DE Mittelbare Patentverletzung ?

Fip

*** KT-HERO ***
Folgender Fall:


Ein Verfahrenspatent zur Fertigung eines Endproduktes sieht eine erste Merkmalsgruppe vor (Fertigung eines Vorproduktes und spezielle an dem Vorprodukt zu vollziehende Maßnahmen, aufgrund derer das Vorprodukt besonders effizient an einem Trägerteil angebracht werden kann), und sieht eine zweite Merkmalsgruppe vor (Anbringung Vorproduktes an dem Trägerteil zur Komplettierung des Endproduktes). Das Endprodukt besteht also aus dem Träger mit dem in (in besonders effizienter Weise) daran angebrachten Vorprodukt.


Das Patent hat keine Vorrichtungsansprüche.



Ein Maschinenhersteller soll nun eine Maschine an einen Vorproduzenten liefern, mit der dieser die Verfahrensschritte der ersten Merkmalsgruppe ausführt (Fertigung des Vorproduktes). Der Vorproduzent liefert dann an einen Endhersteller, der mittels der zweiten Merkmalsgruppe das Endprodukt herstellt.


Der Vorproduzent ist mittelbarer Patentverletzer.



Frage: Ist es denkbar, den Maschinenhersteller als mittelbaren Patentverletzer anzusehen?


Klar ist, dass in dem Anbieten/Liefern einer Vorrichtung zur Durchführung eines patentierten Verfahrens keine unmittelbare Patentverletzung gesehen werden kann, eine mittelbare Patentverletzung hingegen schon. Kann eine mittelbare Patentverletzung auch in dem Anbieten/Liefern einer Vorrichtung gesehen werden, wenn der Anbieter/Lieferant dieser Vorrichtung weiß, dass sein Kunde (der Vorproduzent) durch die Nutzung dieser Maschine eine mittelbare Patentverletzung begehen wird? Oder gibt es Probleme durch so was wie Mittäterschaft/Nebentäterschaft/Beihilfe zur mittelbaren Patentverletzung?
 

Expatriot

GOLD - Mitglied
Hallo Fip,

meines Wissens setzt § 10 PatG weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Patentverletzung voraus. Das größte Problem ist hier das subjektive Tatbestandsmerkmal der "Bestimmung".

Wenn die Maschine nur für das patentierte Verfahren geeignet ist, kann auf die erforderliche Bestimmung beim Vorproduzenten geschlossen werden. In diesem Fall ist es auch aufgrund der Umstände offensichtlich.

Falls dies nicht der Fall ist, dürfte es allerdings schwierig werden, ein Wissen des Maschinenherstellers um die Bestimmung der Verwendung seitens des Vorproduzenten zu beweisen.

Hinsichtlich der Frage von Mittäterschaft etc. verweise ich auf § 830 BGB. Demnach haftet jeder Mittäter für die gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung. Anstifter und Gehilfen stehen dem Mittäter gleich.

Folglich lautet meine Antwort: Ja, der Hersteller kann mittelbarer Patentverletzer sein, sofern die von ihm hergestellte Vorrichtung ausschließlich patentverletzend verwendet werden kann oder ihm ein Wissen um die Bestimmung nachweisbar ist. Zudem kann er im Fall, dass er schuldhaft gehandelt hat, auch zum Schadensersatz herangezogen werden.

Viele Grüße,

Expatriot
 

Fip

*** KT-HERO ***
Danke für die Antwort. Ich tue mich noch etwas schwer damit, die Möglichkeit zu akzeptieren, dass der Maschinenhersteller mittelbarer Patentverletzer sein kann. Dass er Mittäter sein kann, sehe ich ein. Aber mittelbarer Patentverletzer?


Mir scheint, dass nur derjenige mittelbarer Patentverletzer sein kann, der Mittel anbietet oder liefert, die zu einer unmittelbaren Patentverletzung (ggf. äquivalent) führen. Der Maschinenhersteller liefert aber an jemanden, von dem ausgeschlossen ist, dass dieser das Patent unmittelbar verletzt, denn der Vorproduzent wendet nur ein Teil des Verfahrens an.


