Änderung des Oberbegriffs als Verstoß gegen Art. 123 (3) EPÜ

Alfred

*** KT-HERO ***
Für den Fall, dass ein Patent für lediglich einen (Zahlenwort) Anspruch erteilt worden ist, der auf einen Chip oder Computerchip gerichtet ist, würde die Änderung des Anspruchs zu einem Computer enthaltend den Chip im Rahmen eines Einspruchsverfahrens gegen Art. 123(3) EPÜ verstoßen? Der Computer umfassend den Chip ist in der Beschreibung ausdrücklich erwähnt.

Existiert in der deutschen Rechtsprechung evtl. eine abweichende Meinung?

Selbstverständlich ist vorliegend unter dem Obergriff der Gattungsbegriff zu verstehen.
 
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Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Meines Erachtens nicht, und ich habe derartige Änderungen in Einspruchs(beschwerde)verfahren auch schon erlebt.

Grundfrage bei Art. 123(3) ist ja, ob mit der Änderung etwas unter Schutz gestellt würde, was vorher nicht dem Schutz unterfiel. Das ist bei deinem Beispiel nicht der Fall, ein Computer enthaltend den geschützten Chip wäre auch vor der Änderung vom Anspruch erfasst gewesen.
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Hallo Alfred,

es kommt m.E. voraussichtlich darauf an, was der Fachmann unter einem
"Computer enthaltend (bzw. umfassend) einen Chip, der ..."​
versteht (wobei die drei Pünktchen die "eigentliche", hier nicht weiter interessierende Erfindung charakterisieren). Wenn diese geänderte Formulierung auszulegen ist als
"Chip, der ..., wobei der Chip in ein Computergehäuse eingebaut ist."
dann ist das wohl mehr oder weniger eindeutig eine Schutzbereichsbeschränkung durch ein zusätzliches Merkmal und insofern kein Verletzung von 123(3), wie es auch PatEnte schreibt.

Anders könnte es sein, wenn - infolge der Auslegung der (erteilten) Patentschrift - "enthaltend" (bzw. "umfassend") so auszulegen ist, dass der Chip im Rahmen des Computers bestimmte Aufgaben übernimmt und daher der Computer (im Betrieb) bestimmte Merkmale an den Tag legt, die er mit einem anderen Chip nicht hätte, wobei aus den unveränderten Merkmalen (drei Pünktchen) nunmehr hervorgeht, welche Merkmale des Computers (und nicht nur des Chips!) das sind. Ich kann mir vorstellen, dass ein solches Gerät nicht einfach als eine Ausführungsart eines "Chips" anzusehen ist, und wenn der Schutz nun auf ein solches Gerät gerichtet wird, dann kann das durchaus als Verletzung von 123(3) angesehen werden.

Demgemäß fürchte ich, das Ergebnis ist eher offen, sei es beim EPA oder beim DPMA. In jedem Fall würde ich statt "enthaltend" eine klarere Formulierung anstreben.

Viel Spaß bei der Arbeit!
Hans35
 

Alfred

*** KT-HERO ***
Hallo Pat-Ente,

vielen Dank für die Antwort.

In T 0352/04 wird ein Patent auf ein Haarbehandlungsmittel erteilt. In der geänderten Fassung wird ein Haarbehandlungsmittel mit einer Sprühvorrichtung geschützt.

In Entscheidungspunkt 2.10 wird folgendes ausgeführt:
"Aus dem vorstehenden ergibt sich, dass die Aufnahme des Merkmals "mit einer mechanisch betriebenen Sprühvorrichtung", nunmehr Gegenstände umfasst, die neben den kosmetischen Haarbehandlungsmitteln auch eine mechanische Sprühvorrichtung in verschiedensten Ausführungsformen mit schützt, da der Schutzbereich nicht auf den Wortlaut des Anspruchs beschränkt werden kann (Auslegungsprotokoll, siehe obigen Punkt 2.7). Da durch die geänderte Anspruchsformulierung nunmehr eine mechanische Vorrichtung mitgeschützt ist, die durch die erteilte Anspruchsfassung nicht umfasst war, ist somit der Schutzumfang des Streitpatents gegenüber dem erteilten Haarhandlungsmittel erweitert worden. Daher verletzt die aufrechterhaltene Fassung des Streitpatentes Art. 123 (3) EPÜ."

