Trägheit

Hans35

*** KT-HERO ***
Zumindest seit der BGH-Entscheidung Steuerungseinrichtung für Untersuchungsmodalitäten vom 20.1 2009 und bekräftigt z.B. durch die Entscheidung Webseitenanzeige vom 24.2.2011 ist klar, dass technische und nichttechnische Beiträge nicht gegeneinander abzuwägen sind, sondern dass nichttechnische Merkmale, zumindest bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit, unberücksichtigt bleiben müssen, und es wird nur der "technische Rest" auf Patenfähigkeit geprüft.

Warum setzen sich solche wegweisenden Entscheidungen nur so schrecklich langsam durch?

Gerade heute sehe ich einen Beschluss des BPatG 19 W (pat) 21/17 vom 2.7.2018, der eine Einspruchsentscheidung des DPMA vom 8. 6. 2016 (!) genau in dieser Hinsicht gerade biegt, und da will ich meinem Ärger direkt mal Luft machen.

Anderes Beispiel: Mindestens seit 1978 ist der (jetzige) § 4 PatG in Kraft, wonach eine Erfindung (dann und nur dann!) als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend gilt, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Trotzdem finden sich in vielen Patentrechtskommentaren noch immer "Beweisanzeichen für Erfindungshöhe", die manchmal auch zurückhaltend als "Hilfserwägung" bezeichnet werden, die aber nichts mit dem Stand der Technik zu tun haben, und mit dem, was man mit einer Druckschrift nahelegen kann, und was nicht:
- der technische Fortschritt (vgl. dazu auch die BGH-Entscheidung Flugzeugzustand)
- der wirtschaftliche Erfolg
- umfangreiche Nachahmungen
- der Abschluss von Lizenzverträgen
- ein lange Zeit bestehendes Bedürfnis.

Vielleicht finden sich ja sogar aktuelle Prüfungsbescheide, in denen noch von "Erfindungshöhe" die Rede ist und wo solche "Hilfserwägungen" eine Rolle spielen!
 

PatFragen

*** KT-HERO ***
Hallo Hans,
und was soll uns dein Post jetzt sagen :) ?
Insbesondere würde mich interessieren, was du gegen die folgende Argumentationsschiene vorbringen kannst:
Kaum haben die das neue Produkt auf den Markt gebracht, machen das alle Konkurrenten nach. Warum haben die das denn vorher nicht gemacht, wenn es doch anscheinend einen Bedarf gab und man damit Geld verdienen kann, was doch alle wollen? Also scheint das neue Produkt womöglich nicht so naheliegend gewesen zu sein, weil sonst ja der wirtschaftlich handelnde Wettbewerber das Produkt schon längst selber auf den Markt gebracht hätte.
Eine entsprechende Argumentationslinie, geht mit allen deinen "Beweisanzeichen".
Also ich empfinde die Argumentationslinie als wesentlich schlüssiger als die Behauptung, dass im §4 etwas von "dann und nur dann" drin stehen würde. Du kannst nämlich an der gleichen Stelle ein "insbesondere" einsetzen und es ergibt keinen Widerspruch. (Eine Erfindung gilt "dann und nur dann"/"insbesondere" auf einer...). Also kann die Formulierung des §4 nicht eindeutig sein ;-).
 

Hans35

*** KT-HERO ***
... insbesondere ... ???

Du meinst also ernsthaft, eine Erfindung kann auch dann im Sinne von Art. 56 EPÜ bzw. § 4 PaG auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen, wenn sie sich nicht für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik (vor dem Anmeldetag/Prioritätstag) ergibt? Sondern z.B. auch, wenn sie sich nach dem Anmeldetag gut verkauft?
 

PatFragen

*** KT-HERO ***
Hallo Hans,
also irgendeiner von uns beiden hat Probleme mit der Logik :).
Also auf deine Frage muss nach meinem Verständnis jeder Patentanwalt mit einem klaren "JA" antworten. Er "kann" nicht nur sondern "muss" sogar, weil das ist doch gerade der Regelungsgehalt des §4 Satz 1 :). Les dir nochmal in Ruhe durch, was du geschrieben hast ;-).

Aber ich glaube du meintest das Gegenteil von dem was du geschrieben hast :). Aber wo habe ich das denn geschrieben? Die Formulierung in §4 stellt logisch ein hinreichendes Kriterium dar, um zu entscheiden, ob etwas auf einer erfinderischer Tätigkeit beruht. Woraus ergibt sich aber logisch, dass der Gesetzgeber dieses als einziges hinreichendes Kriterium oder gar notwendiges Kriterium haben wollte? Da hätte er dann schreiben müssen, dass etwas nur erfinderisch ist, wenn es sich nicht nahliegend aus dem Stand der Technik ergibt. Also einfach ohne jegliche Probleme das "nur" einfügen. Das wollte der Gesetzgeber aber offensichtlich nicht. Und das ist auch ganz normal für den, weil er bei grundsätzlichen Sachen ungern abschließend formuliert. Deshalb hat er wohl das von dir vertretene "nur" rausgelassen und lässt die Möglichkeit offen, dass (womöglich durch Rechtsfortbildung durch Gerichte) auch noch anderen Kriterien herangezogen werden können.
Logisch betrachtet geht es doch bei den "Hilfserwägungen" darum, den unbestimmten Rechtsbegriff des §1 der "erfinderischen Tätigkeit" dem durch §4 mit dem weiteren unbestimmten Rechtsbegriff "nicht naheliegend" ein hinreichendes Kriterium zur Seite gestellt wird, mit Inhalt zu füllen. In der Art: Was ist denn nicht naheliegend? Deutet es nicht, wenn etwas sofort kopiert wird, weil es erfolgreich ist,
darauf hin, dass etwas nicht naheliegend war, weil sonst hätten die anderen es doch auch gemacht. Also war es wohl nicht naheliegend und gilt deshalb nach §4 Satz 1 als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend. Die "Hilfserwägungen" beruhen also logisch genau auf $4 Satz 1 und widersprechen diesem nicht. Und meiner Frage hinsichtlich dieser Argumentation bist du irgendwie mit einer (für mich) logischen Fehlinterpretation aus dem Weg gegangen ;-).
 

Blood für PMZ

*** KT-HERO ***
Hallo Hans35,

bisher habe ich zwar das Thema Deiner Beiträge, aber noch nicht den Grund des Ärgers verstanden.

Geht es um den Begriff "inventive step"? Die deutsche Übersetzung dieses Begriffes aus dem EPC ist nach den einschlägigen Online dictionaries "Erfindungshöhe". Lack of inventive step ist demzufolge mangelnde Erfindungshöhe. In etwas später eingebrachten Übersetzungspaaren wird jetzt zusätzlich auf die früher offenbar nicht existierende und auch im englischen irgendwie schief klingende "erfinderische Tätigkeit" verwiesen.

Das Tabu nimmt als Überschrift des § 4: "Erfinderische Tätigkeit (Erfindungshöhe)" und setzt die Begriffe somit ebenfalls gleich.

Warum sollte ein Prüfer diesen offensichtlich gleichbedeutenden Begriff nicht in seinen Bescheiden benutzen? Andere Beteiligte tun es auch und es ist doch ein gutes Gefühl, der einzige sprachlich überaus korrekte Verfahrensbeteiligte zu sein ...

