben nicht widerrufen. Ein Risiko ist nicht dabei.
 

PatFragen

*** KT-HERO ***
Hier könnte man (was sonst hier in dem Forum häufig schiefgeht ;-) ) vielleicht ausnahmsweise mal an das Strafrecht und zwar § 263 StGB denken. Wenn man unterstellt, dass ein für Partei A erteiltes Patent ein Vermögensnachteil für den Dritten B darstellt, wäre vielleicht mal überlegenswert, ob dies nicht ein Betrug am DPMA/BPatG zum Schaden des Dritten B ist.

Ich sage nicht, dass es durchgeht, aber immer, wenn man zu dem Ergebnis kommt, dass etwas "schofel" wäre (oder wie Herr Pinkvoss es damals glaube ich immer ausgedrückt hat, "was würde Omma dazu sagen?"), dann sollte man durchaus auch mal an das StGB bedenken, was durchaus versucht, Verhalten das die Allgemeinheit als "schofel" ansieht, zu sanktionieren. Natürlich hätte man auch hier das Problem des Beweises (neben der Frage, ob es wirklich ein Vermögensnachteil für einen spezifischen Dritten ist). Aber prinzipiell hätte die Staatsanwaltschaft durchaus andere Möglichkeiten als Patentinhaber/Einsprechender. Und wenn es rauskäme, dass etwas in Sinne eines Prozessbetruges durchgeführt werden soll (Falschaussage, Fälschen oder Rückdatierung von Dokumenten usw.) dann könnte es kritisch werden. Und das Problem des Beweises könnte auch hinfällig werden, wenn beispielsweise ein "Ehemaliger" aussagen würde.

Man könnte das überspitzt vielleicht auch ganz anders ausdrücken ;-). Phantasievolle Menschen können sich viele Möglichkeiten ausdenken, andere bzw. die Allgemeinheit zu betrügen ;-).
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Eine tolle Sache oder? Gibt es da einen Denkfehler? Bei "widerrechtlicher Entnahme" denkt man ja immer, dass die Erfindung "geklaut" wurde und nicht, dass auch alles abgesprochen sein könnte.

Wie willst Du denn das Rechtsschutzbedürfnis für den Einspruch rechtfertigen? Es müsste doch sicher nachgewiesen werden, dass A sich weigert, die DE1 auf KA umzuschreiben? Wie kann das angehen, wenn KA doch volle Kontrolle über die A hat, wie das normalerweise anzunehmen ist?
 

Blood für PMZ

*** KT-HERO ***
Als ergänzender Aspekt sei noch festzuhalten, dass die von A und KA getroffenen Maßnahmen eine unbeabsichtigte Nebenfolge haben (könnten?): Nach der Aufgabenstellung von Hans35 ist D1 samt allem, insbesondere samt Prioritätsrecht übertragen worden, denn KA hat das Patent auch noch in anderen Ländern angemeldet.

Das weist KA im Verfahren auf widerrechtliche Entnahme auch nach, so dass es offenkundig ist.

Damit aber fällt die innere Priorität aus D1 für D2, die das DPMA mangels anderweitiger Kenntnisse gewährt hatte. Der Anmelder A von D2 hatte nicht (mehr) das Prioritätsrecht, denn er hatte es schon an KA übertragen. Also ist die Prio in D2 zu Unrecht beansprucht.

Der Zeitrang von D2 ist mithin der 1. Januar 2001, ein Jahr jünger als D1. Auch wenn das DPMA das im Einspruchsverfahren nicht berücksichtigt, wird B und jeder weitere Dritte diese Kenntnis haben, um sie gegen eine neue Anmeldung D3 einzusetzen, die keine älteren Rechte als D2 haben kann und mithin neuheitsschädlich durch D1 getroffen wäre - wenn diese noch offengelegt worden wäre, was ja leider aufgrund der Rücknahmefiktion geschickterweise nach der Aufgabenstellung von Hans35 verhindert wird.

