PAP (M) Ergänzung zum mündlichen Protokoll 11.07.13 - erwartete aktuelle Fragen

AachenerKreuz

GOLD - Mitglied
Ich hätte Gift darauf genommen, dass das reale Prüfungsprotokoll sich in großen Teilen mit der folgenden im Vorhinein aufgestellten Vermutung deckt - als Test, ob man es vor lauter Klausuren-Üben vielleicht versäumt hat, aktuell zu bleiben. Aber weder AIA noch Vergütung noch das einheitliche Patent kamen dran.

US-Recht
Warum ist der 16.03.2013 ein wichtiges Datum?
Da ist die letzte Stufe des „America Invents Act“ in Kraft getreten.

Was hat sich dort genau geändert?
Die Bestimmungen, was als Stand der Technik anzusehen ist. Man ist von einem „first to invent“-Prinzip zum „first inventor to file“-Prinzip übergegangen.

Was war „first to invent“?
Wenn einem ein Dokument mit einem bestimmten Datum entgegengehalten wurde, hatte man die Möglichkeit, zu belegen, dass man den Erfindungsbesitz schon vor diesem Datum hatte. Man konnte damit auch gegenüber einem anderen Anmelder, der zuerst beim Patentamt war, durch das „interference“-Verfahren das Recht auf das Patent geltend machen.

Und was ist jetzt der Unterschied zwischen „first to file“ wie fast überall in der Welt und „first inventor to file“?
Dass es nach wie vor eine Neuheitsschonfrist gibt.

Hat sich bei der Neuheitsschonfrist auch etwas geändert?
Ja, die gilt nur noch für Offenbarungen, die entweder vom Erfinder selbst gemacht wurden oder auf ihn zurückgehen, nicht mehr für Offenbarungen von beliebigen Dritten.

Was ist das „effektive Anmeldedatum“, das jetzt über die Patentierbarkeit entscheidet?
Entweder das tatsächliche Anmeldedatum oder das früheste Prioritätsdatum.

Wie war der Stand der Technik bisher definiert?
Einige Typen von Stand der Technik über das Anmeldedatum in den USA (bzw. Datum der PCT-Anmeldung), einige über das Erfindungsdatum.

Was war die Hilmer-Doktrin?
Nach dem alten Recht konnte die Auslandspriorität einer US-Anmeldung nicht als maßgebliches Datum herangezogen werden, das sie zum SdT in den USA machte.

Welche Folgen hat die Abschaffung der Hilmer-Doktrin?
Es macht für ausländische Anmelder keinen Sinn mehr, zeitgleich mit der ausländischen Prioritätsanmeldung eine US-Provisional-Anmeldung einzureichen.

Was ist der Hauptunterschied zwischen den USA und Europa, was die Wirkung einer nachveröffentlichten älteren Anmeldung angeht?
Ältere Rechte sind nicht nur für Neuheit, sondern auch für erfinderische Tätigkeit relevant.

Welche nachveröffentlichten Anmeldungen sind vom SdT ausdrücklich ausgenommen?
Solche, die auch dem Anmelder der gerade geprüften Anmeldung gehörten oder für die eine Verpflichtung bestand, sie auf diesen zu übertragen (wichtig bei Arbeitnehmererfindungen).

Wodurch wird der Kreis der nachveröffentlichten Anmeldungen, die als SdT gelten, erweitert?
Es zählen auch Anmeldungen, die nicht in englischer Sprache veröffentlicht wurden.

Und welche Besonderheit gibt es noch für PCT-Anmeldungen?
Die Veröffentlichung einer PCT-Anmeldung mit Bestimmung USA reicht aus, es ist nicht erforderlich, dass die nationale Phase USA tatsächlich eingeleitet wird.

Welches aus dem deutschen und europäischen Recht hat das neue US-Recht noch übernommen?
Post-grant review, ähnlich EP-Einspruch bis 9 Monate nach Erteilung

Was ist der Hauptunterschied zur früheren inter-partes reexamination?
Kann auf jeden Hinderungsgrund für Patentierung mit Ausnahme von „best mode“ gestützt werden, also nicht nur auf alle Arten von SdT, sondern auch auf mangelnde Stützung durch die Beschreibung etc.

Wer kann den Antrag auf post-grant review stellen?
Jeder, der nicht der Patentinhaber ist und noch keine Zivilklage auf Nichtigkeit eingereicht hat. Widerklage läuft parallel.

Was ist der Nachteil von post-grant review und inter-partes review?
Die Verfahren sind astronomisch teuer (5-stellig).

Welchen Nachteil kann das neue Recht sonst für den Anmelder haben?
Einige Typen von Stand der Technik, wie etwa offenkundige Vorbenutzung, waren früher nur dann SdT, wenn sie in den USA geschahen. Jetzt kann eine derartige Benutzung überall auf de Welt SdT sein.