Was nicht unerwähnt bleiben soll, ist dass die Beschwerdekammer einen Kategoriewechsel diskutiert hat, da ihrer Ansicht nach von einem Mittelanspruch auf einen Vorrichtungsanspruch gewechselt wurde.

Der Mittelanspruch ist nach Ralf Ulrich ein Erzeugnis als Mittel zu einem bestimmten Zweck. Daher sollte es sich meiner Ansicht nach auch bei einem Mittelanspruch um ein Erzeugnisanspruch handeln. Ist die Sichtweise allgemein anerkannt?

Das Haarbehandlungsmittel (Zusammensetzung als Mittel zur Behandlung von Haaren) sollte doch auch Vorrichtung enthaltend besagte Zusammensetzung erfassen. Ob die Zusammensetzung lediglich geeignet sein muss (entsprechend der EPA Neuheitsprüfungskriterien) oder vielmehr ein finales Element darstellt (BGH "Antivirusmittel") scheint nicht wichtig zu sein, da entweder das eine oder das andere in Verbindung mit der Sprühvorrichtung keine Erweiterung des Schutzbereichs herbeiführt.

Kommt das Beschwerdekammer des EPA in der genannten Entscheidung zu dem Schluss eines Verstoßes gegen 123(3) EPÜ, da sie einem Mittelanspruch mit einem Verwendungsanspruch gleichsetzen und der Wechsel zu einer Vorrichtung den Schutzbereich erweitert? Oder ist der Wechsel des Gattungsbegriffs bereits als Aliud anzusehen?

Wie wird die genannte Entscheidung der Beschwerdekammer von Euch beurteilt?
 
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Alfred

*** KT-HERO ***
Hallo Hans35,

sollte die Frage nach dem Gattungsbegriff die Berücksichtigung einer Ausführungsform nicht einschließen?

Kann ein Chip, der in einem Computergehäuse eingebaut ist als Beschränkung des Chips angesehen werden? Daher muss eine derartige Auslegung wohl ausscheiden.

Abgesehen von diesem Aspekt handelt es sich tatsächlich um einen Wechsel des Gattungsbegriffs, was eine Betrachtung von Ausführungsformen wohl ausschließen dürfte.

Demnach muss das Ergebnis auch nicht offen bleiben.
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Ich muss gestehen, dass ich die T 0352/04 etwas schwierig nachzuvollziehen fand ...

Ich habe es letztlich so verstanden, dass die BK hier Bedenken hatte, weil der (neu beanspruchte) Gegenstand der Sprühflasche durch das (möglicherweise) enthaltene Mittel nicht eingeschränkt wird (die Eigenschaften der Sprühflasche ändern sich durch das Einfüllen eines speziellen Mittels nicht). Damit würde der Schutz auf (bisher nicht umfasste) beliebige Sprühflaschen ausgedehnt (so ganz überzeugt mich das nicht, weil ja schon das Mittel enthalten sein muss, um eine Verletzung zu begehen, aber lassen wir das mal dahingestellt sein; ich hätte das hier eher an der Klarheit scheitern lassen, denn was heißt schon "Mittel ... mit einer Sprühflasche" - die BK hatte ja selbst schon auf Art. 84 hingewiesen).

Bei dem Computer/Chip-Beispiel ist das anders, weil der Computer durch den Einbau des Chips ein "anderer" wird, d.h. seine Eigenschaften durch den Chip (mit-) bestimmt werden; ich denke, darauf wollte auch Hans35 hinaus (ich halte das aber gerade für _keine_ Verletzung von Art. 123(3) EPC, siehe mein erster Beitrag).
 

PatFragen

*** KT-HERO ***
Hallo Alfred,
wenn du schon nach deutscher Rechtsprechung fragst. Gab es da nicht mal diese tolle (vollständig durchdachte) Entscheidung des BGH Names "Elektronisches Modul" (BGH GRUR 2005, 145 elektronisches Modul)? Da gab es, glaube ich, noch eine Nachfolgeentscheidung, die in die gleiche Richtung ging.

