EPÜ Brexit und die Folgen

Rex

*** KT-HERO ***
Mich würde interessieren, ob es hier Meinungen dazu gibt, welche Auswirkungen ein Brexit auf das neue EU-Patent und das Europäische Patentgericht hätte.
Gibt es Verzögerungen oder kann das ganze Projekt scheitern?
Und wenn nicht, wäre ein EU-Patent ohne UK noch attraktiv?

Was wird aus der Unionsmarke?

Schöne Grüße
Rex
 

Ernst Haft

Vielschreiber
Hey,
soweit ich es mitbekommen habe, soll die Zentralkammer des Einheitspatents fuer den Chemiebereich nach London kommen. Dies wird im Falle eines Brexit sicherlich nicht passieren. Inwieweit ein moeglicher Brexit den gesamten Prozess verzoegert vermag ich nicht zu sagen, beschleunigen wird es diesen jedoch wohl kaum.
 

PK_Schach.Matt

*** KT-HERO ***
Mich würde interessieren, ob es hier Meinungen dazu gibt, welche Auswirkungen ein Brexit auf das neue EU-Patent und das Europäische Patentgericht hätte.
Gibt es Verzögerungen oder kann das ganze Projekt scheitern?
Und wenn nicht, wäre ein EU-Patent ohne UK noch attraktiv?

Was wird aus der Unionsmarke?

Schöne Grüße
Rex

Wenn ich das noch richtig im Kopf habe muss GB das Gemeinschaftsgerichtsübereinkommen ratifizieten, damit es überhaupt in Kraft tritt (GB, DE, FR + 10 weitere EU Mitglieder). Ohne GB in der EU wäre zumindest das Gemeinschaftsgericht hinfällig, weil dem Abkommen nur EU-Mitglieder beitreten dürfen.
 

hyperandy

*** KT-HERO ***
Mich würde interessieren, ob es hier Meinungen dazu gibt, welche Auswirkungen ein Brexit auf das neue EU-Patent und das Europäische Patentgericht hätte.
Gibt es Verzögerungen oder kann das ganze Projekt scheitern?
Und wenn nicht, wäre ein EU-Patent ohne UK noch attraktiv?

Was wird aus der Unionsmarke?

Schöne Grüße
Rex

Ich habe habe letztes einen Vortrag zu diesem Thema von einem Mitarbeiter des EPA besucht und natürlich kam die Frage. Es gab dabei ein paar Kernaussagen:

- UK kann dann nicht mehr beim Einheitspatent / UPC mitmachen;
- an die Stelle von UK kommt dann IT ("drittgrösster Staat mit lebenden EP-Patenten");
- entsprechend ist die zentrale Instanz nicht London, sondern in Mailand;
- dazu bilaterale Verhandlungen UK-EU zu Fragen der Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts (Schweizer Modell); vgl. hierzu http://www.spiegel.de/politik/ausla...-die-maer-vom-schweizer-modell-a-1096667.html
- Möglichkeit, sich im Binnenmarkt an das EU-Recht und den EuGH anzuhängen (auch Marken).
- einmal Mitlglied bei UPC gibt es auch hier keine Ausstiegsklausel;

Aber so einfach geht das natürlich nicht, es wird vorher lange Verhandlungen mit UK geben;
 
Zuletzt bearbeitet:

hyperandy

*** KT-HERO ***
Wenn ich das noch richtig im Kopf habe muss GB das Gemeinschaftsgerichtsübereinkommen ratifizieten, damit es überhaupt in Kraft tritt (GB, DE, FR + 10 weitere EU Mitglieder). Ohne GB in der EU wäre zumindest das Gemeinschaftsgericht hinfällig, weil dem Abkommen nur EU-Mitglieder beitreten dürfen.

Die Regelung ist, dass mindestens 13 Staaten unterzeichnet haben müssen, darunter die 3 Staaten mit den meisten lebenden Patenten (Statistik der Anzahl Patente gilt für 2011)

DE 414`754
FR 336`434
UK 331`528
IT 190`000
NL 101`157

Daher würde dann IT mit zentraler Instanz in Mailand nachrücken.
 

PK_Schach.Matt

*** KT-HERO ***
Die Regelung ist, dass mindestens 13 Staaten unterzeichnet haben müssen, darunter die 3 Staaten mit den meisten lebenden Patenten (Statistik der Anzahl Patente gilt für 2011)

DE 414`754
FR 336`434
UK 331`528
IT 190`000
NL 101`157

Daher würde dann IT mit zentraler Instanz in Mailand nachrücken.

