EPÜ Die erste Anmeldung - Bei verschiedenen Gegenständen

Hans35

*** KT-HERO ***
Spätestens durch DE2 gilt DE1 als zurückgenommen, egal was in DE2 beansprucht wird. DE1 wird nicht offengelegt.

DE2 wird offengelegt, aber da steht von B nichts drin. Rechte bezüglich B entstehen dadurch nicht. Die Offenbarung von B in DE1 ist Schall und Rauch geworden.

DE3 offenbart B daher nun wieder erstmals, und wenn EP1 die Priortät aus DE3 in Anspruch nimmt, erfolgt dies zu Recht, soweit B beansprucht wird.
 

Alfred

*** KT-HERO ***
@Hans35:

Also bezieht sich der Ausdruck nach A87(4) EPÜ "...und ohne dass Rechte bestehen geblieben sind" auf Rechte auf den spezifischen Gegenstand.
 

Fip

*** KT-HERO ***
In dem Fall dürfte es so sein, dass DE3 kein Prioritätsrecht generiert, dass in einer EP Anmeldung beansprucht werden könnte.


Art. 87 (4) EPÜ:
Als die erste Anmeldung, von deren Einreichung an die Prioritätsfrist läuft, wird auch eine jüngere Anmeldung angesehen [hier: DE3], die denselben Gegenstand betrifft wie eine erste ältere in demselben oder für denselben Staat eingereichte Anmeldung [hier: DE1, die auch "B" offenbart], sofern diese ältere Anmeldung [DE1] bis zur Einreichung der jüngeren Anmeldung [DE3] zurückgenommen [ja], fallen gelassen oder zurückgewiesen worden ist, und zwar bevor sie öffentlich ausgelegt worden ist [ja] und ohne dass Rechte bestehen geblieben sind [sind es aber, nämlich in DE2]; ebenso wenig darf diese ältere Anmeldung [DE1] schon Grundlage für die Inanspruchnahme des Prioritätsrechts gewesen sein[war sie aber, nämlich für DE2]. Die ältere Anmeldung kann in diesem Fall nicht mehr als Grundlage für die Inanspruchnahme des Prioritätsrechts dienen.



Art.87(4) EPÜ stellt in den hier wesentlichen Passagen auf die Anmeldung, nicht auf die Erfindung ab.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Ja, das sehe ich so, weil es jedenfalls um "denselben Gegenstand" gehen soll.

Der Worlaut von Art. 87 (4) gibt es vielleicht auch her, dass es erst ausgelegt werden muss, ob die "bestehen bleibenden Rechte" auch eine andere Erfindung (in dem Beispiel: A) betreffen könnten. Aber das halte ich allenfalls für eine Ungenauigkeit in der Formulierung, denn es hat ja inhaltlich keinen Sinn, die Patentfähigkeit von B in Abhängigkeit davon zu beurteilen, ob A weiterverfolgt wird.

Wohl ist die gegenteilige Auffassung nicht ganz von der Hand zu weisen. Aber ich kann mir auch keinen praktischen Fall vorstellen, der zu einer Gerichtsentscheidung zu dieser Frage führen könnte. Denn dafür müsste ein "Insider", der die EP1 angreifen will, wissen, dass (erstens) der Gegenstand B in der (nie offengelegten) DE1 beschrieben wurde, und dass (zweitens) in der DE2 (deren OS den Gegenstand B nicht beschreibt) die Abschrift von Prioritätsunterlagen (genauer: ein Verweis auf die noch nicht zu vernichtenden Akte der inneren Prioritätsanmeldung DE1) enthalten ist, so dass man durch Akteneinsicht zu dieser Beschreibung des Gegenstands B gelangen kann.

Der Prüfer im EPA hat jedenfalls keine entsprechenden Recherchemöglichkeiten.
 
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Fip

*** KT-HERO ***
Nun ja, es ist doch gerade der Wortlaut, der eindeutig ist und es der klar angibt, dass man auf auf die Anmeldung abstellt und nicht auf deren Inhalt bzw. auf die darin offenbarte Erfindung. Viel Raum für eine Auslegung sehe ich da ehrlich gesagt nicht.


Es ist doch dasselbe wie z.B. mit § 40 (5) PatG. Bei der gesetzlichen Rücknahmefiktion kommt es auch nicht darauf an, ob in der Nachanmeldung dieselbe Erfindung offenbart ist oder nicht. Derartige Rechtsfolgen bei Fragen der Priorität sind im Patentrecht doch eigentlich "üblich".



