EPÜ Wesentlicher Übersetzungsfehler anhand Prioschrift heilbar?

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Hallo Forum,

die Patentanmeldung EP-12345 beanspruche die Priorität einer KR-54321. Die Anmeldungsunterlagen der EP-12345 bestehen in einer Übersetzung der KR-54321.

In der gesamten EP-12345 (Ansprüche, Beschreibung, Figurenbeschreibung) werde statt des korrekten Begriffs "Größe" (gemäß der Prioanmeldung KR-54321) fehlerhaft der Begriff "Anzahl" verwendet. Durch diesen Übersetzungsfehler sei die EP-12345 unklar und nicht nacharbeitbar.

Dass es sich bei dem Begriff "Anzahl" um einen Fehler handelt, ist anhand der Gesamtheit der Anmeldungsunterlagen der EP-12345 nicht feststellbar, wird jedoch durch Studium der Prioanmeldung deutlich.

Kann der Übersetzungsfehler anhand der entsprechenden Textstelle der Prioanmeldung geheilt werden, die ja nicht zum Offenbarungsumfang* der EP-12345 gehört?

Grüße
Marc

--
* G 0003/89
1. Eine Berichtigung der die Offenbarung betreffenden Teile einer europäischen Patentanmeldung oder eines europäischen Patents (der Beschreibung, der Patentansprüche und der Zeichnungen) nach Regel 88, Satz 2 EPÜ darf nur im Rahmen dessen erfolgen, was der Fachmann der Gesamtheit dieser Unterlagen in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens - objektiv und bezogen auf den Anmeldetag - unmittelbar und eindeutig entnehmen kann. Eine solche Berichtigung hat rein feststellenden Charakter und verstößt daher nicht gegen das Erweiterungsverbot nach Artikel 123 (2) EPÜ.
2. Der Nachweis dessen, was am Anmeldetag allgemeines Fachwissen des Fachmanns war, kann im Rahmen eines zulässigen Berichtigungsantrags mit jedem geeigneten Beweismittel erbracht werden.

und
7. Was der Fachmann den die Offenbarung betreffenden Teilen einer europäischen Patentanmeldung am Anmeldetag entnehmen konnte, ist vor einer Berichtigung nach Regel 88, Satz 2 EPÜ in tatsächlicher Hinsicht zu ermitteln. Andere Unterlagen als Beschreibung, Patentansprüche und Zeichnungen können infolge des Erweiterungsverbots nach Artikel 123 (2) EPÜ nur insoweit herangezogen werden, als sie geeignet sind, das am Anmeldetag bestehende allgemeine Fachwissen zu belegen. Dagegen dürfen Unterlagen, die dieser Anforderung nicht genügen, selbst dann nicht zu einer Berichtigung nach Regel 88, Satz 2 EPÜ herangezogen werden, wenn sie zusammen mit der europäischen Patentanmeldung eingereicht worden sind. Zu letzteren gehören insbesondere auch Prioritätsdokumente, die Zusammenfassung und dergleichen.

Autsch
 
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Asdevi

*** KT-HERO ***
Jo, autsch.

Das sind himmelschreiende Anfängerfehler. Die Originaldokumente einer Anmeldungsfamilie sind in einer Sprache zu halten. Wenn die Prio auf Koreanisch ist, dann wird die EP-Anmeldung auch auf Koreanisch eingereicht und die deutsche Übersetzung nachgeliefert oder gleich beigefügt.

Ist in diesem Fall sogar billiger, weil Koreanisch wesentlich kompakter ist als Deutsch oder Englisch (weniger Seitengebühren). Was hat denn den Anmelder oder seinen Vertreter geritten, die Anmeldung als Übersetzung einzureichen?
 

PK_Schach.Matt

*** KT-HERO ***
Die Originaldokumente einer Anmeldungsfamilie sind in einer Sprache zu halten.
Da gibt es auch eine andere Philosophie. Wird ein Patent auf einen Übersetzungsfehler erteilt, der zu einer unerlaubten Erweiterung führt, dann kann man genauso in Schwierigkeiten kommen. Grundsätzlich muss auf den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen (in der Fremdsprache) zurückgekehrt werden. Korrigieren kann man aber nach der Erteilung nichts mehr.

