EPÜ Eingaben durch Anmelder - Einfluss auf Vertreter

SwissPatEng

SILBER - Mitglied
Folgende Situation:
Wir haben eine Anmeldung EP1 durch einen Vertreter (Kanzlei) V1 einreichen lassen. Jetzt möchten wir eine durch ein Formblatt einzureichende Handlung (z.B. Erfindernennung, PACE-Antrag o.ä.) als Anmelder selber ans EPA schicken.
Wird das EPA dadurch den Vertreter als "Ansprechsperson" in dieser Sache streichen und neu uns als Anmelder direkt anschreiben (für alle zukünftigen Verfahrensschritte) oder bleibt bezüglich Vertretung alles beim alten? Oder anders gefragt: Ist es für das EPA ok wenn sich Vertreter und Anmelder die Aufgaben "teilen"?

Die Frage ist natürlich dadurch motiviert, dass - wie ich hier im Forum auch schon erwähnt habe - die Kostenstruktur gewisser Kanzleien für uns als Industriepatentabteilung nicht sehr attraktiv ist (150Euro für das Einreichen eines in 2Minuten durch die Sekretärin ausgefüllten Formblatts sind 2014 einfach nicht mehr zu rechtfertigen...).

Bevor jetzt aber wieder die "man kann ja als PA heutzutage nichts mehr verdienen"-Klagen kommen möchte ich noch anmerken, dass es uns nicht einfach darum geht den Preis zu drücken. Es geht um Effizienz ("Lean" gehört halt in der Industrie zum Tagesgeschäft). Wenn man eine Handlung extern vergibt entstehen dadurch auch interne Kosten (Korrespondenz, Bezahlen der Rechnung, etc.), was gerade bei Handlungen, die man in der Zeit in der man den Auftrag vergeben hat auch schon selber hätte ausführen können, ins Gewicht fällt.
 

Blood für PMZ

*** KT-HERO ***
Hallo SwissPatEng,

die von Euch angepeilte Vorgehensweise ist nun aber gerade extrem ineffizient und genau das Gegenteil von Lean Management. Eure externe Kanzlei bekommt ihr Geld nicht für das Einreichen irgendwelcher Formblätter, sondern dafür, dass sie die Frist überwacht, dass sie weiß, welches Formblatt sie wann, warum und wie einreichen muss und dafür, dass die PaFa dreimal bei Euch hinterhertelefoniert, weil der Erfinder umgezogen ist, ihr eine veraltete Fassung verwendet habt, ihr den Stammerfinder plötzlich versehentlich mit drei F geschrieben habt, was eine aufmerksame PaFa durchaus merkt, ihr überhaupt die Rücksendung vergessen habt und so weiter. Jeder Kollege, der für diese Dinge zuständig ist, weiß um die Brisanz. Wenn ihr selbst einreicht, geht die Frist- und Formalüberwachung beim Patentanwalt in die Knie, denn die wissen dann nichts davon, was ihr tut und was absichtlich oder versehentlich nicht. Wenn ihr sie informiert, gibt's bei Euch und dort Arbeit fürs verarbeiten dieser Formalpapiere und Informationen, die sich kaum vom Machen unterscheidet und die jemand bezahlen muss: Wahrscheinlich ihr.

Wenn Euch etwas an der Handhabung der Sache oder der Form der Rechnungsstellung nicht gefällt, redet mit Eurer externen Kanzlei und versenkt nicht Eure Akten im Chaos. Im Übrigen könnt ihr auch die Kanzlei wechseln, wenn es denn sein muss. Die Mehrzahl der Kanzleien, die ich kenne, oder in denen oder für die ich gearbeitet habe, berechnen weder Mondpreise noch treten andere der von Dir verschiedentlich geäußerten Obskuritäten auf. Vielleicht habt ihr einfach die falschen Kontakte.