Der Umstand, dass andere Wettbewerber beispielsweise 50 Jahre lang nicht in der Lage waren, aus dem Stand der Technik zu einer bestimmten Lösung eines Problems zu gelangen, ist imho schon ein sehr technisches Indiz dafür, dass dieser Schritt eben gerade nicht nahe lag. Also war dieser Schritt ein erfinderischer Schritt, da die Wettbewerber in diesen 50 Jahren quasi eine Art Testbiotop gebildet haben und durch Beobachtung nachweisbar ist, dass der Schritt für diese Fachleute eben zu groß war. Da kann der Prüfer nun schlecht behaupten, also er wäre in diesen 50 Jahren natürlich drauf gekommen, anders alle anderen.

Logischerweise werde ich als Einsprechender eine vollkommen andere Position einnehmen. Das ist doch das schöne an unserem Beruf. Für Ärger ist da eigentlich kein Raum.

Frohes Schaffen
Blood für PMZ
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Hallo Blood for PMZ,

meine Interpretation der Geschichte des Patentgesetzes geht so:

Relativ früh, zu Zeiten des Reichsgerichts, ist man sich wohl darüber klar geworden, dass die bloße Neuheit eine zu schwache Forderung für die Erteilung eines Patents ist, es musste noch irgendetwas dazukommen. Das war die "Erfindungshöhe", die aber zunächst jeder irgendwie anders interpretierte, aber gern als Bild einer Hürde, die der Erfinder überspringen musste. Die Höhe der Hürde war irgendwie variabel, in Abhängigkeit vom technischen Gebiet, dem Entwicklungsstand dort uvm. Insofern gab es wenig Rechtssicherheit, was auch erst mal nicht störte, weil das Patent sich ja aus einem hoheitlich gewährten Privileg entwickelt hat. Später, als die Rechtssicherheit immer wichtiger wurde, entwickelte man die "Beweisanzeichen".

Hiervon ausgehend halte ich es für eine große Errungenschaft durch kluge Köpfe, dass man den Begriff "Erfindungshöhe" im letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts dadurch ersetzen konnte, dass der beanspruchte Gegenstand sich nunmehr "nicht auf naheliegende Weise aus dem Stand der Technik ergibt". Der Erfinder muss nicht mehr etwas besonderes getan haben, was irgend ein vorgegebenes Maß übersteigt. Zu untersuchen ist nur noch der Stand der Technik bis zum Anmeldetag und was dort offenbart ist, und es kommt nicht einmal darauf an, ob der Erfinder diesen Stand der Technik kennt. Die "erfinderische Tätigkeit" des Erfinders in seiner Wortbedeutung, also sein persönliches Tun vor dem Anmeldetag, ist nicht mehr zu untersuchen. Und was nach dem Anmeldetag geschieht, wirkt sich erst Recht nicht auf die Patentfähigkeit aus, auch kein großer Verkaufserfolg. Für das Nahelegen ließen sich nachvollziehbare Kriterien entwickeln (z.B. der erforderliche Hinweis/Anregung bzgl. der 2. Schrift), so dass die Beurteilungsergebnisse bei gegebenem Stand der Technik wirklich vorhersehbar wurden. "Beweisanzeichen", die nichts darüber besagen, was einer Schrift entnehmbar ist und beim Gegenstand einer anderen Schrift nahelegen kann, haben keine Bedeutung mehr.

Ich bin überzeugt davon, dass heute (auch in scheinbaren Grenzfällen) weit über 99% aller Prüfer und Patentanwälte, die ihr Handwerk richtig gelernt haben, zu demselben Ergebnis bzgl. Art. 56 EPÜ bzw. § 4 PaG kommen, wenn man ihnen einen konkreten Fall mit Ansprüchen und Entgegenhaltungen vorlegt. Vorausgesetzt, die Beurteilung ist nicht davon beeinflusst, dass für einen Mandanten in der einen oder anderen Richtung Partei zu ergreifen ist. Und diese Beurteilung ändert sich auch nicht, wenn ergänzend irgendwelche Umstände hinzutreten, die in "Beweisanzeichen" eine Rolle spielen.

Wer heute noch von Erfindungshöhe redet, der setzt sich m.E. nicht nur dem Verdacht aus, dass er diese Entwicklung ignoriert, sondern auch, dass er sich die alte "Variabilität" zurückwünscht, z.B. im EPA unter dem Motto "Raising the bar".

Viele Grüße
Hans35
 

PatFragen

*** KT-HERO ***
Hallo Hans,


auch wenn du mir auf meine Fragen ja nicht antwortest und dein letzter Post an Blood adressiert war, kannst ich mir eine Reaktion nicht verkneifen :).


Erstens: Bitte füge in deinem Post von gestern Morgen noch die fehlende Negation ein. Das tut weh, das zu lesen, wenn du dir durch Unachtsamkeit so "ins eigene Knie schießt".


Zweitens: Historische Exkurse sind immer interessant. Interessieren würde mich, auf welcher Grundlage du zu deiner Interpretation kommst, dass das Reichsgericht etwas wie Erfindungshöhe „erfunden“ hat? Weil im Patentgesetz vom 1877 im § 1 außer der „gewerblichen Verwerthung“ (ich liebe das alte deutsche „th“, das es leider nur noch in Thron gibt :) ) nur die Neuheit gefordert wird oder hast du alte Entscheidungen des Reichsgerichts gelesen (ich gebe zu, ich hab das nicht :) )? Dabei sollte man immer beachten, was das Patentgesetz unter „neu“ verstanden hat. Die entsprechende Fiktion steht in §2 und ist etwas völlig anderes als die jetzige Fiktion. Nicht nur, dass sich dort die Fiktion auf „nicht neu“ bezieht, während sie sich jetzt auf „neu“ bezieht, sondern vor allem, weil der Inhalt anders ist. 1877 steckte nämlich schon im Begriff der „Neuheit“ bzw. der Fiktion was „nicht neu“ ist, logisch eine Kombinationsmöglichkeit von Dokumenten des Standes der Technik und ein subjektiver/spekulativer Aspekt, nämlich dass „die Benutzung durch Sachverständige möglich erscheint“ (was beispielweise wohl durch einen Hinweis im Stand der Technik gegeben gewesen sein wird), nicht dass etwas „dazu gehört“ (bekannt) ist. Wenn ich bei der Formulierung die heutige Bedeutung der dort verwendeten Worte heranziehe, steckt also ein Punkt, der einer „Erfindungshöhe“ entspricht, bereits im Text des Patentgesetzes und hätte nicht erst durch das Reichsgericht „erfunden“ werden müssen. Solltest du jedoch alte Entscheidungen gelesen haben und dort würde das Gericht selber von so etwas sprechen, dass sie sowas wie „Erfindungshöhe“ „erfunden“ hätten, dann wäre ich mal der Meinung, dass die (zumindest nach heutigem Verständnis der Worte und damit des Inhalts des damaligen §2) sich die Fiktion endlich genau angeschaut haben ;-).



