Vorpr. Anspruchsanalyse bzgl. nächstliegenden Stand der Technik

Nonius

Schreiber
Hallo Zusammen

In den Vorprüfungen gibt es Frage, ob eine entsprechende Druckschrift den nächstliegenden Stand der Technik für einen entsprechenden Anspruch darstellt (vgl. Vorprüfung 2015 Frage 17 oder Vorprüfung 2014 Frage 17).

Kann es überhaupt einen nächstliegenden Stand der Technik für einen abhängigen Anspruch geben? Kann nicht nur ein nächstliegender Stand der Technik für einen Hauptanspruch bestimmt werden?

Vielen Dank und beste Grüsse
 

silvio_h

GOLD - Mitglied
Ich gebe hier mal meine Interpretation wider, die dann jemand anderes (hoffentlich) verifizieren oder falsifizieren kann:

Ein Unteranspruch bezieht sich ja entweder auf einen unabhängigen Anspruch oder aber auf einen anderen abhängigen und über eine Kette dann auf einen unabhängigen Anspruch zurück.

Wird dann also nach dem nächstliegenden Stand der Technik zu einem abhängigen Anspruch gefragt, so müsste man die Kette der Abhängigkeit bis zum unabhängigen Anspruch betrachten (hypothetisch einen neuen unabhängigen Anspruch mit der Kette der abhängigen als Einschränkung aufstellen), um die Frage zu beantworten.

Das macht einem dann klar, dass je nach Einschränkung ein unterschiedlicher Stand der Technik der nächstliegende sein kann.
 

Nonius

Schreiber
Das wäre das Einzige, was Sinn machen würde.

Hier mal eine der Fragen aus der Vorpprüfung für ein besseres Verständnis:

Ansprüche:

IV.1 Spendersystem umfassend:
(a) eine Handpumpe,
(b) eine Flasche für Flüssigseife,
(c) ein Rohr,
dadurch gekennzeichnet, dass die Flasche einen Boden umfasst, der mit einem
Teil des Rohrs in Kontakt ist.
IV.2 Spendersystem nach Anspruch IV.1, wobei der Boden der Flasche kuppelförmig
ist, um das Rohr von der Spitze der Kuppel wegzuführen.
IV.3 Spendersystem nach Anspruch IV.1, wobei das Rohr einen rechtwinkligen
Abschnitt hat und ein Ende des Rohrs in Kontakt mit dem Boden der Flasche ist.
IV.4 Spendersystem nach Anspruch IV.1, wobei der Boden der Flasche eine
V-förmige Vertiefung hat, die ein Ende des Rohrs in den tiefsten Teil des Bodens
der Flasche führt.

FRAGE 19
Geben Sie für jede der Aussagen 19.1 – 19.4 auf dem Antwortblatt an, ob die Aussage
wahr oder falsch ist:

19.1 Da D1 alle Merkmale des Oberbegriffs von Anspruch IV.1 offenbart, ist D1 der
nächstliegende Stand der Technik für den Anspruch IV.1.
19.2 Da die Flasche von D2 keinen kuppelförmigen Boden hat, ist D2 nicht der
nächstliegende Stand der Technik für den Anspruch IV.2.
19.3 Da die Flasche von D3 einen kuppelförmigen Boden hat, ist D3 der
nächstliegende Stand der Technik für den Anspruch IV.2.
19.4 Da D4 ein Rohr mit einem rechtwinkligen Abschnitt offenbart, ist D4 der
nächstliegende Stand der Technik für den Anspruch IV.3.

Vielen Dank und beste Grüsse
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Ohne Kenntnis der Dokumente D1 bis D4 kann man hier nicht viel sagen. Es geht aus den Fragen nämlich nicht hervor, was die Dokumente außer den angegebenen Merkmalen offenbaren (oder auch gerade nicht).

Beispielsweise:
- Es ist nicht zwingend, dass ein Dokument (D1) welches alle Merkmale des Oberbegriffs offenbart, nSdT ist. Es kann durchaus ein anderes Dokument näher dran sein (z.B. wenn alle Merkmale von IV.1 offenbart sind, außer dass keine Handpumpe, sondern eine elektrische Pumpe verwendet wird - auf die Art der Pumpe kommt es hier ja offensichtlich nicht an).
- Falls D2 alle Merkmale von IV.1 offenbart und D3 (offenbart kuppelförmigen Boden) keine Pumpe und kein Rohr, kann D2 durchaus nSdT für IV.2 sein.
- Falls D4 zwar das entsprechende Rohr, aber keine Spenderflasche offenbart, ist es womöglich nicht nSdT für IV.3.
 

Nonius

Schreiber
Vielen Dank für die Antwort.

Es ging hier auch nicht um die Lösung der Aufgabe als solche, sondern viel mehr darum, ob man einen nächstliegen SdT für einen abhängigen Anspruch bestimmen kann? Oder ob dies zwangsweise der nSdT des unabhängigen Anspruchs sein muss.
 

ThomasF

Vielschreiber
In den GL G VII-3 Punkt 5:

Nächstliegender Stand der Technik ist Offenbarung, die den erfolgversprechendsten Ausgangspunkt für das beanspruchte Konzept darstellt. Hiebei ist ähnlicher Zweck und Wirkung zu berücksichtigen.

Wenn das Merkmal des abhängigen Anspruchs eine besondere Wirkung hat und damit eine andere Aufgabe löst, als die die Kombination des unabhängigen Hauptanspruchs, dann kann es sinnvoll sein, z.B. im Einspruchsverfahren diesen Anspruch anhand der neuen Aufgabe auch einen anderen nächstliegenden Stand der Technik zuzuordnen.

Hier:
Der Anspruch 1 der vorliegenden Aufgabe bewirkt, dass das Rohr gegenüber/relativ zu dem Boden der Flasche festgelegt ist. Wirkung, das Rohr schlägt nicht gegen die innere Mantelfläche der Flasche und die Flüssigkeit wird weitgehend abgepumt. Der Boden könnte auch eine konvexe Form haben, was zusätzliche Maßnahmen zur Standsicherheit der Flasche erfordert, wenn diese stehen soll.
Gelöste Aufgabe: Das Rohr gegenüber der Flasche fixieren um ??
Nächstliegender Stand der Technik (vielleicht) ein wandmontiertes Gerät mit konvexem Boden

Wirkung der Merkmale aus Anspruch 2: Die in der Flasche enthaltene Flüssigkeit wird auch bei großer Adhäsion derselben zuverlässig in eine umlaufende Rinne geleitet, und die Flasche kann rückstandsärmer entleer werden und bleibt standsicher.
Gelöste Aufgabe: Spenderflasche mit einfacher mobiler standsicherer Ausgestaltung, die sich rückstandsarm entleeren lässt.
Nächstliegender Stand der Technik: irgend ein stehendes System, mit unebenem Boden.

Sehr akademisch und in meinen 25 Jahren Einspruchsverfahren sehr selten vorgekommen.
 
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