EPÜ ESOP einwände erfinderische Tätigkeit

Patneu

Schreiber
Hallo Leute,

ich habe vor 3 Monaten meine Patentanwaltsausbildung angefangen und bin gerade fleißig dabei Patentanmeldungen sowie Bescheidserwiderungen/ Eingaben an das Amt (DPMA/EPA) anzufertigen.

Hierbei ist eine Frage aufgekommen, bei der ich das Gefühl habe, dass ich irgendwas noch nicht richtig verstanden habe.

Folgendes Szenario:

Der EPA-Prüfer bemängelt in der European search opinion des Extended search report folgende Dinge:

1. Der beanspruchte Gegenstand der Erfindung (Unabhängiger Anspruch 1) ist nicht neu gegenüber den Druckschriften D1, D2, D3.

2. Die abhängigen Ansprüche 3 und 4, welche auf dem unabhängigen Anspruch 1 der Erfindung basieren, weisen keinen inventive step gegenüber der Druckschrift D1 und D2 auf.

Bei der Prüfung der Neuheit habe ich nun Unterscheidungsmerkmale gefunden, die meine Erfindung gegenüber D1, D2, D3 neu machen. So weit so gut.

Anzumerken ist, das D1 mein nächstliegender Stand der Technik ist. Zudem sind die Druckschriften D1, D2, D3 alle mit X markiert und somit für die erfinderische Tätigkeit nicht kombinierbar.

Nun habe ich, basierend auf den Unterscheidungsmerkmalen den Problem-Solution-Approach gemacht und habe dann bewiesen, dass meine Erfindung gegenüber der D1 nicht naheliegend und somit auf erfinderischer Tätigkeit basiert.

Jetzt meine Fragen:

a) Da die abhängigen Ansprüche der Erfindung gegenüber D2 keinen inventive step aufweisen, heisst das doch, dass mein unabhängiger Anspruch 1 gegenüber D2 keinen inventive step aufweist, da ja die abhängigen Ansprüche alle Merkmale der mit ihnen verbundenen unabhängigen Ansprüche aufweisen oder?

b) Daher müsste ich doch beweisen, dass meine Erfindung (unabhängiger Anspruch 1) gegenüber D2 auch auf erfinderischer Tätigkeit basiert ?

c) Oder reicht es lediglich darzustellen, dass meine Erfindung gegenüber dem NÄCHSTLIEGENDEN Stand der Technik (D1) neu ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit basiert? (wo steht das im EPÜ oder in den Guidelines for Examination vom EPA?)

d) Also meine Frage ist: Muss ich alle Einwände des Prüfers aufgrund erfinderischer Tätigkeit beantworten, oder genügt es lediglich gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik eine erfinderische Tätigkeit nachzuweisen?

Ich hoffe ich habe mich einigermaßen verständlich ausgedrückt. Wenn noch Infos fehlen, einfach Bescheid sagen.

Vielen Dank schon einmal für die Beantwortung. :)
 

pa-tent

*** KT-HERO ***
Offene Worte: Wenn Du tatsächlich seit 3 Monaten als Patentanwaltskandidat tätig bist, dann solltest Du diese Fragen mit Deinem Ausbilder klären. Zu Beginn und auch während der Ausbildung treten
immer wieder Fragen auf, die ein echter Ausbilder leicht beantworten kann oder als
Knobelfälle einordnet. Letztere kann man dann auch mal per Forum diskutieren.
Für Deine klassischen Problempunkte sollte man kein Internetforum bemühen (müssen).
Wenn Du keine gescheite Einführung in das Patentwesen und Bescheidserwiderungen bekommst
oder Angst vor Fragen an den Ausbilder (z.B. während der Probezeit) hast,
solltest Du Dir möglichst schnell einen neuen Ausbilder suchen.
 

kronion

GOLD - Mitglied
Servus,

1. Zustimmung zu pa-tent: Solche Fragen zum grundlegenden Verständnis solltest Du mit Deinem Ausbilder besprechen. Es ist seine Aufgabe, Dir das zu erklären - kaum einer von uns hat diese Begrifflichkeiten sofort intuitiv verstanden, wir alle mussten es erst lernen und üben. Vielleicht solltest Du Dir auch ein Lehrbuch zur Einführung ins Patentrecht besorgen - ich kann leider keines empfehlen. Ein Buch ist aber auch nur eine Ergänzung zur Ausbildung durch den Ausbilder!