Frohes Schaffen

Blood für PMZ
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Um jetzt noch die Frage zu beantworten:

Solange ein Patentanwalt als Vertreter benannt ist, müssen alle Zustellungen an diesen erfolgen (R. 130(1) EPÜ). Das ist unabhängig von etwaigen Handlungen des Anmelders selbst. Euer Vertreter bekommt also nach wie vor die gesamte Post vom EPA (übrigens auch Mängelbescheide, falls ihr etwas in euren eigenen Eingaben verbaselt).
 

Karl

*** KT-HERO ***
Ich würde auch davon abraten, zwecks Kostensparen einige Formulare selbst einzureichen und den Rest den PA machen zu lassen....

Du darfst 150€ für nen Schreiben nicht einfach Isoliert betrachten. Für jemanden, bei dem man die Vollvertretung hat, erbringt ein guter Anwalt auch Serviceleistungen, die durch den Studensatz nicht abgedeckt sind. Sehe ich in einem Prüfungsverfahren beispielsweise eine Entgegenhaltung, die zwar nicht die Anmeldung umbringt, aber einen Schutzumfang hat, der leider den gesammten Anmeldegegenstand abdeckt, werde ich mir bei einem Mandanten mit Vollvertretung die Mühe machen, ihn darüber extra zu informieren. Der Mandant kann so eine Patentverletzung vermeiden. Auch werden gerne mal Hinweise zur generellen Strategie gegeben, ohne das diese jetzt über einen bestimmten Fall abrechenbar wären.

In der Kalkulation des PA werden solche Zusatzleistungen zu einem guten Teil dadurch gerechtfertigt, dass ein vollständiges Mandat vorliegt und entsprechend auch Gewinne aus Formalgebühren entstehen. Wenn man soviel Wert darauf legt, auf Heller und Pfennig immer nur das nötigste zu Zahlen, wird der Anwalt im Gegenzug auch nur das bezahlte leisten. Gewinnen wird hierbei keine Seite, eher kostet es alle beteiligten Zeit und Nerven.
 

SwissPatEng

SILBER - Mitglied
Ich sehe schon, es geht schnell wieder in die Richtung 'die Kosten sind gerechtfertigt', was ich ja eigentlich vermeiden wollte (aber vermutlich habe ich die schlafenden Hunde mit meinem Hinweis eben genau geweckt). Auch wenn ich mich hier im Forum manchmal etwas kritisch zur Verrrechnungskultur (gewisser) Kanzleien äussere so heisst das nicht, dass ich den Aufwand hinter einer Leistung (Fristverwaltung, Risikoübernahme dass auch alles funktioniert, etc.) nicht sehe.

Ich finde aber in diesem Forum sollten auch neue Herangehensweisen, wie Verfahren geführt werden können diskutiert werden. Mein Beispiel war vielleicht zu wenig konkret und eine geteilte Verfahrensführung müsste in der Tat sehr gut koordiniert sein. Aber ich könnte mir durchaus vorstellen dass so etwas Zukunft hat und das wäre dann auch für aktuelle Kandidaten relevant. Aus meiner Sicht haben nämlich Kanzleien, welche sich flexibel auf Kundenbedürfnisse einstellen können (nicht nur Lippenbekenntnisse!), die besten Zukunftsperspektiven haben.
Outsourcing/Verlagerung in Billiglohnländer von repetitiven (einfachen) Tätigkeiten zur Kostenreduktion ist ein Trend der in der Industrie anhalten wird. Wieso gewisse Tätigkeiten aus dem Patentbereich davon verschont werden sollten ist mir nicht klar. Ein Kandidat der dies akzeptiert und seine Dienstleistungspalette danach ausrichtet hat aus meiner Sicht auch heute noch gute Perspektiven als PA (trotz z.T. gegenteiligen Threads hier)!

Danke Asdevi für die Beanwortung meiner Frage.
 

