EPÜ Erste Anmeldung A87(4) EPÜ – Ältere Anmeldung aufgegeben

ChrisW.

Schreiber
Hallo zusammen,
ich habe folgende zwei Szenarien fingier:
1.) Zu den nationalen Anmeldungen GB1 (eingereicht am 1. Februar 2002 ohne Inanspruchnahme einer Priorität) und GB2 (eingereicht am 2. Januar 2017 ohne Inanspruchnahme einer Priorität), die sich auf denselben Gegenstand beziehen, gibt es eine europäische Patentanmeldung EP1 (eingereicht am 24. Dezember 2017), die die Priorität von GB2 beansprucht. (Anmelderidentität jeweils dieselbe)

GB2 wäre für EP1 in diesem Fall erste Anmeldung, da die Anforderungen in A87(4) erfüllt wurden, korrekt?

2.) Zu den nationalen Anmeldungen GB1 (eingereicht am 1. Oktober 2016 ohne Inanspruchnahme einer Priorität) und GB2 (eingereicht am 2. Januar 2017 ohne Inanspruchnahme einer Priorität), die sich auf denselben Gegenstand beziehen, gibt es eine europäische Patentanmeldung EP1 (eingereicht am 24. Dezember 2017), die die Priorität von GB2 beansprucht. (Anmelderidentität jeweils dieselbe)
GB1 wurde am 25. Dezember 2017 rechtskräftig zurückgenommen und nicht veröffentlicht.

GB2 würde in diesem Fall auch für EP1 als erste Anmeldung gelten, obwohl GB1 nicht (wie in A87(4) gefordert) vor Anmeldung der jüngeren Anmeldung zurückgenommen worden ist, weil GB1 nicht öffentlich ist, korrekt?

GB2 wäre erst dann keine erste Anmeldung mehr, falls GB1 öffentlich wird (beispielsweise durch Bezugnahme nach Regel 40 (1) c)).

Beste Grüsse und vielen Dank für euren "Check"
Chris
 

Fip

*** KT-HERO ***
Hallo Chris,

Du bringst (glaube ich) einiges durcheinander. Insbesondere kannst Du Art.87(4)EPÜ nicht losgelöst vom Art.87(1)EPÜ sehen.

Wenn sich GB1 und GB2 jeweils auf denselben Gegenstand beziehen, dann ist GB1 auch in beiden Fällen die erste diesen Gegenstand betreffende Anmeldung.

Dann kann in Fall 2.) die Priorität von GB2 nur nach den Voraussetzungen von Art.87(4)EPÜ wirksam in Anspruch genommen werden. Besser ausgedrückt: Dann entsteht mit Einreichung von GB2 nur unter den Vorraussetzungen von Art.87(4)EPÜ überhaupt ein neues Prioritätsrecht, das in Anspruch genommen werden könnte. Da aber GB1 zum Zeitpunkt der Einreichung von GB2 noch anhängig war, ist die Bedingung von Art.87(4)

"sofern diese ältere Anmeldung [hier: GB1] bis zur Einreichung der jüngeren Anmeldung [hier: GB2] zurückgenommen ... worden ist ..."

in beiden Fällen nicht erfüllt.

Die weitere Bedingung,

"und zwar bevor sie öffentlich ausgelegt worden ist und ohne dass Rechte bestehen geblieben sind"

schränkt die vorausgehende Bedingung weiter ein. Mit anderen Worten: Wenn GB1 vor der Anmeldung von GB2 zurückgenommen worden wäre, gleichwohl zu diesem Zeitpunkt bereits veröffentlicht worden war, dann nützt die Rücknahme auch nichts mehr, um die Wirksamkeit der Prioritätsbeanspruchung von GB2 zu retten.

Eine andere Frage ist natürlich, ob die erst einen Tag nach Einreichung von EP1 erfolgte Rücknahme von GB1 jemals für einen Dritten nachvollzogen bzw. bewiesen werden kann.
 
Zuletzt bearbeitet:

Asdevi

*** KT-HERO ***
Hallo zusammen,
ich habe folgende zwei Szenarien fingier:
1.) Zu den nationalen Anmeldungen GB1 (eingereicht am 1. Februar 2002 ohne Inanspruchnahme einer Priorität) und GB2 (eingereicht am 2. Januar 2017 ohne Inanspruchnahme einer Priorität), die sich auf denselben Gegenstand beziehen, gibt es eine europäische Patentanmeldung EP1 (eingereicht am 24. Dezember 2017), die die Priorität von GB2 beansprucht. (Anmelderidentität jeweils dieselbe)

GB2 wäre für EP1 in diesem Fall erste Anmeldung, da die Anforderungen in A87(4) erfüllt wurden, korrekt?
Das lässt sich nicht feststellen, da du zu den Anforderungen von Art. 87(4) nichts geschrieben hast. Wurde GB1 zurückgenommen? Wenn ja, wann? Wurde GB1 veröffentlicht?
Je nach den Antworten auf diese Fragen ist eine wirksame Priorität auf GB2 zumindest theoretisch möglich.

2.) Zu den nationalen Anmeldungen GB1 (eingereicht am 1. Oktober 2016 ohne Inanspruchnahme einer Priorität) und GB2 (eingereicht am 2. Januar 2017 ohne Inanspruchnahme einer Priorität), die sich auf denselben Gegenstand beziehen, gibt es eine europäische Patentanmeldung EP1 (eingereicht am 24. Dezember 2017), die die Priorität von GB2 beansprucht. (Anmelderidentität jeweils dieselbe)
GB1 wurde am 25. Dezember 2017 rechtskräftig zurückgenommen und nicht veröffentlicht.

GB2 würde in diesem Fall auch für EP1 als erste Anmeldung gelten, obwohl GB1 nicht (wie in A87(4) gefordert) vor Anmeldung der jüngeren Anmeldung zurückgenommen worden ist, weil GB1 nicht öffentlich ist, korrekt?

Das ist nun eindeutig falsch. Die beiden Bedingungen in Art. 87(4) sind kumulativ. Um nicht als erste Anmeldung zu gelten, muss GB1 nicht zurückgenommen oder unveröffentlicht sein, sondern zurückgenommen und unveröffentlicht. Und das nach den klaren Worten der Bestimmung zum Anmeldetag von GB2, also 2. Januar 2017. Eine Rücknahme am 25. Dezember 2017 kommt (fast) ein Jahr zu spät.
 
Oben