PAP (w) Lösungsvorschlag wissenschaftliche Prüfungsaufgabe 2002 II 03.06.2002

AachenerKreuz

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Teil 1

Widerspruch

Die Markenabteilung könnte dem Widerspruch stattgeben und die Marke der Bayer AG löschen. Dazu müsste der Widerspruch zulässig und begründet sein.

Der Widerspruch wurde durch den seinerzeitigen Inhaber der Marke INNOVA eingelegt, dem somit die Befugnis für den Widerspruch zustand. Weitere Zulässigkeitsprobleme sind nicht ersichtlich.

Der Widerspruch ist nach § 42 (2) Nr. 1 MarkenG begründet, wenn die Marke AUTAN-INNOVA wegen der prioritätsälteren Marke INNOVA nach § 9 MarkenG gelöscht werden kann.

Die Marken sind nicht identisch. Damit kann die Löschung nicht auf Grund von § 9 (1) Nr. 1 MarkenG erfolgen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass es sich bei der Widerspruchsmarke um eine im Inland bekannte Marke handelt. Damit ist auch eine Löschung auf Grund von § 9 (1) Nr. 3 MarkenG nicht möglich.

Die Löschung könnte jedoch durch § 9 (1) Nr. 2 MarkenG begründet sein. Das wäre dann der Fall, wenn Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Marken besteht. Diese liegt dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die mit den beiden Marken gekennzeichneten Waren von demselben oder von verbundenen Unternehmen stammen. Sie ist zu beurteilen in einer zusammenfassenden Würdigung der Faktoren

  • Warenähnlichkeit
  • Kennzeichnungskraft und
  • Zeichenähnlichkeit.
Eine normale Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist anzunehmen, wenn sie sich uneingeschränkt zur Unterscheidung der Waren eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen eignet, jedoch bislang am Markt nicht in größerem Umfang in Erscheinung getreten ist. Handelt es sich dagegen um eine schutzunfähige Angabe bzw. ist die Widerspruchsmarke an eine solche angelehnt, schwächt dies deren Kennzeichnungskraft. Die Kennzeichnungskraft als die Fähigkeit, sich beim Publikum als Marke einzuprägen, entscheidet darüber, wieviel Abstand die Widerspruchsmarke von prioritätsjüngeren Marken fordern kann.

„INNOVA“ ist die Kurzform von „innovativ“. In der Widerspruchsmarke steckt somit als Sinngehalt, dass das damit gekennzeichnete Produkt neu und/oder verbessert ist. Dies ist jedoch eine Eigenschaft des Produkts selbst und somit ein beschreibender Sinngehalt im Sinne von § 8 (2) Nr. 2 MarkenG. Indem dieser außerdem aus Sicht des Verkehrs im Vordergrund steht, nimmt der Verkehr „INNOVA“ zudem nur im Sinne von „innovativ“ wahr und nicht als Herkunftshinweis. Damit ist „INNOVA“ auch nicht unterscheidungskräftig im Sinne von § 8 (2) Nr. 1 MarkenG. Die Beschreibungseignung und die fehlende Unterscheidungskraft haben für alle in Rede stehenden Waren Gültigkeit; signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Waren sind nicht ersichtlich.

Obwohl „INNOVA“ somit schutzunfähig ist, ist die Markenabteilung an die Eintragung gebunden, kann also den Widerspruch nicht von vornherein zurückweisen. Die Schutzunfähigkeit schwächt jedoch die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke erheblich, so dass ihr Schutzumfang auf das Minimum zu beschränken ist, das ihrer Eigenprägung zukommt.

Es ist nun zu prüfen, inwieweit die Ware „Insektenabwehrmittel“, für die die angegriffene Marke eingetragen ist, Ähnlichkeit zu den Waren hat, für die die Widerspruchsmarke eingetragen ist.

