EPÜ Abhängige Ansprüche

patnet

SILBER - Mitglied
Hallo,

vor mir liegt ein EP, was folgende Frage aufwirft: Der 2. Anspruch ist abhängig formuliert ("Anordnung nach Anspr. 1, dadurch gekennzeichnet, dass.."), hebt aber ein Merkmal des Hauptanspruchs (HA) wieder auf. Abhängige Ansprüche müssen aber alle Merkmale des (unabhängigen) HAs enthalten. Handelt es sich nun trotz der Formulierung also um einen unabhängigen Anspruch, dessen Patentfähigkeit (Neuheit etc.) vom EPO angenommen wurde? Das Merkmal ist ja dann im HA sinnlos.

MbG patentnetz
 

pak

*** KT-HERO ***
Hallo Patnet,

da kann man ohne nähere Kenntnis der Ansprüche nur spekulieren. In der Form

Anspruch 1: Vorrichtung aufweisend Merkmale A, B, C
Anspruch 2: Vorrichtung nach Anspruch 1 ohne Merkmal C

denke ich, wurde dies vom Amt übersehen. Sonst hätte man wohl den vorherigen Anspruch 2 als unabhängigen Anspruch formulieren müssen, von dem der vorherige Anspruch 1 abhängig wäre.

Alles Spekulatius ;-) ....

Gruß

pak
 

patnet

SILBER - Mitglied
Genauso ist es:

Anspruch 1: Vorrichtung aufweisend Merkmale A, B, C
Anspruch 2: Vorrichtung nach Anspruch 1 ohne Merkmal C

Kann jetzt gegen dieses Patent vorgegangen werden?
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Zunächst einmal ist das ein Klarheitsproblem, das im Prüfungsverfahren hätte beanstandet werden müssen, wie schon von pak angedeutet. Nachdem aber nun das Patent erteilt ist und mangelnde Klarheit kein Einspruchs- oder Widerrufsgrund ist (siehe EPÜ Art. 100 bzw. IntPatÜG Art. II §6), kann man nicht aus diesem Grund gegen das Patent vorgehen.

Wenn allerdings Stand der Technik existiert, der A+B offenbart oder nahelegt, kannst Du natürlich damit in einem Einspruch oder einer Nichtigkeitsklage zumindest Anspruch 2 angreifen. Das gleiche gilt, wenn die Vorrichtung mit A+B aber ohne C nicht in der ursprünglichen Anmeldung offenbart ist.
 

patnet

SILBER - Mitglied
Hab mal in die Entgegenhaltungen geguckt und dort ist eine dabei die Merkmal C klar umfasst. Ist es also einfach in einem Nichtigkeitsverfahren Anspruch 2 abzuräumen?
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Hab mal in die Entgegenhaltungen geguckt und dort ist eine dabei die Merkmal C klar umfasst. Ist es also einfach in einem Nichtigkeitsverfahren Anspruch 2 abzuräumen?

Merkmal C hilft Dir doch für Anspruch 2 nichts, da brauchst Du A und B. Wenn Du die hast und C auch noch, dann könntest Du aber auch Anspruch 1 angreifen.

Einfach muss das trotzdem nicht sein, weil die Realität meist nicht so simpel wie das Beispiel mit "A+B(+C)" ist. Und selbst wenn man fest davon überzeugt ist, dass ein Dokument ein bestimmtes Merkmal offenbart, kann es vorkommen, dass eine Einspruchsabteilung oder ein Nichtigkeitssenat zu einer anderen Auffassung kommt.

Wie hoch die Wahrscheinlichkeit für einen Widerruf ist, kann man nur nach eingehender Analyse des Patents und der Entgegenhaltungen abschätzen, wobei auch da immer noch eine Unsicherheit bleiben wird. Pauschal und ohne konkrete Kenntnis des Falls kann man sowieso wenig sagen.

Falls Du Kandidat bist, wirst Du den Fall ohnehin mit deinem Ausbilder diskutieren; anderenfalls solltest Du einen Patentanwalt hinzuziehen (in einem Forum wie diesem kannst Du keine Rechtsberatung erwarten).
 

patnet

SILBER - Mitglied
Ich nochmal:

Konkret:

Merkmal C in Anspr. 1: Bauteil, dass ein metallisches Material umfasst.

Anspr. 2: Anordnung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass das Bauteil ein nicht metallisches Material umfasst.

Meint "umfasst" = u.a. beinhaltet oder = ausschließlich beinhaltet. Fällt jetzt ein Bauteil was lediglich aus nicht metallischem Material ist, darunter?
 

pak

*** KT-HERO ***
Spontan würde ich sagen, dass

Anspruch 1 im Sinne von "metallisches Material aufweisend" (nicht abschließend)

und

Anspruch 2 im Sinne von "metallisches und nichtmetallisches Material aufweisend" (nicht abschließend)

zu lesen ist.

Aber: Die Ansprüche sind anhand der Beschreibung auszulegen. Sieh also nach, was der Anmelder damit gemeint haben könnte.

Ansonsten erlaube ich mir, Pat-Ente zu zitieren:

Falls Du Kandidat bist, wirst Du den Fall ohnehin mit deinem Ausbilder diskutieren; anderenfalls solltest Du einen Patentanwalt hinzuziehen (in einem Forum wie diesem kannst Du keine Rechtsberatung erwarten).

Gruß

pak
 

patnet

SILBER - Mitglied
Ja, sehe ich auch so.

Nun heißt es aber in Anspr. 3:

Anordnung nach Anspr. 2, dadurch gekennzeichnet, dass das dielektrische Material im .. aus dem gleichen Material gebildet ist wie das Bauteil.

Wir haben gesagt, dass das Bauteil sowohl metallisches als auch nicht metallisches Material beinhaltet. Aber wenn es dielektrisch ist, beinhaltet es doch per Definition kein metallisches Material. Heißt für mich, dass das Bauteil auch nichtmetallisch sein kann.
 
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