Drittens: Was ist für dich der tatsächliche Bedeutungsunterschied zwischen „Erfindungshöhe“ bzw. „etwas besonderes getan haben“ und „nicht naheliegend“? Um etwas Patentfähiges zu erhalten, muss der Fachmann bei der Forderung des „nicht naheliegen“ doch etwas „erfinden“, was in dem vollständigen Stand der Technik (der ihm typischerweise nie vollständig bekannt ist) nicht nur unbekannt war, sondern es darf noch nicht einmal einen Hinweis (zur Kombination) darauf geben. Das ist für mich schon etwas sehr Besonderes. Das hat, wenn man es genau betrachtet, für mich schon etwas von hellseherischen Fähigkeiten ;-) (OK wir wissen alle, dass es im Wesentlichen nicht „Hellseherei“ sondern eher „Try and Error“ ist :) ). Auch in der Formulierung von 1877, da aller schriftlicher Stand der Technik und inländische Vorbenutzung herangezogen wurden, war nicht die subjektive Leistung des Erfinders vor der Anmeldung, sondern war nur eine nachträgliche Betrachtung angesichts des Standes der Technik heranzuziehen, die beurteilt, was wohl (da „möglich erscheint“) einem Fachmann/Sachverständigen möglich gewesen wäre. Was sind für dich die tatsächlichen grundsätzlichen (weil du es als große Errungenschaft bezeichnest) Unterschiede der „neuen Kriterien“? Du sagst ja selber, dass es „früher“ „Beweisanzeichen“, d.h. nichts Anderes als Entscheidungskriterien, gab, die eine „Erfindungshöhe“ anzeigen konnten. Auch diese sind grundsätzlich nachvollziehbar. Im Endeffekt ist doch dein „nicht naheliegen“ eine reine Umbenennung von „Erfindungshöhe“, die aber inhaltlich nichts ändert. Du kannst deine „Kriterien“ ohne irgendwelche Probleme auf das „Erfordernis“ der „Erfindungshöhe“ anwenden. Wenn es im Stand der Technik keinen „Hinweis“ gibt, dann weist die Erfindung die erforderliche „Erfindungshöhe“ auf.


Viertens: Woraus ziehst du deinen Schluss, dass 99% der Patentanwälte und Prüfer, die „richtig gelernt“ hätten, zu dem gleichen Ergebnis kommen würden (wohl zu deinem ;-) )? Ist dir klar, dass du da einer (nach meiner Erfahrung) recht erkleckliche Anzahl von Prüfer unterstellst, dass sie es nicht „richtig gelernt“ hätten (weil die haben deine einzige zugestandene „Rückzugsposition“ der Mandantenfärbung nicht)? Wenn du eine Aussage wie „auf das gleiche Ergebnis kommen“ alleinig auf „richtig gelernt“ zurückführen wolltest, müsstest du das „richtig gelernt“ zumindest auf das Sprachverständnis, das technische Verständnis und Wissen und das Patentrecht beziehen, weil es schon allein aus diese Gründen zu unterschiedlichen Interpretationen, die jeweils begründet sind, kommen kann, was offenbart, insbesondere aber was ein Hinweis ist bzw. wie direkt ein solcher Hinweis sein muss. Also nach meiner Erfahrung kommen andere durchaus auch zu begründeten Ergebnissen, die leider abundan meinen (auch den nicht mandantengefärbten) Ergebnissen widersprechen. Ich habe da aber nicht die Hybris in all den Fällen, die über den einen dir zugestandenen Prozentpunkt hinausgehen, schlechtes Lernen der Anderen als Ursache anzunehmen, sondern lasse durchaus auch die Möglichkeiten der unterschiedlichen Auslegungsmöglichkeiten bzw. der unterschiedlichen Gewichtung verschiedener Aspekte zu. Zumindest manchmal :).
 

Blood für PMZ

*** KT-HERO ***
Hallo Hans35 und PatFragen,

für historische Fragen rege ich an, einfach in die Archive der Kanzleien zu steigen und irgendeinen alten Isay oder von mir aus Benkards 1. Auflage heranzuziehen. Da sind diese Themen durchdiskutiert, und zwar (wie auch sinnvoll) mit dem Blick von damals.

Die wesentliche Änderung 1978 betraf die Abschaffung des Erfordernisses des sogenannten "Technischen Fortschritts", der bis dahin in DE Patentvoraussetzung war und in Entscheidungen von Anno Dazumal viel diskutiert wurde, die heute natürlich alle nicht mehr interessieren.

Das "Nichtnaheliegen aus dem Stand der Technik" wurde auch schon 1930 gefordert, nicht im Gesetzestext, aber in der Praxis und der Rechtsprechung. Damals nannte sich das "ob der Fachmann die fragliche Maßnahme auf der Grundlage des Stands der Technik unschwer auffinden konnte". Imho ist das absolut gleichbedeutend mit der heutigen Formulierung. Da hat sich also nichts geändert.

Ich glaube nicht, dass wir das hier sinnvoll ausdiskutieren können. Mit diesen Themen habe sich schon einige ausführlich beschäftigt.

Die Zweifel des Kollegen PatFragen an den "weit über 99 %" habe ich allerdings auch. Schon beim Technischen Beschwerdesenat in der Sitzung mit den Kandidaten gehen die Meinungen auseinander. Nicht ohne Grund wird in mündlichen Verhandlungen beim EPA und beim BPatG auch viel über den Fachmann diskutiert, auf den es ankommt, ob aus dem Stand der Technik nun ein bestimmter Hinweis zu entnehmen ist, oder aber nicht. Und mancher sich selbst vertretende Anmelder hat seine Sache an die Wand gefahren, obwohl mit ordentlichem Schriftsatz und Vortrag was drin gewesen wäre.

Frohes Schaffen
Blood für PMZ
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Imho ist das absolut gleichbedeutend mit der heutigen Formulierung. Da hat sich also nichts geändert.

Mit dieser Auffassung befindest Du Dich in prominenter Gesellschaft. Siehe nur Kraßer/Ann, Patentrecht
7. Auflage 2016, § 18 Rn. 11f. (m.w.N.):

"Ob eine Tätigkeit eine erfinderische ist, richtet sich nicht nach ihrem Verlauf, sondern allein nach ihrem Ergebnis. Immer, aber auch nur dann, wenn dieses eine Erfindung ist, die sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem SdT ergibt, ist der Vorgang, der dazu geführt hat, eine erfinderische Tätigkeit im Sinne des Patentrechts.

Entscheidend ist also letztlich nicht das Beruhen auf erfinderischer Tätigkeit, sondern das Nicht-Naheliegen. Der alte Begriff der Erfindungshöhe kam dem Wesen des Erfordernisses näher, eignete sich jedoch nicht zur Umsetzung in eine übernationale Terminologie. Da er ebenfalls mit Nicht-Naheliegen gleichgesetzt wurde, hat die Umbenennung sachlich nichts geändert. Daher kann für das deutsche Recht die Rechtsprechung zur Erfindungshöhe weiterhin herangezogen werden."


Wenig verwunderlich also, dass die Prüfungsrichtlinien für Patentanmeldungen des DPMA in 3.3.3.2.4. die Prüfer verpflichten, Beweisanzeichen zu berücksichtigen (im Übrigen gilt dies ja auch für die Prüfungsrichtlinien des EPA in G.VII.10 unter der Bezeichnung Sekundäre Indizien).
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Wenn Kraßer schreibt
Immer, aber auch nur dann, wenn dieses eine Erfindung ist, die sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem SdT ergibt, ist der Vorgang, der dazu geführt hat, eine erfinderische Tätigkeit im Sinne des Patentrechts.​
so ist das nichts anderes, als was ich mit "dann und nur dann" zum Ausdruck bringen wollte: Es kommt auf den Stand der Technik an und auf den Fachmann, der ihn liest, und auf sonst nichts. Soweit das in der Rechtsprechung bereits vor 1978 so gesehen wurde, hat sich natürlich auch nichts geändert, und diese alte Rechtsprechung, die das genau so sieht, - vielleicht sogar bis 1930 zurück -, ist dann natürlich auch anwendbar.

