PAP (p) Praktische Aufgabe I/2010

dos candidatos

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Lösungsskizze 2010 I p (3. Februar 2010)

Teil I

Das deutsche Patent wird erteilt, wenn die Erfindung technisch, neu, erfinderisch und gewerblich anwendbar ist (§1 PatG).

I. Neuheit

Fraglich ist vorliegend vor allem, ob die beschriebene Anlage neu ist.

1. Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört (§ 3 Abs.1 PatG). Der Stand der Technik umfasst alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung […] der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist.

Grundsätzlich entspricht der Tag der Einreichung der Patentanmeldung beim Deutschen Patent- und Markenamt (Anmeldetag) dem Zeitrang der Anmeldung .

2. Fraglich ist, ob die Erfindung durch die Präsentation und deren Verwendung in der Ausschreibung durch die S & P der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde und daher neuheitsschädlichen Stand der Technik darstellt.

Öffentlich zugänglich heißt hier, dass praktisch jeder, also eine unbegrenzte Zahl von Personen von der Erfindung Kenntnis nehmen konnte.

Vorliegend wurde die die Erfindung in allen Details beschreibende Präsentation auf die Hompage der S & P eingestellt. Zugänglich war sie allerdings nur nach Anmeldung und hierdurch erlangte Zugangsberechtigung. Darüber hinaus hatten nur wenige Mitarbeiter der S & P Kenntnis von der Präsentation.

Allerdings wurde die Zugangsberechtigung „jedermann“ erteilt. Deshalb kann nicht von einem begrenzten Personenkreis ausgegangen werden, insbesondere weil weder die Zugangsberechtigten noch die Mitarbeiter zur Geheimhaltung verpflichtet sind.

Die Präsentation ist demnach öffentlich zugänglich und damit Stand der Technik im Sinne des § 3 PatG.

II. Unschädliche Offenbarung

Die Offenbarung könnte allerdings nach § 3 Abs. 5 PatG unschädlich sein.

1. Die Präsentation enthält alle notwendigen Details der Erfindung und ist demnach eine Offenbarung der Erfindung.

2. Frist

Die Offenbarung darf nicht früher als 6 Monate vor einer möglichen Anmeldung erfolgt sein.

Die Präsentation wurde am 15.08.2009 zur Grundlage einer Ausschreibung gemacht. Am 3.02.2009 kann also (noch bis zum 15.02.2009; 187 ff. BGB) eine Anmeldung erfolgen.

3. Offensichtlicher Missbrauch

a) Notwendig ist eine objektiv erkennbare Rechtswidrigkeit der Preisgabe an die Öffentlichkeit.
Diese ergibt sich durch die Erklärung der S & P, die Präsentation vertraulich zu behandeln.

b) Die Erklärung wurde durch den Geschäftsführer der AG (§ 1 AktG) wirksam in deren Namen abgegeben. Durch die Unterschrift wird der Charakter einer Willenserklärung verdeutlicht, die die S & P gegen sich gelten lassen muss.

4. Die Offenbarung geht unmittelbar auf den offensichtlichen Missbrauch zurück.

5. i.E. bleibt die durch die S & P veröffentlichte Präsentation daher als Stand der Technik außer Betracht.

III. Eine deutsche Anmeldung wäre, wie von den Mandanten gewünscht, daher möglich.

IV. Fraglich ist allerdings, ob innerhalb von 12 Monaten eine europäische Anmeldung unter Inanspruchnahme der Priorität erfolgen kann.

1. Prio kann generell nach Art. 87 EPÜ, Art. 4 PVÜ in Anspruch genommen werden.

2. Aus Art. 55 EPÜ ergibt sich allerdings, analog zu § 3 Abs. 5 PatG, eine 6-monatige Neuheitsschonfrist für den Fall einer missbräuchlichen Vorveröffentlichung. Hierbei wird auf den Tag der Einreichung der europäischen Patentanmeldung abgestellt.

