EPÜ Klarheit - Einspruch - Unteransprüche - EP

Karl

*** KT-HERO ***
Hallo liebe Forennutzer,

Zum Thema Klarheit im Einspruchsverfahren hätte ich eine Frage:

Soweit mir bekannt ist, ist Klarheit zwar kein Einspruchsgrund, werden Änderungen in die Ansprüche eingebracht dürfen diese jedoch keien zusätzlichen Unklarheiten zufügen.

Wie sieht das aus, wenn die Änderung lediglich in der Aufnahme eines Unteranspruchs besteht? Zählt das als Änderung in dem Sinne, dass der neu in den Hauptanspruch aufgenommene Teil (der aus dem Unteranspruch stammt) erneut auf Klarheit geprüft werden kann oder nicht?

Folgendes habe ich in dem PDF Rechtsprechung der Beschwerdekammern gefunden

"Mit der Frage, ob und inwieweit eine Einspruchsabteilung oder eine Beschwerdekammer
befugt ist, eine Prüfung hinsichtlich der Klarheit von geänderten Ansprüchen auf der
Basis von kombinierten erteilten Ansprüchen zu tätigen, setzte sich die Kammer in
T 1459/05 auseinander. Der Ansicht in der bisherigen Rechtsprechung, dass die
Befugnis zur Prüfung nach Art. 84 EPÜ dann fehlt, wenn die die mangelnde Klarheit
erzeugenden Änderungen in Form einer Kombination von erteilten Ansprüchen im
Einklang mit korrekten Rückbeziehungen bestehen, konnte sich die Kammer nicht
anschließen. Die Ausnahmesituation ergab sich daraus, dass es im vorliegenden Fall für
die Beurteilung des Gegenstands des Anspruchs auf die technische Bedeutung des
einzigen hinzugefügten Merkmals entscheidend ankam, da nur durch dieses Merkmal
möglicherweise ein Unterschied zum bekannten Stand der Technik definiert werden
konnte, diese technische Bedeutung aber für den Fachmann so unklar war, dass ein
derartiger Unterschied nicht erkennbar war bzw. nicht mit einer dem Fachmann noch
zumutbaren Unbestimmtheit festgelegt werden konnte. Unabhängig vom Einzelfall und
angesichts der in den letzten Jahren rapide angestiegenen Anzahl der Patentansprüche gab die Kammer ferner zu bedenken, inwieweit die Klarheitsaspekte sämtlicher
beanspruchten Kombinationsmöglichkeiten in einem komplexen Anspruchssatz vor der
Erteilung überhaupt und so im Detail geprüft werden bzw. geprüft werden können, dass
davon auszugehen wäre, dass sämtliche Klarheitsprobleme gelöst worden wären, was
dann letztendlich eine weitere Prüfung im Einspruchsverfahren ausschließen könnte. Im
vorliegenden Fall sah die Kammer die Notwendigkeit gegeben, ihr Ermessen ausüben
zu können, um von Fall zu Fall und als Ausnahme von der allgemein vorgegebenen
Praxis, die eine Befugnis zur Prüfung nach Art. 84 EPÜ bei Änderungen durch
Kombinationen von erteilten Ansprüchen ausschließt, abweichen zu können. Dieses
Ermessen sei insbesondere dann auszuüben, wenn durch ein strenges Anwenden der
vorgegebenen Vorgehensweise, welches das Erheben eines Klarheitseinwands
prinzipiell ausschließe, eine Situation entstehen würde, in der die weitere Prüfung der
geänderten Patentunterlagen, wie z. B. im Rahmen der Neuheit und der erfinderischen
Tätigkeit, erheblich erschwert wäre oder sogar zu keinem sinnvollen Ergebnis führen
könnte."

"In T 656/07 ergab sich die mangelnde Klarheit - zumindest teilweise - aus den nach der
Patenterteilung vorgenommenen Änderungen. Die Kammer befand, dass diese
mangelnde Klarheit im Einspruchsverfahren beanstandet werden kann, weil sie durch
die in diesem Verfahren vorgenommenen Änderungen entstanden ist, auch wenn das
beanstandete Merkmal als solches bereits in den Ansprüchen in der erteilten Fassung
vorkam, allerdings in einer anderen Kombination. Zur Beschränkung der
Prüfungsbefugnis der Beschwerdekammer bei einem änderungsbedingten
Klarheitseinwand reicht es nicht vorzubringen, dass ein Merkmal bereits in der erteilten
Fassung enthalten gewesen sei. Vielmehr ist auch zu ermitteln, wie sich die im Anspruch
vorgenommenen Änderungen insgesamt auswirken, denn ein Anspruchsmerkmal kann
nicht isoliert betrachtet werden, sondern nur in seiner Wechselwirkung mit den anderen
Merkmalen der beanspruchten Kombination. Nach Auffassung der Kammer gibt es in der
Rechtsprechung keinen allgemeinen Grundsatz, der besagt, dass eine Kombination
erteilter Ansprüche nicht wegen mangelnder Klarheit beanstandet werden kann. Immer
wenn ein Patentinhaber während des Einspruchsverfahrens Änderungen beantragt, sind
nach Art. 101 (3) a) EPÜ sowohl die Einspruchsabteilung als auch die
Beschwerdekammern zuständig und somit auch befugt, das gesamte EPÜ, also auch
dessen Artikel 84 EPÜ, anzuwenden."

Es scheint also so, als wären früher auf Grundlage von Unteransprüchen durchgeführte Änderungen des Hauptanspruchs grundsätzlich nicht geprüft werden, als würde diese Linie jedoch mittlerweile deutlich schwammiger.

Kennt jemand neuere dieses Themengebiet betreffende Entscheidungen, die mehr...äh Klarheit... in diesen Themenbereich bringen können? Grade die erstgenannte Entscheidung sorgt dafür, dass ich überhaupt nicht mehr weiß, wie die Frage der Klarheit im Einspruch bei durch unteransprüche motivierte Änderungen zu bewerten ist.

Vielen Dank
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Neuere Entscheidungen dazu kenne ich nicht, aber ich finde die von Dir zitierten Entscheidungen sehr vernünftig und praxisgerecht. Als Einsprechender ist man ja mitunter schon mit recht unklaren unabhängigen erteilten Ansprüchen geschlagen, so dass man froh ist, wenigstens bei Änderungen in gewissem Umfang Klarheitsbeanstandungen vorbringen zu können.

In der Praxis wird es sehr stark von der jeweiligen Einspruchsabteilung / Beschwerdekammer abhängen, welche Beanstandungen zugelassen und behandelt werden (und natürlich vom Einzelfall, wie die Ausführungen zu T 1459/05 zeigen).

Man liegt aber sicher nicht falsch, wenn man als Einsprechender Klarheit thematisiert, sofern Anlass dazu besteht. Ein Aspekt dabei ist, dass dieser Einwand durchaus zur Nichtzulassung geänderter Ansprüche führen kann, und zwar umso mehr, je später im Verfahren Änderungen vorgenommen werden. Als Patentinhaber wird man natürlich solche Einwände stets als unzulässig zurückweisen ;-) Aber man sollte bei Änderungen schon darauf achten, will man Problemen vorbeugen.
 
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