Aber immerhin gibt es noch die Alternativen aus der Aufgabenstellung von Hans35, dass neben der nationalen US-Patentanmeldung vielleicht noch weiteres angemeldet wurde - vielleicht EP? oder PCT mit EP oder DE? Die wären nach PatG § 3 auch noch neuheitsschädlich verwendbar....

Frohes Schaffen
Blood für PMZ
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Wie willst Du denn das Rechtsschutzbedürfnis für den Einspruch rechtfertigen? Es müsste doch sicher nachgewiesen werden, dass A sich weigert, die DE1 auf KA umzuschreiben? Wie kann das angehen, wenn KA doch volle Kontrolle über die A hat, wie das normalerweise anzunehmen ist?

Wo steht denn, dass man für den Einspruch ein solches Rechtsschutzbedürfnis braucht?

Das wäre mMn widersinnig. Wenn der Berechtigte das Patent haben will, kann er eine Vindikationsklage einreichen. Der Einspruch wegen widerrechtlicher Entnahme ist für die Fälle da, in denen der Berechtigte das Patent (in dieser Form) eben nicht will. Entweder, weil er gar keinen Schutz will, oder weil er mit der erteilten Form des Patents unzufrieden ist (daher das Nachanmelderecht). Es ist absurd, ihn in dieser Situation darauf zu verweisen, die Übertragung des Patents zu verlangen.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Damit aber fällt die innere Priorität aus D1 für D2, die das DPMA mangels anderweitiger Kenntnisse gewährt hatte. Der Anmelder A von D2 hatte nicht (mehr) das Prioritätsrecht, denn er hatte es schon an KA übertragen. Also ist die Prio in D2 zu Unrecht beansprucht.
Das stimmt zwar, aber ich sehe nicht welche Rolle die Gültigkeit der Prio von D2 spielen sollte. B meldet eine neue Anmeldung D3 an, und für die beansprucht er die Prio aus D1. Und das Recht dazu hat er, denn es wurde ihm übertragen. D2 ist vernichtet, daher ist es egal, ob es eine gültige Prio hatte oder nicht.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Also im Busse zum Beispiel steht das nicht. Hast du eine Fundstelle?

Das steht dort auch. Siehe z.B. BeckOK PatR/Schnekenbühl, 11. Ed. 25.1.2019, PatG § 59 Rn. 32-31.1:

"...Nach altem Recht (vor 1981) war die Prüfung einer exceptio pacti im Rahmen der Zulässigkeit eines Einspruchs nicht anerkannt (BPatG 10, 18; PA BlPMZ 1954, 439). Der BGH sieht mittlerweile eine Berücksichtigung der exeptio pacti im Rahmen der Zulässigkeit eines Einspruchs als möglich an.

32.1 BGH GRUR 2011, 409 – Deformationsfelder; BPatG GRUR 1991, 748 (749); GRUR-Int 1997, 631; BPatG Beschl. v. 5.12.2005 – 8 W (pat) 319/03; Schulte/Moufang, 8. Aufl. 2008, Rn. 65 ff.; Kraßer PatR § 26 B II 6; Vollrath Mitt. 1982, 43 ff.; v. Maltzahn FS v. Gamm, 1990, 597 ff.; Windisch FS v. Gamm, 1990, 477 ff.; nun auch Benkard PatG/Schäfers/Schwarz Rn. 22; verneinend BPatG GRUR 2005, 182 (183); BPatG Beschl. v. 21.1.2005 – 15 W (pat) 313/02; Pitz Mitt. 1994, 239 (241); Koppe, FS 25 Jahre BPatG, 1986, 229 (244); Winterfeld FS VPP 50 Jahre, 2005, 211 ff.; nun auch Busse/Keukenschrijver Rn. 49. Hierbei wird angeführt, dass der Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB über den Wortlaut der Norm hinaus das gesamte Rechtsleben beherrsche und deshalb auch die Missbilligung eines Einspruchs, der gegen Treu und Glauben verstößt, die Unzulässigkeit des Rechtsbehelfs der Erhebung eines Einspruchs nach sich ziehen solle."
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Das steht dort auch. Siehe z.B. BeckOK PatR/Schnekenbühl, 11. Ed. 25.1.2019, PatG § 59 Rn. 32-31.1:

"...Nach altem Recht (vor 1981) war die Prüfung einer exceptio pacti im Rahmen der Zulässigkeit eines Einspruchs nicht anerkannt (BPatG 10, 18; PA BlPMZ 1954, 439). Der BGH sieht mittlerweile eine Berücksichtigung der exeptio pacti im Rahmen der Zulässigkeit eines Einspruchs als möglich an.