Wenn ich mich an den Inhalt noch richtig erinnere (ist schon eine Weile her, dass ich die damals gelesen habe und die mich ob ihrer logischen Konsequenzen umgehauen hat) schließt der BGH damit logisch alle Änderungen (zumindest im Nichtigkeitsverfahren) aus, die nur eine Stütze in der Beschreibung, jedoch nicht schon im erteilten Anspruchssatz ihren Niederschlag hatten. Aber wer würde schon vom BGH halbwegs logisch durchdachte Urteile erwarten ;-)? Wir hatten mal versucht, das Argument in einer EPA-Einspruchsverhandlung, mit Verweis auf "Elektronisches Modul" und dass das EPA eigentlich rechtlich anerkannte Grundsätze (die mittelbare Patentverletzung gibt es in ziemlich vielen EPÜ-Ländern) zu berücksichtigen hat, vorzutragen. Die Abteilung hat noch nicht einmal ansatzweise verstanden, was die logischen Folgen der Entscheidung sind oder was überhaupt ein "Schutzbereich" ist :).
 

Hans35

*** KT-HERO ***
@Alfred

Ein Kategoriewechsel ist zumindest dann ein Verletzung von 123 (3), wenn er zu zusätzlichen Rechten führt, also z.B. weil ein (zunächst beanspruchtes) Verfahren nicht wie eine Vorrichtung (gemäß dem geänderten Anspruch) das Importieren umfasst. Daran gemessen ist eine Änderung des Oberbegriffs eine schwächere Änderung, die der Einzelfallbeurteilung unterliegt. Meine (vielleicht nicht ganz gelungenen) Beispiele für eine mögliche "Auslegung" des Beispiels Chip/Computer sollten verdeutlichen, dass es Beispiele für beide Ergebnisse (für Zulässigkeit und für Unzulässigkeit bzgl. 123(3) ) geben kann, und dass es dabei sowohl auf die genaue Formulierung des geänderten Anspruchs als auch auf den Inhalt der PS ankommt. Eine Grundsatzentscheidung, dass eine Änderung des Oberbegriffs immer als eine Schutzbereichserweiterung anzusehen ist, kenne ich nicht.

Nach meinem Verständnis liegt eine Schutzbereichserweiterung immer dann vor, wenn eine Handlung (z.B. die Herstellung eines konkret zu bezeichnenden Erzeugnisses, oder die Durchführung eines konkret zu bezeichnenden Verfahrens) angegeben werden kann, die nach dem Wortlaut des geänderten Anspruchs geschützt ist, nach dem Wortlaut der PS aber nicht. Das kann ohne Kenntnis der PS und des Wortlauts des geänderten Anspruchs wohl kaum allgemein beurteilt werden.

Bei der ersten Auslegung des geänderten Patentanspruchs (in meinem Beitrag #3) werden nur alle Chips von Schutz ausgeschlossen, die nicht in einen Computer eingebaut sind; es kommt aber nichts an geschützten Gegenständen hinzu. Insofern wird der Schutzbereich nur eingeschränkt. Bei der zweiten Auslegung ist ein Computer mit bestimmten Merkmalen unter Schutz gestellt und könnte z.B. an der Grenze beschlagahmt werden, und nach dem Wortlaut des erteilten Anspruchs war dieser Computer nicht unmittelbar vom Schutz umfasst. Solange der Anspruch nur auf den Chip gerichtet ist, wäre daher die Beschlagnahme des ganzen Rechners zumindest schwieriger. Für eine Verletzung von 123(3) durch die Anspruchsänderung kommt es letztlich darauf an, welche Auslegung mit der (erteilten) PS vereinbar ist.
 
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Alfred

*** KT-HERO ***
Hallo Pat-Ente,

die T 352/04 und auch T 1898/07 zitierende Entscheidung T 0057/12 stellt ebenfalls darauf ab, dass keine Wechselwirkung zwischen dem zuvor geschützten Gegenstand (Substanz) und dem geänderten Gegenstand (Vorrichtung) besteht, obgleich der zuvor geschützte Gegenstand (Substanz) in dem geänderten Gegenstand (Vorrichtung) enthalten ist. In der Patentschrift wird kein Zusammenhang hergestellt. Resultiert daraus, dass die Substanz lediglich optional in der Vorrichtung enthalten ist.

Dies könnte bedeuten, dass eine Vorrichtung enthaltend die Substanz, wobei die Beschreibung keinen Zusammenhang Vorrichtung und Substanz herstellt lediglich die Vorrichtung schützt. Demnach wäre die Substanz als nicht-technisches Merkmal zumindest hinsichtlich der Vorrichtung anzusehen. Wird durch eine derartige Situation: (1) Vorrichtung enthaltend Substanz und (2) In der Patentschrift keine Zusammenhang hergestellt jegliche Vorrichtung auch ohne Substanz geschützt?
 

