Erwiderung auf die Beschwerdebegründung durch den Beschwerdegegner (Patentinhaber)

Alfred

*** KT-HERO ***
Hallo,

eine Frage zum Einspruchsbeschwerdeverfahren:

Wenn ein Patentinhaber als Beschwerdegegner in einem Einspruchsbeschwerdeverfahren die Erwiderungsfrist von vier Monaten gemäß Art. 12 (1) b) VerfOBK versäumt, kann dann in diese Frist, unter der Voraussetzung, dass die Bedingungen erfüllt sind, wiedereingesetzt werden?

Existiert zur Fragestellung Rechtsprechung?
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Nein, es gibt keine Wiedereinsetzung.

Wiedereinsetzung gibt es nur in Fristen, deren Versäumen unmittelbar zu einem Rechtsverlust führt.

Das Versäumen der Erwiderungsfrist führt zu keinem Rechtsverlust, erst eine ungünstige Entscheidung der Beschwerdekammer.

Wenn der Grund für das Versäumnis noch vor der Beschwerdekammerentscheidung wegfällt, sollte man antworten und darlegen, warum die Eingabe nicht verspätet ist. Wenn die Entscheidung bereits gefallen ist, könnte man wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs zur Großen Beschwerdekammer gehen, falls man tatsächlich gehindert war, auf die Beschwerde zu antworten.
 

Alfred

*** KT-HERO ***
Anschlussfrage:

Wie wird der unmittelbare Rechtsverlust zur Wiedereinsetzung in die Fristen für die Regeln 62a, 63 und 64 gerechtfertigt?
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Anschlussfrage:

Wie wird der unmittelbare Rechtsverlust zur Wiedereinsetzung in die Fristen für die Regeln 62a, 63 und 64 gerechtfertigt?

Beim Versäumen dieser Fristen wird der Umfang der Recherche beschränkt, und damit der Umfang des möglichen Schutzbereichs des Patents, da nicht recherchierte Gegenstände nicht geprüft und nicht patentiert werden. Der Anmelder verliert also unmittelbar das Recht, ohne Einreichung einer Teilanmeldung etwas anderes recherchiert und patentiert zu haben, als was die Rechercheabteilung sich ausgesucht hat.
 

Alfred

*** KT-HERO ***
Zum näheren Verständnis:

Ist der Verlust einer Recherchenmöglichkeit als Rechtsverlust anzusehen?

Sind die Auswirkungen auf den Schutzumfang des Patents als unmittelbar anzusehen? Schließt sich der Rechtsverlust der Erteilung nicht erst an?

Die Rechte aus der europäischen Anmeldung könnten betroffen sein, aber der Rechtsverlust ist in den nationalen Vorschriften geregelt.
 

Expatriot

GOLD - Mitglied
Hallo miteinander,

für mich liest sich das eher so, dass keine der Regeln 62a, 63 oder 64 zu einem unmittelbaren oder auch nur mittelbaren Rechtsverlust führt.

Es ist zwar richtig, wie von Asdevi erläutert, dass die Recherche eingeschränkt wird und man damit potentiellen Schutzbereich einbüßen kann. Allerdings gilt das lediglich in dem vorliegenden Erteilungsverfahren. Ich sehe das so, dass die Regeln 62a, 63 und 64 gerade Aussagen, dass es kein Recht für eine Anmeldung gibt, die gegen die Regeln verstößt, so dass hier auch kein Rechtsverlust eintreten kann, weil das Recht nie da war.

Andererseits ist es dem Anmelder stets unbenommen Teilanmeldungen einzureichen, sodass er insgesamt betrachtet in seinen Rechten nicht beschnitten sein dürfte. Und in R. 62a (2) ist explizit eine Heilungsmöglichkeit während des Prüfungsverfahrens vorgesehen, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt mir ein Rechtsverlust als wenig wahrscheinlich erscheint.

