Gegenstand schon publiziert bzw. im Markt: Herstellungsverfahren schützbar?

Kurt

*** KT-HERO ***
Hi Forum,

hab mich mit der Frage schon länger nicht mehr beschäftigt, von daher sicherheitshalber hier nochmal gefragt.

Nachdem ein neues Produkt auf einer Messe gezeigt wurde, fällt Patentschutz für das Produkt schonmal weg, soweit klar.

Wie ist es aber mit dem Herstellungsverfahren. Das kann ich mir doch noch schützen lassen, sofern anhand des gezeigten Produkts nicht auf das Herstellungsverfahren geschlossen werden konnte -- richtig?

Selbst wenn das Produkt schon im Markt wäre und es theoretisch schon bis ins kleinste zerlegt und analysiert worden sein konnte: wenn aus dem Produkt nicht ersehen werden kann, wie die Herstellung tatsächlich erfolgte, bekomme ich doch bei nachträglicher Anmeldung auch dann noch Schutz auf mein neuartiges und erfinderisches Herstellungsverfahren?

Und damit natürlich auch auf das (so hergestellte) Produkt
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Oder liegt hier ein Denkfehler bzw. Hirnknoten vor?

Vielen Dank für eure Meinungen,

Grüße
Kurt
 

grond

*** KT-HERO ***
Nachdem ein neues Produkt auf einer Messe gezeigt wurde, fällt Patentschutz für das Produkt schonmal weg, soweit klar.

Nicht notwendigerweise. Es kommt darauf an, ob für die Öffentlichkeit die Möglichkeit zur Kenntnisnahme bestand. Geht es beispielsweise um eine Maschine, die Erfindung betrifft irgend ein nicht wahrnehmbares Internum und es war auch dem Publikum nicht erlaubt, die Verkleidung zu öffnen, dann ist die Erfindung nicht öffentlich geworden. Ansonsten sei noch an das Gebrauchsmuster erinnert.


Wie ist es aber mit dem Herstellungsverfahren. Das kann ich mir doch noch schützen lassen, sofern anhand des gezeigten Produkts nicht auf das Herstellungsverfahren geschlossen werden konnte -- richtig?

Richtig.


Selbst wenn das Produkt schon im Markt wäre und es theoretisch schon bis ins kleinste zerlegt und analysiert worden sein konnte: wenn aus dem Produkt nicht ersehen werden kann, wie die Herstellung tatsächlich erfolgte, bekomme ich doch bei nachträglicher Anmeldung auch dann noch Schutz auf mein neuartiges und erfinderisches Herstellungsverfahren?

Ja. Das bekannte und vorteilhafte Produkt könnte natürlich dem Durchschnittsfachmann einen Grund geben, bekannte Herstellungsverfahren abzuändern oder zu kombinieren, in der Hoffnung, das tolle Produkt herstellen zu können, aber das ist etwas an den Haaren herbeigezogen.


Und damit natürlich auch auf das (so hergestellte) Produkt
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Ja.
 

Kurt

*** KT-HERO ***
Vielen Dank für die - wie von @grond langjährig gewohnt, und auch in den Feinheiten - erschöpfende Auskunft!

Beste Grüße
Kurt
 

Patentonkel

GOLD - Mitglied
Und damit natürlich auch auf das (so hergestellte) Produkt
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stimme Euch soweit zu, aber da das produkt nicht mehr neu ist, dürfte die beweislastumkehr nach §139 (3) entfallen, was bei der rechtsdurchsetzung ganz erhebliche nachteile für den patentinhaber mit sich bringen dürfte.

insoweit könnte der verletzer das verfahrenspatent (widerrechtlich wohlgemerkt) sogar als anleitung auffassen und ansprüche des PI zunächst mit der einlassung zurückweisen, dass er das geschützte verfahren zur herstellung des wohlgemerkt BEKANNTEN produkts nicht anwende.

oder?

das wäre natürlich strafbar § 142, aber man sollte auch solches gegnerisches handeln als möglichkeit in betracht ziehen.
 

Asdevi

*** KT-HERO ***
Wenn ein Produkt auf einer Messe nur gezeigt wurde (nicht verkauft!), stellt sich die Frage, ob es überhaupt neuheitsschädlich offenbart ist. Die Offenbarung muss ja auch ausreichend sein, um nachgearbeitet werden zu können.

Wenn also ein ganz besonderes Verfahren nötig ist, das Produkt herzustellen, und auf der Messe dieses Verfahren nicht offenbart ist, dann ist das Produkt auch nach der Messe noch neu. Dann greift auch die Beweislastumkehr, aber auch ein Produktanspruch selbst ist dann noch möglich.