Alfred

*** KT-HERO ***
Hallo Hans35,

vielen Dank.

Deinen Ausführungen zur Durchsetzbarkeit eines Anspruchs in Abhängigkeit vom Oberbegriff (Gattungsbegriff) kann ich nur zustimmen. Des Weiteren hat die Art des Gegenstandes auch einen Einfluss auf die Schadensberechnung. Allerdings stellt sich die Frage, ob die Entscheidungen des EPA bei einem Wechsel des Gattungsbegriffs von derartigen Überlegungen getragen werden? In Bezug auf den Kategoriewechsel kann ich dir nur zustimmen. Dafür liegt eine Reihe von EPA-Rechtsprechung vor.

Andere Entscheidung haben die mangelnde Anwendbarkeit von T 352/04 auf den Wechsel des Gattungsbegriffs damit begründet, dass in T 352/04 auf den Kategoriewechsel abgestellt wird. Allerdings ist aus meiner Sicht unklar, warum ein Übergang von einem Haarbehandlungsmittel (Erzeugnis als Mittel zur Haarbehandlung) zu einer Vorrichtung ein Kategoriewechsel darstellen soll. Beide sind Erzeugnisansprüche.
 

Alfred

*** KT-HERO ***
Hallo PatFragen,

danke für die Literaturstelle.

Die Entscheidung trifft genau meine Fragestellung. Allerdings, wie du bereits angemerkt hast, bezieht sich die Entscheidung auf das Nichtigkeitsverfahren. Lassen sich die Aussagen auch auf das Einspruchsverfahren übertragen?

Unter Rn15 der Entscheidung "Elektronisches Modul" (X ZR 149/01) wird folgendes diskutiert:

"Die angegriffenen Patentansprüche 1-5 schützen nämlich jeweils nur elektronische Module als solche, während die Patentansprüche 6-14 "Kunststoffträger zur Aufnahme und Halterung eines elektronischen Moduls" betreffen. Der Gegenstand, für den die Patentinhaberin im Weg einer geänderten Verteidigung nach Hauptantrag und erstem Hilfsantrag Schutz haben will, ist demgegenüber eine "Vorrichtung mit einem Kunststoffträger und mit einem elektronischen Modul". Selbst wenn ein solcher Gegenstand durch das erteilte Patent offenbart werden sollte, wird er von ihm aber, da nicht in einem Patentanspruch unter Schutz gestellt, nicht geschützt. Eine nachträgliche Einbeziehung eines solchen, vom Streitpatent nicht geschützten Gegenstands in dieses ist im Patentnichtigkeitsverfahren nicht möglich. Ein Gegenstand, der durch das erteilte Patent zwar offenbart, von ihm aber nicht geschützt ist, kann im Patentnichtigkeitsverfahren nicht nachträglich in das Patent einbezogen und unter Schutz gestellt werden. Das Patentnichtigkeitsverfahren dient der Nichtigerklärung eines Patents, soweit bei ihm ein gesetzlich vorgesehener und vom Nichtigkeitskläger geltend gemachter Nichtigkeitsgrund vorliegt, und eröffnet in diesem Umfang dem Patentinhaber die in der Sache veranlaßten Verteidigungsmöglichkeiten, es dient aber nicht darüber hinaus der Gestaltung des Patents; diese Funktion ist vielmehr einzig dem Patenterteilungsverfahren zugewiesen (vgl. BGHZ 103, 262, 266 - Düngerstreuer)."
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Könnte die 123(3)-Verletzung im "Mittel-Fall" damit zusammenhängen, dass beim Mittel-Anspruch die Wirkung des Mittels als Anspruchsmerkmal beim Verletzungsgegenstand verwirklicht werden muss, bei der Vorrichtung aber nicht, wenn nämlich die (im übrigen identische) Vorrichtung anders verwendet wird?

Im Übrigen: Die Entscheidung im Einspruch muss von einer einheitlichen Auslegung des Patents und des geänderten Anspruchs ausgehen. D.h. es darf insbes. nicht für 123(3) eine andere Auslegung zu Grunde gelegt werden, als für die erfinderische Tätigkeit. Wenn im Einspruch für die erfinderische Tätigkeit eine bestimmte Auslegung aus dem Erteilungsverfahren aufgegriffen wird, kann die bei 123(3) dann vielleicht schon mal schräg aussehen oder nicht leicht verständlich wirken. Ein Beispiel dafür habe ich aber leider nicht parat.
 

