EPÜ Nicht recherchierter Gegenstand

Lurchi

SILBER - Mitglied
Servus zusammen,

ich habe folgendes Problem. Eine Anmeldung hat (der Einfachheit halber) folgende zwei Ansprüche:

Anspruch 1: A gekennzeichnet durch B
Anspruch 2: A gekennzeichnet durch C

Es wurde vom EPA ein ganz normaler Erweiterter Europäischer Recherchebericht erstellt, ohne dass mangelnde Einheitlichkeit oder Nichtrecherchierbarkeit thematisiert wurde. Es wurde recherchiert, dass Anspruch 1 nicht neu ist. Nach Ansicht des Prüfers ist Anspruch 2 eine "einfache handwerkliche Maßnahme" und somit nicht erfinderisch.

Nun wurde Anspruch 1 gestrichen und die Prüfung auf Grundlage von Anspruch 2 beantragt. Selbstverständlich wurde auch argumentiert, warum Anspruch 2 sehr wohl erfinderisch ist.

Als Antwort von der Prüfungsabteilung kam nun, dass Anspruch 2 nicht recherchiert worden sei und das man daher bitte schön eine Teilanmeldung einreichen soll, wenn dieser geprüft werden soll.

Wie kann man sich dagegen wehren? In den Prüfungsrichtlinien finde ich nur, dass die Recherchenabteilung auf die mangelnde Einheitlichkeit oder die Nichtrecherchierbarkeit im Recherchebericht hinweisen kann und soll. Ich habe allerdings nicht finden können, welche Konsequenz es hat, wenn ein derartiger Hinweis nicht erfolgt.

Eine mir im Moment vorschwebende Argumentation wäre: Wenn Anspruch 2 nicht recherchierbar oder uneinheitlich wäre, hätte es im Recherchebericht stehen müssen. Da es dort nicht erwähnt wurde, umfasst die Recherche sehr wohl auch den Gegenstand des Anspruchs 2. Gäbe es noch bessere oder mehr Argumente?

Man findet ja auch sehr viel Rechtsprechung zu dem Thema, wenn Merkmale aus der Beschreibung aufgenommen werden. Das ist aber meiner Meinung nach komplett anders als der hier vorliegende Fall.
 

Karl

*** KT-HERO ***
Also die Argumentation des Prüfers scheint mir ehrlich gesagt ziemlicher Quatsch zu sein.

Dass sich nicht auf nicht recherchierte Gegenstände eingeschränkt werden kann, ist in R137(5) geregelt. Dort wird sich aber nur auf nicht recherchierte Gegenstände bezogen,

- die mit der ursprünglich beanspruchten Erfindung oder Gruppe von Erfindungen nicht durch eine einzige allgemeine erfinderische Idee verbunden sind,
- die nach R62a nicht recherchiert wurden oder
- die nach R63 ncht recherchiert wurden.

So wie du das beschrieben hast, scheint hier nichts davon zuzutreffen, bzw. du erwähnst nicht, dass der Prüfer in dieser Richtung irgendwelche Argumente vorbringen würde. Ich würde daher erwiedern, dass R137(5) der Aufnahme des Merkmals nicht entgegensteht, wobei ich hierfür Argumente vortragen würde. Wenn er das anders sieht soll er bitteschön die rechtliche Grundlage mitteilen, auf der seine Auffassung basiert.
 

Lurchi

SILBER - Mitglied
Danke, jetzt habe ich den Knackpunkt gefunden. Die beiden letzten in R. 137(5) erwähnten Fälle scheiden sowieso aus, da weder R. 63 noch R. 62a im Recherchenbericht erwähnt wurden.

Der Prüfer hat argumentiert, dass Anspruch 2 nicht durch eine einzige erfinderische Idee mit Anspruch 1 verbunden ist. Der Knackpunkt ist nun meiner Meinung nach, dass Anspruch 2 schon ursprünglich beansprucht war. Daher kann auch der erste in R. 137(5) erwähnte Fall nicht ziehen.
 

Karl

*** KT-HERO ***
Das Klingt nach einem interessanten Fall!

So wie du das jetzt schilderst sehe ich für beide Seiten Argumente:

Aus sicht des Prüfers:

Zwar hat er auf das Fachwissen verwiesen, recherchiert hat er den Gegenstand jedoch trotzdem nicht. Es handelt sich somit um einen nicht recherchierten Gegenstand. Der Gegenstand ist aus sicht des Prüfers (die genauen Gründe kenne ich ja nicht) Uneinheitlich. Der Prüfer war nicht verpflichtet im ersten Bescheid mangelnde Einheitlichkeit anzumerken, zumindest ist keine Rechtsfolge ersichtlich, die daraus entstünde, dass er keinen Mangeln an Einheitlichkeit nennt. Insbesondere verhindert die Fehlende Kritik an der mangelnden Einheitlichkeit nicht, dass der Anspruch objektiv als nicht Einheitlich zum ursprünglichen Hauptanspruch anzusehen ist. Da der Anspruch nicht recherchiert und nicht einheitlich zum ursprünglichen Hauptanspruch ist, ist die Änderung nicht zulässig.