Kennt den jemand einen einzigen (neueren) Fall, in dem in einem Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren durch "Beweisanzeichen" eine Aufrechterhaltung erreicht wurde, obwohl es im Stand der Technik eine Schrift gab, die das im nächstkommenden Stand der Technik fehlenden Merkmal zeigt und wo es für den Fachmann auch ausreichend Anregungen gab, diese Schriften gemeinsam zu betrachten? Oder umgekehrt, wo es also solchen Stand der Technik nicht gab und trotzdem erst eine Argumentation mit "Beweisanzeichen" ausschlaggebend für die Aufrechterhaltung war?

Ich denke, die Prüfungsrichtlinien des DPMA hierzu waren bereits anachronistisch, als sie 2004 in Kraft traten, und sind ein weiteres Beispiel für "Trägheit". Denn die dort in Punkt 3.3.3.2.4 angeführte BGH-Entscheidung Halbleitereinrichtung ist bezeichnender Weise von 1980 und gibt inhaltlich zur Frage der Beweisanzeichen nicht einmal etwas her. Sie besagt nur, wenn sich der Zurückweisungsbeschluss einer Anmeldung nicht mit "Beweisanzeichen" befasst, dann "...kann das zwar einen ... Mangel der Schutzfähigkeitsprüfung bedeuten ...", es ist aber kein Begründungsmangel. Und dabei ging es auch nur um die "Nichterwähnung des Fortschritts bei der Prüfung der Erfindungshöhe".

Im Übrigen: Für die "99%" habe ich natürlich keine repräsentative Stichprobe untersucht, sondern es ist eine (zugegeben optimistische) Schätzung, die jeder anders sehen mag. Ich wollte damit nur einerseits den hohen Ausbildungsstand zum Ausdruck bringen, und andererseits, dass im Punkt "Vorhersehbarkeit der Entscheidungen" aus meiner Sicht über die Jahre beachtliche Fortschritte zu verzeichnen sind und die Gerichte insofern gute Arbeit geleistet haben.
 
Zuletzt bearbeitet:

Lysios

*** KT-HERO ***
Nun gut, die Beweisanzeichen firmieren spätestens seit BGH Dreinahtschlauchfolienbeutel (GRUR 2010, 44) als Hilfskriterien. Aber das ist ja noch kein Grund, deswegen die Prüfungsrichtlinien zu ändern.


Kennt den jemand einen einzigen (neueren) Fall, in dem in einem Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren durch "Beweisanzeichen" eine Aufrechterhaltung erreicht wurde, obwohl es im Stand der Technik eine Schrift gab, die das im nächstkommenden Stand der Technik fehlenden Merkmal zeigt und wo es für den Fachmann auch ausreichend Anregungen gab, diese Schriften gemeinsam zu betrachten? Oder umgekehrt, wo es also solchen Stand der Technik nicht gab und trotzdem erst eine Argumentation mit "Beweisanzeichen" ausschlaggebend für die Aufrechterhaltung war?

Wie neu darf es denn sein? Eine Kostenentscheidung nach übereinstimmender Erledigungserklärung in einer Nichtigkeitsberufung, die ich auf die Schnelle gefunden habe, ist BGH Beschl. v. 23.8.2016 – X ZR 3/14, BeckRS 2016, 17125:

"3. Es ist davon auszugehen, dass der Gegenstand eines Patentanspruches (hier: Federbereich mit gestärkter bzw. geschwächter Federspannung) dem Fachmann durch den Stand der Technik nicht nahegelegt ist, wenn mit dem Streitpatent eine grundlegende Umgestaltung (der Feder) im Vergleich zu den im Stand der Technik über Jahrzehnte hinweg nicht wesentlich infrage gestellten Form (einer Feder) erfolgt (Bestätigung von BGH GRUR 2010, 992 Tz. 28 f.- Ziehmaschinenzugeinheit II). (redaktioneller Leitsatz)"
 

PatFragen

*** KT-HERO ***
Hallo Hans35

Wir sprechen wohl immer noch etwas aneinander vorbei (und unsere Logikausbildung scheint unterschiedlich gelaufen zu sein :) ). Wogegen ich mich wehre, ist deine Aussage am Anfang „dann und nur dann“. Aber auch das wäre noch kein Grund für mich, weil nicht jeder hat meine (gute oder schlechte, völlig egal) Logikausbildung. Wenn es aber noch an eine abwertende Äußerung („Trägheit“) über die, die deine (für mich falsche) Logik nicht nachvollziehen und danach handeln, gekoppelt ist, dann kann ich mich nicht zurückhalten dagegen zu argumentieren, da du mit der Aussage von dir eine Abwertung einer Gruppe vollziehst, der ich auch angehöre. Soviel als Vorbemerkung.

Deine Aussage „dann und nur dann“ zusammen mit der Aussage, dass Beweisanzeichen nicht zu berücksichtigen wären, entspricht der Aussage, dass die erfinderische Tätigkeit nur nachweisbar ist, wenn man über „nicht naheliegend“ argumentiert und keine andere Argumentationsmöglichkeiten zugelassen wären. Das steht aber nicht im Gesetz. Im Gesetz steht nur, dass aus „nicht naheliegen“ folgt, dass etwas erfinderisch ist. Als einfaches Beispiel vielleicht: Die Gesetzesformulierung entspricht logisch der Aussage: Das Ergebnis einer Addition ist 4 (entspricht dem erfinderisch), wenn die zwei Summanden 2 und 2 (entspricht dem nicht naheliegend) sind. Daraus kann ich doch aber nicht ableiten, dass ein Ergebnis einer Addition dann und nur dann gleich 4 ist, wenn die Summanden 2 und 2 sind. 1 und 3 gibt doch auch 4 :). Aber wegen der Gesetzesformulierung kann das Amt natürlich nicht eine Anmeldung zurückweisen, wenn du ein „nicht naheliegen“ beweisen würdest, weil „gilt“ eine nicht widerlegbare gesetzliche Fiktion (aber keine Definition) ist. Jetzt taucht aber erkenntnistheoretisch das Problem auf, dass du dabei ein negatives Merkmal beweisen müsstest, da „nicht naheliegend“ eine Verneinung ist, und ein „natürliches Verständnis“ (was sich bei den Menschen aber auch unterscheiden kann) nur für „naheliegend“ (es gab Hinweise/Anregungen) vorhanden ist. Solche negativen Merkmale sind logisch aber (in nicht abgeschlossenen Systemen) grundsätzlich gar nicht zu beweisen. Logisch geht hier nur etwas Positives zu beweisen. Als Beispiel wieder: du kannst faktisch nicht nachweisen, dass es auf der Welt (in dem Sinne nicht abgeschlossen, weil für dich nicht auf einmal „übersehbar“) keine Dinosaurier gibt. Du könntest nur beweisen, dass es einen gibt, indem du ihn vorweist (positiv) oder, dass es in deiner Wohnung (abgeschlossenes System, weil „überschaubar“ für dich) keinen gibt. Man argumentiert logisch in einer Erwiderung gegen die Behauptung, dass etwas naheliegend wäre, indem man die Behauptung falsifiziert und kann dann womöglich sagen, dass die Erfindung auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem zitierten Stand der Technik beruht (damit abgeschlossenes System). Der prinzipielle Unterschied zwischen der Argumentation über „nicht naheliegend“ und über die Beweisanzeichen ist, dass die Beweisanzeichen positive Merkmale betreffen, d.h. ich kann die beweisen. Es ist möglich nachzuweisen, dass andere etwas kopieren, dass ich einen unheimlichen Gewinn mache usw..