Die Bombe ist hier IMHO sogar noch größer, weil solche Übersetzungsfehler in der Regel erst in Nichtigkeitsverfahren raus kommen, wenn an dem Patent richtig teures Streitverfahren hängt und der gegnerische Patentanwalt sich das Patent genau unter die Lupe nimmt.
 

maroubra

*** KT-HERO ***
Oft entsprechen die asiatischen Priounterlagen nicht "westlichen" Standards und es können im Rahmen der Übersetzung grobe Schnitzer korrigiert werden. Andererseits besteht natürlich auch das Risiko von Fehlern.


Ich habe über die Übersetzungsfehlerproblematik in diesem Zusammenhang auch schonmal nachgedacht. Eine Möglichkeit bestünde evtl. in einer "Incorporation by reference" des Priodokuments (die wohl auch im EP- und DE-Verfahren möglich ist), es muss dann aber zeitgleich mit der Anmeldung beim EPA eingehen. Man könnte auch versuchen, den originalen Text einfach in die EP-Anmeldung zu kopieren (d.h. Übersetzung und Original in einem Dokument) und dann später überarbeitete Unterlagen, in denen das Original gestrichen ist, einreichen. Natürlich muss man im zweiten Fall auch die Übersetzungserfordernisse für diese Chimäre beachten.
 

PK_Schach.Matt

*** KT-HERO ***
Man könnte auch versuchen, den originalen Text einfach in die EP-Anmeldung zu kopieren (d.h. Übersetzung und Original in einem Dokument) und dann später überarbeitete Unterlagen, in denen das Original gestrichen ist, einreichen.
Das wäre ein gangbarer Weg für das Prüfungsverfahren. Man nimmt den Originaltext einfach mit in die ursprünglich einzureichenden Unterlagen auf und streicht sie bei der nächsten Gelegenheit wieder raus. Nachteil ist halt die erhöhte Anmeldegebühr vor allem, weil die Ansprüche doppelt eingereicht werden. Über die Zäsurwirkung der Erteilung müsste ich mir mal Gedanken machen. Aber grundsätzlich finde ich die Idee nicht schlecht.
 
Zuletzt bearbeitet:

Fip

*** KT-HERO ***
Welchen Vorteil, der so groß ist, dass er das lohnenswert macht, soll das gegenüber einer Einreichung in der Originalsprache oder einer Einreichung durch Bezugnahme haben?
 

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Das kriege ich jetzt bald alle paar Tage...

Schlechte Übersetzung der asiatischen Prioanmeldung als EP-Anmeldung eingereicht, und dann werden vom Prüfer diverse Schlüsselbegriffe in den Ansprüchen als unklar beanstandet.

Auf eine bessere Übersetzung der Prioanmeldung zur Ausräumung der Klarheitsbeanstandungen darf dann ja nicht zurückgegriffen werden.

Was nun? Die Problematik müsste doch eigentlich auch anderswo schon öfter aufgetreten sein.

Sollten wir nun zukünftig die EP-Anmeldung in der asiatischen Originalsprache einreichen, oder eine Kopie der Prioschrift mit in die EP-Anmeldung hineinnehmen, oder die Prioanmeldung durch incorporation by reference einbeziehen?
 

Ernst Haft

Vielschreiber
Die Originaldokumente einer Anmeldungsfamilie sind in einer Sprache zu halten. Wenn die Prio auf Koreanisch ist, dann wird die EP-Anmeldung auch auf Koreanisch eingereicht und die deutsche Übersetzung nachgeliefert oder gleich beigefügt...

Was hat denn den Anmelder oder seinen Vertreter geritten, die Anmeldung als Übersetzung einzureichen?