Insektenabwehrmittel sind Mittel, die Insekten nicht mögen, so dass sie sich entfernen, um der Einwirkung bzw. Wahrnehmung des Mittels zu entgehen. Insektenvernichtungsmittel verleiten dagegen Insekten zu ihrem Konsum bzw. Kontakt, um sie anschließend zu töten. Dieser andere Wirkmechanismus bewirkt zudem, dass Letztere wesentlich toxischer sind und auch anders gehandhabt werden müssen; sie sind in der Regel absolut ungeeignet zum Auftragen auf die Haut. Damit sind Insektenabwehrmittel nicht ähnlich zu Insektenvernichtungsmitteln.

Insektenabwehrmittel dienen nicht direkt der kurativen oder präventiven Behandlung des menschlichen Körpers (Heilung bzw. Schutz vor Krankheiten) und sind somit nicht im engeren Sinne pharmazeutisch. Sie werden jedoch auf die gleiche Weise angewendet wie pharmazeutische Mittel zur äußerlichen Anwendung. Sie werden auch zusammen mit Arzneien in Apotheken und Drogerien vertrieben, und es ist für Verbraucher insbesondere bei Tropenreisen normal, beide Produkte zusammen zu kaufen und zu benutzen (etwa, um durch Kombination aus Isnektenabwehr und medikamentöser Malariaprophylaxe einen möglichst weitreichenden mehrschichtigen Schutz gegen diese Erkrankung aufzubauen). Somit sind Insektenabwehrmittel in hohem Maße ähnlich zu pharmazeutischen Produkten.

Eine analoge Argumentation gilt auch für Trekking-Bekleidungsstücke. Indem Trekking jedoch auch in vielen Gebieten ohne Insektenplage betrieben wird und man die Bekleidung typischerweise nicht im gleichen Geschäft erwerben kann wie Insektenabwehrmittel, ist allenfalls von einer mittleren Ähnlichkeit auszugehen.

Eine zur Verwechslungsgefahr führende Zeichenähnlichkeit könnte gegeben sein, wenn „INNOVA“ den Gesamteindruck der Marke „AUTAN-INNOVA“ prägt. Dazu müsste „AUTAN“ hinter “INNOVA“ deutlich zurücktreten. „AUTAN“ ist jedoch allgemein als das Insektenabwehrmittel bekannt, so dass dieser Bestandteil keinesfalls weniger wichtig ist als „INNOVA“. Damit prägt „INNOVA“ den Gesamteindruck von „AUTAN-INNOVA“ nicht.

Eine zur Verwechslungsgefahr führende Zeichenähnlichkeit kann nun noch ausnahmsweise bestehen, wenn „INNOVA“ innerhalb von „AUTAN-INNOVA“ eine selbständig kennzeichnende Stellung behält. Hierzu hat die Rechtsprechung drei Fallgruppen anerkannt: der übernommene Bestandteil wurde

  • mit einem erkennbaren Unternehmenskennzeichen kombiniert („Thomson Life“), hier: (-)
  • mit einem erkennbaren Element einer Markenserie kombiniert („Offroad“), hier: (-), oder
  • weist eine gesteigerte Kennzeichnungskraft auf („Malteserkreuz“). Wie zuvor festgestellt wurde, weist dieser Bestandteil aber gerade eine sehr geringe Kennzeichnungskraft auf.
Damit ist eine zur Verwechslungsgefahr führende Zeichenähnlichkeit nicht gegeben. Dies kann angesichts der schwachen Kennzeichnungskraft auch nicht durch die hohe Ähnlichkeit von Insektenabwehrmitteln zu pharmazeutischen Produkten ausgeglichen werden.

Damit ist keine VG der beiden Marken gegeben.

Damit ist der Widerspruch unbegründet und wird zurückgewiesen.

Löschungsantrag

Die Markenabteilung könnte die Marke nach § 50 (1) i.V.m. § 8 (2) Nr. 10 löschen, wenn der Antrag er Bayer AG zulässig und begründet ist.

Der Antrag ist ein Popularrechtsbehelf, steht also auch der Bayer AG zu. Weitere Zulässigkeitsprobleme sind nicht ersichtlich.