Viele Grüße,

Expatriot
 
Zuletzt bearbeitet:

Asdevi

*** KT-HERO ***
Hallo miteinander,

für mich liest sich das eher so, dass keine der Regeln 62a, 63 oder 64 zu einem unmittelbaren oder auch nur mittelbaren Rechtsverlust führt.

Es ist zwar richtig, wie von Asdevi erläutert, dass die Recherche eingeschränkt wird und man damit potentiellen Schutzbereich einbüßen kann. Allerdings gilt das lediglich in dem vorliegenden Erteilungsverfahren. Ich sehe das so, dass die Regeln 62a, 63 und 64 gerade Aussagen, dass es kein Recht für eine Anmeldung gibt, die gegen die Regeln verstößt, so dass hier auch kein Rechtsverlust eintreten kann, weil das Recht nie da war.

Für mich ist das nicht nachvollziehbar. Im Falle der R.64-Mitteilung hat der Anmelder unzweifelhaft das Recht, eine weitere Recherchegebühr zu bezahlen und einen anderen Gegenstand als den zuerst recherchierten zu verfolgen. Dieses Recht verliert er, wenn er die Frist versäumt. Auch wenn das nur für dasselbe Verfahren gilt, ist es ein Rechtsverlust, denn das Einreichen einer Teilanmeldung ist mit zusätzlichen Kosten verbunden, die er sich ansonsten hätte sparen dürfen. Damit ist das glasklar ein direkter Rechtsverlust.

Ebenso bei R.62a. Der Anmelder hat das Recht, auszusuchen, welcher unabhängige Anspruch recherchiert wird. Antwortet er nicht, verliert er das Recht, und es wird der erste Anspruch recherchiert. Also Rechtsverlust.

Bei R.63 hat der Anmelder die Möglichkeit, eine "improved version" der Ansprüche einzureichen, die Klarheitsprobleme ausräumt und der Recherche zugrunde gelegt wird. Versäumen der Frist führt zum Verlust dieses Rechts.

"Rechtsverlust" umfasst nicht nur "Verlust der Anmeldung", sondern auch den Verlust anderer Rechte, zum Beispiel des Prioritätsrechts (wenn die 12-Monats-Frist verpasst wird) oder solcher prozessualer Rechte. Nicht davon erfasst ist aber die Erwiderungsfrist auf eine Beschwerde oder einen Einspruch, denn solange keine Entscheidung ergangen ist, hat der Gegner die Möglichkeit, sich zu äußern, noch nicht verloren. Wenn es sachliche Gründe für das Verpassen der Frist gibt, ist seine Erwiderung nicht verspätet und muss nach Art. 113(1) berücksichtigt werden.
 
Zuletzt bearbeitet:

Expatriot

GOLD - Mitglied
Hallo Asdevi,

ich kann Deine Argumentation grundsätzlich nachvollziehen. Hast Du dazu noch weitere Quellen? Es wäre in der Tat interessant wie das so gesehen wird.

Bei den Beschwerdekammern konnte ich leider keine Entscheidung im Zusammenhang mit Art. 122 EPÜ u. einer der Regeln 62a, 63, 64 EPÜ finden.

Bezüglich R. 62a iVm. R. 43(2) EPÜ bin ich der Meinung, dass der Anmelder von vornherein kein (formelles) Recht hat, dass er bei Fristversäumnis verlieren könnte. Diese Vorschriften dienen aus meiner Sicht nämlich der Durchsetzung der Erfordernisse des Art. 82 EPÜ, der ja gerade sagt, dass es auch kein (materielles) Recht an einer Patentanmeldung mit mehr als einer Erfindung - ausgenommen die verbundene Gruppe von Erfindungen - gibt.

Mit anderen Worten, ergibt aus meiner Sicht die Zusammenschau von R. 43(2) EPÜ und Art. 82 EPÜ gerade, dass der Anmelder kein Recht hat, eine Anmeldung zu verfolgen, die gegen eine der vorgenannten Vorschriften verstößt.

Folglich tritt, wenn man dieser Ansicht folgt, weder ein formeller noch ein materieller Rechtsverlust ein, der Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung wäre.