Lurchi

SILBER - Mitglied
Outsourcing/Verlagerung in Billiglohnländer von repetitiven (einfachen) Tätigkeiten zur Kostenreduktion ist ein Trend der in der Industrie anhalten wird. Wieso gewisse Tätigkeiten aus dem Patentbereich davon verschont werden sollten ist mir nicht klar. Ein Kandidat der dies akzeptiert und seine Dienstleistungspalette danach ausrichtet hat aus meiner Sicht auch heute noch gute Perspektiven als PA (trotz z.T. gegenteiligen Threads hier)!
So ein Billiglohn-Arbeiter kann auch bei einfachen repetitiven Tätigkeiten für ein gehöriges Durcheinander in einer Akte sorgen, das dann - wenn überhaupt - nur mit viel Aufwand wieder behoben werden kann. So kann es in 99 von 100 Fällen gut gehen. Der eine Fall, in dem es schief geht, ist dann aber entweder hoffnungslos oder - im besten Fall - nur sauteuer und kostet einiges an Nerven.
 

Blood für PMZ

*** KT-HERO ***
Hallo SwissPatEng,

nö, keine schlafenden Hunde. Sagen wir es doch konkret: Mit Deiner Frage hast Du für Deinen Arbeitgeber Rechtsrat erbeten, den Du korrekterweise hättest bei Euren externen Patentanwälten anfordern können und auch müssen. Du wolltest für Deinen Arbeitgeber diesen Rechtsrat aber kostenlos, was ja auch zu Deiner Argumentation passt. Kostenloser Rechtsrat ist aber eigentlich nicht der Sinn dieses Forums, auch wenn wir hier gerne 'mal großzügig sind, wie hier Asdevi, was auch völlig in Ordnung geht.

Deine Ideen sind auch keineswegs neu. Jeder, der in gewachsenen Kanzleien arbeitet oder mal gearbeitet hat, kennt die Akten "Allgemeine Korrespondenz mit Mandant X", in welchen der Mandant X schon in den 1960er Jahren ziemlich die gleichen Ideen geäußert hat wie Du jetzt, und zwar gegenüber den Vorgängern der Vorgänger unserer Altvorderen. Der Name des Mandanten X möge sich seitdem 8 mal durch Umschreibung geändert haben, die Leute kennt keiner mehr, die Anfragen sind die gleichen wie jetzt auch.

Und damals wie heute gibt es Gespräche mit den Mandanten. Was kann man machen? Man kann zum Beispiel zur Lösung Deiner konkreten Programmatik eine Rechnungsstellung vereinbaren, die einen auszuhandelnden Pauschalbetrag für alle formalen Akte im Leben einer Patentanmeldung beinhaltet, also Anmeldung einreichen, Erfinderbenennung und Vollmacht oder was es sonst so gibt vorbereiten und einreichen, Prüfungsantrag stellen, Fristgesuche beantragen, Jahresgebühren einzahlen, Erteilungsbeschlüsse erledigen, etc. Volumen muss natürlich passen. Seit den 1970er Jahren ist das in DE auch legal so. Natürlich gehen auch dann amtliche Gebühren und sachliche Bearbeitungen extra. Bezahlt wird bei Einreichung, gestoppt wird durch Fallenlassenweisung. Alles am letzten Tag. Gefällt, Probelauf klappt und wird dann vielleicht so vereinbart.

Dem Nachfolger des Chefs der Patentabteilung passt das aber nicht, denn vielleicht kommt es ja gar nicht zur Erteilung. Klar, man hatte ja ein etwa mittleres Verhalten einer Anmeldung veranschlagt. Und er kann die Kosten gar nicht mehr richtig den Kostenstellen zuweisen. Und die Jahresgebühren sollen doch bitte nur bei einem "Ja" eingezahlt und nicht bei einem "Nein" gestoppt werden. Okay, also 10 Jahre nach der Vereinbarung alles wieder retour. Und 10 Jahre später wieder andersrum. Und für SwissPatEng nochmal andersrum. Usw. usw.

Da ist die Kollegenschaft schon lange sehr flexibel und hat diverse Modelle im Angebot.