Beziehst Du Dich auf Art. 89 EPLA? Dort wird als Zeitpunkt für die drei Staaten das Jahr vor dem Jahr der Unterzeichnung des EPLA oder der erste Tag des vierten Monats nach Inkrafttreten des EPeW angegeben, je nachdem, welcher Zeitpunkt der spätere ist. Das EPLA wurde am 19. Februar 2013 unterzeichnet. Das EPeW ist am 20. Januar 2013 in Kraft getreten. Das heißt, die drei Staaten müssten seit 1. Mai 2013 fix sein und können sich nicht mehr ändern ...

Kann aber sein, dass ich das falsch verstehe.
 
Zuletzt bearbeitet:

hyperandy

*** KT-HERO ***
Beziehst Du Dich auf Art. 89 EPLA? Dort wird als Zeitpunkt für die drei Staaten das Jahr vor dem Jahr der Unterzeichnung des EPLA oder der erste Tag des vierten Monats nach Inkrafttreten des EPeW angegeben, je nachdem, welcher Zeitpunkt der spätere ist. Das EPLA wurde am 19. Februar 2013 unterzeichnet. Das EPeW ist am 20. Januar 2013 in Kraft getreten. Das heißt, die drei Staaten müssten seit 1. Mai 2013 fix sein und können sich nicht mehr ändern ...

Kann aber sein, dass ich das falsch verstehe.

Ich glaube, es ist ein bisschen komplexer und wird insbesondere von den Verhandlungen EU-UK abhängen. Es gilt EU-Recht (Art. 20, 21 EPLA) und wenn sich UK darunter unterwirft, würde es vermutlich gehen. Ansonsten ist UK kein "Member State" im Sinne von Art. 89(1) EPLA und dann würde IT nachrutschen. In Art. 7(2) EPLA steht ja auch explizit London als zentrale Instanz, das müsste dann geändert werden. Aber ich bin auch kein richtiger Experte in EU-Recht.
 

PK_Schach.Matt

*** KT-HERO ***
Es gilt EU-Recht (Art. 20, 21 EPLA) (...) Aber ich bin auch kein richtiger Experte in EU-Recht.
Nein, es gilt definitiv kein EU-Recht. Das EPLA-Abkommen ist ja gerade deshalb als zwischenstaatliches Abkommen ausklamüsert worden, um EU-Recht draußen zu halten, damit der EuGH nicht seine Nase in die Sache reinstecken kann. Das wurde von vielen Juristen kritisiert.

Einige befürchten jedoch, dass sich der EuGH schließlich über das materielle Recht zum EPeW (das ja EU-Recht ist) mit reinhängt.

Das das EPLA ein zwischenstaatliches Abkommen nur für EU-Mitglieder und das EPeW EU-Recht ist, war meines Verständnisses nach die Hauptdiskussion im Vorfeld.
 

hyperandy

*** KT-HERO ***
Nein, es gilt definitiv kein EU-Recht. Das EPLA-Abkommen ist ja gerade deshalb als zwischenstaatliches Abkommen ausklamüsert worden, um EU-Recht draußen zu halten, damit der EuGH nicht seine Nase in die Sache reinstecken kann. Das wurde von vielen Juristen kritisiert.

Einige befürchten jedoch, dass sich der EuGH schließlich über das materielle Recht zum EPeW (das ja EU-Recht ist) mit reinhängt.

Das das EPLA ein zwischenstaatliches Abkommen nur für EU-Mitglieder und das EPeW EU-Recht ist, war meines Verständnisses nach die Hauptdiskussion im Vorfeld.

Hm, aber wie verstehst du dann Art. 20, 21 EPLA?

ARTICLE 20
Primacy of and respect for Union law
The Court shall apply Union law in its entirety and shall respect its primacy.

ARTICLE 21
Requests for preliminary rulings
As a court common to the Contracting Member States and as part of their judicial system, the Court shall cooperate with the Court of Justice of the European Union to ensure the correct application and uniform interpretation of Union law, as any national court, in accordance with Article 267 TFEU in particular. Decisions of the Court of Justice of the European Union shall be binding on the Court.
 