Wenn das Produkt hingegen nach einer Begutachtung auf der Messe von jedem Fachmann hergestellt werden kann, dann kann an dem Herstellungsverfahren nichts wirklich Patentierbares dran sein. Dann sind also Produkt- und Verfahrensanspruch tot.
 

grond

*** KT-HERO ***
Wenn das Produkt hingegen nach einer Begutachtung auf der Messe von jedem Fachmann hergestellt werden kann, dann kann an dem Herstellungsverfahren nichts wirklich Patentierbares dran sein.

Nicht notwendigerweise. Das Herstellungsverfahren kann ja besonders effizient sein. Beispielsweise könnte ein Tischler einen Bleistift herstellen, wenn er ihn erstmalig sieht. Er käme aber nicht zwangsläufig auf die Idee, eine Reihe von Bleistiften herzustellen, indem er in ein Brettchen dreieckige Vertiefungen fräst und dann das Brettchen entlang der Vertiefungen in einzelne Stifte zersägt.
 

Karl

*** KT-HERO ***
Gab es eine genaue, problemlos zugängliche Dokumentation dessen, was auf der Messe vorgestellt wurde? Kann man überhaupt nachweisen, dass das Produkt vorveröffentlicht ist? Kann man es eventuell nachweisen, wobei dies jedoch sehr schwierig währe? Waren die direkten Konkurrenzen, gegen die man ein Schutzrecht verwenden könnte vor Ort, so dass sie die Vorstellung des Produkts mitbekommen haben?

Wie bereits gesagt wurde, kannst du das Verfahren aller wahrscheinlichkeit nach schützen, es sei den anhand des ausgestellten Produkts war das Verfahren offensichtlich (und zwar nicht nur in dem Sinne, dass man, wenn man das Verfahren kennt, die Verletzung des Verfahrens anhand des Produkts nachweisen kann, sondern in dem Sinne offensichtlich, dass das Verfahren für den Fachmann allein aufgrund der Kenntnis des Produkts nahegelegt war)

Es Spricht nichts dagegen, einen Produktanspruch mit in eine Patentanmeldung aufzunehmen, und mal zu Probieren, ob das mit der Vorveröffentlichung auffällt. Wird so ein Patent erteilt, hat erstmal die Konkurrenz das Vergnügen, die Vorveröffentlichung nachzuweisen - was Grade bei einer Ausstellung auf der Messe nicht immer so einfach ist (es sei denn es gibt eine gründliche Dokumentation über das vorgestellte Produkt in einer Messebroschüre oder dergleichen). Eventuell ist sich der Konkurrent zu Beginn eines Einspruchs nicht sicher, ob die Beweise ausreichen werden, um das Patent zu kippen. Die Rechtsunsicherheit allein kann schon eine recht effiziente Abschreckung für Nachahmer sein. Immerhin stehen mit der Einführung eines neuen Produkts zumeist erhebliche Investitionen auf dem Spiel, die man bei ungeklärter Rechtslage nicht unbedingt zu Zahlen bereit ist.

Um selbst einen sicheren Schutz zu haben sollte außerdem unbedingt eine Gebrauchsmusternmeldung eingereicht werden. Reicht man diese gleichzeitig mit der Patentanmeldung ein, könnte das einen Konkurrenten jedoch auf die Idee bringen, dass da vieleicht was Faul ist - wieso reicht man sonst direkt eine Gebrauchsmusteranmeldung mit ein? Eventuell um schnell gegen jemanden vorzugehen, aber auch das ist aus einem ungeprüften Gebrauchsmuster heraus nicht so üblich...

Eventuell könnte man zuerst eine auf das Produkt gerichtete Gebrauchsmusteranmeldung (vorzugsweise mit Aufschiebung der Eintragung um 15 Monate) einreichen. In der Beschreibung kann man die Offenbarung für Verfahrensansprüche schon mit einbauen (möglichst nah am späteren Wortlaut um hinsichtlich des Prioanspruchs sicher zu gehen). Nachher nimmt man die Prio in Anspruch und reicht eine Patentanmeldung ein. Das ganze schaut dann genauso aus, wie wenn der Mandant am Anfang nicht viel ausgeben wollte, dann verifiziert hat, dass das ganze für ihn wirtschaftlich wichtig ist, und dem entsprechend nachher eine Patentanmeldung eingereicht hat, d.h. völlig unverdächtig.
 
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