Man wählt als Patentanwalt in meinen Augen sinnvoller Weise die Möglichkeit zur Argumentation, die man vernünftig einsetzen kann. Wenn ich den Nachweis des „Erfolges“ führen kann (und der Mandant das überhaupt will, weil manche Mandanten wollen ja auch nichts in Richtung ihrer Geschäftszahlen veröffentlichen) dann setzt man natürlich auch die positive Argumentationslinie, des „Erfolgs“ der Erfindung ein. Wobei man die „Zahlen“ ja während der Prüfung und auch noch während des Einspruchsverfahrens oft noch gar nicht hat (was wohl auch ein Grund sein dürfte, warum die eher seltener im Prüfungsverfahren und Einspruchsverfahren und wenn, eher in der Nichtigkeit kommen dürften). Und wie von anderen auch schon gesagt, die Argumentation der Beweisanzeichen fügt sich doch hervorragend in ein „nicht-naheliegen“ ein, weil „naheliegen“ nach natürlichen Wortverständnis, eher unwahrscheinlich ist, wenn niemand es gemacht hat, obwohl es viel Geld bringt, obwohl es ein langes Bedürfnis gab, obwohl es jetzt von allen gleich kopiert wird usw..

Hinsichtlich deiner Nachfrage im letzten Post noch der Hinweis. Bist du dir sicher, dass denn alle (gut ausgebildeten) Leute das gleiche Maß dafür haben, was „ausreichende Anregungen“ bzw. „nicht ausreichende Anregungen“ sind bzw. dass es da ein richtiges Maß gibt? Hast du irgendwo ein Verfahren beigebracht bekommen, den Grad der Anregung in ein hierarchisches System einzuordnen, wo du dann eine Grenze zwischen „noch nicht ausreichend“ und „gerade ausreichend“ ziehen kannst?

Hinsichtlich der 99% bist du da der Meinung, dass die 99% quantitativ optimistisch sind, also es vielleicht auch nur 90% oder 80% sein können, aber eigentlich alle Leute zu dem gleichen Ergebnis kommen sollten und es nur an deren schlechten Ausbildung liegt, dass die nicht zu dem gleichen „richtigen“ Ergebnis kommen oder „qualitativ“ optimistisch, das heißt, dass selbst bei guter Ausbildung Leute zu unterschiedlichen Ansichten kommen können, du dir aber wünscht, dass sie alle zu dem gleichen Ergebnis kommen (d.h. du dir wünscht, dass die Welt so wäre)? Wenn du das im ersten Sinne meintest, dass (jetzt noch) nicht alle zum gleichen Ergebnis kommen, das aber mit guter/besserer Ausbildung zu beheben wäre, dann widerspreche ich dir. Das geht schon alleine aus dem oben angedeuteten Grund, dass es (zumindest meines Wissens) dieses hierarchische System bzw. die entsprechende Ordnungsvorschrift und damit die festlegbare Grenze zwischen „noch nicht“ und „gerade“ ausreichend nicht gibt. Anders ausgedrückt, du wirst leider damit leben müssen, dass es immer unterschiedliche Meinungen geben wird, welche nicht durch „Mandantenfärbung“ verursacht sind (schon alleine aus den genannten Gründen), und dass du es nicht einfach auf die schlechte Ausbildung der anderen schieben kannst. Ich frage mich auch immer woran man sicher erkennen kann, dass die anderen und nicht ich selber die schlechte Ausbildung genossen habe :).
 

Hans35

*** KT-HERO ***
Hallo PatFragen,

vielleicht sind wir gar nicht so weit auseinander.

Art. 56 EPÜ bzw. § 4 PatG sagen aus, wenn und solange der Anspruchsgegenstand nicht durch den aufgefundenen und ins Verfahren eingeführten Stand der Technik nahegelegt ist, gilt er als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend und insofern ist er patentfähig. Das stellt der Prüfer bzw. die Prüfungsabteilung zu irgendeinem Zeitpunkt fest, zu dem die Recherche abgebrochen wird, weil sie nicht mehr aussichtsreich erscheint, und der Erteilungsbeschluss wird erlassen. Dadurch gibt es Rechtssicherheit für diese "negative" Feststellung. Beweisanzeichen spielen dabei keine Rolle; dass (noch) kein nahelegender Stand der Technik gefunden wurde, genügt vollkommen, wegen der gesetzlichen Fiktion.

Anders ist es, wenn erheblicher Stand der Technik aufgefunden und in das Verfahren eingebracht wird, sei es im Prüfungsverfahren, im Einspruch oder in der Nichtigkeit. Dann ändert sich der Sachverhalt, indem die Voraussetzung "nicht nahegelegt" nicht mehr erfüllt ist. Was dann geschehen soll, geht aus Art. 56 EPÜ bzw. § 4 formallogisch nicht hervor, insofern hat PatFragen völlig Recht. Nur: Art. 56 EPÜ bzw. § 4 werden so ausgelegt, dass das Nahelegen durch den aufgefundenen und ins Verfahren eingebrachten Stand der Technik genügt, um die erfinderische Tätigkeit abzusprechen. Die "Beweisanzeichen", die gleichwohl für eine erfinderische Tätigkeit sprechen, könnten dann zwar im Prinzip noch gegen den aufgefundenen und tatsächlich vorliegenden Stand der Technik vorgebracht werden und müssten sich gegen diesen durchsetzen. Das tun sie in der Praxis aber nicht, jedenfalls kenne ich keinen solchen Fall. Sie könnten höchstens dann noch Bedeutung haben, wenn sie sich mit Umständen befassen, die unmittelbar mit den entgegengehaltenen Dokumenten zusammenhängen, z.B. ein großer zeitlicher Abstand der Dokumente.

Allenfalls in einer Kostenentscheidung, wie sie Lysios zitiert hat, unterstützen die "Beweisanzeichen" die (wegen der Erledigungserklärung) "unfertige" Prüfung der erfinderischen Tätigkeit, die noch keinen entgegenstehenden Stand der Technik erbracht hat, indem sie als Argument herangezogen werden, dass auch weitere Recherchen (bei Fortsetzung des Verfahrens) wohl nichts gebracht hätten.

Im Ergebnis gilt also tatsächlich "dann und nur dann", wenn auch nicht streng mathematisch. Deshalb bin ich insbesondere dagegen, Patentanwaltskandidaten mit den bedeutungslos gewordenen "Beweisanzeichen" (und ähnlichen Anachronismen) zu quälen. Viel wichtiger ist es m.E. zu lernen, wie man das "Nahelegen" richtig (im Sinne von "konsistent mit der aktuellen Rechtsprechung") beurteilt. Ohne dass man viele Entscheidungen liest und die Argumentation versteht (und auch akzeptiert), wird das nicht gehen.