Ich sehe auch nicht, dass die Kollegenschaft davon verschont wird, dass Tätigkeit in Billiglohnländer outgesourct wird. Das geschieht doch jetzt schon. Auch wenn ich mir sehr viel Mühe gebe, kann ich eine Neuanmeldung nicht kostendeckend zu dem Preis ausarbeiten, der von bestimmten Anbietern in Indien aufgerufen wird. Da sehe ich weder, wie ich meine "Dienstleistungspalette danach ausrichten soll" noch warum ich das eigentlich tun sollte. Wenn Dein Arbeitgeber meint, diese Dienstleistung in Indien gut oder zumindest ausreichend zu finden und nachfragen zu sollen, wird er das auch tun, genau wie auch Du oben meine Bedenken zu den erheblichen Risiken der von Dir vorgeschlagenen Handhabung eher nicht nachfragen möchtest, da sie zu Deiner Vorstellung nicht passt. Da kann ich rumflexibilisieren wie ich will. Meine Mandanten haben den Vorteil, mich um einen Besuch am Nachmittag in ihrer Entwicklungsabteilung bitten zu können, damit ich mich unter die neue Maschine legen kann, bevor sie zur Messe abtransportiert wird. Sie müssen das allerdings bezahlen.

Frohes Schaffen

Blood für PMZ
 

SwissPatEng

SILBER - Mitglied
Sagen wir es doch konkret: Mit Deiner Frage hast Du für Deinen Arbeitgeber Rechtsrat erbeten, den Du korrekterweise hättest bei Euren externen Patentanwälten anfordern können und auch müssen. Du wolltest für Deinen Arbeitgeber diesen Rechtsrat aber kostenlos, was ja auch zu Deiner Argumentation passt.

Da muss ich dir widersprechen. Es war nicht mein Ziel hier kostenlosen Rechtsrat einzuholen, das wäre nicht im Sinne dieses Forums und daran halte ich mich auch. Die Frage kam natürlich aus dem Tagesgeschäft aber so wie ich das sehe ist das bei vielen Fragen hier im Forum so.
Ich bin selber auf dem Weg zur EQE und deshalb interessieren mich auch solche 'Nebenschauplätze'. Die Frage war in erster Linie für mich selber interessant und weniger für meinen Arbeitgeber. Die Kosteneinsparungen bei dieser Frage sind - im Vergleich zu anderen Themen - sowieso eher gering.

Okay, also 10 Jahre nach der Vereinbarung alles wieder retour. Und 10 Jahre später wieder andersrum. Und für SwissPatEng nochmal andersrum. Usw. usw.
Willkommen in der Welt der Freiberufler! Die meisten anderen Freiberufler können wohl nur davon träumen 10 Jahre lang alles gleich machen zu können...

Ich sehe auch nicht, dass die Kollegenschaft davon verschont wird, dass Tätigkeit in Billiglohnländer outgesourct wird. Das geschieht doch jetzt schon. Auch wenn ich mir sehr viel Mühe gebe, kann ich eine Neuanmeldung nicht kostendeckend zu dem Preis ausarbeiten, der von bestimmten Anbietern in Indien aufgerufen wird. Da sehe ich weder, wie ich meine "Dienstleistungspalette danach ausrichten soll" noch warum ich das eigentlich tun sollte.
Das Ausarbeiten von Neuanmeldungen ist ein gutes Beispiel bei dem es sich derzeit eben nicht lohnt, dies bei den Billiganbietern (z.B. in Indien) zu machen, weil dadurch einfach deutlich höhere interne Kosten entstehen und auch die Qualität (derzeit, bei der IT haben sie ja mittlerweile auch aufgeholt,) nicht stimmt. Aber wieso soll ich als Kunde eine Übersetzung vom PA (respektive vom Kandidaten, wurde hier im Forum ja oft genug erwähnt, dass Übersetzungen während des Amtsjahres eine gute Verdienstmöglichkeit sind) machen lassen? Was qualifiziert bitte den PA als Übersetzer (ausser dass man das halt schon immer selber gemacht hat)? Bevor du das Standardargument, dass ein (kleiner) Übersetzungsfehler bei einer Anmeldung einen grossen Effekt haben kann, bringst kann ich dir sagen: das wissen wir. Deshalb greifen wir ja auch bei anderen technischen Übersetzungen auf qualifizierte technische Übersetzer zurück. Ein Übersetzungsfehler in einem Produktdatenblatt oder einem Handbuch sind nämlich auch nicht so problemlos. In der Industrie können wir Risiken durchaus abwägen. Und deshalb lassen wir Übersetzungen bei einem günstigen Dienstleister, der auf qualifizierte Übersetzer zurückgreift, machen auch wenn der PA sich diese weiterhin gerne vergolden lassen würde. Von solchen Themen spreche ich wenn ich sage die PAs müssen ihre 'Dienstleistungspalette danach ausrichten'.
 

