Praxis Auslands-"Einsätze"?

michaelh

Schreiber
Hallo zusammen,

ich befinde mich in der Ausbildung zum deutschen und europäischen Patentanwalt, wie wohl eine Vielzahl hier.

Seit geraumer Zeit schwebt mir eine Frage im Kopf herum, auf die ich bis jetzt leider komplett unterschiedliche Antworten bekommen habe.

Die Frage ist die, ob es im Beruf des Patentanwaltes häufig (sagen wir 1-2 mal im Monat als Richtwert) üblich ist, Mandantenbesuche bzw. Tagungen oder dergleichen im Ausland, auch im europäischen Ausland zu unternehmen bzw. zu besuchen.
Ist dies vor allem von der Größe der Kanzlei abhängig? Werden "komplexere" Anmeldungen oder Mandantengespräche oder dergleichen vor Ort abgewickelt oder ist da beispielsweise die Video- bzw. Telefonkonferenz das Mittel der Wahl?

Vielen Dank für eure Antworten!
 

pa-tent

*** KT-HERO ***
Reisen kostet Zeit. Wenn diese Zeit abrechenbar ist (sprich: der Mandant zahlt die
fürs Reisen aufgewendeten Stunden), dann reise ich. Ansonsten versuche ich das Reisen
zu vermeiden.

Der Fragesteller möge sich zur Klärung der Frage in die Position des Mandanten versetzen:
Würde dieser wohl eine Rechnung begrüßen, auf der durchaus mal
ein vierstelliger Betrag Euro als Verdienstausfall fürs Reisen aufgeführt sind?

Gängige Praxis: Der Mandant kommt zum Anwalt.

Bei der Herumturnerei auf Tagungen (jenseits einer Tätigkeit als bezahlter Referent)
trifft die obige Sicht in verschärfter Weise zu (Zeit für Reise plus Besuch der Tagung).

Je nach Gewinnverteilungsmodell einer Kanzlei kommt noch hinzu, dass die
anderen Partner der Liebhabererei geschuldetes Reiseverhalten (= nicht abrechenbar,
nicht förderlich zur Mandatspflege) nicht begrüßen werden.

Da die Frage unscharf gestellt ist: Die obigen Betrachtungen sollen für mehrstündige,
bevorzugt mindestens halbtätige, Reisen gelten.
 
Zuletzt bearbeitet:

pa-tent

*** KT-HERO ***
Noch als Ergänzung zwei weitere Aspekte:

1) Bei Kanzleien mit vielen "Kontakten" nach (also Akten aus) USA und Asien ist es üblich,
dass sich einer der Seniorpartner (der Senioraspekt trifft besonders auf Asien zu,
da hingeschickte Jungspunde durchaus als Ehrverletzung aufgefasst werden könnten)
einmal im Jahr bei den wichtigen Mandanten vor Ort blicken lässt.

2) Wenn man als zugelassener Vertreter vor dem EPA Pech hat, dann wird man zu einer
Verhandlung nach Den Haag geladen (=Auslandsreise).
 

PK_Schach.Matt

*** KT-HERO ***
Der Fragesteller möge sich zur Klärung der Frage in die Position des Mandanten versetzen:
Würde dieser wohl eine Rechnung begrüßen, auf der durchaus mal
ein vierstelliger Betrag Euro als Verdienstausfall fürs Reisen aufgeführt sind?
Ich denke, dass es in unserer Branche nicht ganz so schlimm ist. Das hört sich ja an, als seien wir lauter geldversessene Aasgeier, die nichts anderes als Dollars oder Euros im Kopf haben.

Ich würde sagen, dass man es als ausgelernter Patentanwalt selbst in der Hand hat, was man macht.

Man kann sich entweder in einer Patent- und Bescheidsschmiede im Keller einschließen und mit einem Einsatz von 10-12h am Tag als Associate an der 120.000K-Grenze kratzen. Das bringt nicht nur Kohle, es gibt einem auch relativ gefühlte Sicherheit. Die Frage ist nur, ob das ein Lebensziel ist, denn nach 5-10 Jahren ist die Gefahr eines Burnouts nicht gerade gering.

Man kann aber auch mit einem überschaubaren Risiko sein eigenes Ding drehen und glücklich werden. In der Regel wird man dann aber in den ersten Berufsjahren auch ein überschaubares Einkommen haben. Gerade dann wird man viel reisen und klingeln putzen müssen, egal ob im Inland, in Europa oder im Ausland. Aber für solche Reisen wird einem niemand was zahlen. Im Gegenteil, die meisten Reisen sind eher frustrierend, weil man das Gefühl hat, dass sie umsonst sind und dass nichts dabei rauskommt. Meiner Meinung nach kommt man um diese Reisen nicht herum, weil man gerade am Anfang der Karriere bei potentiellen Mandanten, auf Tagungen, bei potentiellen Altkollegen, die ihre Kanzlei abgeben wollen, etc. nach der berühmten Nadel im Heuhaufen suchen muss. Das Blatt wendet sich in der Regel erst nach 5 bis 10 Berufsjahren, wenn man anfängt, sich zu etablieren. Hierfür braucht man aber schon einen langen Atem.

Nichtsdestotrotz kann ich mir schon Gelegenheiten vorstellen, dass man "auf Kanzleikosten" mal ins Ausland kommt. Da kommt man aber als Junganwalt in der Regel nicht hin, es sei denn die Kanzlei hat was davon (fließend Chinesisch -> Vortragsreise in China). Vielleicht kommt man auch mal nach 20 Jahren Berufserfahrung an einen sehr wichtigen Fall, in dem es auf's Geld ausnahmsweise mal nicht ankommt und der Mandant dann die Reise ins Ausland bezahlt. Genausogut könnte man aber auch Lotto spielen und die Reise dann vom eventuellen Lottogewinn zahlen.
 
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