EPÜ Brexit und die Folgen

Expatriot

GOLD - Mitglied
Der Blick ins Gesetz schadet selten; oder nie. ;-)

Die Schnittstelle im EPÜ sind die Artt. 142 bis 149a. Da geht's nur um EPÜ Mitgliedsstaaten. Von wem da ein einheitliches Patentgericht errichtet wird lässt das EPÜ offen. Es sollte daher möglich sein im Rahmen von Staatsverträgen auch als Nicht-EU-Staat beizutreten. Mehr noch, scheint es möglich, dass es sogar mehrere einheitliche Patente geben kann, falls die Staaten sich entsprechend einigen.

Ich hoffe ich konnte zur Beseitigung der Verwirrung beitragen.
 

PK_Schach.Matt

*** KT-HERO ***
Nein. Mir ist aus Deinen Ausführungen immer noch nicht klar, wie ein zwischenstaatlicher Vertrag, EPÜ, sich über EU-Recht, hier eine Art EU-Verordnung stellen kann. Seis drum. Frohes Schaffen.
 

Expatriot

GOLD - Mitglied
Guten Morgen. Vielleicht klappt's besser, wenn ich ausgeschlafen bin. :eek:

Art. 142 (1) EPÜ sagt aus:

"Eine Gruppe von Vertragsstaaten, die in einem besonderen Übereinkommen bestimmt hat, dass die für diese Staaten erteilten europäischen Patente für die Gesamtheit ihrer Hoheitsgebiete einheitlich sind, kann vorsehen, dass europäische Patente nur für alle diese Staaten gemeinsam erteilt werden können."


Das "besondere Übereinkommen" ist jedoch nicht näher definiert. Es kann also grundsätzlich beliebig sein. Ein Beispiel für ein solches Übereinkommen ist die Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 über die Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes. Die Wirksamkeit dieser Verordnung ist an das Inkrafttreten des Übereinkommens über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ) gebunden.

Ferner lässt gemäß Art. 149a (1) EPÜ dieses Übereinkommen (gemeint ist das EPÜ) das Recht aller oder einiger Vertragsstaaten unberührt, besondere Übereinkommen über alle europäische Patentanmeldungen oder Patente betreffenden Fragen zu schließen, die nach diesem Übereinkommen (EPÜ) nationalem Recht unterliegen und dort geregelt sind. Das umfasst insbesondere ein Übereinkommen über die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Patentgerichts für die ihm angehörenden Vertragsstaaten.

Folgerung 1: Beliebige EPÜ-Mitgliedsstaaten können Übereinkommen über einheitliche Patente iSd Art. 142 (1) EPÜ abschließen. Nur im Fall der Verordnung 1257/2012 hängt die Wirksamkeit vom EPGÜ ab.

Folgerung 2: Dies gilt auch für ein Patentgericht.

Folgerung 3: Es ist nicht ausgeschlossen, dass GB oder beliebige EPÜ-Mitgliedsstaaten sich im Rahmen weiterer Übereinkommen, etwa bilaterale Verträge, dem einheitlichen Patentgericht unterwerfen.

Ergebnis: Die Möglichkeit für GB mitzumachen besteht, ist jedoch nicht zwingend und hängt fast ausschließlich vom politischen Willen der Vertragsstaaten ab. Demnach stellt sich das EPÜ nicht über EU-Recht sondern bietet eine Schnittstelle für vielfältige Lösungen, von denen Gebrauch gemacht werden kann.

So verstehe ich das zumindest momentan. Ansonsten wünsche ich ebenfalls frohes Schaffen!
 
Zuletzt bearbeitet:

PK_Schach.Matt

*** KT-HERO ***
Jetzt verstehe ich, worauf Du hinaus willst.

Das geht aber an der Sache vorbei. Nur weil das EPÜ die Möglichkeit vorsieht, Einheitspatente über zwischenstaatliche Verträge zu vereinbaren heißt das noch lange nicht, dass das EPeW ein solches Einheitspatent ist. Es ist und bleibt verstärke Zusammenarbeit nach EU-Recht:
https://de.wikipedia.org/wiki/Verstärkte_Zusammenarbeit

Damit das EPeW ein Einheitspatent nach Deinem Szenario wird, müsste es grundsätzlich neu aufgerollt werden. Es wäre analog zum EPÜ und zum EPLA zunächst ein Vertrag zu zeichnen und dann von den einzelnen Mitgliedsstaaten zu ratifizieren. Das wollte man auf dem Gebiet des Privatrechts gerade nicht haben, weshalb man beim EPeW über die EU-Rechtsschiene gegangen ist.