PatFragen

*** KT-HERO ***
Hallo Alfred,

shit dann scheint es wohl die „Nachfolgeentscheidung“ zu sein, in der es um die mittelbare Patentverletzung ging. Naja man wird alt und das Gedächtnis noch schlechter :).

Also wenn der BGH halbwegs logisch stringent sein wollte, müsste sich das auch auf das Einspruchsverfahren übertragen lassen, weil auch dies nur dem Widerruf und nicht der Gestaltung des Patents dient. Zumindest seit der Einspruch der Patenterteilung nachgestellt und nicht mehr vor dieser durchgeführt wird :).

Das „Lustige“ am elektronischen Modul ist dann nur, dass für mich nur logisch schwer die Kurve gegen folgende Argumentation im Patentverletzungsverfahren zu bekommen ist.
Ich habe ja nicht das elektronische Modul angeboten sondern zusammen mit dem Kunststoffträger und das hat doch der BGH entschieden, dass mit dem elektronischen Modul nicht auch die Einheit mit dem Kunststoffträger unter Schutz gestellt wurde.
Oder Allgemeiner:
Ich baue immer eine größere Einheit als die kleine Einheit, die im Anspruch „unter Schutz gestellt“ ist und verkaufe diese (und biete diese auch nur an). Laut der Entscheidung stellt der Anspruch der auf eine kleine Einheit bezogen ist, nicht die große Einheit unter Schutz (der BGH bezieht sich unmittelbar auf den Schutz!). Also schützt ein Anspruch auf die kleine Einheit gerichtet nicht die große Einheit. Die Entscheidung ist z.B. super für die Flugzeugbauer, weil in den Bereich immer eine Menge zusätzlicher Teile im fertigen Flugzeug drin sind :). Wie will der BGH die Kurve bekommen, hat da jemand eine Idee? Wollen die argumentieren: das Patent stellt das zwar nicht unter Schutz, es ist aber trotzdem eine Patentverletzung?
 

Alfred

*** KT-HERO ***
Hi PatFragen,

die Schlussfolgerung ist tatsächlich sehr amüsant.

Erinnerst du dich noch an den Titel zur Rechtsprechung zum Einfluss einer mittelbaren Patentverletzung?

Um den Widerspruch zu beseitigen, den du angesprochen hast, scheint wie Hans35 bereits erwähnt hat, eine Unterscheidung zwischen dem Schutzgegenstand als solches und dem Schutzbereich zu bestehen. Unter Schutz wird in der der Entscheidung "elektronisches Modul" einerseits das elektronische Modul gestellt und anderseits eine Vorrichtung enthaltend ein elektronisches Modul.

Die Vorrichtung enthaltend das elektronische Modul wird vom elektronischen Modul erfasst, ist aber unmittelbar nicht auf diesen gerichtet. Die Vorrichtung enthaltend das elektronische Modul ist vermutlich etwas anderes als das elektronische Modul.
 

Alfred

*** KT-HERO ***
Hi Hans35,

wenn du dich auf das Zusammenspiel zwischen der erfinderischen Tätigkeit und Art. 123(3) beziehst, gehst du dabei von Annahme aus, dass zur Auslegung der Patentansprüche die Aufgabenstellung in der ursprünglichen Beschreibung herangezogen wird?

Hinsichtlich des Mittelanspruchs:
Wertet das EPA eine Formulierung wie Erzeugnis als Mittel zur Haarbehandlung nicht als Erzeugnis geeignet als Mittel zur Haarbehandlung, sodass das es kein finales Element darstellt? Anders scheint der BGH dies in der Antivirusmittel-Entscheidung zu sehen.

Angenommen das Mittel muss tatsächlich verwirklicht werden:
Würde der Angabe Erzeugnis "als Mittel zur Haarbehandlung" (alleine in einem Anspruch) eine andere Bedeutung zukommen als das Erzeugnis mit der Zweckangabe in einer Vorrichtung (Zusammen in einem Anspruch).
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Nein, ich meine erst mal nur, wie der Fachmann die entscheidungserheblichen Worte und Begriffe versteht, z.B. ob eine "elektrische Verbindung" auch eine Funkverbindung umfasst, und damit auch GPS oder WLAN. Da darf bei der erfinderischen Tätigkeit nicht von einer anderen Auslegung ausgegangen werden, als wenn es darum geht, ob der Schutzbereich erweitert wurde.