Blood für PMZ

*** KT-HERO ***
Hallo SwissPatEng,

und wieder: nö, die Probleme liegen schon bei Dir beziehungsweise Deinem Arbeitgeber. Die Kanzleien haben keine Probleme damit, die Handhabung der Rechnungsstellung anzupassen, das müssen sie aufgrund irgendwelcher anderer Bestimmungen sowieso dauernd. Es sind die Patentabteilungen der Industrie, die feststellen, dass es keine optimale Handhabung gibt. Alles hat seine Vor- und Nachteile, und jeder Chef entscheidet nach seinem persönlichen Geschmack.

Übrigens habe nicht nur ich, sondern viele andere User hier im Forum auch schon einen ganz guten Einblick in das Innenleben einer Patentabteilung gehabt:). Dein Erfahrungsvorsprung ist da eher gering.

Aus der Übersetzerszene ist nun wirklich hinlänglich bekannt, dass es keine "günstigen Dienstleister, die auf qualifizierte Übersetzer zurückgreifen", gibt. Entweder oder. Oder der "Rückgriff" ist entsprechend griffig, was sich auf die Motivation und Sorgfalt der Übersetzer deutlich auswirkt. Die Übersetzerforen wie Leo oder dict.cc und andere sind da ganz informativ. Wir wollen mal lieber keine Namen nennen. Ich wüsste auch nicht, was beim Übersetzen groß beim Patentanwalt noch zu vergolden oder überhaupt zu verdienen wäre oder warum ich meine Dienstleistungspalette darauf ausrichten sollte. Das scheint irgendwie ein typisches Problem bei Deinem Arbeitgeber zu sein.

Frohes Schaffen

Blood für PMZ
 

SwissPatEng

SILBER - Mitglied
Hallo Blood,

We'll just have to agree to disagree! :)

Du hast natürlich nicht komplett unrecht mit gewissen Punkten, aber ich bleibe trotzdem dabei, dass der Modernisierungs-/Anpassungsbedarf eher auf der Seite der Kanzleien ist. Der Kunde ist ja schliesslich immer König, nicht wahr? (den konnte ich mir jetzt nicht verkneiffen)

Wichtig ist mir aber nochmals klar festzuhalten, dass ich dieses Forum nicht für kostenlose Rechtsauskünfte missbrauche. (Einen Missbrauch "zum Dampf ablassen" kann ich aber nicht ganz von mir weisen...).
 

Karl

*** KT-HERO ***
Zum Thema Übersetzungen:

Ich habe von vielen Kanzleien gehört, dass Sie übersetzungen extern als Aufträge vergeben. Auf den ersten Blick mag das so wirken, als könne eine Industrie-Patentabteilung die Übersetzungsaufträge dann auch gleich selbst an Übersetzer rausgeben, um so zu sparen. Hier ein paar Gründe, warum dem NICHT so ist:

- Die meisten Übersetzer sind zwar technische Sprache gewöhnt, kommen mit rechtlichen Texten aber nur bedingt zurecht. Grade die Übersetzung von Ansprüchen hält oft "Überraschungen" bereit... Die Übersetzer, die Ihr für Produktdatenblätter und Handbücher verwendet, könnt ihr für Patentanmeldungen mit hoher Wahrscheinlichkeit vergessen.