2. Vielleicht hilft das bei Deinem Verständnis:

a) Neuheit und erfinderische Tätigkeit sind Rechtsfragen und einem (Tatsachen-)"Beweis" nicht zugänglich. Du kannst nur dafür oder dagegen argumentieren, natürlich auf Basis der Tatsachen (=Druckschriften), nichts "beweisen". Ich weiß, das klingt erstmal nach Wortklauberei.

b) Unteransprüche fallen mit einem nicht gewährbaren Hauptanspruch, der Anspruchssatz kann nur ganz oder gar nicht erteilt werden. Du kannst dann entweder den Prüfer davon überzeugen, dass er falsch liegt, oder den Hauptanspruch einschränken. Wenn umgekehrt der Hauptanspruch gewährbar ist, dann sind es auch die Unteransprüche, die ja enger gefasst sind.

c) Die Argumentation zur erfinderischen Tätigkeit bezieht sich immer auf Kombinationen von mehreren Quellen aus dem Stand der Technik. Das können mehrere Druckschriften sein oder auch das vorausgesetzte Fachwissen des Fachmanns. Mit "X" markierte Druckschriften hält der Prüfer zwar bereits für neuheitsschädlich, er wird sie aber auch bei der erfinderischen Tätigkeit berücksichtigen. Dagegen heißt "Y", dass das Dokument zwar nicht allein, aber in Kombination mit anderen einer Erteilung entgegensteht.


Viel Glück bei der Ausbildung!
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
@Patneu

Zunächst einmal: An der Kategorisierung des Prüfers (X oder Y) brauchst du dich nicht orientieren. Du kannst (und solltest!) natürlich eine andere Auffassung vertreten, also insbesondere die, dass die X-Dokumente eben nicht neuheitsschädlich sind.

Zu den Fragen:
a) Das ist korrekt. Wenn der Unteranspruch ggü. D2 nicht erfinderisch ist, ist es der Hauptanspruch auch nicht.

b) Ja.

c) Nein. Das steht z.B. in der Rechtsprechung, s. T1742/12 und T967/97. Ob es in den Guidelines steht weiß ich nicht, und es ist mir egal. Die Guidelines sind Anweisungen an die Prüfer ohne Rechtskraft und sind daher keine Rechtsgrundlage für Entscheidungen. Wenn etwas Falsches in den Guidelines steht (und das kommt vor), dann darf der Prüfer es nicht befolgen.

d) Definiere "muss". Du "musst" zunächst gar nichts, denn das Schlimmste, was der Prüfer tun kann, ist dich zur mündlichen Verhandlung zu laden. Um zur Erteilung zu kommen, musst du allerdings alle Einwände des Prüfers widerlegen). Wenn der Prüfer also einen Einwand basierend auf D2 erhebt, musst du ihn entkräften.
 

Patneu

Schreiber
Hallo Leute,

erstmal vielen Dank für die rasche Rückmeldung.

Ihr habt Recht, sowas sollte ich besser mit meinem Ausbilder besprechen (was ich in der Zwischenzeit auch gemacht habe).

Mittlerweile merke ich auch, dass hinter Neuheit und ET viel mehr steckt, als man das vllt. anfags vermutet und deshalb, wie von euch erwähnt, man viel üben muss und sollte. Als Einführungsbuch wurde mir das Rainer Engels Buch empfohlen. Ansonsten ist es wie bei jedem anderen Beruf auch. Lernen, Lernen, Lernen, vorallem in diesem Beruf.

Trotzdem vielen Dank für die Beantwortung meiner Fragen.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Nur kurz ergänzend:

Zitat aus dem Eingangsthread:

"Anzumerken ist, das D1 mein nächstliegender Stand der Technik ist. Zudem sind die Druckschriften D1, D2, D3 alle mit X markiert und somit für die erfinderische Tätigkeit nicht kombinierbar."

Die X, Y, ... Markierungen im Bescheid bedeuten (eigentlich) mit Blick auf Neuheit/Erfindungshöhe gar nichts. Sie spiegeln plakativ die Einschätzung des Prüfers wieder und sind absolut unverbindlich. Wenn der Prüfer ein Dokument als "X" einstuft, heißt das noch nicht einmal zwingend "neuheitsschädlich", sondern lediglich, dass er dieses Dokument in Alleinstellung als patenthindernd ansieht (entweder neuheitsschädlich oder in Alleinstellung die Erfindungshöhe in Frage stellend). Aber hiergegen kannst Du natürlich auch argumentieren. Es kann ja sein, dass der Prüfer ein von ihm als "X" eingestuftes Dokument oder die beanspruchte Erfindung schlicht nicht richtig verstanden hat.

Außerdem: Das "X" Dokumente zum Beispiel zur Negierung der Erfindungshöhe nicht "miteinander kombinierbar" sind, ist schlicht nicht richtig, sofern diese nicht auch gleichzeitig Art 54(3) Dokumente sind.
 
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