Schönen Abend noch!
Hans35
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Allenfalls in einer Kostenentscheidung, wie sie Lysios zitiert hat, unterstützen die "Beweisanzeichen" die (wegen der Erledigungserklärung) "unfertige" Prüfung der erfinderischen Tätigkeit, die noch keinen entgegenstehenden Stand der Technik erbracht hat, indem sie als Argument herangezogen werden, dass auch weitere Recherchen (bei Fortsetzung des Verfahrens) wohl nichts gebracht hätten.

Warum überrascht mich diese Argumentation nicht?

Aber gut, wie wäre es (wieder auf die Schnelle) mit dem Überraschungsmoment als Hilfskriterium in BPatG, Urteil vom 28.06.2016 - 3 Ni 8/15 (EP), BeckRS 2016, 19707?

Siehe:

"e) Für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit spricht als Beweisanzeichen auch, dass die neue Erscheinungsform des Rifaximin mit den Merkmalen 1 bis 3 und deren Herstellung, mit einem aus dem Stand der Technik nicht vorhersehbaren, überraschenden Effekt verbunden war."
 

PatFragen

*** KT-HERO ***
Hallo Hans,

Oh doch in ein paar Sachen sind wir schon noch weit auseinander :).

Die Beweisanzeichen „könnten“ nicht nur, sondern tun es wohl abundan sehr wohl. Ob dir das der Prüfer mitteilt, ist was ganz anderes ;-). Auch wenn du ja anscheinend immer noch der Meinung bist, dass es eine Ordnungsvorschrift für Hinweise/Anregungen gibt, gibt es die prinzipiell nicht und damit geht natürlich auch kein Grenzwert zu ziehen, bis wann etwas noch „keine ausreichende Anregung“ bzw. eine „gerade ausreichende Anregung“ ist. Das ist und bleibt subjektiv (aber hoffentlich nicht willkürlich) und hängt vor allem auch von dem Wissen und Erfahrungen des Fachmannes ab, den man betrachtet (aus dem Grund hatte Blood ja schon auf die Diskussionen hingewiesen, die es durchaus um den jeweiligen Fachmann gibt). Ich kann dir versichern, dass mehr oder weniger alle meine Kollegen, die mich kennen, sich davor fürchten, dass ich mal Prüfer werden könnte :). Hier greifen beispielweise die Beweisanzeichen ein. Bei klaren wörtlichen Hinweisen wie, „wenn sie den Effekt A in einer Vorrichtung B erzielen wollen, wäre es vielleicht sinnvoll, wenn sie Element C verwenden“, bringen dir die Anzeichen nicht viel. Aber den Fall hat man nur selten, oft muss auch noch etwas angepasst, abgeändert werden, ist eine Interpretation des „Hinweises“ im SdT nötig, es gibt „Andeutungen“, die man vor allem in Nachhinein, wenn man die Erfindung liest, als Anregungen verstehen kann (aber nicht muss). Und dann können die positiven Beweisanzeichen (wenn man die denn schlüssig vortragen kann) einen Unterschied machen, dass der Prüfer den Hinweis als nicht ausreichend ansieht. Auch wenn er dir das nicht unbedingt reinschreibt, dass ihm, weil die Vorrichtung so erfolgreich ist, der Hinweis wohl doch nicht ausreichend ist. Aber nicht alles was wirkt, wird auch offen ausgesprochen. Er sollte sich (wenn er seine Arbeit richtig macht) aber mit dem entsprechenden Argument zumindest innerlich auseinandersetzen und wenn das nur in der Richtung einen Effekt hat, dass er meint, das wäre ja schon etwas unfair, wenn jetzt plötzlich, kaum dass die Anmeldung/Patent veröffentlicht bzw. erteilt ist, alle genau das nachmachen, obwohl die doch selber schon vor Jahrzehnten hätten drauf kommen können ;-). Angesichts dieser Umstände nun, alle Leute die an den Beweisanzeichen festhalten als „träge“ oder als ihren Job nicht richtig gelernt zu haben zu bezeichnen, finde ich persönlich durchaus beachtenswert.

Hinsichtlich deiner „Liebe“ zu Entscheidungen muss ich auch noch ein paar Bemerkungen machen :). Also alle guten Rechtsprofs, mit denen ich das Vergnügen oder Mistvergnügen hatte, haben immer gesagt: „Ein Blick ins Gesetz, erleichtert die Rechtsfindung“ ;-). Das mit Abstand Wichtigste ist, das Gesetz zu lesen und zu verstehen. Urteile können das nie auch nur ansatzweise ersetzen. Schon aus Prinzip nicht, weil die grundsätzlich nur ganz bestimmte Aspekte darlegen, d.h. im logischen Sinne Beispiele, welche die Vergangenheit erklären, aber nur in sehr seltenen Fällen abgeschlossene Definitionen, mit denen du für die „Zukunft“ lernen könntest. Die paar wichtigen sollte man kennen. Die anderen helfen dir nach meiner Erfahrung nicht wirklich, insbesondere, wenn du beachtest, dass ja bei weitem nicht alle Entscheidungen veröffentlich werden und meist die Richter selbst eine Entscheidung zur Veröffentlichung vorschlagen. Wenn du jetzt auch noch Richter erwischt, die sehr auf ihre Selbstdarstellung bedacht sind, dann kann da womöglich alleine aufgrund der Anzahl ein schiefes Bild von „korrekt“ entstehen ;-). Oft genug findest du auch Entscheidungen die sich augenscheinlich widersprechen (dann in Kommentaren/Büchern als dafür/ebenso und dagegen/anders gekennzeichnet :) ). Warum sollten Richter, die nicht auf Selbstdarstellung aus sind, Entscheidungen veröffentlichen wollen, die sich um „Beweisanzeichen“ drehen, wenn die schon seit Jahrzehnten bekannt und akzeptiert sind und schon Eingang in die Prüfungsrichtlinien gefunden haben? Damit würden sich die Richter doch eher lächerlich machen. Hast du dadrüber schon einmal nachgedacht? Außer während des Amtsjahres damals lese ich nur selten Entscheidungen und dann meistens auch nur, wenn sie von der Gegenseite zitiert werden, um ihnen dann in den meisten Fällen um die Ohren zu hauen, dass sie die anscheinend nicht gelesen haben, weil da was ganz Anderes nicht anwendbares (weil wenn überhupt nur ein Beispiel für einen ganz spezifischen Fall gegeben wird), und oft genug genau das Gegenteil, drin steht :). Und im Großen und Ganzen komme ich damit eigentlich ganz gut über die Runden ;-).
 

Hans35

*** KT-HERO ***
@Lysios

Ich habe mich ja schon mal geoutet, dass ich kein Chemiker bin, deshalb kann ich leicht bei der Diskussion von 3 Ni 8/15 (EP) auf Glatteis geraten, zumal aus der Sicht des Nicht-Chemikers bei Stofferfindungen und Arzneimitteln es schon mal Argumente gibt, die auf anderen technischen Gebieten wohl keine Entsprechung haben.