Welches neue Verfahren wird durch das neue Recht geschaffen?
Einspruchsähnliches „Post-Grant Review“ (PGR) Verfahren nach Erteilung vor dem USPTO Patent Trial and Appeal Board.

Wonach entscheidet sich, ob die Anmeldung nach altem oder neuem Recht behandelt wird?
Wenn sie einen Anspruch enthält oder einmal enthalten hat, der ein effektives Anmeldedatum ab 16.03.2013 hat, oder von einer solchen Anmeldung abgeleitet ist, gilt das neue Recht.

Wie kann man ungewollt in das neue Recht rutschen?
Wenn der Gegenstand der Ansprüche nicht ausreichend durch die Beschreibung gestützt wird (Verstoß gegen § 112) und deshalb der Prioritätsanspruch ungültig ist.

Wie kann man bei einer älteren Anmeldung erzwingen, dass sie nach dem neuen Recht behandelt wird?
Continuation-in-part einreichen mit einem Anspruch, der durch die ursprüngliche Offenbarung nicht gestützt ist. Dieser Anspruch hat dann effektiven Anmeldetag heute und damit ist die CIP ein für allemal nach neuem Recht zu behandeln.

Was war noch ein wichtiges Datum?
16.09.2012

Was hat sich da geändert?
• Einwendungen Dritter sind zwischen Veröffentlichung und Beginn der Prüfung möglich
• Erfinder muss nicht mehr unbedingt Anmelder sein, auch Arbeitgeber kann Anmelder sein
• Post-grant review vorab für einige Patentklassen eingeführt (voll ab 16.03.2013). Nach den
9 Monaten „inter partes review“ beschränkt auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit.
• Board of Patent Appeals and Interferences heißt jetzt Patent Trial and Appeal Board.
Einige Entscheidungen können vor dem Court of Appeals for the Federal Circuit überprüft warden.

Berufsrecht
Wonach bestimmt sich die Vergütung des Patentanwalts, wenn es keine diesbezügliche Vereinbarung gibt?
Es wird nach § 612 (2) BGB die übliche, d.h. angemessene, Vergütung geschuldet.

Wer bestimmt, welche Vergütung angemessen ist?
Sie wird zunächst vom Anwalt nach § 316 BGB festgesetzt, das ist aber nach § 315 BGB nur verbindlich, wenn es der Billigkeit entspricht.

Was kann als Anhaltspunkt für die Festsetzung einer angemessenen Vergütung verwendet werden?
Die Patentanwaltsgebührenordnung von 1968 mit pauschalen Teuerungszuschlägen je nach Zeitpunkt der Auftragserteilung.

Warum gibt es keine Neufassung davon?
Daran hat sich die Patentanwaltskammer aus kartellrechtlichen Gründen gehindert gesehen.

Wie hoch ist der Teuerungszuschlag für Aufträge ab 2002?
340 %

Und ab 2008?
400 %

Wie kommt man nach der Gebührenordnung auf Zeitvergütungen?
Stundensätze stehen nicht explizit drin, sind aber zulässig auf Grund der Bearbeitungshonorare, die neben den Grundhonoraren anzusetzen sind und die Bearbeitung einer Sache nach der Mühewaltung abgelten.

Hausnummern für Stundensätze?
Im westlichen Bundesgebiet: mindestens 240 €, maximal 500-600 €.

Um wie viel kann die nach der PatAnwGebO berechnete Vergütung überschritten werden, bevor die Überschreitung erheblich ist und unbillig sein kann?
Etwa 20 %.

Wo muss man seine Vergütung einklagen, wenn der Mandant nicht zahlt?
Amts- oder Landgericht, je nach Streitwert.

Nach § 143 PatG sind aber doch für alle Patentstreitsachen die LG ausschließlich zuständig?!
Aber wenn für die Prüfung, ob die Honorarforderung berechtigt ist, das Verständnis der Erfindung keine Rolle spielt, ist es keine Patentstreitsache. BGH „Patentstreitsache II“: Es
handelt sich nicht schon deswegen um eine Patentstreitsache, weil Gegenstand des Auftrags ein Patent oder eine Patentanmeldung war.

Einheitliches Patent
Welche europäischen Patente können eine einheitliche Wirkung bekommen?
Alle, die nach dem Geltungsbeginn der Verordnung erteilt werden.

Ab wann gilt die Verordnung?
01.01.2014 oder Inkrafttreten des Übereinkommens über das einheitliche Patentgericht.

Welche Voraussetzung muss das Patent noch erfüllen?
Es muss für alle Mitgliedsstaaten mit den gleichen Ansprüchen erteilt worden sein.

Was kann ein Nachteil der einheitlichen Wirkung sein?
Man kann das Länderspektrum nicht mehr peu à peu ausdünnen; außerdem kann durch ein älteres Recht aus einem der Mitgliedsstaaten das Patent komplett zu Fall gebracht werden.