32.1 BGH GRUR 2011, 409 – Deformationsfelder; BPatG GRUR 1991, 748 (749); GRUR-Int 1997, 631; BPatG Beschl. v. 5.12.2005 – 8 W (pat) 319/03; Schulte/Moufang, 8. Aufl. 2008, Rn. 65 ff.; Kraßer PatR § 26 B II 6; Vollrath Mitt. 1982, 43 ff.; v. Maltzahn FS v. Gamm, 1990, 597 ff.; Windisch FS v. Gamm, 1990, 477 ff.; nun auch Benkard PatG/Schäfers/Schwarz Rn. 22; verneinend BPatG GRUR 2005, 182 (183); BPatG Beschl. v. 21.1.2005 – 15 W (pat) 313/02; Pitz Mitt. 1994, 239 (241); Koppe, FS 25 Jahre BPatG, 1986, 229 (244); Winterfeld FS VPP 50 Jahre, 2005, 211 ff.; nun auch Busse/Keukenschrijver Rn. 49. Hierbei wird angeführt, dass der Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB über den Wortlaut der Norm hinaus das gesamte Rechtsleben beherrsche und deshalb auch die Missbilligung eines Einspruchs, der gegen Treu und Glauben verstößt, die Unzulässigkeit des Rechtsbehelfs der Erhebung eines Einspruchs nach sich ziehen solle."

Ich schrieb deutlich "ein solches Rechtsschutzbedürfnis".

Dass man keine Einspruchsberechtigung hat, wenn man vertraglich darauf verzichtet hat, ist mir auch klar. Aber dass der von der widerrechtlichen Entnahme Betroffene erstmal die Übertragung des Patents verlangen muss, bevor er Einspruch einlegen darf, steht nirgends. Und ich habe auch begründet, warum ein solches Erfordernis vollkommen widersinnig wäre.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Aber dass der von der widerrechtlichen Entnahme Betroffene erstmal die Übertragung des Patents verlangen muss, bevor er Einspruch einlegen darf, steht nirgends. Und ich habe auch begründet, warum ein solches Erfordernis vollkommen widersinnig wäre.

Für mich ist das leider nicht nachvollziehbar, wie das bei einem offensichtlichen Rechtsmissbrauch widersinnig wäre.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Für mich ist das leider nicht nachvollziehbar, wie das bei einem offensichtlichen Rechtsmissbrauch widersinnig wäre.

Wenn der Rechtsmissbrauch offensichtlich ist, weil A und B das gemeinsam geplant haben, ist schlicht der Einspruch wegen fehlender widerrechtlicher Entnahme zurückzuweisen.

Dein "Hilfskonstrukt", dass ein Einspruch wegen widerrechtlicher Entnahme generell eine gescheiterte Forderung auf Übertragung des Patents benötige, um zulässig zu sein, lässt §7 II aber generell zur Makulatur werden. Denn der ist für die Fälle gedacht, in denen dem Betroffenen mit einer Patentübertragung eben nicht geholfen ist.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Dein "Hilfskonstrukt", dass ein Einspruch wegen widerrechtlicher Entnahme generell eine gescheiterte Forderung auf Übertragung des Patents benötige, um zulässig zu sein, lässt §7 II aber generell zur Makulatur werden.

