Die Zeit geht rückwärts ...

Alfred

*** KT-HERO ***
Nein, es ist genau umgekehrt. Das Datum für den Start der Frist legt die Zeitzone der auslösenden Handlung fest, das Datum für das Ende der Frist die Zeitzone der vorzunehmenden Handlung.

Im Fall (a) ist das Startdatum der 9.2.. Wenn die Frist halten soll, muss beim Vornehmen der Handlung in DE der 9.2. sein. Ist schon der 10.2., ist die Frist verpasst.

Im Fall (b) ist das Startdatum ebenfalls der 9.2.. Wenn in DE bei Nachanmeldung noch der 9.2. ist, ist die Frist gewahrt.

Ok. Habe das Demonstrativpronomen in Absatz 1 der R 80.4 PCT vollständig überlesen.

In der Praxis wird es auch so gehandhabt. Aber nach A8(2) a) PCT sind die Fristenregelungen des PCT nicht auf das PVÜ anzuwenden. Gibt es darüber hinaus noch eine Rechtsgrundlage? Kann davon ausgegangen werden, dass das EPA dies auch so sieht, obgleich es evtl. keine Rechtsgrundlage dafür existiert?
 
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Asdevi

*** KT-HERO ***
In der Praxis wird es auch so gehandhabt. Aber nach A8(2) a) PCT sind die Fristenregelungen des PCT nicht auf das PVÜ anzuwenden.

Da wäre ich mir nicht so sicher. Art. 8(2)(a) PCT sagt nur, dass die Regelungen der PVÜ anzuwenden sind. Das PVÜ enthält aber keine Regelungen zu Zeitzonen. Die Regelungen des PCT können damit angewendet werden, ohne mit der PVÜ zu kollidieren.
 

Alfred

*** KT-HERO ***
Jein. Beispiel:

Die Anmeldung ist am 1.2. um 3 Uhr MEZ fertig und kann eingereicht werden.

Einreichung in DE: Prioritätstag 1.2., d.h. Beginn des Prioritätstags am 1.2. um 0 Uhr MEZ. Alles vorher ist Stand der Technik.

Einreichung US: Prioritätstag 31.1., d.h. Beginn des Prioritätstags am 31.1. 0 Uhr Eastern Time, entspricht 31.1. 6 Uhr MEZ. Man gewinnt also 18 Stunden.

Es kann sich also immer noch lohnen, nur gewinnt man nicht mehr einen ganzen Tag. Das liegt daran, dass die nur tagesgenaue Bestimmung des Anmeldezeitpunkts im Endeffekt eine variable "Neuheitsschonfrist" von maximal knapp 24 Stunden beschert (also einige Stunden vor dem Anmeldeakt, in dem Veröffentlichungen nicht zählen). Innerhalb dieser Variabilität kann man mit Zeitzonen arbeiten.

Wäre bei dieser Argumentation der Fall nach FIP der Messeauftritt jetzt neuheitsschädlich für EP1, weil die Priorität von DE1 nicht wirksam in Anspruch genommen wurde, da es nicht die erste Hinterlegung war.
(Die US-Anmeldung (AT 10.02.) kann nicht mehr in Anspruch genommen werden, sofern man davon ausgeht, dass ein Jahr später von der DE1, also dem 11.2. gerechnet wird. Die Priorität für die US-Anmeldung).

Hypotethischer Fall: Mein Mandant ruft mich am 10. eines Monats an: "Morgen, am 11., ist Messe, wir stellen unsere Erfindung aus. Ich brauche unbedingt noch bis Morgen eine Anmeldung DE und US!"


Ich arbeite die Nacht durch, schaffe es, die Anmeldung um 2 Uhr morgens fertig zu stellen und reiche noch in der Nacht eine deutsche Anmeldung DE1 ein, die den 11. als Anmeldetag erhält. Unmittelbar danach schicke ich meinem US Kollegen in L.A. den Auftrag, mit Blick auf die Messe sofort eine US Anmeldung zu tätigen, was dieser noch am Abend nach L.A. Zeit mit Anmeldung von US1 auch tut (geht ja auch auf Deutsch). Die Anmeldung hat als Anmeldetag den 10.