Ich tue mich mit dem Fall sowieso schwer, denn


(a) der Maschinenhersteller bietet an/liefert eine Vorrichtung an den Vorproduzenten, von der er weiß, dass damit die erste Mermkalsgruppe des Verfahrenspatents angewendet werden soll, nicht aber die zweite

(b) der Vorproduzent wendet die erste Merkmalsgruppe an, nicht aber die zweite

(c) der Endhersteller wendet die zweite Merkmalsgruppe an, nicht aber die erste


Es gibt also niemanden, der alle Verfahrensschritte des Patents tatsächlich anwendet. Eigentlich ist somit keiner alleine unmittelbarer Patentverletzer (und eigentlich auch kein mittelbarer Verletzer mangels Lieferung von Mitteln, die zu einer unmittelbaren Patentverletzung führen). Es kann also nur um eine irgendwie gemeinschaftlich begangene Patentverletzung gehen, bei der sich die verschiedenen Akteure bestimmte Handlungen des anderen irgendwie zurechnen lassen müssen. Mir ist allerdings nicht ganz klar, wem in diesem "Konstrukt" was genau vorgeworfen werden kann und wie dies dann rechtlich einzuordnen ist.
 

Expatriot

GOLD - Mitglied
Hallo Fip,

ob jemand Täter oder Teilnehmer einer unerlaubten Handlung ist, scheint mir unabhängig von der Art der unerlaubten Handlung zu sein.

Täterschaft und Teilnahme setzt jeweils für sich eine unerlaubte Handlung voraus. Beim Täter die eigene unerlaubte Handlung und beim Teilnehmer eine fremde. Die unerlaubte Handlung kann in beiden Fällen die unmittelbare Patentverletzung einerseits oder die mittelbare Patentverletzung andererseits sein. Ob dabei die unmittelbare oder mittelbare Patentverletzung auf Wortsinn oder Äquivalenz beruht, ist nicht von Belang.

Allerdings ist es so, dass § 10 PatG keine unmittelbare Patentverletzung voraussetzt (BGH GRUR 2001, 228, 231 Luftheizgerät; BGH GRUR 2005, 848 Antriebsscheibenaufzug). Demnach kann der Maschinenhersteller grundsätzlich bereits dann belangt werden, wenn er die Maschine lediglich dem Vorproduzenten angeboten hat und auch die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind.

Dadurch dass der Vorproduzent lediglich die ersten Verfahrensschritte durchführt, ist er aus meiner Sicht nicht aus dem Schneider. Denn er kann die unmittelbare Patentverletzung gemeinschaftlich mit dem Endhersteller als Mittäter begehen oder als dessen Teilnehmer. Ferner bleibt noch die Möglichkeit, dass auch der Vorproduzent Täter einer mittelbaren Patentverletzung ist (an der der Maschinenhersteller wiederum grundsätzlich teilnehmen kann). Das Gleiche gilt für den Endproduzenten.

Die Einordnung in Täter, Mittäter oder Teilnehmer einerseits und unmittelbarer oder mittelbarer Verletzer andererseits dürfte sich für jeden einzelnen aus dessen Vorsatz bzw. Wissen ergeben.

Und hier steckt für mich auch die ganze Problematik: Kann man die subjektiven Merkmale (Vorsatz, Bestimmung der Mittel, Wissen, etc.) Beweisen? Nach meiner Erfahrung in den meisten Fällen eher nicht.

Viele Grüße,

Expatriot
 

Fip

*** KT-HERO ***
@Expatriot:


Du schreibst: "Allerdings ist es so, dass § 10 PatG keine unmittelbare Patentverletzung voraussetzt (BGH GRUR 2001, 228, 231 Luftheizgerät; BGH GRUR 2005, 848 Antriebsscheibenaufzug). Demnach kann der Maschinenhersteller grundsätzlich bereits dann belangt werden, wenn er die Maschine lediglich dem Vorproduzenten angeboten hat und auch die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind."


So, wie ich Deine Aussage in dem von Dir dargestellten Kontext verstehe, kann ich ihr nicht zustimmen (aber vielleicht verstehe ich Dich ja auch falsch?).