Fraglich ist, ob hierbei, ob im Falle der Inanspruchnahme einer Priorität bei der Berechnung der 6 Monatsfrist auf den Prioritätstag oder, dem Wortlaut des Gesetztes folgend, dennoch auf den Tag der Einreichung abzustellen ist.

Diese Frage wurde durch die Große Beschwerdekammer (G 2/99 mit G 3/98) dahingehend beantwortet, dass für die Berechnung des Zeitraums von sechs Monaten nach Artikel 55 (1) EPÜ der Tag der tatsächlichen Einreichung der europäischen Patentanmeldung maßgebend ist; der Prioritätstag für die Berechnung hingegen zur Berechnung dieser Frist nicht heranzuziehen ist (Singer/Stauder § 55 Rn. 8).

V. Beratung

Dem Mandanten ist demnach zu raten, von der durch ihn vorgeschlagenen Vorgehensweise Abstand zu nehmen. Vorzuschlagen ist vielmehr:

1.) Eine Anmeldung muss unbedingt vor dem 15.02.2009 erfolgen. Diese sollte möglichst vollständig ausgearbeitet und nicht lediglich provisorischer Natur sein.
2.) Da für die Mandantin der europäische Markt mit Deutschland als Kernmarkt entscheidend ist, sollte sowohl in Deutschland als auch vor dem EPA angemeldet werden. Insbesondere vor dem Hintergrund eines unterschiedlichen zu berücksichtigenden Stand der Technik und unterschiedlicher Prüfer wird so die Wahrscheinlichkeit einer Patenterteilung mit Wirkung für Deutschland erhöht.
3.) Daneben sollte die Möglichkeit einer gleichzeitigen Gebrauchsmusteranmeldung (bzw. -abzweigung) erwähnt werden, insbesondere vor dem Hintergrund des abweichenden relevanten Stands der Technik (§ 3 Abs. 1 S. 2 GebrMG) und einer nicht an einen offensichtlichen Missbrauch geknüpften Neuheitsschonfrist (§ 3 Abs. 1 S. 3 GebrMG).

Teil II

Der Senat wird der Beschwerde stattgeben, wenn diese wirksam eingelegt wurde und sowohl zulässig als auch begründet ist.

I. Wirksamkeit der Beschwerde

Durch die der Beschwerdeschrift beigefügte ordnungsgemäße Einzugsermächtigung (§§ 1 Nr.4, 2 Nr.4 PatKostZV) wurde die Beschwerde durch rechtzeitige Zahlung der fälligen Beschwerdegebühr (§ 3 Abs. 1 PatKostG, § 6 Abs.1 PatKostG) in voller Höhe (§ 2 Abs.1 PatKostG, Gebührenverzeichnis Nr. 401 100) wirksam erhoben.

II. Zulässigkeit der Beschwerde

Die gegen den Beschluss der Patentabteilung statthafte Beschwerde (§ 73 Abs.1 PatG) ist unter Wahrung der Schriftform (§ 73 Abs. 2 S.1 PatG) und durch den am Verfahren vor dem Patentamt Beteiligten (§ 74 Abs.1 PatG) beim DPMA (§ 73 Abs. 2 S.1 PatG) eingelegt worden.

Der angefochtene Beschluss wurde am 18.11.2008 als Übergabeeinschreiben zur Post gegeben und gilt daher als am 21.11.2008 als zugestellt (§ 4 Abs.1 VwZG). Die 1-monatige Beschwerdefrist beginnt am 22.11.2008 zu laufen (§ 99 Abs.1 PatG, § 222 Abs.1 ZPO, § 187 BGB) und endet unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der 21.11. 2008 (§ 99 Abs.1 PatG, § 222 Abs.1 ZPO, § 188 BGB) ein Sonntag ist, am 22.12.2008 (§ 99 Abs.1 PatG, § 222(1) ZPO).

Die Beschwerde ist demzufolge zulässig.

III. Begründetheit der Beschwerde

Die Beschwerde ist Begründet, wenn der Einspruch wirksam eingelegt wurde und zulässig sowie begründet war.