Und Du hast natürlich Recht, dass es für den EPA Prüfer schwer bis unmöglich zu recherchieren ist, dass Erfindung B vom selben Anmelder schon vor DE3 bereits einmal hinterlegt worden war. Aber ein Nichtigkeitskläger legt schon eine etwas andere Motivation an den Tag, als ein Prüfer beim EPA.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Na ja, so ganz dasselbe ist es bei § 40 (5) PatG nicht. Denn bei Art. 87 (4) EPÜ ginge es ja um den Verlust von Rechten den Anmelders irgendwann in der Zukuft ohne Bindung an eine Frist, und zwar durch eine Art von Stand der Technik, der gerade nicht der Öffentlickeit bekannt ist, und der nur gegen den Anmelder selbst selbst wirkt, nicht aber gegen einen Dritten.

Im Beispiel ist dieser Verlust von Rechten die Inanspruchnahme der Priorität von DE3 für EP1. Wenn diese wegen der DE1 nicht wirksam ist (und zwar hoffentlich nur die Teilpriorität für den Gegenstand B aus DE1, nicht aber für den Rest der Offenbarung in DE3 und EP1), dann steht (nach Offenlegung der DE3) für DE sogar die DE3 selbst der EP1 neuheitsschädlich entgegen. Das Ganze würde ich dann als "toxische Offenbarung in einer zurückgenommenen Anmeldung" bezeichnen.

Auch wenn diese Auslegung dem Wortlaut entspricht, halte ich sie für sinnfrei.
 
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Asdevi

*** KT-HERO ***
In dem Fall dürfte es so sein, dass DE3 kein Prioritätsrecht generiert, dass in einer EP Anmeldung beansprucht werden könnte.


Art. 87 (4) EPÜ:
Als die erste Anmeldung, von deren Einreichung an die Prioritätsfrist läuft, wird auch eine jüngere Anmeldung angesehen [hier: DE3], die denselben Gegenstand betrifft wie eine erste ältere in demselben oder für denselben Staat eingereichte Anmeldung [hier: DE1, die auch "B" offenbart], sofern diese ältere Anmeldung [DE1] bis zur Einreichung der jüngeren Anmeldung [DE3] zurückgenommen [ja], fallen gelassen oder zurückgewiesen worden ist, und zwar bevor sie öffentlich ausgelegt worden ist [ja] und ohne dass Rechte bestehen geblieben sind [sind es aber, nämlich in DE2]; ebenso wenig darf diese ältere Anmeldung [DE1] schon Grundlage für die Inanspruchnahme des Prioritätsrechts gewesen sein[war sie aber, nämlich für DE2]. Die ältere Anmeldung kann in diesem Fall nicht mehr als Grundlage für die Inanspruchnahme des Prioritätsrechts dienen.



Art.87(4) EPÜ stellt in den hier wesentlichen Passagen auf die Anmeldung, nicht auf die Erfindung ab.

Interessantes Problem. Die deutsche Version des EPÜ sagt ja noch wenigstens

"ebenso wenig darf diese ältere Anmeldung schon Grundlage für die Inanspruchnahme des Prioritätsrechts gewesen sein",

da könnte man noch Hineininterpretieren "des Prioritätsrechts für dieselbe Erfindung".

Der englische Text ist aber eindeutiger:

"and has not served as a basis for claiming a right of priority",

also jeglichen Prioritätsrechts.
 

Fip

*** KT-HERO ***
von Hans35: "... dann steht (nach Offenlegung der DE3) für DE sogar die DE3 selbst der EP1 neuheitsschädlich entgegen. Das Ganze würde ich dann als "toxische Offenbarung in einer zurückgenommenen Anmeldung" bezeichnen."

Dieser Satz ist in sich widersprüchlich. Was meinst Du?


Deiner "Aufgabenstellung" zufolge wird die DE3 nicht zurückgenommen, sondern die DE1. Oder habe ich etwas überlesen?


Zurückgenommen wird die DE1. Diese kann daher aber niemals "offengelegt" werden, sondern gelangt allenfalls bei einem Akteneinsichtsantrag wegen § 40 (6) PatG zur Akte und wird in dem Moment "öffentlich", in dem die Akte der DE2 bekannt wird und realistischerweise Akteneinsichtsantrag gestellt werden kann.


Was den Vergleich von Art.87(4) EPÜ und §40(5) PatG angeht, so bringt dieser lediglich zum Ausdruck, dass in beiden Fällen ein sich aus dem Gesetz ergebender Rechtsverlust im Zusammenhang mit einer Prioritätsbeanspruchung an die Anmeldung und nicht an die Erfindungsidentität anknüpft.