Trotzdem: Die Entscheidung 3 Ni 8/15 (EP) - eine Aufrechterhaltung im Nichtigkeitsverfahren - lese ich so, dass alle Schriften und offenkundigen Vorbenutzungen nacheinander abgehandelt werden und dieser Stand der Technik ist weder neuheitsschädlich, noch legt er den Anspruchsgegenstand nahe. Damit ist - qua gesetzlicher Fiktion - die erfinderische Tätigkeit bereits gegeben, auf ergänzende "Beweisanzeichen", die über den Stand der Technik hinausgehen, kann es nicht mehr ankommen. Das ist also kein Fall, wo trotz Stand der Technik, der die Erfindung nahelegt, Beweisanzeichen für Erfindungshöhe das Übergewicht bekommen. Ob dem Patentinhaber die Beweisanzeichen (der überraschende Effekt) vielleicht geholfen hätte, wenn irgendein Stand der Technik die Erfindung doch nahegelegt hätte, geht aus der Entscheidung nicht hervor. Ich bezweifele es aber nach wie vor.

@PatFragen

Dein Beitrag hat mich jetzt schon überrascht. Natürlich kommt man als Patentanwalt durchs Leben, wenn man sich um die Rechtsprechung nicht kümmert, und wenn man die Erteilungen und Zurückweisungen als unvorhersehbares Orakel betrachtet. Ernsthafte Konsequenzen hat das ja nicht. Gut ist aber anders.

Denn der Blick ins Gesetz genügt nämlich nicht. Es geht ja nicht darum, als Anwalt das Gesetz selbst auszulegen, und wenn Prüfer oder Gerichte das anders machen, dann sind die halt doof, und fertig. Vielmehr geht es darum zu verstehen, wie die Entscheidungen zustande kommen, also wie Prüfer und Richter "ticken" ("Selbstdarstellung" dürfte da kaum eine Rolle spielen), um für den Mandanten die Argumente zusammenzutragen, die dann auch wirklich ziehen, bzw. um die Sache vorab so zu beurteilen, wie es dann auch wirklich kommt. Das klappt nicht immer, und das kann nicht jeder gleich gut. Aber da trennen sich halt in meinen Augen Spreu und Weizen.

Und wenn du Gerichtsentscheidungen nicht magst: Ein Kommentar, der von einem BGH-Richter geschrieben wurde, hat (in meinen Augen) aus genau diesem Grund für einen Patentanwalt einen ganz anderen Stellenwert als z.B. der eines Professors. Obwohl ich damit die Leistung von Professoren (und anderen, die nicht selbst Entscheidungen treffen müssen) nicht herabsetzen will; aber sie haben ihre Informationen immer nur aus 2. Hand.

Im Übrigen soll es ja immer mal wieder mal auch Prüfer geben, die tatsächlich ihre eigene (angesichts der Rechtsprechung: schräge) Auslegung des Gesetzes ihren Entscheidungen zu Grunde legen, und man kann sie als unkündbare Beamte nicht mehr loswerden. Solche Entscheider dürften in der Tat gefürchtet sein. Im EPA mit der dreiköpfigen Prüfungsabteilung kommen sie wohl tendenziell seltener zum Zuge, als im DPMA mit den Einzelprüfern. Auf jeden Fall müssen auch solche Mitmenschen in ihrer Funktion akzeptiert werden; die nächste Instanz muss es dann eben richten.

Eine schöne neue Woche!
Hans35
 
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Lysios

*** KT-HERO ***
Damit ist - qua gesetzlicher Fiktion - die erfinderische Tätigkeit bereits gegeben, auf ergänzende "Beweisanzeichen", die über den Stand der Technik hinausgehen, kann es nicht mehr ankommen.
Hans35

Dann hat das BPatG also just for fun sich die Mühe gemacht, das Thema auszudiskutieren? Naja, egal. Das Gegenteil lässt sich eh nicht beweisen.

Das Spiel könnten wir jetzt weiter fortsetzen. Immer wird es irgendein Gegenargument geben, das sich nicht beweisen lässt. Und bald wird das Argument kommen, die Entscheidungen sind "antiquarisch". Also bringt das nichts und ich werde das hier abbrechen.

Fakt ist aber, solange der BGH nicht von seiner Rechtsprechung abkehrt, dass solche Hilfskriterien im Einzelfall zu prüfen sind, werden sich sich DPMA und BPatG daran gebunden sehen. Von den von Dir angesprochenen Einzelfällen am DPMA natürlich abgesehen. Und den Fall, wenn das BPatG nicht "spurt", hat der 1. Senat des BGH ja vor kurzem so gelöst, dass er wegen einer "Häufung von Sachfehlern" explizit an einen anderen Senat zurückweist (BGH Schokoladenstäbchen III).

Jedenfalls wird jeder Anwalt die Karte Hilfskriterium ziehen müssen, wenn er sich kein potentielles Haftungsproblem generieren will. Deshalb sind auch entsprechende Ausführungen zu Hilfskriterien in Kommentaren und der Ausbildung unverzichtbar.

Und warum auch sollte der BGH seine Meinung ändern, nachdem die fähigsten Patentrichter ihrer Zeit in DE schon mehr als ein halbes Jahrhundert die Thematik so beurteilt haben? Dazu braucht es doch neue Umstände wie etwa bei der Demonstrationsschrank-Entscheidung. Solche geänderten Umstände sind für mich aber bislang nicht ersichtlich und Du hast auch keine Literaturmeinungen vorgebracht, die Deine Position unterstützen würden. Ich fürchte daher, Deine Meinung wird Mindermeinung bleiben, auch wenn ich (im Gegensatz zu Dir) dafür keine prozentuale Schätzung mache.
 

PatFragen

*** KT-HERO ***
Hallo Hans,

na wenn dich mein Beitrag überrascht, dann habe ich schon mehr geschafft als du :). Weil Lysios und mich überraschen deine Beiträge nicht wirklich wie es scheint :). Zum Beispiel überrascht mich absolut nicht, dass du dir anscheinend immer nur Teile eines Posts rauspickst, direkte Fragen aber nur ungern beantwortet :). Das ist ein mir durchaus bekanntes Verhaltensmuster :). Auch das Nicht-Erkennen von Kontext ist durchaus bekannt. Z.B. hatte ich, da bin ich mir recht sicher, das mit dem „als Prüfer gefürchtet“ im Zusammenhang mit „was ist ein Hinweis“ gegeben und meines Wissens hast du mir immer noch nicht gesagt, wo die Ordnungsvorschrift für „Hinweis“ steht und wie sie lautet. Was das Problem mit mir als Prüfer wäre, wäre wohl die Hürde, was ein noch nicht ausreichender Hinweis bzw. ein ausreichender wär, was womöglich auch an der Art und Umfange meiner Ausbildung läge :).

Wenn ich dich richtig verstehe, bist du also der Meinung, die Wahrscheinlichkeit für Erteilung bzw. Zurückweisung kannst du nur dann sinnvoll einschätzen, wenn du Entscheidungen liest :)? Also mir langt dazu in den allermeisten Fällen ein Blick in die Akte, manchmal das Gesetz, wenn es hochkommt mal einen Kommentar und wenn die Gegenseite eine Entscheidung zitiert, sollte man sich die Entscheidung mal ansehen. Hinsichtlich der Einstufung von Leuten, die anderer Meinung sind wie man selbst, hatte ich eher den Eindruck, dass du da zu abwertenden Äußerungen greifst ;-). Ich akzeptiere, dass man in rechtlichen Fragestellungen durchaus zu anderen begründeten Auffassungen gelangen kann.