Was der BGH in diesen Entscheidungen anspricht, ist lediglich, dass es zur mittelbaren Patentverletzung ausreicht, wenn sich ein auf die Nutzung der Erfindung "gerichtetes Wissen und Wollen des Lieferanten" nachweisen lässt. Es ist dann nicht erforderlich, dass der Belieferte das Patent auch tatsächlich verletzt. Um mittelbarer Patentverletzer zu sein, reicht die bewußte, vorsätzliche Schaffung der Gefahr, dass eine Patentverletzung begangen werden wird, ohne dass es erforderlich ist, dass die Patentverletzung dann tatsächlich stattfindet. Dies ändert aber nichts daran, dass die vorsätzliche Schaffung der Gefahr der Benutzung der (vollständigen) Erfindung (und nicht nur eines Teils hiervon) durch einen Nichtberechtigten geschaffen muss.



Mit anderen Worten: Wenn ich eine Vorrichtung liefere von der ich (subjektiv) weiß (bzw. glaube zu wissen) und will, dass der von mir Belieferte diese Vorrichtung für ein patentverletzendes Verfahren einsetzen wird, dann bin ich selbst dann mittelbarer Patentverletzer, wenn der Belieferte sich diese Vorrichtung am Ende - aus welchem Grund auch immer - tatsächlich einfach nur in die Vitrine stellt und nie wirklicht benutzt, so dass es nie zu einer Vollendung einer patentverletzenden Handlung kommt.



In dem von mir skizzierten Fall ist es aber anders. Denn keinem der "Protagonisten" ist vorzuwerfen, dass er die geschützte Erfindung benutzt oder auch nur weiß und will, dass der jeweils nächste die Erfindung benutzt. Denn

  • der Maschinenhersteller weiß, dass der Vorproduzent die zweite Merkmalsgruppe nicht zur Anwendung bringen wird und außerdem ist die Maschine gar nicht geeignet, die zweite Merkmalsgruppe zur Anwendung zu bringen
  • der Vorproduzent weiß, dass der Endhersteller die erste Merkmalsgruppe nicht zur Anwendung bringen wird, denn das hat er ja schon selbst getan

Zum Thema (Mit-)Täter und Teilnahme: In der Entscheidung "Luftheizgerät" steht ferner (Unterstreichung diesseits):
"Diese von dem Lieferanten gewollte Zweckbestimmung der Verwendung des gelieferten Gegenstandes und die Bestimmung des Abnehmers zu dessen patentverletzenden Benutzung bedeutet eine erhebliche Gefährdung der Rechte des Patentinhabers, weil ein Zusammenwirken zwischen Lieferant und Abnehmer stattfindet, ohne daß dieses mit den herkömmlichen Kategorien von (Mit-)Täterschaft und Teilnahme erfaßt werden kann."
 

Expatriot

GOLD - Mitglied
Hallo Fip,

Deine Absätze 1 bis 3 kann ich grundsätzlich unterschreiben. Ich habe lediglich wohl etwas missverständlich zum Ausdruck gebracht, was Du zutreffend darstellst. Anderer Ansicht bin ich allerdings, bezüglich der Benutzung der vollständigen/teilweisen Nutzung der Erfindung.

Der von Dir zitierte Absatz aus "Luftheizgerät" bezieht sich aus meiner Sicht lediglich auf das Merkmal der Zweckbestimmung der Verletzungsform, also hier der Maschine zur Durchführung des Verfahrens. Das ändert nichts daran, dass Vor- und Endproduzent gemeinschaftlich eine unmittelbare Patentverletzung begehen können und meiner Meinung nach in dem von Dir geschilderten Fall auch begehen.

Denn gemäß BGH, Urteil vom 17. September 2009 - Xa ZR 2/08 - MP3-Player-Import, Rn 34 "[...] setzt die Verantwortlichkeit für eine Patentverletzung nicht voraus, dass der in Anspruch genommene in seiner Person eine der in § 9 Satz 2 PatG bezeichneten Handlungen vornimmt (BGHZ 107, 46, 53 [BGH 21.02.1989 - X ZR 53/87] - Ethofumesat). Schuldner der Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz, Auskunft und Vernichtung der verletzenden Gegenstände kann vielmehr auch sein, wer lediglich eine weitere Ursache für die Rechtsverletzung setzt, indem er eine von ihm ermöglichte Rechtsverletzung durch einen Dritten nicht unterbindet, obwohl dies von ihm zu erwarten wäre (BGHZ 142, 7, 12 f. [BGH 18.05.1999 - X ZR 156/97] - Räumschild)" (Unterstreichung von mir).