1. Wirksamkeit des Einspruchs
Der Einspruch wurde durch die beigefügte Einzugsermächtigung (s.o.) wirksam eingelegt.

2. Zulässigkeit des Einspruchs
Der gegen das erteilte Patent, dessen Erteilung veröffentlicht wurde, statthafte Einspruch (§ 59 Abs.1 S.1, wurde schriftlich (§ 59 Abs.1 S.2 PatG) mit der notwendigen Einspruchsberechtigung (Popularrechtsbehelf, § 59 Abs.1 S.1) eingereicht. Es ist ein Widerrufsgrund nach § 21 PatG angegeben (§ 59 Abs.1 S.3 PatG), nämlich die mangelnde erfinderische Tätigkeit (§ 21 Abs.1 Nr.1 PatG).

Fraglich, da durch die Patentabteilung verneint, ist vorliegend, ob der Einspruch im Sinne des § 59 Abs.1 S.4 PatG ausreichend substantiiert wurde.

Im Ergebnis ist der Ansicht der Patentabteilung nicht zu folgen.

Für die Zulässigkeit genügt die Behauptung der Patentgegenstand beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, unabhängig davon, ob die herangezogenen Tatsachen lediglich hinsichtlicher der Neuheitsschädlichkeit in Betracht zu ziehen sind (Busse § 59 Rn. 136). Die den Einspruch rechtfertigenden Tatsachen müssen nicht in dem Sinn schlüssig sein, dass der der Tatsachenvortrag der Einsprechenden in rechtlicher Hinsicht geeignet ist, die begehrte Rechtsfolge sachlich zu tragen(Busse § 59 Rn. 137). Dies ist Gegenstand der Begründetheitprüfung.

Der Einspruch war daher zulässig und der Beschwerde ist insofern stattzugeben.

Bei der Frage, wie der Senat entscheiden wird ist schließlich zu prüfen, ob der Einspruch offensichtlich auf Grundlage des vorliegenden Materials begründet war. In diesem Fall wird der Beschwerdesenat in der Sache selbst entscheiden (§ 79 Abs. 3 PatG).

3. Begründetheit des Einspruchs

Der Einspruch ist begründet, wenn der Patentgegenstand nach §§ 1-5 PatG nicht patentfähig ist.

a) Neuheit D1 oder D2
Keine der beiden Druckschriften offenbart alle Merkmale 1-4.

b) Erfinderische Tätigkeit D1 zusammen mit D2
Wie von der Patentabteilung (wenn auch fälschlicherweise im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung) richtigerweise ausgeführt handelt es sich bei der D1 um nachveröffentlichten Stand der Technik (§ 3 Abs.2 PatG). D1 ist demnach hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit nicht zu berücksichtigen.

c) Patentfähigkeit gegenüber D3

aa) Das Beschwerdeverfahren unterliegt dem Amtsermittlungsgrundsatz (§ 87 Abs.1 PatG) und kennt demnach auch keine Präklusionsvorschriften nach der ein neues während der mündlichen Verhandlung vorgelegtes Beweismittel kategorisch als verspätet zurückzuweisen wäre. Insbesondere, da eine beglaubigte Übersetzung der neu eingeführten D3 vorliegt und diese darüber hinaus offensichtlich nicht relevant ist (s.u.), ist diese zuzulassen.

Hinsichtlich der Übersetzung gibt der Sachverhalt viele Angaben zum Sachverhalt her, die in der vorliegenden Lösung ggf. nicht ausreichend gewürdigt wurden, insbesondere die Natur des Übersetzers und die genaue Form der Übersetzung. Ggf. könnte eine Diskussion dieser Tatsachen vor dem Hintergrund des §125 PatG sinnvoll erscheinen.

bb) Auch der Einwand der Patentinhaberin, es sei lediglich der Widerrufsgrund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit in der Einspruchsfrist benannt und ein Widerruf wegen mangelnder Neuheit käme daher nicht in Betracht, greift ins Leere. Zwar ist der Beschwerdesenat an die von der Einspruchsabteilung aufgegriffenen Widerrufsgründe gebunden (BGH – Aluminiumtrihydroxid, BGH – Polymermasse ???), der § 21 Abs. 1 Nr.1 PatG, mangelnde Patentfähigkeit, stellt allerdings einen einheitlichen Widerrufsgrund dar. Wurde die mangelnde erfinderische Tätigkeit geltend gemacht, ist auch das Feld für etwa die mangelnde Neuheit eröffnet.