Zum "Mittel", so wie ich es verstanden habe:
Bei einem "Hammer zum Zertrümmern von Steinen, ..." muss der Verletzungsgegenstand nur zum Zertrümmern von Steinen geeignet sein, um in den Schutzbereich zu fallen.
Bei einem "Mittel zum Zertrümmern von Steinen in Form eines Hammers, ..." muss der Verletzungsgegenstand tatsächlich zum Zertrümmern von Steinen verwendet werden oder zumindest dazu bestimmt sein. Das ist z.B. nicht der Fall, wenn er ohne Verwendungshinweis verkauft wird. Der Übergang vom "Mittel" zum "Hammer" erweitert somit den Schutz.
 

PatFragen

*** KT-HERO ***
Hallo Alfred,

die Entscheidung ist logisch der Supergau! Offensichtlich rotzt der BGH einfach ohne jede Not einen völligen Hammer raus, ohne zu bedenken, was er logisch tut.


Logisch gesehen ist durch die Entscheidung ausgesagt worden, dass ich durch die Hinzunahme weiterer Merkmale in den Verletzungsgegenstand aus dem Schutz herauskomme. Ob ich die größere Einheit anders nenne oder nicht ist logisch schnurzpiepe. Ich kann die kleine Einheit oder die große Einheit auch Schniepelpuhl nennen. Es kann nicht auf die Bezeichnung ankommen. D.h. ich kann auch das elektronische Modul zusammen mit dem Kunststoffträger immer noch elektronisches Modul nennen, solange es nicht eine eindeutige abgeschlossene Definition gibt, was ein elektronisches Modul enthalten kann und was nicht. Solche eindeutigen abgeschlossenen Definitionen werden in Patentanmeldungen aber selten gegeben (entspricht im Wesentlichen der Verwendung von „bestehen“), weil man ja gerade erreichen will, dass nur die Mindestmenge der Merkmale festgelegt sein soll (d.h. „aufweisen“). Der BGH hat logisch gesehen entschieden, dass der Anspruch nun (zumindest in dem Fall) auch eine Maximumschranke für die Merkmale festlegt!

Oder anders ausgedrückt. Ein Patent schützt nur ein elektronisches Modul. Ich stelle etwas her, was ein zusätzliches Merkmal hat (das ggf. nicht im Patent gezeigt wird) und dann argumentiere ich bei dem Verletzungsprozess einfach, dass das durch das zusätzliche Merkmal kein elektronisches Modul mehr ist, sondern ein Schiepelpuhl, das ganz was anderes ist.
Auch eine (für mich vollständig willkürliche) Unterscheidung zwischen Schutzbereich und Schutzgegenstand hilft dabei nicht weiter. Im Urteil spricht der BGH von „nicht geschützt“, d.h. er bezieht sich eindeutig auf den Schutzbereich des §§14 und 22 (ist ja auch logisch, weil es ein Nichtigkeitsverfahren war :) ). Der Sinn des §22(1)2.Alt ist doch aber gerade zu verhindern, dass etwas was durch das Patent bei Patenterteilung noch nicht geschützt war (d.h. noch keine Verletzung war), nachträglich durch eine Änderung im Einspruchsverfahren geschützt zu bekommen (d.h. jetzt eine Verletzung ist). Also muss logisch der Schutzbereich des §22 dem Inhalt nach dem „Gegenstand“ des §9 entsprechen. Da kann man nicht einfach etwas anderes wie „Schutzgegenstand“ einführen, weil dies dem Sinn des §22 völlig widersprechen würde.
 

Alfred

*** KT-HERO ***
Hallo Hans35,

die erfinderische Tätigkeit hattest du in dieser Diskussionsrunde zu Art. 123(3) EPÜ vorgebracht. Welche Verbindung besteht also zu der besagten Norm des EPÜ?

Zum Mittelanspruch:

Ein Mittelanspruch ist grundsätzlich nach meinem Verständnis ein Erzeugnisanspruch.