So "generell" habe ich das doch aber nicht gesagt? Wenn Du es so verstanden hast, dann war das jedenfalls nicht meine Absicht und ich habe mich wohl missverständlich ausgedrückt. Gemeint war von mir jedenfalls nur, dass in bestimmten Umständen, wie oben bereits zitiert,

"der Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB über den Wortlaut der Norm hinaus das gesamte Rechtsleben beherrsche und deshalb auch die Missbilligung eines Einspruchs, der gegen Treu und Glauben verstößt, die Unzulässigkeit des Rechtsbehelfs der Erhebung eines Einspruchs nach sich ziehen solle."

Als Hilfskonstrukt würde ich es aber trotzdem nicht sehen, da es eine Zulässigkeitsfrage ist, die natürlich vor der Begründetheit zu prüfen wäre. Und es kann doch dann trotzdem prinzipiell eine widerrechtliche Entnahme sein?

Und Du hast ja mit der konkludenten Übertragung sogar selbst eine exeptio pacti ins Spiel gebracht.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
@ Asdevi (#14)

A müsste sich gar nicht auf das Einspruchsverfahren einlassen, sondern könnte sofort nach Zustellung des Einspruchsschriftsatzes auf das Patent verzichten. Auch das würde KA das Recht auf die Nachanmeldung DE3 einbringen (§ 7 Abs. 2 PatG). Wenn A alles sofort einräumt, dann kann die Patentabteilung gar nicht die Echtheit der Übertragung der Rechte auf KA überprüfen, und hätte vielleicht noch nicht einmal die Möglichkeit festzustellen, ob der Einspruch überhaupt zulässig war, oder?


@Blood für PMZ (#6)

Die Priorität spielt zunächst keine Rolle, weil (voraussetzungsgemäß) ohne Weiteres Anmelderidentität gegeben ist. Im Einspruch wird DE2 dann widerrufen, ohne dass zuvor die Priorität aus DE1 mangels Anmelderidentität irgendwie verloren geht, denn A ist und bleibt Anmelder von DE1 und auch von DE2 – bis zum Widerruf ex tunc – und gilt daher nach § 7 Abs. 1 PatG als berechtigt. Danach wird DE3 angemeldet und dort wird "die Priorität des früheren Patents" in Anspruch genommen, also die aus DE1, wobei im Einspruchsverfahren DE2 auch die Übertragung der Prioritätsrechte von A auf KA nachgewiesen wird, so dass dann in DE3 die Priorität aus DE1 ebenfalls nicht mangels Anmelderidentität fällt. Die Anmeldung US1 ist nicht einmal ein Indiz dafür, dass für DE1/DE2 die Anmelderidentität nicht gegeben ist.

Beim "Prioritätsrecht" geht es nie um das Recht, eine Anmeldung zu tätigen, sondern immer nur um den Nachweis, dass die Nachanmeldung auf derselben Erfindung beruht wie die "Erstanmeldung", und das führt auch lediglich zu der Folge, dass der Stand der Technik aus dem Prioritätsintervall für einen Einsprechenden unbrauchbar wird. Das ist offensichtlich (und kann nicht widerlegt werden), wenn die Anmelder identisch sind. Andernfalls würde es bedeuten, dass dieser Anmelder und ggf. sein Erfinder nicht nur alle Unterlagen über die Erstanmeldung nicht mehr haben, sondern auch noch an Amnesie leiden und danach die Erfindung ein zweites Mal gemacht haben. Das bloße Übertragen von Rechten bewirkt jedenfalls keine solche Amnesie, das braucht sich kein Anmelder nachsagen lassen.

DE1 (oder irgendetwas anderes aus dem Prioritätsintervall) ist daher weder für DE2 noch für DE3 Stand der Technik.


@ PatFragen (#4)

Du gehst also davon aus, dass KA mit seinem Einspruch bei der Patentabteilung "durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt".

Ich sehe noch nicht, was hier solche "Tatsachen" sein sollen. Die stillschweigende Rückübertragung der Rechte? Ist das überhaupt eine "Tatsache"? Es war doch gerade der Wille der Beteiligten gewesen, die Rechte nicht zurück zu übertragen, sondern die Anmeldung DE2 "widerrechtlich" anmelden zu lassen. So ist es gemacht worden, und nichts anderes wird im Einspruch vorgetragen.