PK_Schach.Matt

*** KT-HERO ***
Wie gesagt, das EUeW ist Unionsrecht. Insofern muss der EuGH dazu ja auch was sagen können. Beim Verfahrensrecht ist das anders.

EPLA widerspricht ja 267 AEUV auch nicht, denn das betrifft nur Auslegungsfragen zum Unionsrecht. Da das EPLA selbst kein Unionsrecht darf der EuGH zur EPLA selbst auch keine Rechtsprechung schaffen.

Ich hatte dazu vor drei Jahren mal einen sehr schönen Vortrag von der LMU gesehen. Leider finde ich die Vortragsfolien im Internet nicht mehr.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Zur Frage des Inkratfttretens:

Im EPGÜ ist "Mitgliedsstaat" als Mitgliedsstaat der Union definiert. Sollte UK also vor dem Inkrafttreten aus der EU ausscheiden, zählt seine Ratifizierung oder Nichtratifizierung nicht, da UK kein Mitgliedsstaat mehr ist. Dann müsste Italien nachrücken, weil es zum (unveränderlichen) Zeitpunkt 2014 unter den Staaten, die bei der Ratifizierung noch Mitgliedsstaaten sind, die dritthöchste Zahl Patente hatte.

Was das EPGÜ als "Nicht-EU-Recht" anbelangt: Ich habe auch die starke Vermutung, dass der EuGH da dazwischenfunken wird. Denn das EPeW beruht auf EU-Recht (VO 1257/2012), und jedem so eingetragenen Patent verleiht EU-Recht seine Wirkung. Die Frage ist also, ob ein solches Patent von einem Nicht-EU-Gericht (EPG) für nichtig erklärt werden kann.

Ich sehe eigentlich keine Möglichkeit, Rechtsakte der Union durch ein Nicht-Unions-Gericht aufheben zu lassen, selbst wenn dieses von Mitgliedsstaaten betrieben wird. Eine interessante Konstellation wäre es also, wenn ein (ehemaliger?) Inhaber eines nichtig erklärten Unionspatents trotzdem nach Art. 5 VO 1257/2012 auf Verletzung klagt und spätestens beim BGH Vorlage an den EuGH verlangt, um zu klären, ob die Wirkungen des Patents erloschen sind. Das EU-Recht sieht nämlich kein Erlöschen der Wirkung des EPeW vor.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Nachtrag:

Für Kandidaten hätte eine Zustimmung um Brexit wohl zunächst angenehme Folgen. UK wird noch für Jahre während der Austrittsverhandlungen Mitglied der Union bleiben, aber kaum ratifizieren, so dass das Einheitsgericht mittelfristig nicht kommen wird. Jede Menge Zeit also, den begehrten Hagen-Schein zu machen und "Großvater" zu werden.
 

PK_Schach.Matt

*** KT-HERO ***
Dann müsste Italien nachrücken, weil es zum (unveränderlichen) Zeitpunkt 2014 unter den Staaten, die bei der Ratifizierung noch Mitgliedsstaaten sind, die dritthöchste Zahl Patente hatte.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass zwar der Bemessungszeitpunkt fix sein soll, die Länder aber nicht.

Was wäre, wenn heute DE, FR und IT + 10 weitere Staaten ratifiziert hätten. Dann nach 10 Jahren tritt GB aus der EU ohne Ratifizierung aus. Würde dann das Abkommen 10 Jahre rückwirkend gelten, mit allen Übergangsfristen?

IMHO sind auch die drei Staaten fix.

@asdevi: Wo nimmst Du 2014 als Bemessungszeitpunkt her? In Art. 89 EPLA heißt es
entweder a) 1. Januar 2014,
oder b) Zeitpunkt der Ratifizierung von 10 Staaten + 3 Staaten in denen es im Jahr vor dem Jahr der Unterzeichnung des Übereinkommens die meisten geltenden europäischen Patente gab,
oder c) am ersten Tag des vierten Monats nach dem Inkrafttreten des EUeW,
je nachdem was der späteste Zeitpunkt ist.

a) ist vorbei.
c) ist auch vorbei, denn das EUeW ist in Kraft.

Also bleibt noch b). Unterzeichnet wurde 2013. Das heißt, 2012 wäre der Bemessungszeitpunkt, oder steh ich hier auf dem Schlauch?
 