Kann man das gleiche Patent sowohl als einheitliches Patent als auch als bisheriges Bündelpatent validieren?
Nein, Art. 4 (2) der VO.

Welcher aus ständiger Rechtsprechung bekannte Grundsatz betreffend die Wirkung des Patents steht explizit in der VO?
Der Erschöpfungsgrundsatz, Art. 6 der VO.

Was ändert sich bezüglich Verfügungen über das Patent als Ganzes gegenüber einem bisherigen europäischen Patent?
Es gilt nicht mehr für jeden Teil das Recht des jeweiligen Landes, sondern nach Art. 7 der VO für das Patent als Ganzes das Recht des Landes, wo der Anmelder zum Anmeldezeitpunkt Sitz oder Wohnsitz oder eine Niederlassung hatte. Fehlt es daran, gilt standardmäßig Deutschland als Sitz der Europäischen Patenorganisation – ohne Wahlmöglichkeit!

Was ändert sich bezüglich der Jahresgebühren?
Sie sind zentral ans EPA zu zahlen.

Was hat es noch für tiefgreifendere Folgen, wenn aus einem EPÜ-Patent ein einheitliches Patent wird?
Da die entsprechenden Verordnungen unmittelbar anwendbares Recht sind, hat bei einem Widerspruch zwischen den verschiedenen Rechtsquellen das Unionsrecht den Anwendungsvorrang. Das Recht ist im Zweifel auch unionsrechtlich auszulegen, d.h. die Rechtsprechung des EuGH ist anwendbar.

Beispiel dafür?
Rechtsprechung des EuGH zur Erschöpfung von Schutzrechten oder auch die „Brüstle“- Entscheidung zur Patentierbarkeit von Stammzellen (Auslegung der Biotechnologie-RL)

Wie kann man bei den Jahresgebühren sparen?
Durch die Lizenzbereitschaftserklärung nach Art. 8 (1) der VO.

Warum hat man die Regelungen zum einheitlichen Patent und die Übersetzungsregelungen in separate Verordnungen gepackt?
Weil für letztere nach Art. 118 (2) S. 2 AEUV Einstimmigkeit nötig war.

Was für Übersetzungserfordernisse muss man erfüllen, wenn man den einheitlichen Schutz haben will?
Endziel: Art. 3 VO 1260/2012: keine, es sei denn, im Rahmen eines Rechtsstreits, Art. 4. Übergangsweise, bis Maschinenübersetzungen in alle EU-Amtssprachen verfügbar (maximal 12 Jahre), Englisch (bzw. eine andere EU-Amtssprache), Art. 6.

Wann tritt das Übereinkommen über das einheitliche Patentgericht in Kraft?
Wenn es mindestens 13 Vertragsstaaten, darunter DE, FR und GB, ratifiziert haben.

Warum ist das ein Übereinkommen und nicht ebenfalls eine Verordnung?
Weil eine Verordnung nicht durch das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung gedeckt wäre.

Was hat das für Folgen?
Das einheitliche Patentgericht ist kein Gericht der Union, es kann also im Zweifel verpflichtet sein, Vorabentscheidungen nach Art. 267 AEUV herbeizuführen.

Wo sitzt das einheitliche Patentgericht erster Instanz?
Zentralkammer in Paris, mit Abteilungen in London und München.

Wie sind die Kammern besetzt?
Regelfall: 2 rechtlich qualifizierte und 1 technisch qualifizierter Richter. Parteien können Einzelrichter vereinbaren.

Wo sitzt die Berufungsinstanz?
Luxemburg.

Wie ist es besetzt?
3 rechtlich qualifizierte und 2 technisch qualifizierte Richter.

Wo ist im System des einheitlichen Patents geregelt, welche Rechte das Patent mit einheitlicher Wirkung gewährt?
Art. 25-30 des Übereinkommens über das einheitliche Patentgericht

Kann man der Zuständigkeit des einheitlichen Patentgerichts entgehen?
Ja („opt-out“), während der Übergangszeit (7 Jahre ab Inkrafttreten) kann man, sofern vor dem Gericht noch kein Verfahren in der Sache anhängig gemacht wurde, die Zuständigkeit ausschließen, und zwar sowohl für erteilte Patente als auch für noch anhängige Anmeldungen, Art. 83 (3) des Übereinkommens.

Kann man das wieder rückgängig machen?
Ja („opt-in“), Art. 83 (4) des Übereinkommens, sofern noch keine Klage vor nationalem Gericht erhoben.

Wo muss man opt-out und opt-in jeweils einreichen?
Bei der Kanzlei, entweder am Berufungsgericht in Luxemburg oder bei einer Nebenstelle an einem Gericht erster Instanz.
 
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