- Im Gegensatz hierzu kennen Patentanwaltskanzleien Übersetzer, die in der Regel über mehrjährige Erfahrung im Bereich der Übersetzung von Patentanmeldungen verfügen. Die Übersetzer sind also mit der typischen claim language, die technische Übersetzer kaum beherschen, vertraut. Trotzdem passieren natürlich Fehler.

- Wegen der Fehler ist folgendes wichtig: In den meisten Kanzleien ist es üblich, dass mindestens die Übersetzung der Ansprüche (oder auch die gesammte Anmeldung) auf Übersetzungsfehler geprüft wird. Handelt es sich um eine Übersetzung in eine dem Anwalt nicht geläufige Sprache, wird mit der Übersetzung üblicherweise einer ausländischen Anwaltskanzlei aufgetragen. Auch hier wird die Übersetzung mit anwaltlichen Sachverstand überprüft. Da sich ein Anwalt inhaltlich viel tiefgehender mit dem Anmeldungsgegenstand beschäftigt, als das ein Übersetzer jemals tun würde, fallen einem Anwalt fehler auf, die ein Übersetzer nicht merkt.

- Manche Formulierungen sind rein sprachlich betrachtet mehrdeutig. Erst fundierte Technikkentnisse (d.h. das genaue Verständnis der Erfindung) machen die Formulierung eindeutig (da die andere sprachlich gesehen mögliche bedeutung technich offensichtlich sinnlos ist). Ein technischer Übersetzer hat nicht ansatzweise die selben naturwissenschaftlichen Kenntnisse wie ein Patentanwalt. Oft hat ein technischer Übersetzer ein Bachelorstudiengang, das Hauptsächlich die sprachlichen Aspekte abdeckt und nur einige wenige Grundkenntnisse der Naturwissenschaften...

- Patentanwaltskanzleien haben meist hervorragende Kontakte zu den ausländigen Vertretern, die die entsprechende Übersetzung später einreichen. Treten bei Übersetzungen vermehrt Probleme auf, wird der entsprechende ausländige Vertreter dies der Patentanwaltskanzlei mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen, sodass durch Austausch der Übersetzer gegengesteuert werden kann.

Kommt eine Patentabteilung auf die Idee, Übersetzungsaufträge selbst rauszugeben, fehlt meist der direkte Kontakt zu den ausländischen Vertretern. Dies führt dazu, dass problematische Übersetzer unnötig spät erkannt werden. Die korrigierenden Eingriffe des Patentanwalts fehlen.

Da derjenige, der die Übersetzung überprüft (Pating im Unternehmen) nicht derjenige ist, der später die Suppe auslöffelt (der PA in der Kanzlei, der die Weisung bezüglich des PB schreiben muss, der auf Grund der schlechten Übersetzung unerfreulich ist), fühlt sich keiner wirklich zuständig. Der PA wird sagen, die schlechte übersetzung kommt vom Mandanten, sein Job ist das beste daraus zu machen (und nicht etwa, den Mandanten zuzutexten, dass die Qualität der Übersetzung unzureichend ist) und der PatIng wird sagen, die Übersetzung wird schon I.O. sein, sonst würde der PA was sagen....

Du siehst: so einfach ist das Outsourcing selbst bei vermeitlich einfachen Dingen wie Übersetzungen nicht
 

grond

*** KT-HERO ***
ich bleibe trotzdem dabei, dass der Modernisierungs-/Anpassungsbedarf eher auf der Seite der Kanzleien ist.