Für R. 63 EPÜ bin ich der Meinung, dass aufgrund der R. 63 (3) EPÜ ein Versäumnis der Frist aus R. 63 (1) EPÜ grundsätzlich geheilt werden kann, so dass auch allein durch das Versäumnis aus meiner Sicht noch kein Rechtsverlust eingetreten ist.

Hinsichtlich der R. 64 EPÜ verstehe ich das Argument mit den zusätzlich Kosten nicht ganz. Die zusätzliche Recherchegebühr rettet ja auch nicht davor, dass man sich für eine der Erfindungen entscheiden muss, weil es gemäß Art. 82 EPÜ kein Recht auf eine uneinheitliche Anmeldung gibt. Daraus folgt aber auch, dass es kein Recht gibt sich eine zweite Anmeldegebühr zu sparen, die etwa für eine Teilanmeldung fällig wäre.

Insgesamt bin ich daher skeptisch ob die Fristen aus R. 62a, 63, 64 EPÜ wiedereinsetzungsfähig sind.

Viele Grüße

Expatriot
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Insgesamt bin ich daher skeptisch ob die Fristen aus R. 62a, 63, 64 EPÜ wiedereinsetzungsfähig sind.

Ah ok, ich hatte deine Argumentation eher auf der rechtstheoretischen Ebene verortet. Dass du ernsthaft bezweifelst, dass es für diese Fristen Wiedereinsetzung gibt, war mir nicht klar.

Da empfehle ich doch, das Amtsblatt des EPA zu lesen, das könnte deiner Skepsis abhelfen.
 

Expatriot

GOLD - Mitglied
Hallo Asdevi,

erstmal vielen Dank für den Link zum Amtsblatt. Diese Mitteilung hilft ein wenig, kann meine Skepsis aber noch nicht ganz beseitigen.

Darin kommt lediglich eine Rechtsansicht des Amtes zum Ausdruck, die meines Wissens bisher nicht von den BKn bestätigt wurde. Die Formulierungen schließen auch nach meiner Ansicht nicht eindeutig aus, dass diese Fristen nicht wiedereinsetzungsfähig sind, weil in der Mitteilung lediglich gesagt wird: "wenn die Voraussetzungen vorliegen". Eine davon ist eben der Verlust eines sonstigen Rechts.

Aber insgesamt kann man wohl in diesem Fall dem Amt seine eigenen Äußerungen entgegenhalten. Vertrauensschutz kann ein guter Hebel sein.

Andererseits denke ich mir, warum sollte ich mich wiedereinsetzen lassen, wenn ich das mit einer Teilanmeldung viel leichter fixen kann.

Vielen Dank, jetzt versteh ich das EPÜ wieder ein Quentchen besser.

Viele Grüße,

Expatriot
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Darin kommt lediglich eine Rechtsansicht des Amtes zum Ausdruck, die meines Wissens bisher nicht von den BKn bestätigt wurde.
Das wird auch kaum passieren. Das Amt hält sich an die Mitteilung im Amtsblatt, und eine erfolgte Wiedereinsetzung ist unanfechtbar. Das kann gar nicht zur zweiten Instanz kommen.

Andererseits denke ich mir, warum sollte ich mich wiedereinsetzen lassen, wenn ich das mit einer Teilanmeldung viel leichter fixen kann.

Für eine Teilanmeldung muss ich die Anmeldegebühr (inkl. Seitengebühr!) und die angefallenen Jahresgebühren neu bezahlen. Für die Wiedereinsetzung zahle ich nur 600 Euro (ungefähr). Insbesondere wenn die "erste" Anmeldung selbst schon eine Teilanmeldung ist und der Stamm ein paar Jährchen auf dem Buckel hat, ist man für eine weitere Teilanmeldung schnell bei fünfstelligen Summen. Da sieht Wiedereinsetzung, vor allem wenn die Fakten eindeutig sind, plötzlich ganz attraktiv aus.
 
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