Auch dein Hinweis auf Kommentare von BGH-Richtern ist wirklich lehrreich. Entscheidungen und Kommentare/Bücher sind das gleiche? Tschuldigung, das wusste ich nicht, weil bei mir waren Entscheidungen immer die Dinger, die bei Verhandlungen rauskommen und ich habe noch nie erlebt, dass ein Kommentar/Buch nach einer Verhandlung rauskommt ;-)? OK, manche der Entscheidungen sind ja länglicher, die könnte man womöglich fast schon als kleines Reclamheftchen rausbringen :). Da wären wir wieder bei unserem grundsätzlichen Problem, dass deine Logik bzw. Sprachverständnis völlig von meinem abzuweichen scheint :). Für mich gibt einen massiven Unterschied zwischen Entscheidungen und Kommentaren/Büchern. Wie bereits gesagt sind in meiner Logik Entscheidungen (bis auf wenige Ausnahmen) ganz spezifische Einzelfälle/Entscheidungen, mit denen man die Vergangenheit entschieden bekommt. In Kommentaren/Büchern versucht der Autor vollständige Lehren/Definitionen zu geben, die einem deshalb auch für die Zukunft etwas bringen. Hatte ich geschrieben, dass ich keine Kommentare/Bücher lese :)? Übrigens ist in deinem Satz „Ein Kommentar, der von einem BGH-Richter geschrieben wurde, hat (in meinen Augen) aus genau diesem Grund für einen Patentanwalt einen ganz anderen Stellenwert als z.B. der eines Professors.“ der „genau dieser Grund“ gar nicht angegeben :). Also ich kann mich da beispielweise an einen Prof erinnern, der vorher ein OLG-Richter an einem Senat für Verletzungsprozesse war :). Also ist dein „immer“ schon wieder mal falsch, weil ich dir ein Gegenbeispiel nennen kann und du faktisch eine absolute Aussage über ein (für dich) nicht abgeschlossenes System gemacht hast, die nunmal logisch schon unmöglich ist :).

Ok dann lass uns doch mal mein Verständnis dieses Threads zusammenfassen. Du vertrittst die Meinung, dass die Beweisanzeichen/Hilfskriterien durch §4 hinfällig seien (und wer das nicht einsieht ist träge). Diese Meinung begründest du alleinig (soviel ich verstanden habe) mit deiner Interpretation, dass §4 ein „dann und nur dann!“ beinhalten würde. Und das gegen die Beiträge von Blood und Lysios, die dir Entscheidungen und Prüfungsrichtlinien entgegen halten und gegen meine Darlegung, dass aus §4 kein „dann und nur dann“ ableitbar ist (und dass keine Ordnungsvorschrift für „Hinweis“ vorhanden ist)? Könnte es sein, dass wir hier jemanden gefunden haben, der an schräger Gesetzesauslegung festhält ;-)? Und das Traurige/Lustige wäre dann, dass er es anscheinend nicht mal merkt :).
 

Expatriot

GOLD - Mitglied
Hallo miteinander,

ergänzend zu Lysios und PatFragen weise ich noch darauf hin, dass beide an keiner Stelle die Behauptung aufgestellt haben, dass, wenn sich ein Gegenstand in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergebe, die Beweisanzeichen bzw. Hilfskriterien das irgendwie umdrehen könnten.

Vielmehr ist es so, dass - wie Lysios und PatFragen bereits erläuterten - die Beurteilung, ob sich etwas in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt, anhand der Beweisanzeichen bzw. Hilfskriterien durchgeführt wird.

Das Gesetz schreibt nämlich nicht vor, wie zu prüfen ist, ob etwas naheliegt. Das eröffnet unsere patentanwaltliche Spielwiese. Das Gesetz setzt lediglich die Spielfeldbegrenzung dahingehend, dass, wenn etwas naheliegend ist, keine erfinderische Tätigkeit vorliegt.

Zu dem Hinweis auf die Kommentare, verstehe ich das so, dass ein Kommentar doch auch nur auf den Entscheidungen basiert. Ich zumindest habe noch keinen gesehen/gelesen, der überwiegend die persönliche Meinung des Autors widerspiegelt und keine BGH-, BPatG- oder Beschwerdekammerentscheidungen zitiert (Hinweise auf Kommentare, die überwiegend Mindermeinungen bzw. überwiegend nicht die hM vertreten nehme ich gern entgegen).

Ansonsten ziehe ich für mich in der Tat den grünen Kommentar eines BGH-Richters a.D. gegenüber dem amtsüblichen Blauen vor, der EPÜ und PatG durcheinanderwirbelt. Kann auch sein, dass ersterer hauptsächlich die mir nützliche Meinung vertritt ;).

Viele Grüße,
Expatriot
 

PatFragen

*** KT-HERO ***
Hallo Expat,
nur kurz zu dem Punkt Kommentar und "nur Entscheidungen" eigene Meinung. Wenn ich mich richtig erinnere hatte ich immer Kommentare/Bücher geschrieben ;-). Für mich beinhaltet aber auch jeder Kommentar (schon alleine durch die Auswahl des Schreibers) die persönliche Meinung des Schreibers und selbst bei dem wie du so schön ausdrückst "amtsüblichen Blauen" gibt es durchaus Abschnitte, in denen keine einzige Fussnote vorhanden ist. Ich habe mir jetzt nicht die Mühe gemacht, und da nachgeschaut, ob das nicht doch auch aus Entscheidungen kommt, aber ich hoffe mal, dass da korrekt gearbeitet wurde :). Aber ich stimme dir natürlich zu, dass Kommentare tendenziell eher "entscheidungslastig" sind. Aber wie gesagt, da stand glaube ich immer Kommentare/Bücher ;-).


Mein grundsätzliches Verständnis (wo man aber gerne anderer Meinung sein kann und es natürlich Ausnahmen gibt) ist:
Entscheidung: Sehr Einzelfall spezifisch => viel für den Einzelfall, tendenziell eher wenig fürs Allgemeine zu lernen.
Kommentar: Erklärt jeden einzelnen Paragraphen, losgelöst von dem Einzelfall aber belegt mit Einzelentscheidungen, eher selten (aber kommt vor) andere Meinung als h.M./Entscheidungen vertreten => da mehr losgelöst von Einzelfall eher zum Lernen des Verständnis des Paragraphens und "zum Lösen" eigener Fälle geeignet.
(Lehr)Buch: Erklärt das gesamte Recht, bietet einen (mehr oder weniger) geschlossenen Überblick. Eher losgelöst von Einzelentscheidungen. Grundsatzentscheidungen sind natürlich berücksichtigt, aber es werden durchaus Entscheidungen kritisiert und dagegen argumentiert => da völlig losgelöst von Einzelfall, gut zum Lernen des allgemeinen Überblicks und zum Verstehen des Prinzips des Patentwesens geeignet (man sollte nur aufpassen, dass Mindermeinungen bzw. eigene Ansichten manchmal als "richtig" dargestellt werden, so dass man meinen könnte, das wäre die h.M. :) ).
Je nach Wunsch, was und wie man lernen will, kann man sich da nach meinem Verständnis raussuchen, was man zum Lernen verwendet ;-).
 
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