Ein Jahr später reiche ich unter Inanspruchnahme der Priorität von DE1 eine Europäische Patentanmeldung ein.

Ist der Messeauftritt jetzt neuheitsschädlich für EP1, weil die Priorität von DE1 nicht wirksam in Anspruch genommen wurde, da es nicht die erste Hinterlegung war?
 
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Alfred

*** KT-HERO ***
Da wäre ich mir nicht so sicher. Art. 8(2)(a) PCT sagt nur, dass die Regelungen der PVÜ anzuwenden sind. Das PVÜ enthält aber keine Regelungen zu Zeitzonen. Die Regelungen des PCT können damit angewendet werden, ohne mit der PVÜ zu kollidieren.

Aufgrund von Art. 8 (2) a) PCT kann bspw. Regel 82 PCT nicht auf Prioritätsfristen angewendet werden, obgleich das PVÜ dafür keine Regelungen enthält. Dieses habe ich zumindest in einigen Kommentaren so gelesen. Leider habe ich die entsprechende Quelle nicht gleich zur Hand.

Art. 8(2) a) PCT enthält bis auf eine Ausnahme gemäß Absatz 2 b) keinen weiteren Spielraum.
 
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Alfred

*** KT-HERO ***
Ja, aber 1. dürften diese Fälle selten sein und 2. ließe sich das mit der Verteilung der Beweislast lösen. Wenn ein Veröffentlichungsdatum nur tagesgenau angegeben wird, wie bei Offenlegungsschriften oder wissenschaftlichen Publikationen, könnte dieses Datum widerlegbar als relevant vermutet werden. Wer sich nun darauf berufen will, dass die Veröffentlichung erst spät am Tag stattgefunden hat, so dass beim relevanten Anmeldeamt bereits der Prioritätstag angebrochen war, hätte dies zu beweisen. Ebenso, wenn man sich darauf beruft, dass die Veröffentlichung zwar das gleiche Datum trägt wie der Prioritätstag, aber so früh am Tag stattgefunden hat, dass beim Amt der Prioritätsanmeldung noch der vorherige Tag war.

Letzteres war übrigens in der EP 03 012 734.4 der Fall (leider wurde keine Beschwerde eingelegt, so dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung rechtskräftig wurde und es keine T-Entscheidung gibt). Die Erfindung wurde in einer Email offenbart, die am Tag X um 2 Uhr früh MEZ aus Paris an eine Vielzahl von Empfängern ohne Geheimhaltungsvereinabrung versendet wurde. Tag X war auch der Prioritätstag. Allerdings war die Prio-Anmeldung eine US-Anmeldung. Das EPA sagt nun, der Prioritätstag berechnet sich nach Washington-Zeit und läuft von Tag X 6 Uhr bis Tag X+1 6 Uhr nach MEZ. Tag X 2 Uhr war daher vor dem Prioritätstag, und das Patent wurde widerrufen.

P.S.: Warum sollte das der PVÜ widersprechen? Die PVÜ regelt nur das Prioritätsrecht und nicht, wie ein einmal beanspruchter Prioritätstag zu berechnen ist. Was Stand der Technik ist, bestimmt jeder Vertragsstaat selbst.



Jein. Beispiel:

Die Anmeldung ist am 1.2. um 3 Uhr MEZ fertig und kann eingereicht werden.

Einreichung in DE: Prioritätstag 1.2., d.h. Beginn des Prioritätstags am 1.2. um 0 Uhr MEZ. Alles vorher ist Stand der Technik.

Einreichung US: Prioritätstag 31.1., d.h. Beginn des Prioritätstags am 31.1. 0 Uhr Eastern Time, entspricht 31.1. 6 Uhr MEZ. Man gewinnt also 18 Stunden.

Es kann sich also immer noch lohnen, nur gewinnt man nicht mehr einen ganzen Tag. Das liegt daran, dass die nur tagesgenaue Bestimmung des Anmeldezeitpunkts im Endeffekt eine variable "Neuheitsschonfrist" von maximal knapp 24 Stunden beschert (also einige Stunden vor dem Anmeldeakt, in dem Veröffentlichungen nicht zählen). Innerhalb dieser Variabilität kann man mit Zeitzonen arbeiten.