Wenn er das ist, ist das jedenfalls ein Beweis dafür, dass es zuviele Patentanwälte gibt. Ganz früher, als sogar die Zukunft noch gut war, hat der Patentanwalt Mandanten mit solchen verrückten Ideen einfach mit Hinweis auf die Gebührenordnung abgewiesen.

Wie soll der Patentanwalt eigentlich noch gut verdienen, wie Du oben schreibst, wenn er sein Personal komplett aus seinen abgerechneten Anwaltsstunden bezahlen muss? Das ganze Outsourcing kommt doch daher, dass das Personal so verdammt teuer ist...

Es soll schon Rechtsanwaltskanzleien geben, die ihr ganzes Personal zur Kostenersparnis outgesourcet haben. Bei den Renos ist die Not ja auch groß (viele haben selbst die juristischen Staatsexamina und verdienen trotzdem nichts), mit denen kann man es also machen. Aber hast Du Dir mal die Gehaltsvorstellungen von PaFas angeguckt? Da wird der PA wirtschaftlich zwischen zwei Fronten aufgerieben...
 

Blood für PMZ

*** KT-HERO ***
Das ganze Outsourcing kommt doch daher, dass das Personal so verdammt teuer ist...

Hallo grond,

vielleicht als Trost für Dich: Genau dieses Problem haben aber auch die Patentabteilungen der Industrie. Und auch wenn SwissPatEng nicht im Bereich von IG Metall, BCE oder Verdi tätig ist, die internen Personalkosten für qualifiziertes Büropersonal eines Großunternehmens in der Schweiz dürften auch in einem Bereich liegen, der den Kosten in einer Patentanwaltskanzlei nicht nachsteht.

Das netto nicht brutto ist, und dass in einem Unternehmen auch die Kantine, der Firmenparkplatz, die Kurse beim VPP, Frau Huppertz, Forum oder Pavis, der Arbeitnehmeranteil am Aufsichtsrat und die freigestellten Betriebsratsmitglieder ebenso wie der Erziehungsurlaub und der Betriebskindergarten die kalkulierte Kostenstunde einer qualifizierten Kraft beaufschlagen, ist akzeptiert und bekannt.

Daraus folgen interessante eigene Kosten eines Unternehmens, wenn beim Einreichen einer simplen Patentanmeldung beim DPMA mal der patentamtseigene Server hängt, die Einreiche-Software allergisch auf ihr eigenes Update reagiert oder das automatische Einpflegen des eigenen Windowsupdates nebst Kleinkram Stunden dauert und die qualifizierte Bürokraft samt hauseigenem EDV - Spezialisten und dem Patentingenieur 4 Stunden gebannt auf den verhassten Bildschirm schauen und wild mit dem Amt telefonieren, um die Sache zu retten. Rausgeben wäre da schon deutlich billiger gewesen. Der Patentanwalt hätte zwar die gleichen Probleme gehabt, hätte sie aber nicht in Rechnung stellen können. SwissPatEng würde sagen, das Formular hätte ja auch eine Schreibkraft ausfüllen können, das darf nichts kosten. Es ist ja nicht seine Schreibkraft.

Frohes Schaffen

Blood für PMZ
 

PK_Schach.Matt

*** KT-HERO ***
SwissPatEng würde sagen, das Formular hätte ja auch eine Schreibkraft ausfüllen können, das darf nichts kosten.
Milchmädchenhaft rechnende und verträumte Mandanten wird es immer geben. Daran wird sich nichts ändern.

Letztlich ist das Verhalten von SwissPatEng bezeichnend für unsere moderne Arbeitskultur. Statt sich mit eigenem wirtschaftlichen Risiko etwas wie eine Kanzlei aufzubauen schaut er lieber, wie er seinem Arbeitgeber, von dem er außer sein monatliches Gehalt nichts weiter hat, noch weiter Kosten spart (was meines Erachtens nach keine Aufgabe eines Patentanwalts oder -ingenieurs ist). Sowas nennt man "einschleimen". Der Schock sitzt dann in der Regel tief, wenn der Arbeitgeber merkt, dass SwizzPatEng eigentlich auch überflüssig und zu teuer ist, weils die Inder noch billiger machen. Dann hat der Patentanwalt, der das Risiko eingegangen ist, eine eigene Kanzlei. SwissPatEng hat gar nichts - und bei solchen Aussagen wäre ich in solchen Situationen sogar schadenfroh.

