Eigene Kanzlei... Und dann?

Student

GOLD - Mitglied
Hallo zusammen,

der Umstand ist vermutlich bei einer "Selbstständigkeit" immer gegeben. Wie aber ist es als freiberuflicher Patentanwalt: Woher kommen, macht man nach der Ausbildung eine eigene Kanzlei auf, die Mandanten? Tatsächlich über das PatAnw-Verzeichnis? Oder ist es mühsames Klinkenputzen?

Wieso sollte es auf der anderen Seite erstrebenswert sein, bei einer bestehenden Kanzlei anzufangen, bei der man (vgl. zum Beispiel Diskussion "Korrelation zw. Umsatz & Gehalt") einen Bruchteil dessen verdient, was man tatsächlich geleistet hat? Denn salopp gefragt: Sind die Sicherheiten (Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall) nicht teuer erkauft, wenn man ZUM BEISPIEL von monatlich abgerechneten 50 TEUR, am Schluss lediglich 20 TEUR bekommt? Denn: Als Freiberufler jeweils den Differenzbetrag von 30 TEUR sicher angelegt, würde doch eine immense Reserve für den "Fall der Fälle" darstellen?

Grüße
Student
 

EK

*** KT-HERO ***
Woher kommen, macht man nach der Ausbildung eine eigene Kanzlei auf, die Mandanten?
Es kommen keine.

Tatsächlich über das PatAnw-Verzeichnis?
Nein. Wer sagt das?

Oder ist es mühsames Klinkenputzen?
Ja, wenigstens in den ersten Jahren.

Wieso sollte es auf der anderen Seite erstrebenswert sein, bei einer bestehenden Kanzlei anzufangen, bei der man (vgl. zum Beispiel Diskussion "Korrelation zw. Umsatz & Gehalt") einen Bruchteil dessen verdient, was man tatsächlich geleistet hat?
Es gibt von Anfang an Arbeit und Lohn. Das ist manchem wichtig, wenn Familie zu versorgen ist etc. pp.

Denn salopp gefragt: Sind die Sicherheiten (Urlaub, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall) nicht teuer erkauft, ...
Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall??? Wenn das anstrebenswerte Sicherheiten sind, dann ist mit Sicherheit der Weg in die Selbständigkeit nicht der richtige. Wer das möchte, sollte sich lieber anstellen lassen.

... wenn man ZUM BEISPIEL von monatlich abgerechneten 50 TEUR, am Schluss lediglich 20 TEUR bekommt? Denn: Als Freiberufler jeweils den Differenzbetrag von 30 TEUR sicher angelegt, würde doch eine immense Reserve für den "Fall der Fälle" darstellen?
Den Differenzbetrag anlegen??? Das wird wohl nichts werden. Schließlich wollen Büromiete, Mietnebenkosten, Sekretärin/Schreibkraft und die weiteren laufenden Betriebsausgaben auch irgendwie bezahlt werden.

Alternativ dazu kann natürlich auch "vom Küchentisch" aus gearbeitet werden. Die wenigsten ernsthaften Mandanten werden aber damit glücklich sein.

Ich empfehle, noch einmal gründlich über eine Selbständigkeit nachzudenken.

Servus!
EK
 

gast3

BRONZE - Mitglied
So einfach ist die Rechnung nicht. Im Allgemeinen beutet dich die Kanzlei nicht aus, sondern hat selber Kosten. Diese müssen eingespielt werden. Somit ist es fair, dass Du nicht den gesamten Anteil deiner Arbeit bekommst - es sein Denn, die Kanzlei wuerde Dir wiederum eine Rechnung stellen, in der das Sekretariat, die Büromiete die Akquisekosten etc. aufgelistet sind.

Wenn man eine "Einzelkämpfer"-Kanzlei auftut kann das gut gehen aber IMHO nur wenn man Maschinenbauer/ E-Techniker ist. In diesem Fall kann man mittelständische Mandate bekommen. Im Biotech/Chemie-Sektor sind fast nur Großunternehmen Auftraggeber (bis auf ein paar Startups, aber die werden wenns gut geht gekauft, wenns schlecht geht sind sie pleite). Trotzdem muss man ja einrechnen, dass man die Kosten für das Büro, die Computer, die Angestellten etc... dann selber tragen muss. Und länger als eine Woche Urlaub machen wird schwierig.
 