@Asdevi
Weiterhin passen die beiden Aussagen nicht zusammen. Vertrittst du nicht die Ansicht, dass die Zeitzone das Anmeldeamtes entscheidend sein sollte und wie in dem aufgeführten Fall, alles in die Zeitzone des EPA umgerechnet werden sollte. Demnach kann es die sogenannte "Neuheitsschonfrist" nicht geben. Die tagesgenaue Bestimmung stellt doch eben das Problem dar, was durch dein Beispiel aus der Einspruchsabteilung des EPA verdeutlicht wird.

Ein Dokument, dass am 31.01. um 6 Uhr MEZ veröffentlicht wird, ist neuheitsschädlich für die Anmeldung die am 01.02. um 3 Uhr eingereicht wird.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Die Festlegung einer "Neuheitsschonfrist", indem Anmeldung und Stand der Technik nur tagesgenau erfasst werden, fand, soviel ich weiß, bereits im 19. Jahrhundert statt, um zu vermeiden, dass festgestellt werden muss, wer zuerst mit seiner Erfindung das Patentamt an einem bestimmten Tag betreten hat. Es ging also um praktische Erleichterungen. Diese wirken aber in Zeiten der elektronischen Datenübermittlung mit sekundengenauen Zeitstempeln nicht mehr in der gewünschten Weise, sondern erfordern Auslegungen, die auf unterschiedliche Weise erfolgen können.

Die tagesgenaue Festlegung von Anmeldetag, Prioritätstag und auch, was als Stand der Technik gilt, ist daher ein Paradebeispiel für einen Anachronismus, der schlicht abzuschaffen ist. Vielleicht fängt ja jemand, der sich dafür für zuständig hält, an, darüber nachzudenken, wie das neu zu regeln wäre.

Die ganze Diskussion scheint mir deutlich zu machen, wie akut das Problem ist.

Vor allem müsste man in diesem Zusammenhang grundsätzlich über die mehrstündige "Neuheitschonfrist" nachdenken, die ja dazu führen kann, dass eine Veröffentlichung von "heute" abgegriffen und in einem westlicher gelegenen Land mit dem Datum von "gestern" als neu angemeldet werden kann, in Analogie zum Beispiel von Fips.

Die Festlegung, dass Handlungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums als "gleichzeitig" gelten, kann zwar einigermaßen gut gehandhabt werden, obwohl es mir eigentlich nicht mehr erforderlich erscheint. Zumindest aber die tatsächliche Reihenfolge von Ereignissen darf m.E. nicht durch gesetzliche Bestimmungen umgekehrt werden. Das ist wohl noch einmal schlimmer als die Ungewissheit über den Ablauf von Fristen.

Vielleicht fühlen sich ja Japan, China und Korea wegen ihrer östlichen Lage aufgerufen, hier als erste tätig zu werden.
 
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Asdevi

*** KT-HERO ***
@Asdevi
Weiterhin passen die beiden Aussagen nicht zusammen. Vertrittst du nicht die Ansicht, dass die Zeitzone das Anmeldeamtes entscheidend sein sollte und wie in dem aufgeführten Fall, alles in die Zeitzone des EPA umgerechnet werden sollte. Demnach kann es die sogenannte "Neuheitsschonfrist" nicht geben. Die tagesgenaue Bestimmung stellt doch eben das Problem dar, was durch dein Beispiel aus der Einspruchsabteilung des EPA verdeutlicht wird.

Ein Dokument, dass am 31.01. um 6 Uhr MEZ veröffentlicht wird, ist neuheitsschädlich für die Anmeldung die am 01.02. um 3 Uhr eingereicht wird.

Die "Neuheitsschonfrist" ergibt sich daraus, dass im Gesetz nun mal steht, dass alles Stand der Technik ist, was vor dem Anmeldetag veröffentlicht wurde. Da steht eben nicht "Zeitpunkt der Anmeldung". Also sind auch Veröffentlichungen, die vor dem Anmeldeakt, aber am selben Tag erfolgt sind, nicht Stand der Technik.