Bspw. ist ein Anspruch auf ein Befestigungsmittel (Mittel zum Befestigen wie Nagel oder Niete) nicht darauf beschränkt, dass das Mittel tatsächlich auch für den Zweck genutzt wird, sondern sich lediglich dafür eignet. Durch diesen Anspruch wird ein Nagel oder Niete geschützt, obgleich dieser für das Ziel "Befestigung" eingesetzt wird. Selbstverständlich sind Konstellationen vorstellbar, wobei die Funktion auch tatsächlich erfüllt werden muss. So hat der BGH zumindest einen Mittelanspruch (Antivirusmittel) gesehen. Innerhalb einer Vorrichtung kommen den "Mitteln zum xx" häufig eine funktionelle Bedeutung zu, welches sich aus der Lehre der Patentschrift ergibt.

Das EPA ist soweit ich es einschätzen kann, sehr zurückhaltend bei einer Anspruchsformulierung wie Befestigungsmittel (als Gattungsbegriff), ein funktionelles Merkmal anzuerkennen.
 

Alfred

*** KT-HERO ***
Hi PatFragen,

die BGH-Entscheidung ist meiner Ansicht nach auch sehr fragwürdig.

Angenommen der Inhaber eines älteren Patents hat das elektrische Modul geschützt.

Fall: In der Beschreibung ist eine Vorrichtung enthaltend das elektrische Modul offenbart, jedoch nicht beansprucht.


Ein jüngeres Patent wird erteilt auf eine Vorrichtung enthaltend das elektrische Modul, wobei das Amt wieder einiges übersehen hat.

Der Inhaber des jüngeren Patents nimmt den Inhaber des älteren Patents aufgrund einer Patentverletzung in Anspruch: Der Inhaber des älteren Patents hatte schließlich doch eine Vorrichtung enthaltend das elektrische Modul auf den Markt gebracht.

Sofern der Inhaber des älteren Patents nicht den Umweg über das Nichtigkeitsverfahren einschlagen möchte, setzt dieser auf die Einrede des älteren Rechts innerhalb des Patentverletzungsverfahrens.

Hat der Inhaber des älteren Patents innerhalb des Patentverletzungsverfahrens gute Aussichten auf Erfolg?
 
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Hans35

*** KT-HERO ***
@ PatFragen
Mit deinen Logik-Argumenten erinnerst du mich ein bisschen an Don Quijote und seinen Kampf gegen Windmühlenflügel.

Ob du die größere Einheit anders nennst oder nicht, ist eben nicht "schnurzpiepe". Es geht darum, den beanspruchten Gegenstand zu beschränken, und das kann dessen Breite (in Form von herausgenommenen Ausführungsbeispielen) betreffen, dessen Lehre (in Form von ergänzten Anspruchsmerkmalen), oder es kann auch in anderer Weise geschehen. Aber dabei darf der Schutzbereich nicht gleichzeitig - gewollt oder ungewollt - in irgendeiner Hinsicht erweitert werden.

Im Prüfungsverfahren muss ich mir halt überlegen, wie ich den Anspruch formuliere, um ihn besonders leicht durchzusetzen. Im Einspruch darf ich dahingehend nichts mehr nachbessern. Das Gestalten des Patents dient hier ausschließlich zur Beschränkung des Patents im Interesse des Einsprechenden und es wird unterbunden, wenn es für den Patentinhaber zu irgendwelchen Vorteilen führt, die er mit der erteilten Fassung nicht hatte. Auch eine Beweiserleichterung im Verletzungsfall (soweit sie im Einspruchsverfahren bereits sichtbar wird) ist eine Schutzbereichserweiterung. Denn es könnte ja Fälle geben, in denen der Patentinhaber nur mit dieser Beweiserleichterung erfolgreich sein kann und er somit seinen Schutz erst durch das Einspruchsverfahren erhält. Dann wird eben das ganze Patent widerrufen, anstatt dass es nur beschränkt wird.

Bei meinem Beispiel wäre es einfacher, einen Computer zu beschlagnahmen, als einen in einem Computer eingebauten Chip, wenn der vermeintlich beschränkte Anspruch auf einen Computer gerichtet ist, und der erteilte Anspruch nur auf den Chip. Das genügt für 123(3). Ich denke, dafür muss der Einsprechende nicht mal nachweisen, dass es wirklich einfacher ist; die bloße Möglichkeit genügt. - Das Entsprechende gilt für die zitierte BGH-Entscheidung.
 
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