Das gelbe U

*** KT-HERO ***
Immer eine Frage der Konditionen und der eigenen Fähigkeiten. Wenn man selbst mehr leistet als der Durchschnitt der Kanzlei kann der Weg in die Selbständigkeit lohnenswert sein. Auch wenn die Kanzlei auf horrenden Altlasten (Renten, Schulden, hoch bezahlten und schlechten Sekretärinnen etc.) sitzt. Gegenargumente sind tolle Mandanten, nette Kollegen und eine faire Aufteilung des Erbeuteten. Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall (wohl eher Krankentagegeld) muss man sich in jedem Fall selbst organisieren. Mandanten zu bekommen hängt ebenfalls mit den eigenen Fähigkeiten eng zusammen, von selbst kommt in den ersten 5-10 Jahren jedenfalls keiner. Aber auch bestehende Kanzleien sind oft permanent auf Aquise. Fazit: Am Ende hängt es zu vielleicht 70% an einem selber und den eigenen Fähigkeiten. Die restlichen 30% sind Glück und das richtige Elternhaus (richtige Bekanntschaften, genug Geld in Reserve).
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Student schrieb:
wenn man ZUM BEISPIEL von monatlich abgerechneten 50 TEUR, am Schluss lediglich 20 TEUR bekommt?
Wenn Du es schaffst, direkt nach der Ausbildung einen monatlichen Honorarumsatz von 50kEUR zu erwirtschaften, dann Hut ab!
Das ist aber selbst in einer gut eingeführten Kanzlei, die Dich mit Arbeit zuschmeisst, nicht realistisch (auch dann nicht, wenn man die Formalhonorare hinzunimmt) - geschweige denn in der eigenen Klitsche zu Hause. Wie schon von anderen angeführt: Wo sollen die Mandanten herkommen, die diesen Umsatz ermöglichen? Da bist Du mit einem Zehntel der genannten Summe wahrscheinlich schon gut dabei ...
 

Rex

*** KT-HERO ***
Ich kenne PAs, die sich selbständig gemacht haben. Dies ist extrem schwierig. Eigene Mandanten kommen praktisch keine. Wenn man Glück hat, kann man sich mit Kollegenarbeit über Wasser halten. Was man dann verdient, wird dann aber von Fixkosten (zuzüglich aktuelle Literatur usw.) aufgefressen. Eigene Büroräume und Fachkräfte kann man davon nicht bezahlen bzw es würde sich nicht lohnen. Also bleibt nur das Büro in der Wohnung, was aber wiederum Mandanten abschreckt, die allerdings sowieso nicht kommen.
 

Student

GOLD - Mitglied
Okay, man kann sich bei einem Anstellungsverhältnis freilich zunächst einmal "ins gemachte Bett legen", was die Arbeitsbeschaffung betrifft.


Das gelbe U schrieb:
von selbst kommt in den ersten 5-10 Jahren jedenfalls keiner. Aber auch bestehende Kanzleien sind oft permanent auf Aquise.
Das wiederrum hört sich schon hart an. Finden neue Mandanten demzufolge i.d.R. nur "auf Empfehlung" zu einem Patentanwalt, wodurch Unbekannte Dank Teufelskreis aussen vor bleiben?

Wie sieht solch eine Aquise bspw. aus? Auf Messen sich ausstellenden Unternehmen selbst empfehlen? ... "Kostenlose Erfinderberatung bei der IHK" - oder ist das nicht der Personenkreis, der einem das langfristige Überleben sichert?
 

Rex

*** KT-HERO ***
Student schrieb:
Wie sieht solch eine Aquise bspw. aus? Auf Messen sich ausstellenden Unternehmen selbst empfehlen? ... "Kostenlose Erfinderberatung bei der IHK" - oder ist das nicht der Personenkreis, der einem das langfristige Überleben sichert?
Nein, da gehen Erfinder hin, die kein Geld haben. Aquise macht jeder anders, z.B. Termine bei der Geschäftsleitung vereinbaren und sich anbieten; in Clubs eintreten, wo man Mandanten vermutet (Tennisclub, Lions Club und dergleichen), aber das ist oft ineffizient, weil Mandanten den PA nur wechseln, wenn sie unzufrieden sind.
Von daher ist es schwierig. Ich kenne einige PAs, die ziemlich unzufrieden sind.
 

grond

*** KT-HERO ***
Wenn man sich selbständig macht, ist man für wirklich alles direkt verantwortlich. Ich jedenfalls bin sehr froh, erfahrene Anwälte und Fachangestellte um mich herum zu haben, denn ich würde zweifellos tausende kleiner und großer Fehler machen, wenn ich diese Unterstützung nicht hätte, was sofort ein Haftungsrisiko bedeutet.