Wenn GB aus der EU austritt, dann kann es nach den derzeitigen Verträgen weder beim EPeW noch mein EPLA mitmachen. Beim EPLA könnte dieses Hindernis einfacher ausgeräumt werden, als beim EPeW.
 

hyperandy

*** KT-HERO ***
Art. 142 (1) EPÜ sagt aus:

"Eine Gruppe von Vertragsstaaten, die in einem besonderen Übereinkommen bestimmt hat, dass die für diese Staaten erteilten europäischen Patente für die Gesamtheit ihrer Hoheitsgebiete einheitlich sind, kann vorsehen, dass europäische Patente nur für alle diese Staaten gemeinsam erteilt werden können."

Nur zur Info: Die Benennung CH/LI ist aufgrund eines Vertrages nur gemeinsam möglich und basiert auf dem Art. 142(1) EPÜ.
 

Expatriot

GOLD - Mitglied
Da fallen mir dann aber noch zwei Punkte ein:

Heißt das Deiner Meinung nach, PK.Schach_Matt, fällt diese verstärkte Zusammenarbeit nicht unter Art. 142 (1) EPÜ?

Verbietet das EU-Recht einen bilateralen Vertrag zwischen Drittstaaten und der EU, der nicht alle EU-Mitgliedsstaaten gemeinsam betrifft sondern lediglich eine Untergruppe, wie beispielsweise eine verstärkte Zusammenarbeit?

Das wird demnächst mal meine Beschäftigung für einen langweiligen Abend, vermute ich. ;)
 

PK_Schach.Matt

*** KT-HERO ***
Das EPeW ist anders als das EPLA kein bilateraler Vertrag. Auch verstärkte Zusammenarbeit nach EU-Recht ist kein bilateraler Vertrag sondern, wie eine Verordnung, unmittelbar in der Staatengemeinschaft wirksam (nur halt nicht in allen Staaten der EU).

Wenn die EU mit GB das EPeW über einen bilateralen Vertrag weiterführen möchte, wäre das grundsätzlich ein Weg. Hierzu müsste aber das gesamte für das EPeW notwendige Privatrecht über diesen Vertrag geregelt werden. Das wollte damals keiner und ich glaube nicht, dass man das für GB jetzt macht.
 

6to5

BRONZE - Mitglied
Mal neben den rechtlichen Aspekten ein praxisnäherer Gedanke: wenn GB nicht im Einheitspatent mitmacht, wird das nicht massive Auswirkungen auf die Erfolgswahrscheinlichkeit des Einheitspatents haben? Wie interessant ist das EU-Gesamtpaket, wenn ich zusätzlich noch GB validieren muss? Jetzt müsste plötzlich "EU+GB" gegen das traditionelle Paket "GB+DE+FR" bei der Abwägung der Vor- und Nachteile der verschiedenen Anmeldestrategien antreten. Die Briten als Einfallstor der Amis nach Patent-Europa dürften da einiges an träger Masse mitbringen.
 

hyperandy

*** KT-HERO ***
Update:

Es geht erstmal weiter wie geplant:

"...

This will largely depend on political decisions to be taken in the course of the next months. It has to be recalled that for the time being the United Kingdom remains a Member State of the European Union and a Signatory State of the Unified Patent Court Agreement.

Pending more clarity about different possible scenarios the chairmen of the Preparatory Committee and the Select Committee are of the opinion that the work dedicated to the technical implementation should continue to progress as envisaged, in accordance with the mandate of both
Committees and in line with the clear wish of the user community to bring the Unified Patent Court and the Unitary Patent into operation as soon as possible."

https://www.unified-patent-court.org/sites/default/files/communication_from_the_chairmen.pdf
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Pending more clarity about different possible scenarios the chairmen of the Preparatory Committee and the Select Committee are of the opinion that the work dedicated to the technical implementation should continue to progress as envisaged, in accordance with the mandate of both Committees and in line with the clear wish of the user community to bring the Unified Patent Court and the Unitary Patent into operation as soon as possible."

