PCT und Einschluss der Offenbarung der Prioritätsschrift

Kurt

*** KT-HERO ***
Hi Forum,

generell gehört ja der Inhalt der Prioritätsschrift nicht zum Offenbarungsumfang einer prioritätsgestützen Nachanmeldung.

Bei einer PCT-Anmeldung scheint dies jedoch anders zu sein, schon da das PCT-Anmeldeformular angibt:

Einbeziehung durch Verweis: Ist ein in Artikel 11 Absatz 1 Ziffer iii Buchstabe d oder e genannter Bestandteil der internationalen Anmeldung oder ein in Regel 20.5 Absatz a genannter Teil der Beschreibung, der Ansprüche oder der Zeichnungen nicht anderswo in der internationalen Anmeldung, aber vollständig in einer früheren Anmeldung enthalten, deren Priorität, zu dem Datum, an dem ein oder mehrere in Artikel 11 Absatz 1 Ziffer iii genannte Bestandteile zuerst beim Anmeldeamt eingegangen sind, beansprucht wird, so wird dieser Bestandteil oder Teil, vorbehaltlich der Bestätigung nach Regel 20.6, für die Zwecke der Regel 20.6 in diese internationale Anmeldung einbezogen.

Näheres in PCT R. 4.18 und PCT R. 20.6 (und etwas verständlicher dargestellt im Euro-PCT-Leitfaden II.B.4, wenngleich dort offenbar bezogen auf den Fall, dass versehentlich Teile der Anmeldung nicht eingereicht worden sind).

Langer Rede kurzer Sinn: eine Besonderheit der PCT-Anmeldung (im Gegensatz zu jeder anderen Patentanmeldung) besteht darin, dass der Inhalt einer etwaigen Prioritätsanmeldung standardmäßig eine "incorporation by reference" in die Nachanmeldung erfährt.

Korrekt?
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Nein, natürlich nicht.

Das gilt nur dann, wenn der Anmelder
1. nach Regel 4.18 auf dem Anmeldeformular ("Antrag") angibt, dass Teile der Priounterlagen einbezogen sein sollen; und
2. nach Regel 20.6 diese Unterlagen auch fristgerecht nachreicht (heißt innerhalb 2 Monate ab Anmeldetag).

Wenn du einfach so einreichst, ist gar nichts einbezogen.

Diese Möglichkeit einer Einbeziehung gibt es auch nach Regel 56(3) EPÜ. Da ist sie sogar liberaler, weil zum Anmeldezeitpunkt gar nichts angegeben werden muss, es reicht, wenn man bis zwei Monate später einfach nachreicht. Bedingung [1] oben fällt also beim EPÜ weg!

Das war für Anmelder unter Zeitdruck in den 70ern gedacht, wenn es problematisch war, das Papierexemplar der Anmeldung fristgerecht zusammen und versandt zu bekommen. Dann konnte man sich auf die Prio beziehen und hatte zwei Monate länger Zeit, um seinen Papierkram in Ordnung zu bringen.

Aber spätestens wenn die zwei Monate nach Anmeldung rum sind, kann der Anmelder von sich aus nicht hinzufügen, weder unter PCT noch sonstwie, weder was in der Prio steht noch sonst irgendwas. Dann ist Ende.

Die heute typische Situation ist, dass der Anmelder ein paar Jahre nach Anmeldetag während der Prüfung merkt, dass es ja doch ganz klug gewesen wäre, das eine oder andere mehr in die Anmeldung zu schreiben. Da hat er aber gelitten, dann ist es viel zu spät.
 
Zuletzt bearbeitet:

Kurt

*** KT-HERO ***
Danke @Asdevi für die Hinweise.

Langer Rede kurzer Sinn: eine Besonderheit der PCT-Anmeldung (im Gegensatz zu jeder anderen Patentanmeldung) besteht darin, dass der Inhalt einer etwaigen Prioritätsanmeldung standardmäßig eine "incorporation by reference" in die Nachanmeldung erfährt.

Nein, natürlich nicht.

Das gilt nur dann, wenn der Anmelder
1. nach Regel 4.18 auf dem Anmeldeformular ("Antrag") angibt, dass Teile der Priounterlagen einbezogen sein sollen;
2. nach Regel 20.6 diese Unterlagen auch fristgerecht nachreicht (heißt innerhalb 2 Monate ab Anmeldetag).
Wenn du einfach so einreichst, ist gar nichts einbezogen.

Nun, die Angabe, dass die Offenbarung der Priounterlagen in die Nachanmeldung einbezogen sein soll, ist ja bereits vorgedruckt auf dem PCT-Antrag, muss vom Anmelder also nicht extra angegeben werden.

Das war für Anmelder unter Zeitdruck in den 70ern gedacht, wenn es problematisch war, das Papierexemplar der Anmeldung fristgerecht zusammen und versandt zu bekommen. Dann konnte man sich auf die Prio beziehen und hatte zwei Monate länger Zeit, um seinen Papierkram in Ordnung zu bringen.

Es scheint jedenfalls möglich zu sein, innerhalb von zwei Monaten nach dem Anmeldetag solche Teile der Offenbarung, die nur in der Prioanmeldung, jedoch nicht in der Nachanmeldung enthalten sind, ohne weiteres in die Nachanmeldung übernehmen zu können.

Da dies aber, wie insbesondere die Formulierung von Regel 56 EPÜ zeigt, eigentlich nur für versehentlich fehlende Teile oder Seiten vorgesehen ist, und da die Zweimonatsfrist, wie von Dir richtig angemerkt, sehr kurz ist, bietet auch diese "standardmäßige Incorporation by Reference" der Prioschrift wohl nur sehr beschränkte Möglichkeiten zur nachträglichen Aufnahme von Merkmalen aus der Prioritätsanmeldung, was insbesondere den von Dir genannten, in der Tat typischen Fall "Jahre später" betrifft.

Danke und Gruß
Kurt
 

Silber

GOLD - Mitglied
Hallo zusammen,
generell gehört ja der Inhalt der Prioritätsschrift nicht zum Offenbarungsumfang einer prioritätsgestützen Nachanmeldung.
Wo steht das nochmal im Gesetz? Ich finde das gerade nicht 🤔

Es geht um die Frage, ob eine als schlechte Übersetzung der Prioanmeldung eingereichte Nachanmeldung auf Basis der Prioanmeldung korrigiert werden, oder auch nur ausgelegt werden kann?
 
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