DE Lizenzbereitschaft DE - parellele EP-Akte

SwissPatEng

SILBER - Mitglied
Folgende Ausgangslage:

Erstanmeldung in DE mit Rechercheantrag. Aufgrund des positiven Rechercheberichts wird eine EP-Anmeldung, welche die Priorität der DE-Anmeldung beansprucht eingereicht. DE-Anmeldung wird parallel laufen gelassen ("man weiss ja nie"). Für die DE-Anmeldung wird eine Lizenzbereitschaftserklärung (§23 PatG) abgegeben.

Nun zeigt ein Konkurrent Interesse an der Verwertung der DE-Anmeldung und zeigt dem Inhaber diese schriftlich an (§23(3) PatG). Da es sich um einen direkten Konkurrenten handelt möchte der Patentinhaber (bzw. der Anmeldungsinhaber) dies verhindern, was aber nun nicht mehr durch den Widerruf der Lizenzbereitschaftserklärung möglich ist (§23(7) PatG).
Ich würde aber für den Inhaber folgende Option sehen:
Verzicht auf die DE-Anmeldung (oder Anmeldung untergehen lassen durch nichtbezahlen der JGeb.) und dem Konkurrenten die Verwendung mit Hinweis auf den vorläufigen Schutz aus der parallelen EP-Anmeldung (Art. 67 EPÜ) "nicht zu empfehlen" (nötigenfalls könnte aus der EP ein Gebrauchsmuster abgezweigt werden um die Unterlassung durchzusetzen).
Sieht jemand bei diesem Vorgehen Probleme?
 

pak

*** KT-HERO ***
Hallo SwissPatEng,

ich denke, aus der Nummer kommt der Lizenzbereitschaftserklärer nicht mehr raus, zumal §23(1) darauf hinaus läuft "die Benutzung der Erfindung", also der technischen Lehre, zu gestatten. Die der deutschen und der europäischen Anmeldung zugrunde liegende technische Lehre (Erfindung) dürfte nach Deinen Ausführungen dieselbe sein. Sonst noch nicht näher geprüft, Bauchgefühl ...

Gruß

pak
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Es kommt darauf an, ob die Anzeige des Konkurrenten die notwendigen Voraussetzungen erfüllt, nämlich wie die Erfindung benutzt werden soll. Diese Angabe ist für "Inhalt und Umfang der Benutzungsbefugnis maßgebend" (Kraßer, Patentrecht, 6. Auflage 2009, § 34 I 6). Wenn die Anzeige in dieser Hinsicht keine Probleme aufweist, dann ist mit der Anzeige schon die Benutzungsbefugnis für die Erfindung zustande gekommen. Der Konkurrent ist dann nur noch verpflichtet, vierteljährlich Auskunft über die erfolgte Benutzung zu geben und die Vergütung dafür zu entrichten.

Natürlich kann die deutsche Anmeldung zurückgenommen werden und ein Gebrauchsmuster abgezweigt werden. Das wirkt sich aber für den Konkurrenten nicht mehr aus, sondern nur noch für neue potentielle Lizenznehmer. Nach § 242 BGB kann weder die europäische Anmeldung, noch das daraus hervorgegangene Patent in Deutschland oder das Gebrauchsmuster dem Konkurrenten entgegengehalten werden, weil dieser mit dem Patentanmelder schon einen Lizenzvertrag über die Erfindung abgeschlossen hat.

(Man könnte auch argumentieren, dass ein solches Entgegenhalten dann ein Rechtsmangel für den bereits zustande gekommenen Lizenzvertrag wäre. Hier kommen dann die üblichen Folgen wie Schadensersatz, Nacherfüllung etc. in Betracht.)

Im übrigen ist für die europäische Patentanmeldung nach Art. II § 1 Abs. 1 IntPatÜG sowieso kein Unterlassungsanspruch gegeben, sondern es kann nur eine angemessene Entschädigung gefordert werden, für die aber nach der Rechtsprechung die Lizenzanalogie zur Anwendung kommt.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Ich stimme Lysios und pak zu: Wenn formell alles richtig gelaufen ist, kommt man als Anmelder/Inhaber aus der Nummer nicht mehr raus.