Auch habe ich in der Kanzlei einen stetigen Auftragseingang, so dass ich von meiner Beteiligung gut lebe. Es ist eben wie im Finanzgeschäft: hohe Margen bekommt man nicht ohne höheres Risiko.

Ich kenne einen äußerst tüchtigen jungen PA, der sich nach einigen Jahren freier Mitarbeit selbständig gemacht hat. Er hat mit seiner Kanzlei weniger Jahresumsatz als ich im ersten Jahr als freier Mitarbeiter Umsatzbeteiligung hatte, obwohl er zweifellos härter und effektiver arbeitet. Eines Tages wird sich das vermutlich umkehren, er verdient besser und muss vielleicht in ferner Zukunft auch mal weniger arbeiten als ich, nämlich dann, wenn er ein paar freie Mitarbeiter beschäftigen kann. Das gönne ich ihm dann aber auch von Herzen!

Ich bin nicht der Typ, der sich jeden Tag um alles und jedes kümmern möchte, mir reicht schon der normale Fristendruck der Akten. Andere sind da genau anders, die ziehen gerade daraus ihre Kraft.

Was das Thema Akquise angeht: man wird viele Klinken putzen müssen, wenn einem nicht gerade schon ein paar zufriedene Mandanten von der ehemaligen Kanzlei von sich aus folgen (alles andere dürfte Probleme mit der alten Kanzlei bringen, die man lieber vermeiden sollte). Kollegenarbeit dürfte es für die gefragteren Fachrichtungen immer geben, damit ist man aber auch nicht besser gestellt als mit freier Mitarbeit in einer Kanzlei. Viele großen Konzerne geben die meiste Aktenarbeit raus und sicherlich wird es möglich sein, davon etwas abzubekommen. Die probieren je nach Gemüt der Verantwortlichen auch mal was Neues aus und wissen, dass sich der Neuling für sie überschlagen und eher niedriger abrechnen wird. Aber dennoch wird auch das dauern, da man nicht überall so einfach zu den richtigen Ansprechpersonen durchkommen kann.
 

corvinus

SILBER - Mitglied
Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich vielleicht auch etwas beitragen (0 Mandate am Anfang, mit Frau und zwei Kinder in einer 3 Zi Wohung, die gleichzeitig Kanzlei war, kein Vermögen, falscher familiärer background): zum einen braucht man Glück (hart arbeiten sowieso, das können aber viele) und eine gewisee Penetranz bei der Kaltakquise (per Telefon, es würde wahrscheinlich helfen, wenn man während des Studiums als Staubsaugervertreter oder Teppichverkäufer garbeitet hätte, Fachwissen kann man zur Not von Sicherheit suchenden Kollegen einkufen, unternehmerische Fähigkeiten nicht). Geeignete Adresse kann man zB von Hoppenstedt erwerben (50 ct pro Adresse), praktischerweise in Form von excel Dateien, die man auf Adressaufkleber bappen kann...

Um es auf den Punkt zu bringen: nur "gut arbeiten" und irgendeine abgefahrene T Entscheidung kennen, reicht für eine erfolgreiche Kanzleigründung garantiert nicht.


Ach ja, es dauert wirklich 3-5 Jahre bis sich die Einkommenssituation bei Start von Null dem eines Sachbearbeiters in der Industrie angleicht.
 

patenanwalt

GOLD - Mitglied
Ich bewundere Corvinus und möchte gleichzeitig fragen, wie so eine Kaltaquise abläuft. Wie kann ein potentieller Mandant dazu bewegt werden, mein Wohnzimmerbüro mit Aufträgen (bitte keine perpetuum mobile, VKH, etc.) zu überschütten?

Was genau soll man den Leuten bzw. der Empfangsdame am Telefon sagen, ohne dass die sich veralbert vorkommen?
 

corvinus

SILBER - Mitglied
Lieber Patentanwalt,

es hilft wenn man gerne beim -potentiellen- Mandanten "zufaellig" vorbeikommt, weil man eh grad fuer eine anderen Mandanten in der Gegend ist, bloss nicht zu einer Besprechung in die Wohnung einladen (herumliegenden Legosteine und schreiende Kinder sind fuer Mandanten ein no-go), und die Sekretaerin , nun irgendetwas faellt einem immer ein.... nett ueber das Wetter und ihren schwierigen Job plaudern hilft meistens

Gruesse
 
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