Patent als Verbietungsrecht im Lichte von § 9 S. 1 PatG und § 11(1) GebrMG

maroubra

*** KT-HERO ***
Wir haben wohl alle irgendwann mal gelernt, dass ein Patent ein "Verbietungsrecht" ist und dem Inhaber kein positives Benutzungsrecht gibt.


§ 9 Satz 1 PatG sagt aber: "Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen."


Das klingt für mich schon etwas nach einem positiven Benutzungsrecht. Begeht man also als Patentinhaber eines zwar nicht patentfähigen, aber noch nicht widerrufenen Patents keine Patentverletzung eines anderen Patents, wenn man den Gegenstand, der vom eigenen Patent geschützt wird, verwirklicht?



Interesanterweise gibt es auch einen entstrechenden Satz im deutschen Gebrauchsmustergesetz, § 11, Absatz 1, Satz 1 GbrMG: "Die Eintragung eines Gebrauchsmusters hat die Wirkung, daß allein der Inhaber befugt ist, den Gegenstand des Gebrauchsmusters zu benutzen."


Ich frage mich, was das in der Praxis bedeutet, da man das Gebrauchsmuster ja ohne materielle Prüfung erhält und sich ein Löschungsverfahren durchaus hinziehen kann.
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Der entscheidende Punkt ist, was man in dem Gesetzeswortlaut betont liest:

"Das Patent hat die Wirkung, dass allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu benutzen."

Die korrekte Betonung liegt auf "allein", d.h. kein anderer als der Patentinhaber darf benutzen.

Dem Patentinhaber kann die Benutzung aber dennoch aufgrund anderer Umstände verwehrt sein, z.B. andere Gesetze oder Rechte Dritter. Dass man das so lesen muss, ist meines Wissens unbestritten und könnte auch schon aus dem Zusatz "im Rahmen des geltenden Rechts" abzulesen sein.

Insbesondere kann der Inhaber eines abhängigen Patents (also eines Patents, das den Gegenstand eines anderen Patents weiterbildet) seine Erfindung nicht ohne die Einwilligung des Inhabers des "übergeordneten" Patents nutzen (denn der darf ja auch "allein" benutzen).
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Das klingt für mich schon etwas nach einem positiven Benutzungsrecht. Begeht man also als Patentinhaber eines zwar nicht patentfähigen, aber noch nicht widerrufenen Patents keine Patentverletzung eines anderen Patents, wenn man den Gegenstand, der vom eigenen Patent geschützt wird, verwirklicht?

Auch als Patentinhaber eines patentfähigen Patents, das nicht in Gefahr steht, jemals widerrufen zu werden, begeht man eine Patentverletzung, wenn man einen Gegenstand verwirklicht, der zugleich von einem anderen Patent geschützt wird.

Beispiel: A entwickelt einen vollkommen neuen und unglaublich erfinderischen violetten Farbstoff und erhält Stoffschutz dafür. B findet danach heraus, dass dieser Farbstoff zugleich das Allheilmittel für Krebs ist, und erhält Schutz für den Stoff zur Verwendung in der Behandlung von Krebs.

Darf B nun die Verbindung als Arzneimittel vermarkten, gegen den Willen des A? Nein. Darf A die Verbindung als Arzneimittel vermarkten, gegen den Willen des B? Nein. Darf A die Verbindung als Farbstoff vermarkten, gegen den Willen des B? Ja.

Man nennt das auch "abhängiges Patent". Ist ziemlich kalter Kaffee.
 

maroubra

*** KT-HERO ***
Mir ist bekannt, dass das kalter Kaffee ist.


Ich kann mich andererseits aber nicht erinnern, jemals eine detaillierte Ausseinandersetzung mit den zitierten Gesetzesstellen gesehen zu haben. Der Gesetzgeber hätte diese auch einfach weglassen können und es wäre klar, dass Patent und Gebrauchsmuster reine "Verbotsrechte" sind. Die Sätze haben aber Niederschlag in den Gesetzen gefunden.


Auch mein aktueller Schulte ist da nicht sehr präzise, erwähnt aber (§ 9, Rn 5 + 6) immerhin ein "beschränktes" positives Benutzungsrecht.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Wir haben wohl alle irgendwann mal gelernt, dass ein Patent ein "Verbietungsrecht" ist und dem Inhaber kein positives Benutzungsrecht gibt.

Also laut Kraßer, Lehrbuch des Patentrechts, 6. Auflage (die 7. Auflage mit neuem Autor Ann habe ich noch nicht), ist das "positive Benutzungsrecht" aber die h.M. (siehe § 33 I c Verbietungsrecht und Benutzungsrecht, S. 744 ff., insbesondere § 33 I c 2). Dort findet sich auch die detaillierte Auseinandersetzung mit den zitierten Gesetzesstellen.
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
[...] Der Gesetzgeber hätte diese auch einfach weglassen können und es wäre klar, dass Patent und Gebrauchsmuster reine "Verbotsrechte" sind. Die Sätze haben aber Niederschlag in den Gesetzen gefunden.

Die Sätze hätte man eben nicht weglassen können, denn sie definieren ja gerade die Wirkung des Patents/Gebrauchsmusters, nämlich das Verbotsrecht gegenüber anderen. Es gibt keine andere Stelle, wo das sonst geregelt ist; weitere Vorschriften, die sich mit der Verletzung befassen, beziehen sich immer auf diese Paragrafen.
 

maroubra

*** KT-HERO ***
Pat-Ente,


meiner Ansicht nach ist das "Verbotsrecht" in § 9 Satz 2 PatG geregelt:


Jedem Dritten ist es verboten, ohne seine Zustimmung



  • ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;


  • ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, anzuwenden oder, wenn der Dritte weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, dass die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, zur Anwendung im Geltungsbereich dieses Gesetzes anzubieten;


  • das durch ein Verfahren, das Gegenstand des Patents ist, unmittelbar hergestellte Erzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen.

Der materielle Inhalt von § 9 Satz 1 PatG wäre meiner Ansicht nach im Lichte von Satz 2 nicht notwendig, wenn das Patent ein reines Verbotsrecht sein soll.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Der materielle Inhalt von § 9 Satz 1 PatG wäre meiner Ansicht nach im Lichte von Satz 2 nicht notwendig, wenn das Patent ein reines Verbotsrecht sein soll.

Das Problem ist halt nur, dass man die Notwendigkeit von Satz 1 auch dann nicht begründen kann, wenn man annimmt, dass es ein "Benutzungsrecht" verleiht. Denn in einer Rechtsordnung mit Gewerbefreiheit ist es nicht notwendig, den Marktteilnehmern etwas zu erlauben - sie dürfen von Haus aus alles, was nicht verboten ist. Dass Satz 1 spezialgesetzliche Verbotsnormen nicht aushebelt, ist anerkannt (man darf z.B. ein patentiertes Medikament nicht mit Berufung auf Satz 1 verkaufen, wenn es nicht zugelassen ist).

Ich habe noch keinen Kommentar gefunden, der irgendeine Auswirkung von Satz 1 hätte darlegen können. Also etwas, was man dank Satz 1 darf, ohne ihn aber nicht dürfte.
 
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