Was mich interessieren würde und was als Problem hinzukommen könnte: Der "Lizenznehmer" ist ja nur zur Benutzung in der von ihm angegebenen Weise berechtigt. Sobald er die "Weise" der Benutzung ändert, kann er also auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.


Gleichwohl kann nach § 23 (7) PatG die Erklärung nach einmal erfolgter Benutzungsanzeige nicht mehr "gegenüber dem Patentamt" zurückgenommen werden. Dass heißt in der Konsequenz, dass der Lizenznehmer, wenn er die "Weise" der Benutzung ändert, einfach eine erneute Benutzungsanzeige formulieren muss, um für die "neue Weise" der Benutzung eine "neue Lizenz" zu erhalten. Für die alte entfällt dann, wenn die "alte Weise" der Benutzung eingestellt wird, die Lizenzpflicht. Der Lizenznehmer und jeder Dritte (!), der ebenfalls eine Benutzungsabsicht erklärt, kann im Grunde, wenn § 23 PatG nur ein einziges mal einmal greift, das Patent dauerhaft in welcher Weise auch immer (sofern durch eine abgegebene Erklärung gedeckt) gegen Lizenz benutzen.


Die Erfindung ist damit ein für allemal für jedermann gegen Lizenz "zu haben". Oder sehe ich das falsch? Kann eine Zurücknahme nur gegenüber demjenigen, der bereits eine Benutzungsanzeige abgegeben hat, nicht mehr erklärt werden, oder kann die Erklärung generell gegenüber der Allgemeinheit - also mit Wirkung für alle - nicht mehr zurückgenommen werden?


Der einzige Ausweg aus einer dauerhaften "Lizenzierungspflicht" wäre in der hier diskutierten Konstellation daher ggf. in der Tat die Rücknahme der DE Anmeldung bzw. der Verzicht auf das DE Patent, was man natürlich nur machen kann, wenn man eine parallele Anmeldung laufen hat. Aber gerade deswegen würde ich hier die DE Anmeldung in jedem Fall zügig zurücknehmen, damit einem dass in Zukunft nicht ggf. nochmal passiert.


Interessant wäre es in diesem Fall noch zu überlegen, ob man ggf. mit einer Teilanmeldung etwas erreichen kann (entweder Gbm abzweigen und das dann teilen oder DE Anmeldung teilen oder EP Anmeldung teilen und dann ggf. Gbm abzweigen). Die Frage, die sich stellt, ist, ob man durch eine Teilung und die Formulierung eines etwas anderen Anspruchsgegenstands ggf. eine "andere Erfindung" generieren kann, die dem Konkurrenten dann immer noch "weh tut" und für die er keine Lizenz hat.
 

Lurchi

SILBER - Mitglied
Ich teile auch die Auffassung meiner drei Vorredner. Ich frage mich aber, wieso man eine Lizenzbereitschaftserklärung abgibt, wenn man in Wirklichkeit gar nicht zur Lizenzvergabe bereit ist. Es liest sich so, als ob die Anmeldung noch nicht uralt ist. Daher gehe ich davon aus, dass man jährlich einen (wahrscheinlich mittleren) zweistelligen Eurobetrag spart.
 

Nicola

Schreiber
Vielen Dank für die interessante Ausführung.

Mich würde interessieren wie die Sachlage im Insolvenzfall aussieht. Gem. § 103 II (1) InsO hat der Insolvenzverwalter die Möglichkeit den Lizenzvertrag zu beenden.

In diesem Fall käme dies wohl der Rücknahme der Lizenzbereitschaftserklärung gleich.

Meiner Einschätzung nach würde in so einem Fall der Gläubigerschutz dem Interesse der Allgemeinheit vorgehen.

Kann jemand eine qualifizierte Einschätzung zum Thema abgeben?
 

Fip

*** KT-HERO ***
@Nicola: Also, ich lese in der Vorschrift nicht das, was Du da anscheinend liest, bin aber auch kein Insolvenzrechtler. Aber wo liest Du da, dass der Insolvenzverwalter den Lizenzvertrag "beenden" kann? Ich verstehe das so, dass er lediglich die Möglichkeit hat, den Vertrag (vorerst) nicht zu erfüllen. Was passiert, wenn das insolvente Unternehmen aus der Insolvenz erfolgreich herausgeführt und fortgeführt wird? Lebt der Vertrag dann nicht wieder auf? Wenn ja, dann ist er nicht "beendet".