Und wer ist der "Täter"? Die Beteiligten von A und KA an der Absprache Ende 1999? Der Mitarbeiter von A, der am 1.1.2001 die DE2 widerrechtlich einreicht? (Dem hat man vielleicht garnichts von dem Dokument im Tresor erzählt.) Oder gar erst der Mitarbeiter der Einsprechenden KA, der 2012 einen Patentanwalt mit dem Einspruch beauftragt?

Im Übrigen noch ein paar Anmerkungen:

Der Fall ähnelt ja vielleicht eher einer Erbschaft, die voraussetzt, dass der Erbe an seinem 30. Geburtstag verheiratet ist. Ist eine entsprechend rechtzeitige Eheschließung (incl. der Vereinbarung, sich später wieder scheiden zu lassen und den Reibach zu teilen) schon Betrug an dem, der sonst erbt?

Insbesondere im Steuerrecht wird doch vieles nur gemacht, um Steuern zu sparen, indem man sich so verhält, dass gesetzliche Voraussetzungen erfüllt werden. Da ist m.W. noch nie jemand wegen "Betrug" (am Steuerzahler) verurteilt worden. Der einzige Ansatzpunkt ist immer nur das "Schließen von Schlupflöchern" durch den Gesetzgeber.

In unserem Beispiel (Arzneimittel zu Monopolpreisen) wäre das Verhalten von A und KA letztlich hauptsächlich zum Nachteil der Krankenkassen und damit auch zum Nachteil der Allgemeinheit in einem Umfang, den der Gesetzgeber wohl so nicht gewollt hat.
 

PatFragen

*** KT-HERO ***
@ Hans,
Also ganz so problematisch, wie du das siehst, wäre es jetzt doch nicht. Aber ich hatte ja schon gesagt, man sollte mal drüber nachdenken, nicht dass es auf alle Fälle durchginge ;-).
Aber wir kommst du darauf, dass ich davon ausgehen würde, dass die Einlegung des Einspruchs die Täuschung darstellen soll? Frag dich einfach, wann wird in dem Fall getäuscht? Liegt das nicht auf der Hand?
Wenn wir aber schon anfangen müssen zu klären, was eine Tatsache im Sinne des § 263 StGB ist, dann wird es womöglich mühsam :). Tatsachen im Sinne des § 263 StGB sind „konkrete Zustände oder Vorgänge aus Gegenwart und Vergangenheit, die dem Beweis zugänglich sind“. Der Anmelder gibt vor, dass ein Prioritätsrecht vorliegt. Ob ein solches vorliegt oder nicht ist dem Beweis zugänglich. „Zugänglich“ heißt hier nur ein prinzipiell möglich und schließt Beweisprobleme nicht aus. Also das ist nicht wirklich ein Problem eine Tatsache zu identifizieren, über die der Anmelder täuscht.

Als nächstes musst du den Irrtum identifizieren, dem das Amt, verursacht durch die Täuschung, unterliegt. Da böte sich mal ganz einfach an, dass es sich darüber irrt, was der Zeitrang der Anmeldung und damit der entgegenzuhaltende Stand der Technik ist. Da sehe ich auch nicht wirklich ein Problem.

Jetzt kommt es zu dem eigentlichen Problem der Sache, nämlich die Vermögensverfügung des Amtes auf Grunde dessen es zu einem Vermögensnachteil kommt. Also eine Verfügung die unmittelbar das Vermögen des Getäuschten oder auch irgendeines Dritten (das ist für§ 263 egal) schädigt. Wenn man jetzt (wie in meinem letzten Post geschrieben) annimmt, dass bereits die Erteilung des Patents eines Patents ein Vermögensnachteil für einen Dritten, z.B. Mitbewerber, darstellt, dann ist auch die entsprechende Vermögensverfügung ganz einfach zu finden, nämlich die durch den Irrtum über den tatsächlichen Zeitrang der Anmeldung getroffene Vermögensverfügung der Patenterteilung, das Patent zu erteilen, was es bei nicht Vorliegen des Irrtums natürlich nicht erteilt hätte. Interessant wäre auch noch darüber nachzudenken, ob im Falle einer bereits vorhandenen Verletzungshandlung durch den Dritten, der dem Grunde nach sofort mit Patenterteilung entstandener Schadensersatzanspruch ein solcher unmittelbarer Vermögensschaden im Sinne des § 263 wäre. Das ist in meinen Augen durchaus auch überlegenswert ;-). Ich glaube über den „Vermögensvorteil“ brauchen wir nicht wirklich zu reden, da böte sich die „Verlängerung“ des Patentschutzes an ;-).