Den Chairmen sei ihre opinion ja gegönnt, aber es bleibt beim Faktum, dass es ohne Ratifizierung durch UK kein Einheitspatent geben wird. Und die Briten werden den Teufel tun, nur den Chairmen zum Gefallen jetzt ein EU-Projekt zu ratifizieren. Ich sehe jedenfalls nicht, dass Cameron das tut. Und sein Nachfolger noch viel weniger.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Ich halte das In-Kraft-Treten mit GB für ausgeschlossen (wenn der Brexit vollzogen wird), und ohne GB für nicht möglich, solange keine absolute Klarheit darüber besteht, wie die EU mit GB bzw. GB mit der EU nach dem Brexit umgeht.


Es geht ja schon damit los, dass die EU Mitgliedsstaaten sicher auf die Barrikaden gehen (zumindest einige davon mit eigenen Ambitionen), wenn GB als Nicht-EU Land mit London eine Gerichtsstandort für ein EU Prestigeobjekt erhalten soll. Warum dann nicht Rom, oder Wien, oder Prag, oder ...


Überdies stellt sich mir die Frage, wer in London eigentlich Richter am UPC sein soll, wenn das UPC vorschreibt, dass Richter die Staatsangehörigkeit eines EU Staates haben müssen und darüber hinaus GB die Arbeitnehmer-Freizügigkeit in weiten Teilen abschaffen will.


Außerdem ist höchst fraglich, ob überhaupt ein Land bei einer EU-Verordnung mitmachen kann, wenn es nicht der Rechtsprechung des EuGH unterworfen ist.


... und so weiter ...


Ich sage nicht, dass das Projekt K.O. ist. Angezählt aber auf jeden Fall ...
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Es besteht eine kleine Chance, dass bei stark europafreundlichem Ausgang der Parlamentswahl UK doch noch ratifiziert. Aber ich gehe davon aus, dass das Projekt Jahre lang auf Eis liegen wird. Jetzt ein neues Abkommen aufzulegen wird fast unmöglich. Da leiert irgendjemand irgendwo sicher einen Volksentscheid dagegen an.

Vor 2020, vielleicht 2025, kommt das nicht mehr. Das Geschwafel der Chairmen ist Pfeifen im Walde.
 

hyperandy

*** KT-HERO ***
Es besteht eine kleine Chance, dass bei stark europafreundlichem Ausgang der Parlamentswahl UK doch noch ratifiziert. Aber ich gehe davon aus, dass das Projekt Jahre lang auf Eis liegen wird. Jetzt ein neues Abkommen aufzulegen wird fast unmöglich. Da leiert irgendjemand irgendwo sicher einen Volksentscheid dagegen an.

Vor 2020, vielleicht 2025, kommt das nicht mehr. Das Geschwafel der Chairmen ist Pfeifen im Walde.

Die Meinung vom CIPA:

"...

3. What will be the effect on the planned Unitary Patent system?

Legal mechanisms have been proposed which would enable the UK still to participate in the Unitary Patent and the associated Unified Patent Court, even after Brexit. There would be clear benefits both to the UK and to the unitary system as a whole, but it would require political will on all sides to amend the current legal arrangements.

If this is not forthcoming, then when unitary patents become available (as an option when a regular European patent application is granted), they will provide cover only in EU countries. So they would not provide cover in the UK after Brexit. However, as with other non-EU countries, it will continue to be possible to obtain national UK protection via the EPO route, exactly as at present.

It was previously thought that the unitary patent system would start in mid-2017, along with the Unified Patent Court, but the Brexit vote has cast some doubt on that timetable.

4. What will be the effect on the planned Unified Patent Court (and its proposed seat in London)?

See above for the possibility that the UK might still participate in the UPC, with a seat in London, if the political will exists.

Otherwise, as the UPC agreement currently stands, the UK must ratify it before the UPC can commence. For the UPC to go ahead without UK ratification, either the UPC agreement must be renegotiated, or UK must have actually left the EU. UPC renegotiation would take time, and there will be at least a two-year negotiation period before the UK actually leaves the EU, probably longer. Delay would be inevitable.

..."

http://www.cipa.org.uk/policy-and-news/brexit-updates/brexit-faq/

Die Frage ist hier natürlich, welche "Legal mechanisms" gemeint sind und ob "political will exists".
 