Letztendlich ist das ganze Rumgemeckere von Industriekollegen über die zu hohen Kosten von freien Anwälten, die das Risiko wagen, nichts anderes als der Neid , dass die freien Anwälte für ihre Risiko mit mehr in der Tasche in jeder Hinsicht belohnt werden. Daher ist das ganze Rumgemeckere nur heuchlerischer Selbstbetrug, den man nicht nur bei den Industriekollegen wie SwizzPatEng sondern auch anderswo, wie beispielsweise vor Gericht erfährt, wenn man ein Honorar von einem nichtzahlenden Mandanten einklagen muss.

Mehr sag ich zu dem Thema aber nicht.
 

Karl

*** KT-HERO ***
Ehrlichgesagt hätte ich - wenn ich PA würde (wechsle, wie in einem anderen Beitrag erwähnt zum Amt, so dass ich voraussichtlich nie PA werde) zumindest für die nächsten 10-20 Jahre keine Angst vor Outsourcing nach Indien. Indische Konkurrenz erfährt man hauptsächlich bei Dingen wie Recherche und Übersetzungen. Hinsichlich Recherche waren die Leistungen der entsprechenden indischen Anbieter, die ich bis jetzt gesehen habe, mehr als unterwältigend. Die Vorurteile gegenüber der Zuverlässigkeit indischer Rechercheinstitute sind meist noch heftiger, als die Realität. Interessante Aufträge in diesem Bereich werden auf absehbare Zeit kaum nach Indien abwandern. Wenn ein Mandant (notgedrungen) bereit ist, sich auf 400€-Recherchen aus Indien zu verlassen, ist er eh nicht übermäßig Zahlungsfähig...

Was PA´s wirklich Angst machen sollte, ist die Konkurrenz durch inländische Patentabteilungen. Auch wenn ich die Einstellung von SwisspatIng nicht teile, würde ich Mitarbeiter von Patentabteilungen der Industrie nicht so allgemein als Risikoscheu charakterisieren. Viel der Industriekonkurenz haben die Patentanwälte nämlich einigen bekannten Großkanzleien zu verdanken.

Dort werden Kandidaten in Überzahl eingestellt und "ausgebildet" (meist fast nur in einem Gebiet, in dem man den Kandidaten stets gleiche Tätigkeiten wie x-hundert china-Weisungen machen lässt, sodass hier kaum von einer vollwertigen Ausbildung gesprochen werden kann). Anschließend merken sie, dass deren Aussichten auf eine Partnerschaft gleich Null sind. Aufgrund der mäßigen Ausbildung wäre ein Sprung in die selbstständigkeit ökonomischer Selbstmord. Folgerichtig landen sie in Industriepatentabteilungen.

Die dadurch gegebenenfalls steigende Konkurrenz kriegen dann alle zu spüren - insbesondere auch die Kanzleien, die sich vorbildlich verhalten und nur für den eigenen Bedarf ausbilden. Ich könnte mir auch vorstellen, dass Leute, die aus den oben genannten Gründen in Industriepatentabteilungen gehen eher keinen allzu guten Eindruck von freien PA´s haben - und daher eventuell vermehrt eine ähnliche Einstellung wie SwissPatIng.
 

HSP

SILBER - Mitglied
Da lob ich mir doch den Anwaltszwang im Prozeß und das Verbot den eigenen Arbeitgeber als Anwalt zu vertreten für den Fall, daß jemand dort als Anwalt zugelassen ist. Das verhindert wirkungsvoll solchen Unfug....
 
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