DE Stand der Technik gemäss § 3 Abs. 2

langlotz

Schreiber
Hallo zusammen

Gemäss § 3 Abs. 2 PatG sind ältere Anmeldungen nur insoweit Stand der Technik, als sie nicht über die Prioritätsanmeldung hinausgehen, wenn "der ältere Zeitrang einer Anmeldung auf der Inanspruchnahme der Priorität einer Voranmeldung" beruht.

Benkard (10. Aufl. von 2006) gibt dazu ein Beispiel:

Enthält die entgegengehaltene Anmeldung die Merkmale a, b, d, die prioritätsbegründende Voranmeldung die Merkmale a, b, c, so nehmen am neuheitsschädlichen Zeitrang der Voranmeldung nur die Merkmale a und b teil. Das Merkmal d wird neuheitsschädlich mit dem Zeitpunkt seiner Veröffentlichung. Das Merkmal c der Voranmeldung bleibt unberücksichtigt, falls diese nicht auf sonstige Weise zum Stand der Technik zu rechnen ist.
(Rz. 78 zu § 3 PatG)

Ich habe Schwierigkeiten mit dem einleitenden Teil von § 3 Abs. 2 Satz 2: "Beruht der ältere Zeitrang einer Anmeldung auf der Inanspruchnahme der Priorität einer Voranmeldung...".

Ist das als "ausschliesslich auf der Inanspruchnahme" zu verstehen? D.h. das Anmeldedatum dieser Entgegenhaltung liegt nach dem Anmelde- oder Prioritätsdatum der zu prüfenden Anmeldung. Dann würde das Benkard-Beispiel Sinn machen.

Wenn der einleitende Teil jedoch als "Beansprucht die Voranmeldung eine Priorität" zu verstehen ist, dann ergäbe sich damit doch in letzter Konsequenz folgende Möglichkeit für eine zu prüfende Anmeldung, die a, b, d beantsprucht:

  1. Prioritätsdokument enthält a, b, c; Entgegenhaltung beansprucht Priorität und enthält a, b, d => Entgegenhaltung ist nicht neuheitsschädigend.
  2. Entgegenhaltung enthält a, b, d und beansprucht keine Priorität => Entgegenhaltung ist neuheitsschädigend.

Nämlich dann, wenn das Anmeldedatum der prioritätsbeanspruchenden Engegenhaltung ebenfalls vor dem Prioritäts- bzw. Anmeldedatum der zu prüfenden Anmeldung liegt.
 

maroubra

*** KT-HERO ***
Ich denke, dass der Satz nur sagt, dass man die allgemeinen Regeln hinsichtlich Priorität beachten muss.


Wenn ein Merkmal einer Entgegenhaltung eine Priorität unwirksam beansprucht (z.B. weil das Merkmal über die Offenbarung des Prioritätsdokuments hinausgeht), so hat dieser Teil nur den Anmeldetag der Entgegenhaltung als Zeitrang.


Man muss natürlich immer prüfen, ob eine Hinzufügung eines Merkmals nicht zu einer insgesamt ganz anderen Erfindung führt (Stichwort unzulässige Zwischenverallgemeinerung), so dass die Priorität insgesamt unwirksam beansprucht wird.
 

PatFragen

*** KT-HERO ***
Hallo langlotz,

ich verstehe deine Frage/Problematik nicht ganz :).

Also grundsätzlich ist ein Satz 2 eines Absatzes immer in Zusammenhang mit Satz 1 zu lesen.
D.h. erstmal Satz 1 "abarbeiten" und feststellen, ob die "Entgegenhaltung" überhaupt einen älteren Zeitrang hat. Dann gilt grundsätzlich Satz 1. Wenn dieser ältere Zeitrang aber auf der Inanspruchnahme einer Priorität beruht, dann natürlich nur soweit die Priorität für die Merkmale wirksam in Anspruch genommen wurde. Ein von dir vorgeschlagenes "ausschließlich" würde den Gesetzestext unklarer machen. Der ist eindeutig so wie er jetzt formuliert ist :). Der Begriff "beruht" sagt doch gerade aus, dass die Inanspruchnahme die Ursache für den früheren Zeitrang sein muss.

Zu deinem Beispiel 2. Hat deine Entgegenhaltung mit a, b, d denn überhaupt noch einen älteren Zeitrang, wenn es keine Priorität in Anspruch nimmt ;-) ? Wenn ja, dann ist es in Satz 1 drin. Wenn nein dann ist es ganz aus §3 Abs. 2 draußen und höchstens §3 Abs. 1 ;-).
 

Fip

*** KT-HERO ***
Im EPÜ ist der Sachverhalt mehr oder weniger über Art. 88 (3) erfasst (dort natürlich für EP Anmeldungen). Die Formulierung ist anders, gemeint ist aber wohl dasselbe.

Ich dachte, das hilft vielleicht.
 

langlotz

Schreiber
Hallo zusammen

Vielen Dank für Eure Antworten - das hat die Sache in der Tat klarer gemacht.


Mit den besten Grüssen,
Frank Langlotz
 
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