Zuletzt bearbeitet:

Asdevi

*** KT-HERO ***
Ich kann mir nicht vorstellen, dass zwar der Bemessungszeitpunkt fix sein soll, die Länder aber nicht.
Ich kann mir kaum etwas anderes vorstellen. Es wäre doch absurd, wenn die Briten nach ihrem Austritt auf Ewigkeit das EPGÜ blockieren könnten.

Was wäre, wenn heute DE, FR und IT + 10 weitere Staaten ratifiziert hätten. Dann nach 10 Jahren tritt GB aus der EU ohne Ratifizierung aus. Würde dann das Abkommen 10 Jahre rückwirkend gelten, mit allen Übergangsfristen?
Nein, es würde zu dem Zeitpunkt in Kraft treten, zu dem die Staaten, die es ratifiziert haben, die drei "größten" Mitgliedsstaaten + 10 weitere sind. Also mit dem Austritt der Briten.



Das heißt, 2012 wäre der Bemessungszeitpunkt, oder steh ich hier auf dem Schlauch?
Da hast du recht, ich hatte 2014 von hyperandy übernommen.
 

PK_Schach.Matt

*** KT-HERO ***
Nein, es würde zu dem Zeitpunkt in Kraft treten, zu dem die Staaten, die es ratifiziert haben, die drei "größten" Mitgliedsstaaten + 10 weitere sind. Also mit dem Austritt der Briten.
Das versteh ich aus Art. 89 EPLA anders. Es heißt "am Ersten Tag des vierten Monats nach Hinterlegung ...". Das heißt, das Abkommen würde nach meinem fingierten Fall rückwirkend in Kraft treten.
 

Ah-No Nym

*** KT-HERO ***
Ein Punkt noch: London ist im Agreement explizit als Court genannt. Somit müsste bei einem Brexit das ganze neu ratifiziert werden (was allerdings schnell gehen sollte). Alternativ könnte der Court natürlich auch in London bleiben, was aber keiner wollen würde :)

Grundsätzlich würde ein Brexit das Ganze wohl um ein paar Monate / Jahre verzögern. Wobei es ja auch Stimmen gibt, die meinen, dass DE bewusst die Ratifizierung verzögern wird, damit das System nicht nur mit 13 Staaten beginnt.

Grüße

Ah-No Nym
 

hyperandy

*** KT-HERO ***
So nun können wir die theoretische Fallbehandlung mal in die Praxis umsetzen. Wie lange das wohl dauern wird.... auf Art. 7(2) EPLA hatte ich ja auch schon hingewiesen. Braucht es da jetzt wieder einen Ratifizierungsprozess in allen Staaten, um Mailand reinzuschreiben?
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Man kann auch einfach in London bleiben. Die Büromieten dort dürften jedenfalls billiger werden.
 

Expatriot

GOLD - Mitglied
Also meiner Meinung nach dürfte das UPC Agreement damit erstmal auf Eis liegen bis der Status von GB zur EU geklärt ist.

Ich meine auch, dass das EPÜ eine Teilnahme am EPeW für Nichtmitgliedsstaaten zumindest nicht verbietet. Demnach könnte auch eine Teilnahme am UPC noch möglich sein; aber wahrscheinlich politisch nicht gewünscht.
 

PK_Schach.Matt

*** KT-HERO ***
Ich meine auch, dass das EPÜ eine Teilnahme am EPeW für Nichtmitgliedsstaaten zumindest nicht verbietet. Demnach könnte auch eine Teilnahme am UPC noch möglich sein; aber wahrscheinlich politisch nicht gewünscht.
:confused::confused::confused:
Was hat denn das EPÜ mit dem EPeW zu schaffen? Das EPeW ist Europarecht. Das kann das EPÜ noch so kulant sein, Nicht-EUler kommen da nicht rein.

Vielleicht noch zur Klarstellung: Es wäre möglich, dass GB noch am EPLA teilnimmt. Hierzu müsste aber die Restriktion aus dem EPLA, dass nur EUler daran teilnehmen dürfen. Eine soll hinter verschlossenen Türen angeblich durchdacht werden. Dann könnte man EP-Patent mit Benennung GB vor das Einheitsgericht bringen. So war das ja damals bei Italien angedacht, das ja auch nur am EPLA und nicht am EPeW mitgemacht hat. Ob das aber der Stein der Weisen ist ...
 
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