Das „Wer“ des § 263 stellt wiederum in meinen Augen eher kein Problem dar. Da hilft einem womöglich der allgemeine Straftrechtsteil nämlich § 25 StGB weiter ;-). Immer einfach mal an die Strafrechtsvorlesung zum allgemeinen Strafrecht zurückdenken ;-). Täter ist immer der, der die Täuschung begeht, unabhängig ob selbst als unmittelbarer Täter, oder ob er sich als mittelbarer Täter der Hilfe eines Werkzeuges, d.h. Angestellten/Patentanwalt, im Sinne des StGB bedient, von dem er weiß, dass er, weil er die Hintergründe nicht kennt, die Täuschung nicht erkennen kann und damit den Verfügenden täuscht.

Wie auch schon gesagt, besteht natürlich ggf. auch das Problem wie gut man das ganze Beweisen kann, d.h. die Staatsanwaltschaft ihrer Beweispflicht nachkommen kann. Das gilt natürlich auch wie üblich für den Vorsatz. Aber der ist eigentlich nach der Konstruktion deines Falles recht deutlich gegeben ;-).

Nochmals. Das alte Strafrecht ist durchaus sinnvoll aufgebaut und versucht alles, was die Allgemeinheit als „schofel“ einstufen würde, unter Strafe zu setzen. Problematischer wird es, wenn es Straftatbestände betrifft, welche man sich im 19. Jahrhundert noch nicht wirklich vorstellen konnte ;-). Also immer überlegen, hält man das Ganze für „sauber“ oder „schofel“. Mir erscheint es etwas, dass heutzutage das Recht- bzw. das Rechtsempfinden der Allgemeinheit etwas errodiert wird, indem man alles mal austestet bzw. meint, was nicht bestraft wird, ist auch OK. Das mag kurzfristig für den einzelnen einen positiven Effekt haben. Auf Dauer besteht da aber die große Gefahr, dass das gesamte Rechtssystem errodiert wird, was dann eher negativ ist.

Bei der Erbschaft ist für die Strafverfolgung das Problem, wie durchaus üblich im Strafrecht, die „Absicht“ des Täuschenden nachzuweisen. Wenn da aber eine schriftliche Abmachung über die Trennung auftaucht, in der womöglich auch noch drinsteht, dass man das Ganze nur gemacht hat, um sich das Erbe zu teilen, dürfte der Fall, nach meiner Ansicht, sowohl strafrechtlich als auch zivilrechtlich recht eindeutig ausgehen ;-). Man könnte je nach Formulierung und damit Wirkung der Bedingung im Einzelfall vielleicht noch daran denken, ob diese vielleicht sittenwidrig wäre.
Bei der Steuer hast du im Zusammenhang des § 263 StGB eher ein ganz anderes Problem. Solange du kein Reichsbürger bist, und meinst Deutschland sei eine GmbH, hast du das Problem, dass die Allgemeinheit bzw. der Staat wohl eher kein „anderer“ im Sinne des § 263 StGB ist ;-). Dies dürfte mit ein Grund gewesen sein, dass extra der § 370 AO eingeführt wurde, der die Folgen einer Verkürzung von Steuern betrifft. Und wenn du dich nach den gesetzlichen Vorgaben verhältst (wie du schreibst), warum solltest du dann täuschen ;-)?