Ich finde Art. 87(4) EPÜ gar nicht sinnfrei, sondern ganz im Gegenteil sinnvoll. Jeder Anmelder muss sich darüber bewusst sein, dass nur die erstmalige Hinterlegung einer Erfindung ein Prioritätsrecht generiert und er ab dann 12 Monate Zeit hat. Art. 87(4) EPÜ definiert zu diesem Grundsatz eng gesteckte Ausnahmen, die der Rechtssicherheit der Öffentlichkeit dienen. Ich kann darin nichts sinnfreies erkennen.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Ob DE3 offengelegt wird, läßt die ursprüngliche Frage offen.

"Toxische Offenbarung" (Eine "Offenbarung" erfolgt immer gegenüber einem Patentamt am Anmeldetag, und zwar unabhängig davon, ob später eine Offenlegung erfolgt) bezieht sich in meiner Bemerkung auf DE1, die letztlich Jahre später noch die EP1 "vergiften" kann, wenn nämlich sich die Priorität aus DE3 als nicht wirksam herausstellt.

Ob Teile der DE1 durch Akteneinsicht in DE2 zum Stand der Technik werden, ist noch die Frage. Jedenfalls gibt es keine gestzliche Bestimmung, die das fingiert. Der EP1-Angreifer müsste schon den Akteneinsichtsantrag selbst gestellt haben oder nachweisen, was wo gefunden wurde. Es ist auch fraglich, ob es für eine Einsicht in die zurückgenommene DE1-Akte ein "berechtigtes Interesse" gibt, und eine Abschrift der DE1-Anmeldung braucht in DE2 für die innere Priorität ja nicht mehr eingereicht werden.

Der Anmelder wird die Einsichtnahme in DE1 jedenfalls kaum selbst zugestehen.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Wenn man länger darüber nachdenkt....

Ich bin zwar nach wie vor der Auffassung, dass sich die Formulierung in Art.87(4) EPÜ "... wird auch eine jüngere Anmeldung [DE3] angesehen, die denselben Gegenstand betrifft wie eine erste ältere ..." bedeutet, dass lediglich den Gegenstand B zu betrachten ist. Das führt dazu, dass es bei "Ebenso wenig darf diese ältere Anmeldung [DE1] schon Grundlage für die Inanspruchnahme des Prioritätsrechts ..." lediglich um die Teilpriorität auf den Gegenstand B geht, und diese Bedingung für die Wirksamkeit der Priorität aus DE3 wäre damit erfüllt.

Jedoch ist die in Art.87(4) EPÜ zuerst genannte Bedingung ("...zurückgenommen ... ohne dass Rechte bestehen geblieben sind ...") für den Gegenstand B nicht erfüllt. Wohl macht ein konkreter Akteneinsichtsantrag zur Akte DE2 wegen § 40 (6) PatG (d.h. erst bei beantragter Aktenensicht in DE2 wird eine Abschrift der DE1 zur Akte DE2 genommen) auch den Gegenstand B zum Stand der Technik, wie Fip schreibt. Aber das ist nicht entscheidend, und damit ist auch der Tag dieser Einsichtnahme nicht entscheidend. Vielmehr ist der § 40 (6) PatG als solcher von Anfang an ein Recht aus DE1, das bestehen bleibt und auch den Gegenstand B betrifft.

Die Einsichtnahme in DE2 kann also auch noch nach Ablauf des Prioritätsjahr der EP1, also z.B. im Einspruchsverfahren gegen EP1 erfolgen, um die Offenbarung von B in DE1 nachzuweisen.

Die "toxische Offenbarung" in DE1 gibt es also doch, entgegen meinem ursprünglichen Statement.
 

Fip

*** KT-HERO ***
von Hans35: "Vielmehr ist der § 40 (6) PatG als solcher von Anfang an ein Recht aus DE1, das bestehen bleibt und auch den Gegenstand B betrifft."

Also, das würde ich nicht so sehen. § 40(6) PatG ist kein "Recht aus einer Patentanmeldung". Hiermit ist nur ein Recht gemeint, dass dem Anmelder bei Einreichen der jüngeren Anmeldung gemäß Art. 87(4) EPÜ noch aus der älteren Anmeldeung hat bzw. für sich in Anspruch nehmen kann. Die Pflicht des Amtes, bei Akteneinsichtsantrag (eines Dritten) eine Abschrift zur Akte zu nehmen, ist weder ein Recht des Anmelders, sondern eine Amtspflicht, noch ein Recht, dass dem Anmelder aus einer Anmeldung erwächst, sondern eine die Anmeldung betreffende Amtspflicht.
 