Ist dies wirklich der Standard? Wir melden häufig japanische/chinesische/koreanische WO-Schriften beim EPA ein und bisher habe ich es noch nie mitbekommen, dass wir in Originalsprache eingereicht haben. Vielmehr erhalten wir immer auch gleich die dazugehörige englische Übersetzung des beauftragenden Patentanwalts, die dann wie erhalten eingereicht wird.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Ist dies wirklich der Standard? Wir melden häufig japanische/chinesische/koreanische WO-Schriften beim EPA ein und bisher habe ich es noch nie mitbekommen, dass wir in Originalsprache eingereicht haben. Vielmehr erhalten wir immer auch gleich die dazugehörige englische Übersetzung des beauftragenden Patentanwalts, die dann wie erhalten eingereicht wird.

Mir ist nicht ganz klar, ob du dich jetzt auf den Eintritt einer WO-Anmeldung in die regionale europäische Phase beziehst ("einmelden", was soll das sein?). Da muss man gar nichts anmelden, denn die Anmeldung existiert schon, sondern nur eine Übersetzung einreichen. Die Originalfassung der Anmeldung ist dann die asiatische.

Ich persönlich habe noch nie den Fall erlebt, dass wir auf Basis einer asiatischen Prio eine WO-Anmeldung beim EPA einreichen. In diesem Fall wird der asiatische Mandant die WO-Anmeldung direkt bei sich zu Hause einreichen. Es stellt sich auch die Frage, ob der Mandant eine WO-Anmeldung überhaupt beim EPA einreichen kann, das PCT enthält ja einige Einschränkungen, welches Anmeldeamt ein Anmelder nutzen kann.

Es kommen nur die Fäle vor, wo statt einer WO-Anmeldung ein direktes europäisches Patent angemeldet werden soll auf Basis einer asiatischen Prio, und da tun wir das niemals als Übersetzung, schlicht weil die uns gelieferten Übersetzungen jedes Mal katastrophal waren (da reicht es im Normalfall, zwei Sätze zu lesen). Ich hatte bisher eigentlich nie die Wahl, weil ich es mit meiner Sorgfaltspflicht nicht vereinbaren konnte, ein in weiten Teilen unverständliches gebrochen-englisches Kauderwelsch als Anmeldetext zu nehmen. Dass das nicht erteilt wird, ist wenig überraschend.
 

Ernst Haft

Vielschreiber
Mir ist nicht ganz klar, ob du dich jetzt auf den Eintritt einer WO-Anmeldung in die regionale europäische Phase beziehst ("einmelden", was soll das sein?). Da muss man gar nichts anmelden, denn die Anmeldung existiert schon, sondern nur eine Übersetzung einreichen. Die Originalfassung der Anmeldung ist dann die asiatische.

Ich persönlich habe noch nie den Fall erlebt, dass wir auf Basis einer asiatischen Prio eine WO-Anmeldung beim EPA einreichen. In diesem Fall wird der asiatische Mandant die WO-Anmeldung direkt bei sich zu Hause einreichen. Es stellt sich auch die Frage, ob der Mandant eine WO-Anmeldung überhaupt beim EPA einreichen kann, das PCT enthält ja einige Einschränkungen, welches Anmeldeamt ein Anmelder nutzen kann.

Es kommen nur die Fäle vor, wo statt einer WO-Anmeldung ein direktes europäisches Patent angemeldet werden soll auf Basis einer asiatischen Prio, und da tun wir das niemals als Übersetzung, schlicht weil die uns gelieferten Übersetzungen jedes Mal katastrophal waren (da reicht es im Normalfall, zwei Sätze zu lesen). Ich hatte bisher eigentlich nie die Wahl, weil ich es mit meiner Sorgfaltspflicht nicht vereinbaren konnte, ein in weiten Teilen unverständliches gebrochen-englisches Kauderwelsch als Anmeldetext zu nehmen. Dass das nicht erteilt wird, ist wenig überraschend.

Hallo Asdevi,
entschuldige, dass ich den ersten Fall missverstanden habe. Dort habe ich natürlich den von Dir geschilderten Fall beschrieben, dass wir eine KR/JP/CN-PCT Anmeldung in die regionale Phase überleiten.

Allerdings kommt es auch vor, dass wir KR/JP/CN-Prios direkt beim EPA anmelden (dies ist allerdings selten) und auch da wird uns immer die Übersetzung geliefert.
 
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