Aus Sicht des Anmelders:

Der Recherchenbericht gibt keinen Mangeln an Einheitlichkeit an. Offensichtlich deckt der Recherchenbericht den Gegenstand des die Grundlage der Einschränkung bildenden Anspruchs ab, denn der Prüfer nimmt zu diesem explizit Stellung, indem er dessen Gegenstand als rein Handwerkliche Maßnahme bezeichnet.

Zwar wurde scheinbar kein zum Anspruch passender Stand der Technik gefunden - sonst wäre er im Recherchenbericht genannt gewesen - das heist jedoch nicht, dass der Gegenstand des Anspruchs auch nicht recherchiert wurde. Dass dem Recherchenbericht kein Hinweis auf einen Grund dafür, den Gegenstand nicht zu recherchieren, zu entnehmen war, legt (insbesondere in Zusammenschau mit der inhaltlichen Stellungnahme des Prüfers zum Anspruch) den Eindruck nahe, dass der Anspruch tatsächlich recherchiert wurde. Da es sich somit nicht um einen nicht recherchierten Gegenstand ist, ist die Änderung nicht nach R137(5) zu beanstanden.

Begründete Meinungen anderer würden mich hier sehr interessieren!
 

Lurchi

SILBER - Mitglied
Aus Sicht des Anmelders:
Offensichtlich deckt der Recherchenbericht den Gegenstand des die Grundlage der Einschränkung bildenden Anspruchs ab, denn der Prüfer nimmt zu diesem explizit Stellung, indem er dessen Gegenstand als rein Handwerkliche Maßnahme bezeichnet.
Das trifft so nicht ganz zu. Anspruch 2 war folgendermaßen formuliert:
"Vorrichtung nach Anspruch 1 oder nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1, dadurch gekennzeichnet, dass..."

Der Prüfer hat im Recherchenbescheid zum "abhängigen Anspruch 2" Stellung genommen. Gemäß der Prüfungsrichtlinien ist nur ein "richtiger" abhängiger Anspruch, der also alle Merkmale eines anderen Anspruchs umfasst, ein abhängiger Anspruch. Die Alternative "oder nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1" ist ein unabhängiger Anspruch. Nach Ansicht des Prüfers hat er also im Recherchebescheid zum unabhängigen Anspruch 2 keine Aussage getroffen. Ich bezweifel aber, ob das wirklich eine Konsequenz hat, da der unabhängige Anspruch 2 nun mal ein ursprünglich eingereichter Anspruch war. Im Recherchenbericht steht ja auch, welche Dokumente für Anspruch 2 relevant sind.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Zunächst einmal: Was der Prüfer recherchiert hat, muss für den Anmelder aus dem Recherchebericht ersichtlich sein. Der Prüfer kann nicht später in einem Prüfungsbescheid antanzen und meinen, da gebe es ja noch ein paar Dinge, die er gar keine Lust zu recherchieren hatte.

Es gibt jetzt im Prinzip zwei Möglichkeiten:

1. Die Anmeldung ist eine direkte EP-Anmeldung. Dann muss der Prüfer, wenn er bei der Recherche Uneinheitlichkeit feststellt, nach R. 64(1) einen teilweisen Recherchebericht herausschicken und die Zahlung zusätzlicher Recherchegebühren ermöglichen. Der Anmelder hat nämlich das Recht, seine ganze Anmeldung recherchiert zu bekommen und nicht nur die Teile, auf die der Prüfer Lust hat. Tut der Prüfer dies nicht, gilt der gesamte Gegenstand der Anmeldung als recherchiert (dafür wird der Prüfer nämlich bezahlt). Wenn also kein teilweiser Recherchebericht erstellt wurde, kann der Prüfer Anspruch 2 nicht als nicht recherchiert betrachten. Das würde ich ihm dann auch in dieser Deutlichkeit mitteilen.

2. Die Anmeldung ist eine PCT, für die EP nicht ISA war. In diesem Fall wird bei mangelnder Einheitlichkeit keine Möglichkeit zur Zahlung weiterer Gebühren gegeben, sondern nur die erste Erfindung recherchiert (R. 164 in der noch geltenden Fassung; das ändert sich ab November). Auch in diesem Fall geht aber immer aus dem Recherchebericht hervor, welcher Gegenstand recherchiert wurde. Wenn nur teilweise recherchiert wurde, ist auf dem Begleitblatt unter "Lack of unity of invention" das letzte Kästchen angekreuzt. Wenn dies nicht der Fall ist, gilt alles als recherchiert.
 

Karl

*** KT-HERO ***
Oh sorry, habe erst jetzt gemerkt, dass Merkmal B nicht im Anspruch 2 ist.

Dann würde ich einfach Argumentieren: Der Anspruch 2 ist mit der ursprünglich beanspruchten Erfindung oder Gruppe von Erfindungen durch eine einzige allgemeine erfinderische Idee verbunden, da der Anspruch exakt identisch zu einem ursprünglichen unabhängigen Anspruch ist und somit exakt auf eine ursprünglich beanspruchte Erfindung gerichtet ist. Die anderen in R137(5) möglichen Gründe für eine Unzulässigkeit (R62a und R63) treffen auch nicht zu.

---> kein Problem mit R137(5)
 
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