Im Übrigen frage ich mich, ob man einen (a) freiwillig geschlossenen Lizenzvertrag (über den wir hier nicht diskutieren), (b) den Lizenzvertrag, den der Patentanmelder/Inhaber sozusagen aufgrund eines selbst geschaffenen und der Öffentlichkeit gegenüber kundgetanen "Kontrahierungszwangs" von Gesetz (§ 23 PatG) wegen schließen muss und (b) die Lizenzbereitschaftserklärung nach § 23 PatG selbst nicht sorgsam voneinander unterscheiden muss. Ich bezweifle, dass § 103 InsO hier für dies alles überhaupt einschlägig ist. Es stellt sich für mich schon die Frage, ob es sich bei § 23 PatG überhaupt um einen "gegenseitigen Vertrag" handelt oder nicht eher um gesetzliches Schuldverhältnis.


§ 103 InsO
(1) Ist ein gegenseitiger Vertrag zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner und vom anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllt, so kann der Insolvenzverwalter anstelle des Schuldners den Vertrag erfüllen und die Erfüllung vom anderen Teil verlangen.
(2) Lehnt der Verwalter die Erfüllung ab, so kann der andere Teil eine Forderung wegen der Nichterfüllung nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Fordert der andere Teil den Verwalter zur Ausübung seines Wahlrechts auf, so hat der Verwalter unverzüglich zu erklären, ob er die Erfüllung verlangen will. Unterläßt er dies, so kann er auf der Erfüllung nicht bestehen.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Es stellt sich für mich schon die Frage, ob es sich bei § 23 PatG überhaupt um einen "gegenseitigen Vertrag" handelt oder nicht eher um gesetzliches Schuldverhältnis.

Also ein gegenseitiger Vertrag ist es definitiv nicht und damit § 103 InsO nicht anwendbar: Der Patentinhaber hat die Lizenzbereitschaftserklärung abgegeben, um die Jahresgebühren für das Patent zu verringern, und nicht, um die Vergütung für die Patentnutzung von den diese jeweilig anzeigenden Benutzern des Patents zu erhalten. Damit liegt kein Synallagma und damit kein gegenseitiger Vertrag vor.

Kühnen schreibt im Schulte, dass mit der Anzeige zwischen Patentinhaber und Benutzer ein für die Zukunft wirkendendes, abänderbares Legalschuldverhältnis nach Art eines Lizenzverhältnisses entsteht. Entscheidend ist aber, dass ein Schuldverhältnis entsteht.

Das Schuldverhältnis könnte zwar auch durch Vertrag entstehen. Hier fehlt es dann aber wiederum an den zwei aufeinander bezogenen Willenserklärungen, weil sich die Lizenzbereitschaftserklärung zwar als Willenserklärung an jedermann richtet, aber doch schon eine Verfügung über das Patent darstellt, ohne dass es auf die Anzeige durch den Benutzer als auf die Lizenzbereitschaftserklärung bezogene Willenserklärung ankäme: nämlich einen Verzicht auf das Verbotsrecht aus dem Patent gegenüber jedermann. Insoweit war meine Aussage bzgl. eines LizenzVERTRAGS oben unsauber.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Kann eine Zurücknahme nur gegenüber demjenigen, der bereits eine Benutzungsanzeige abgegeben hat, nicht mehr erklärt werden, oder kann die Erklärung generell gegenüber der Allgemeinheit - also mit Wirkung für alle - nicht mehr zurückgenommen werden?

Wenn man es so wie Kühnen im Schulte als Verfügung über das Patent im Sinne eines Verzichts auf das Verbotsrecht ansieht, dann ist klar, dass mit der ersten wirksamen Benutzungsanzeige die Verfügung generell gegenüber jedermann nicht mehr zurück genommen werden kann.
 

Nicola

Schreiber
Die Anwendbarkeit von 103 InsO auf Lizenzverträge folgt mit Google.