Wenn es also 3 Uhr am 1.2. ist und ich es schaffe, einen "Anmeldetag" zu erzeugen, der bis zum 31.1. 6 Uhr zurückreicht, dann ist eine Veröffentlichung zu diesem Zeitpunkt nicht Stand der Technik.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Zitat von Asdevi:

Die "Neuheitsschonfrist" ergibt sich daraus, dass im Gesetz nun mal steht, dass alles Stand der Technik ist, was vor dem Anmeldetag veröffentlicht wurde.
"Neuheitsschonfrist" scheint mir hier das falsche Wort, weil es beim Stand der Technik gar nicht darauf ankommt, ob dieser auf denselben Erfinder zurückgeht wie die Anmeldung; d.h. durch diese mehrstündige Frist wird nicht nur der Erfinder oder dessen legitimer Rechtsnachfolger "geschont".

Vielmehr ist jede beliebige Internet-Veröffentlichung, z.B. auch eine vom USPTO am Offenlegungstag ins Internet gestellte OS, erst mal gewissermaßen "vogelfrei" und wird für eine daraus entnommene Anmeldung, die an demselben Tag, nämlich bis 24:00 Uhr Mitternacht MEZ (bzw. MESZ) desselben Tages im EPA oder DPMA getätigt wird, nicht zum Stand der Technik. Falls der US-Anmelder keine EP-Anmeldung mit Inanspruchnahme der (US-)Priorität eingereicht hat, könnte sich in diesen Stunden also jeder Dritte bedienen, was offenbar zu Ergebissen führt, die sich wohl niemand wünscht.

Kennt jemand eine Entscheidung, wie eine solche Fallgestaltung zu lösen wäre? Wäre eine solche Entnahme überhaupt unzulässig bzw. widerrechtlich, da doch zumindest die Benutzung und Verwertung einer Erfindung, die zuvor allenfalls im Ausland angemeldet wurde, jedenfalls nicht rechtswidrig ist, sondern sie ist vielmehr Sinn und Zweck der Offenlegung. Oder müsste sich ein Dritter (z.B. im Einspruch) auf eine nicht gegebene Rechtsnachfolge berufen und diese beweisen? Denn ein Patent steht ja nur dem Erfinder oder seinem Rechtsnachfolger zu.
 

Alfred

*** KT-HERO ***
Die Diskussion läuft hier meiner Ansicht nach rückwärts.

Innerhalb einer bestimmten Zeitzone treten Probleme aufgrund des Zetpunktes Uhrzeit nicht auf, da dies über den Anmeldetag geregelt wird. Aber es geht in der hier diskutierten Entscheidung um die Schwierigkeit wie nun der Anmeldetag relativ zum Veröffentlichungstag eines Dokumentes des Stands der Technik bei unterschiedliche Zeitzonen gesehen wird. Nachfolgend nochmal einige Stellen aus der Rechtsprwchung des BGH.

aa) Der High Court of England and Wales und dessen Court of Appeal sowie eine Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts haben als Refe-renz für die Bestimmung des Zeitpunkts einer öffentlichen Zugänglichmachung im Sinne von Art. 54 Abs. 2 EPÜ auf die am Ort des Amtes der Patent- oder Prioritätsanmeldung geltende Zeitzone abgestellt (High Court, Birss J [2015] EWHC 3366 (pat) Rn. 156, Court of Appeal, Gross, Floyd LJJ, Sales J, [2017] EWCA Civ 266 Rn. 161 - Unwired Planet International Ltd v Huawei Technolo-gies Co Ltd; Einspruchsabteilung des EPA, Beschluss vom 31. Juli 2013 An-melde-Nummer 03 012 734.4, Abs. 2.2.1, DN9).

bb) Als Maßstab für die Bestimmung des Zeitpunkts der Vorveröffentli-chung kommt alternativ aber auch die Zeitzone in Betracht, die an dem Ort gilt, an dem die Handlung erfolgt ist, mit der die technische Lehre der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist.
 
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