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Hans35

*** KT-HERO ***
Na ja, ich stelle mir dabei vor, dass auf Grund von § 31 der Anmelder das Recht hat, jederzeit in die Akte DE2 Einsicht zu nehmen, sei es selbst oder durch einen Strohmann. Das bewirkt dann auf Grund von § 41 (6), dass die Erfindung B in DE2 zu einem praktisch unauffindbaren Stand der Technik wird, der sich zudem noch sehr leicht nachweisen lässt. Das ist sicher viel besser (und auch einfacher) als eine Veröffentlichung in der "Aargauer Kegelzeitschrift ".

Damit "behält" der Anmelder aus der DE1 das Recht, seine Erfindung B (in der Chemie kann das z.B. eine Stofferfindung sein) gegen die Anmeldung durch einen Dritten zu schützen. Er braucht für eine solche "defensive" Wirkung also nicht eine besondere Patentanmeldung, die B enthält, zu tätigen und bis zur Offenlegungsschrift weiterzuverfolgen. Durch das "Verstecken" der Erfindung B in der Patentanmeldung DE1, die selbst nie offengelegt wird, kann er vielmehr vermeiden, dass interessierte Kreisen auf diese Erfindung unmittelbar aufmerksam werden.

Das Rezept für eine "versteckte" defensive Anmeldung (statt Rücknahme nach Offenlegung) heißt also:
Aus DE1, die die Erfindung B offenbart, wird in einer ganz anderen Anmeldung DE2 die (als solche unwirksame) Priorität von DE1 in Anspruch genommen - fertig.

Art. 87(4) EPÜ hat dann zur Folge, dass er selbst auch kein Patent mehr bekommt, nicht anders als bei einer Zurücknahme nach Offenlegung.
 
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Hans35

*** KT-HERO ***
Wenn die beanspruchte Erfindung in EP2 enthalten ist, nicht aber in EP1, dann konnte die Priorität dort auch nicht beansprucht werden. EP2 ist dann Erstoffenbarung dieser Erfindung, auch wenn EP2 für eine andere Erfindung die Priorität von EP1 in Anspruch genommen hat. EP2 erzeugt also für einen Gegenstand, der nicht aus EP1 hervorgeht, ein zusätzliches Prioritätsrecht. Das ergibt sich daraus, dass es nur um Anmeldungen geht, die "denselben Gegenstand" betreffen, insbes. auch im letzten Halbsatz von A87(4)S.1, womit der in der Nachanmeldung beanspruchte Gegenstand gemeint ist. Aus der EP1 kann dessen Priorität nicht in Anspruch genommen worden sein, weil er dort nicht enthalten ist.
 
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Kurt

*** KT-HERO ***
Leider ist hier die Ausgangsfrage gelöscht worden. Kann einer der Diskussionsteilnehmer diese sinngemäß noch rekonstruieren?

Es gab wohl drei (Prio?)-Anmeldungen DE1, DE2, DE3 und eine europäische (Nach?)-Anmeldung EP1.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Es gab wohl drei (Prio?)-Anmeldungen DE1, DE2, DE3 und eine europäische (Nach?)-Anmeldung EP1.

Das dürfte wohl so gewesen sein:

DE1 offenbart die Erfindung B.
(Ob DE1 auch die Erfindung A offenbart, spielt nachfolgend keine Rolle.)
DE2 offenbart die Erfindung A und nicht B.
DE2 nimmt die innere Priorität aus DE1 in Anspruch.
DE1 gilt (vor Offenlegung) gem § 40 (5) PatG als zurückgenommen.
DE2 wird offengelegt (und evtl. auch mit mit Erfindung A erteilt), aber in der OS ist B nicht enthalten.

DE3 offenbart B erneut.
EP1 offenbart B und nimmt die Priorität aus DE3 in Anspruch.

Die Ausgangsfrage war: Ist DE3 hier "Erstanmeldung" für die Erfindung B in der EP1? Oder ist DE1 die Erstanmeldung von B und die in Anspruch genommene Priorität ist unwirksam?

In der Diskussion geht es dann u.a. darum:
Welche Bedeutung hat es für diese Frage, wenn (irgendwann später) gemäß § 40 (6) PatG in die Anmeldung DE2 Einsicht genommen wird, wodurch (erst dann!) eine Abschrift der DE1 mit der Erfindung B zur Akte der DE2 genommen wird und B dadurch dem Einsichtnehmenden bekannt wird?

Im Beitrag #14 gehet es (mit EP1/EP2) um eine Antwort auf Beitrag #8.
 
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