103 InsO berechtigt natürlich nicht zur Rücknahme der Lizenzbereitschaftserklärung, aber möglicherweise zur außerordentlichen Kündigung eines hieraus hervorgegangenen Lizenzvertrags. (Hierfür liegen auch zwei WE vor.)

Womöglich ist die Frage aber so einfach gar nicht zu beantworten, zumindest nicht ohne ein tieferes Einsteigen ins Insolvenzrecht.

Ich fasse mich mal kurz:

Möglicherweise ist ein Kündigungsrecht des Insolvenzverwalters in Analogie zu § 108 I InsO aber zu verneinen. Allerdings ist auch hier wieder fraglich ob eine Analogie zu 108 InsO (Miet- und Pachtverhältnisse besteht), da § 111 InsO (im Falle eines Verkaufs des Patents an einen Dritten) auch in Analogie nicht auf einen Lizenzvertrag anwendbar sein dürfte.

Kennt sich jemand aus? Oder hatte jemand bereits einen vergleichbaren Fall?


§ 108
Fortbestehen bestimmter Schuldverhältnisse

(1) Miet- und Pachtverhältnisse des Schuldners über unbewegliche Gegenstände oder Räume sowie Dienstverhältnisse des Schuldners bestehen mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. Dies gilt auch für Miet- und Pachtverhältnisse, die der Schuldner als Vermieter oder Verpächter eingegangen war und die sonstige Gegenstände betreffen, die einem Dritten, der ihre Anschaffung oder Herstellung finanziert hat, zur Sicherheit übertragen wurden.



§ 111
Veräußerung des Miet- oder Pachtobjekts


Veräußert der Insolvenzverwalter einen unbeweglichen Gegenstand oder Räume, die der Schuldner vermietet oder verpachtet hatte, und tritt der Erwerber anstelle des Schuldners in das Miet- oder Pachtverhältnis ein, so kann der Erwerber das Miet- oder Pachtverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist kündigen. Die Kündigung kann nur für den ersten Termin erfolgen, für den sie zulässig ist.
 
Zuletzt bearbeitet:

Lysios

*** KT-HERO ***
Die Anwendbarkeit von 103 InsO auf Lizenzverträge folgt mit Google.

Sie folgt möglicherweise aus BGH, Beschluss vom 30.06.2011, III ZB 59/10 (GRUR 2012, 95). Der BGH hat allerdings bislang nicht entschieden, ob die Lizenz insolvenzfest ist oder nicht. Das Thema wird noch sehr kontrovers diskutiert. Siehe auch GRUR 2012, 657 (auch zu dem eben angesprochenen § 108a InsO; und mit Verweis auf § 23 PatG).

103 InsO berechtigt natürlich nicht zur Rücknahme der Lizenzbereitschaftserklärung, aber möglicherweise zur außerordentlichen Kündigung eines hieraus hervorgegangenen Lizenzvertrags. (Hierfür liegen auch zwei WE vor.)

Vielleicht, wenn es Verhandlungen nach der Benutzungsanzeige gab, die zu einem (am besten schriftlich fixierten) Vertrag geführt haben. Wenn es nur bei der Benutzungsanzeige geblieben ist, dann lässt sich nicht argumentieren, dass das auf diese Weise entstandene Legalschuldverhältnis abgeändert oder gar durch einen gegenseitigen Vertrag ersetzt wurde.
 

Gerd

*** KT-HERO ***
Hi,

gerade aufgrund der nach einer Benutzungsanzeige ausgeschlossenen Rücknahme der Lizenzbereitschaftserklärung rate ich auch jedem Mandanten dringend von einer solchen Erklärung ab.

Der Anteil potenzieller Lizenznehmer, für die eine Exklusivlizenz sehr wichtig ist, ist da einfach zu groß.

Es gibt übrigens ein paar "nette" Kollegen, die ihren Mandanten empfehlen, Konkurrenten, welche die Lizenzbereitschaft erklärt haben, generell erst mal die Benutzungsabsicht anzuzeigen und die beabsichtigte Benutzung danach wieder einzustellen. Damit kann man ein solches Patent ohne größere Kosten ganz schnell ein gutes Stück untergraben.

Gruß
Gerd
 
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