Ah-No Nym

*** KT-HERO ***
Hi

Ich war gestern auf der Veranstaltung vom PremierCercle hier am EPO (UPC - the last miles?). Alle Beteiligten haben bestätigt, dass es erst mal weitergeht mit "business as usual".

Keiner hatte einen Plan B oder wollte zumindest darüber reden. Margot Fröhlicher vom EPA, die "Großmutter" des UP/UPCs, meinte es gäbe keine legalen Probleme, UK auch nach dem Brexit im System zu halten, wo ein Wille wäre wäre auch ein Weg. Naja...

Auch wurde die Meinung vertreten, dass es einfach wäre, Änderungen vorzunehmen, wenn das System erst mal laufen würde, und dass es für das UK keinen Grund gäbe, jetzt nicht zu ratifizieren.

Alles in allem eine etwas surrealistische Veranstaltung, wenn es um Auswahl der Richter etc. geht und doch alle wissen, dass zumindest bis zum September erst mal nichts passieren wird...

Grüße

Ah-No Nym

PS: Lustig war aber Batistelli, der ernsthaft meinte

- die Qualität des EPA habe in den letzten Jahren zugenommen und
- man sollte doch nicht alles glauben, was behauptet werde, den Leuten am EPA ginge es gut und die Stimmung wäre gut, wie könne man sonst die hohe Produktivität und Qualität erklären ....

:p
 

PK_Schach.Matt

*** KT-HERO ***
PS: Lustig war aber Batistelli, der ernsthaft meinte (...) man sollte doch nicht alles glauben, was behauptet werde, den Leuten am EPA ginge es gut und die Stimmung wäre gut, wie könne man sonst die hohe Produktivität und Qualität erklären ....
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Fip

*** KT-HERO ***
... Batistelli ... meinte

- die Qualität des EPA habe in den letzten Jahren zugenommen und
- man sollte doch nicht alles glauben, was behauptet werde, den Leuten am EPA ginge es gut und die Stimmung wäre gut, wie könne man sonst die hohe Produktivität und Qualität erklären ....

Ich frage mich bei solchen Aussagen immer:

Weiß er, dass jeder weiß, dass das nicht stimmt, oder
glaubt er zu wissen, dass keiner weiß, dass das nicht stimmt, oder
glaubt er ernsthaft, dass das stimmt, obwohl sonst jeder weiß, dass das nicht stimmt ... ?
 

hyperandy

*** KT-HERO ***
Ein interessanter Ansatz wird in GRUR8/2016, 755, von W. Tilmann genannt: UK ratifiziert und danach werden die Regeln geändert, dass auch ein Land, das austritt, dabei bleibt (Art. 84 UPCA) und dass das Einheitspatent auf die UK ausgedehnt wird (Art. 142(1) EPC). Dies sollte dann im Exit-Agreement EU-UK festgehalten werden. Mal abwarten, ob mit diesem Vorschlag eine Hängepartie vermieden werden könnte. Klar ist, dass UK mitspielen muss und ratifizieren und politischer Wille vorhanden sein muss.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Ein interessanter Ansatz wird in GRUR8/2016, 755, von W. Tilmann genannt: UK ratifiziert und danach werden die Regeln geändert, dass auch ein Land, das austritt, dabei bleibt (Art. 84 UPCA) und dass das Einheitspatent auf die UK ausgedehnt wird (Art. 142(1) EPC). Dies sollte dann im Exit-Agreement EU-UK festgehalten werden. Mal abwarten, ob mit diesem Vorschlag eine Hängepartie vermieden werden könnte. Klar ist, dass UK mitspielen muss und ratifizieren und politischer Wille vorhanden sein muss.

Wenn ich mich nicht irre, gab es eine EuGH-Entscheidung, dass das Einheitspatentgericht nur für EU-Staaten zuständig sein darf. Ein solches Abkommen dürfte also beim ersten Rechtsstreit, wo das eine Rolle spielt, kassiert werden.
 

ppa

GOLD - Mitglied
Außerdem dürfte gerade der genannte "politische Wille" bei den Regierungen der anderen EU-Länder fehlen; UK soll gerade nicht sämtliche Vergünstigungen und Positionen wie ein EU-Land bekommen, wenn es austritt; das "cherry picking" soll nicht zugelassen werden.


Und einen Gerichtsstand London wird in der EU auch keiner mehr wollen.
 
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