DE Gewillkürte Prozessstandschaft im Widerspruchsverfahren

Fip

*** KT-HERO ***
Seit einer Gesetzesänderung kann man ja auch einen Widerspruch nach deutschem MarkenG auf Unternehmenskennzeichen stützen. Bei Gemeinschaftsmarken ging das schon früher.

Weiß jemand, ob das DPMA bzw. das HABM einen Widerspruch (im Falle des HABM auch einen Nichtigkeitsantrag wg. älterer Rechte) zulässt, bei dem der Widersprechende das eigentlich fremde Widerspruchsrecht in gewillkürter Prozessstandschaft geltend macht?

Beispiel: In einem Verbund von einer Vielzahl von Unternehmen (Mutter, Töchter, Verwaltungs-GmbHs, Holding, etc., alle machen von demselben Firmenschlagwort Gebrauch) gibt es eine Art IP-Verwaltungs GmbH, die sämtliche IP Rechte der Unternehmensgruppe verwaltet und nach außen im geschäftlichen Verkehr eigentlich nicht in Erscheinung tritt, die aber im eigenen Namen die Rechte am Unternehmenskennzeichen der Unternehmensgruppe geltend machen soll und hierzu auch ermächtigt ist.

Dass die gewillkürte Prozessstandschaft bei einer Klage möglich ist, ist klar. Geht das auch im amtlichen Verfahren vor dem DPMA oder dem HABM? Kennt jemand Rechtsprechung hierzu?
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Es gibt hierzu eine sehr schön zu lesende Dissertation, die auch im Internet heruntergeladen werden kann:

Melanie Besken, "Die Rechtsstellung des Markenlizenznehmers nach § 30 Abs. 3 Markengesetz", Osnabrück, 2008.

Danach gab es damals noch keine BGH aber eine BPatG-Entscheidung, die die gewillkürte Prozessstandschaft für einen Lizenznehmer im Widerspruchsverfahren zulässt: BPatG, GRUR, 2000, 815. Die Verfasserin schließt sich dieser Meinung übrigens auch an.
 

Fip

*** KT-HERO ***
Danke für die Antwort und den Hinweis auf die Dissertation und die Entscheidung. Werde ich mir mal ansehen.


Allerdings: Bei meiner Frage geht es nicht um einen Lizenznehmer an einer Marke, sondern um eines von vielen Unternehmen im Konzernverbund, das sozusagen stellvertretend für den Konzernverbund die IP Rechte verwaltet und durchsetzen soll. Diese Konzerntochter benutzt weder irgendwelche Marken (man müsste sich also im Widerspruchsverfahren im Falle einer Benutzungseinrede auf die Benutzung der Marken durch den Inhaber oder dessen Lizenznehmer berufen, eine eigene Benutzung der Marken oder ein eigener Lizenznehmer existiert nicht) noch tritt die Konzerntochter gegenüber Dritten im geschäftlichen Verkehr nach außen in Erscheinung. Außerdem hat die anzugreifende Marke nichts mit Dienstleistungen im IP Bereich zu tun, so dass ein Rückgriff auf das eigene Unternehmenskennzeichen nicht sinnvoll erscheint.


Trotzdem soll sich der Widerspruch auf die Marken des Konzerns sowie insbesondere auf das Firmenschlagwort des Konzerns stützen, das alle Unternehmen im Konzernverbund verwenden, für das aber natürlich nur die jeweiligen Töchter in ihrer spezifischen Branche bzw. Marktstufe Rechte erwerben. Es geht auch darum, nicht zahlreiche Einzelwidersprüche einreichen zu müssen und nicht nur mit Warenähnlichkeit (Marke), sondern auch mit Branchennähe (Unternehmenskennzeichen) und einer am Markt insgesamt bestehenden Bekanntheit des Konzernschalgworts argumentieren zu können, wobei die jeweiligen Einzelunternehmen zwar in verwandten Branchen, aber letztlich unterschiedlichen Marktstufen agieren, und für sich genommen eigentlich nicht bekannt sind.


Davon abgesehen regelt zum Beispiel Art. 41 (1) GMV regelt ja explizit, dass der Lizenznehmer Widerspruch erheben kann, daher sehe ich das Thema "Widerspruch durch Lizenznehmer" vorne herein nicht als das Problem an.


Können also verschiedene Unternehmen des Konzernverbundes ein im Konzernverbund hierfür auserkorenes Tochterunternehmen ermächtigen, deren Rechte sozusagen gebündelt in einem Widerspruchsverfahren im eigenen Namen geltend zu machen? Bei Klagen geht das zumindest für Unternehmenkennzeichen (siehe BGH Entscheidung "Metrobus", I ZR 167/06, Rn. 48 ff.).


Geht das auch im amtlichen Widerspruchsverfahren und akzeptiert insbesondere das HABM eine derartige gewillkürte Prozessstandschaft in Bezug auf Marken bzw. Unternehmenskennzeichen des Konzernverbundes, die dem Widersprechenden weder gehören, noch von diesem lizensiert sind oder benutzt werden (siehe hierzu insbesondere auch die Regelungen in ART. 41 (1) a) GMV zu Marken und ART. 41 (1) c) GMV zum Unternehmenskennzeichen).
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Also hier schon mal die Antwort für das HABM. Laut der Dissertation ist die gewillkürte Prozessstandschaft z.B. in Frankreich und Österreich grundsätzlich unzulässig.

Weiter Zitat aus der Dissertation von S. 125:

"Insofern unterscheidet sich das deutsche Recht von der
Gemeinschaftsmarkenverordnung, die eine entsprechende
Antragsbefugnis ausdrücklich auch dem vom Markeninhaber
ermächtigten Lizenznehmer einräumt. In der
Gemeinschaftsmarkenverordnung war eine solche ausdrückliche
Regelung erforderlich, da das Gemeinschaftsmarkenrecht eine
gewillkürte Prozessstandschaft nicht kennt. Im deutschen Recht kann
der Markeninhaber den Lizenznehmer jedoch ohne weiteres zur
Erhebung der Löschungsklage analog § 185 BGB ermächtigen. Es ist
anzunehmen, dass der Gesetzgeber diese Konstellation im Blick hatte,
als er auf die Übernahme der Regelung aus der
Gemeinschaftsmarkenverordnung verzichtete."
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Weiter für das deutsche Recht. Zitat von S. 126 der Dissertation:

"Die gewillkürte Prozessstandschaft setzt neben einer Ermächtigung
durch den Markeninhaber voraus, dass ein eigenes schutzwürdiges
Interesse des Lizenznehmers gegeben ist.

Ein rechtsschutzwürdiges Eigeninteresse an der Prozessführung ist
gegeben, wenn die Entscheidung Einfluss auf die eigene Rechtslage
des Prozessführungsbefugten hat.
Da der Lizenznehmer ein Nutzungsrecht an der Marke besitzt und
daher genauso wie der Markeninhaber ein berechtigtes Interesse daran
hat, dass eine den Schutz der Marke verletzende Eintragung im
Markenregister gelöscht wird, hat die Entscheidung über die Löschung
der Marke regelmäßig auch Einfluss auf seine eigene Rechtsposition.
Ein rechtsschutzwürdiges Interesse des Lizenznehmers dürfte daher in
aller Regel gegeben sein."

Jetzt braucht man in Deinem Fall dafür aber eine kreative Lösung, um ein solches Eigeninteresse zu fingieren.
 
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