cc) Allerdings handelt es sich bei der japanischen Patentschrift, obgleich vor dem AT des Streitpatents angemeldet und nach dem AT veröffentlicht, nicht um nachveröffentlichten Stand der Technik im Sinne des § 3 Abs.2, da dieser nur DE, EP (für DE), Euro-PCT (für DE) und PCT (für DE) umfasst.

D3 ist demnach weder für Neuheit noch für erfinderische Tätigkeit zu berücksichtigen.

d) Da alle für die Beurteilung der Patentfähigkeit erheblichen Tatsachen vorliegen und bereits durch die Einspruchsabteilung (hinsichtlich D1 und D2) richtig bewertet wurden und die neu eingeführte D3 offensichtlich nicht relevant ist, wird der Beschwerdesenat das Patent aufgrund mangelnder Patentfähigkeit widerrufen.

Tenor
1. Der Beschwerde wird stattgegeben und der Beschluss des DPMA aufgehoben.
2. Der Einspruch wird als unbegründet zurückgewiesen.
3. Kosten werden nicht auferlegt.


Teil III

Gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse der Prüfungsstelle beim DPMA ist in Patenteinspruchs-
sachen gemäß § 62 Abs. 2 Satz 4, § 73 PatG, in Prozesskostenhilfeverfahren i.V.m. § 7 Nr. 2
VertrGebErstG, und gemäß § 63 Abs. 3 Satz 3 MarkenG in mehrseitigen Markenverfahren die
Beschwerde zulässig. Sie ist innerhalb einer Frist von zwei Wochen, die mit dem Zugang des Beschlusses beginnt, einzulegen. In dieser Frist ist auch die Beschwerdegebühr nach
Nr. 401200 GebVerz gemäß Anlage zu § 2 Abs. 1 PatKostG zu zahlen; andernfalls gilt die
Beschwerde als nicht eingelegt (§ 6 Abs. 2 PatKostG) - eine ordnungsgemäße
Rechtsbehelfsbelehrung vorausgesetzt. (vgl. Skript – Albrecht - Kostenrechtskurs)
 

hyperandy

*** KT-HERO ***
zu Teil I

Es gibt wohl weitere Forderungen gegen S&P mit Vertragsverhandlung unter Klageandrohung:
- Unterlassen der Ausschreibung;
- Abnahmevereinbarung über erf. Trockner;
- Auskunft über Mitbewerber;

weitere Überlegungen
- Abmahnung der S&P mit strafbewehrter Unterlassungserklärung;
- Schadensersatzforderung;
- einstweilige Verfügung, Dringlichkeit bei Ausschreibung seit 5,5 Monaten (-);
- Klage aus
§17 (2) Nr. 2 UWG (6 Monate Verjährung)
§§ 823, 1004 BGB auf Unterlassung
§ 242 BGB Auskunft

ggf. Anschreiben /Abmahnung der Mitbewerber und andeuten, dass es sich um eine geschützte Technologie handelt.

zu Teil III

Albrecht-Skript sagt (S. 4):

1.7 Beschwerdegebühr
In Verfahrenskostenhilfe- und Kostensachen (§ 11 PatKostG) fällt keine Gebühr an.

zusätzlich
§11(3) RVG nicht im TaBu, aber vermutlich einschlägig.
... Die für die jeweilige Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften über die Erinnerung im Kostenfestsetzungsverfahren gelten entsprechend.

Ausserdem müsste ggf. angegeben werden, dass vermutlich zwei Woche Zeit ist.

§11RpflG
...
(2) Kann gegen die Entscheidung nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel nicht eingelegt werden, so findet die Erinnerung statt, die innerhalb einer Frist von zwei Wochen einzulegen ist
....
(4) Das Erinnerungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei.
 
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