Wen man womöglich als „anderen“ in deinem Beispiel ansehen kann, steht ja oben schon ausführlicher erklärt. Da brauch ich keine Krankenkasse ;-).
 

Lysios

*** KT-HERO ***
A müsste sich gar nicht auf das Einspruchsverfahren einlassen, sondern könnte sofort nach Zustellung des Einspruchsschriftsatzes auf das Patent verzichten. Auch das würde KA das Recht auf die Nachanmeldung DE3 einbringen (§ 7 Abs. 2 PatG). Wenn A alles sofort einräumt, dann kann die Patentabteilung gar nicht die Echtheit der Übertragung der Rechte auf KA überprüfen, und hätte vielleicht noch nicht einmal die Möglichkeit festzustellen, ob der Einspruch überhaupt zulässig war, oder?

Ob der Einspruch zum Verzicht geführt hat, unterliegt der freien Beweiswürdigung. Bei einem offensichtlich rechtsmissbräuchlichen Einspruch wie in der Konstellation Konzernmutter und Konzerntochter wird das daher nicht helfen.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Verstehe ich das richtig:

KA legt im Einspruch den notariellen Vertrag vor, des Inhalts, dass A (u.a.) nicht zur Anmeldung von DE2 berechtigt war, A erkennt den Vertrag an und verzichtet auf das Patent DE2, und KA meldet dann die DE3 unter Berufung auf § 7 Abs. 2 PatG an.

Und dann kommt der Prüfer, findet (sicher problemlos) Stand der Technik aus der Zeit vor dem Anmeldetag von DE3 und sagt, die Entnahmepriorität sei nicht zu Recht in Anspruch genommen worden. Dafür hat er die Rechtsbeziehungen zwischen A und KA recherchiert und macht nun geltend, der vorliegende notarielle Vertrag sei als sittenwidrig unwirksam, trotz bestehen bleibender Auswirkungen auf andere Anmeldungen, z.B. die US1. Oder der Einspruch, der zum Verzicht auf DE2 geführt hat, wäre nicht "wirklich" auf eine widerrechtliche Entnahme gestützt gewesen. – Soetwas wird der Prüfer sicher nicht tun, die Amtermittlung gibt das nicht her.

Eher wird das alles ein Dritter, z.B. eine (finanziell potente) Krankenkasse, im Einspruchsverfahren gegen DE3 vorbringen, und da können dann auch frei alle möglichen Beweise geführt werden. Ich vermute mal, erst das ist der Zeitpunkt, wo die ganze Absprache scheitern kann und wohl auch wird. Und DE2 ist dann jedenfalls auch weg.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Dafür hat er die Rechtsbeziehungen zwischen A und KA recherchiert und macht nun geltend, der vorliegende notarielle Vertrag sei als sittenwidrig unwirksam, trotz bestehen bleibender Auswirkungen auf andere Anmeldungen, z.B. die US1.

Hier geht die Phantasie jetzt wirklich mit Dir durch. Nirgendwo war die Rede von "sittenwidrig" und schon gar nicht in Bezug auf diesen Vertrag.

Die Konzernbeziehung ist i.d.R. offensichtlich. Wenn man sich natürlich "kriminelle" Mühe gibt, das zu verstecken, dann ist das natürlich etwas anderes.

Bei offensichtlicher Konzernbeziehung sagt doch schon die allgemeine Lebenserfahrung, dass die Konzernmutter ihre Konzerntochter kontrolliert. Nichts anderes habe ich oben geschrieben. Meine Ausgangsfrage war, wie Du dann argumentieren willst, dass die Mutter nicht in der Lage ist, die Übertragung des Patents mit ihrer Tochter zu bewerkstelligen, weil diese sich weigert und die Mutter ihre eigentlich vorhandene Kontrolle nicht ausüben kann und deshalb ein Rechtsschutzbedürfnis hat und der Einspruch deshalb nicht rechtsmissbräuchlich ist, um gerade in den Vorteil der Patentlaufzeitverlängerung zu kommen? Von der konkludenten Übertragung war ja sowieso schon die Rede.
 
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