In dem von Dir geschilderten Fall sehe ich dies als erfüllt an. Der Vorproduzent setzt nämlich unzweifelhaft eine weitere Ursache für die Rechtsverletzung des Endproduzenten, der hier ja unstreitig unmittelbarer Verletzer ist, und fördert diese auch noch absichtlich. Der Vorproduzent denkt also nicht im geringsten daran die Rechtsverletzung zu unterbinden. Meiner Meinung nach wäre es auch von ihm zu erwarten, weil es zur üblichen Sorgfalt gehört sich über Schutzrechte zu informieren. Es scheint mir auch schwer vorstellbar, dass der Vorproduzent das Endprodukt nicht kennt.

Viele Grüße,

Expatriot
 

Fip

*** KT-HERO ***
@Expatriot


Die MP3-Player-Import Entscheidung gibt sicherlich noch etwas Aufschluss darüber, wie mit Fragen der Mit- bzw. Nebentäterschaft bzw. der Beihilfe und ähnlichem umgegangen werden muss. Insofern ist die Diskussion der BGB Vorschriften in dieser Entscheidung (§ 1004 BGB, § 840 BGB, etc.) hilfreich.



Ich kann Dir allerdings nicht folgen, wenn Du schreibst: "Der Vorproduzent setzt nämlich unzweifelhaft eine weitere Ursache für die Rechtsverletzung des Endproduzenten, der hier ja unstreitig unmittelbarer Verletzer ist, und fördert diese auch noch absichtlich."

Warum ist der Endproduzent "unstreitig unmittelbarer Patentverletzer"? Der Endproduzent wendet eine komplette Merkmalsgruppe des Verfahrensanspuchs nicht an. Er kann also nur dann "unmittelbarer Patentverletzer" sein, wenn er sich die Handlungen des Vorproduzenten so zurechnen lassen müsste, als wären es seine eigenen. Muss er das?
 

Expatriot

GOLD - Mitglied
Hallo Fip,

da muss ich zugeben, bin ich in der Tat etwas zu schnell gesprungen. "Unstreitig" ist schon ein vergleichsweise starker Begriff :D.

Nach meiner Meinung ist eine Antwort § 9 Nr. 3 PatG. Selbst wenn man der Ansicht ist, dass der Endhersteller nicht gegen § 9 Nr. 2 PatG verstößt, so ist er am Ende im Besitz eines Erzeugnisses, das unmittelbar auf ein patentiertes Verfahren zurückgeht, auch wenn der Endproduzent nicht das gesamte Verfahren durchführt. Zusätzlich trägt der Endproduzent nach § 139 Abs. 3 PatG auch grundsätzlich noch die Beweislast dafür, dass das Erzeugnis nicht auf das patentierte Verfahren zurückgeht und er kann sich weiters noch Vorlage- oder Besichtigungsansprüchen nach § 140c PatG aussetzen.

Inwiefern sich der Endproduzent das Verhalten des Vorproduzenten zurechnen lassen muss, dürfte nach § 831 BGB entschieden werden, jedenfalls scheint das ein guter Anhaltspunkt zu sein.

Ferner bin ich, wie bereits gesagt, der Meinung, dass in der von Dir beschriebenen Konstellation der Vorproduzent und der Endproduzent die Patentverletzung gemeinschaftlich begehen, so dass es grundsätzlich auf die Zurechenbarkeit des Verhaltens aus meiner Sicht nicht mehr ankommt. Da ich ferner annehme, dass jeder für sich wenigstens fahrlässig, wenn nicht sogar bedingt vorsätzlich handelt, haften aus meiner Sicht auch beide gemeinschaftlich auf Schadensersatz.


Viele Grüße,
Expatriot
 
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