Der Antrag ist begründet, wenn die Marke „INNOVA“ bösgläubig angemeldet worden ist. Dies ist ein subjektiver Tatbestand; die Anmeldung muss erkennbar das Ziel haben, nicht als Herkunftshinweis zu dienen, sondern nur, Dritte von der Benutzung der Marke auszuschließen. Dabei handelt der Markeninhaber nicht schon deshalb bösgläubig, weil er aus den Fachzeitschriften weiß, dass die Bayer AG das Kennzeichen „AUTAN-INNOVA“ benutzt, ohne zuvor hierfür eine Marke erworben zu haben. Es müssen nennenswerte Umstände hinzutreten, die den erlangten Markenschutz als bösgläubig erscheinen lassen.

Solche Umstände könnten darin begründet liegen, dass Herr Maier eine große Zahl von Marken aus verschiedenesten Sparten, jedoch keinen eigenen Geschäftsbetrieb besitzt. Nach dem alten WZG konnten Warenzeichen nur von Unternehmen angemeldet werden, die einen zu den Waren passenden Geschäftsbetrieb unterhielten. Um dem Anmelder die Möglichkeit zu geben, zuerst den Markenschutz zu sichern und anschließend Verwertungsmöglichkeiten zu schaffen, wurde dieses Erfordernis aufgegeben und auch eine Benutzungsschonfrist eingeführt. Es gilt jedoch nach wie vor der Grundsatz „dolo petit“: wer eine Rechtsstellung begehrt, die er gleich wieder zurückgeben müsste, handelt bösgläubig und hat kein Rechtsschutzinteresse. Im vorliegenden Fall besagt dieser Grundsatz: Wenn der Markeninhaber erkennbar nicht vorhat, die Marke jemals zu benutzen, und sie also von vornherein dem Verfall geweiht ist, dann hat Herr Maier auch kein Recht, Schutz für die Marke zu begehren. Genau dies scheint Herr Maier aber mit System zu tun. Damit ist die Anmeldung der Marke „INNOVA“ bösgläubig.

Der Löschung könnte nun noch entgegenstehen, dass die Marke zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits nicht mehr Herrn Maier gehört. § 50 (2) S. 1 MarkenG verlangt jedoch gerade für eine Löschung wegen Bösgläubigkeit nicht, dass dieser Löschungsgrund auch zum Zeitpunkt der Entscheidung noch besteht. Auf die persönlichen Verhältnisse des Herrn Schulze kommt es damit nicht an.

Damit ist der Löschungsantrag begründet und die Marke zu löschen.

Abwandlung

Ziel der Bayer AG sollte es sein, das Unterlassungsurteil vollumfänglich zu beseitigen. Dies könnte im Wege der Restitutionsklage nach § 580 Nr. 6 ZPO geschehen. Nach der Rechtsprechung ist der Akt der Schutzrechtserteilung einem Urteil gemäß dieser Norm gleichgestellt; fällt dieser Akt weg, wäre das darauf gegründete Unterlassungsurteil aufzuheben.


Herr Schulze verfolgt mit seinem sofortigen Verzicht nun das Ziel, zu verhindern, dass es im Sinne von § 580 Nr. 6 ZPO zu einem rechtskräftigen Urteil kommt, das die Marke „INNOVA“ beseitigt. Würde sich die Bayer AG dieser einseitigen Erledigungserklärung anschließen, so wäre das Verfahren damit in der Hauptsache beendet. Das BPatG hätte dann nur noch über die Kosten zu entscheiden. Die Bayer AG könnte die Bezeichnung „AUTAN-INNOVA“ dann zwar vorerst wieder benutzen, das Unterlassungsurteil bliebe aber weiter bestehen. Gelänge es Schulze, durch eine spätere Neuanmeldung der Marke „INNOVA“ erneut Markenschutz zu erlangen – eine Marke muss nicht neu sein! –, könnte er erneut aus dem Unterlassungsurteil vorgehen.


Die Bayer AG kann nicht verhindern, dass Schulze einseitig auf die Marke verzichtet. Sie sollte jedoch der damit verbundenen Erledigungserklärung durch Schulze widersprechen und eine Sachentscheidung bezüglich der Löschung wegen Bösgläubigkeit fordern, damit es zum rechtskräftigen Urteil kommt und die Restitutionsklage Aussicht auf Erfolg hat.

Teil 2

Frage 3

Die Möglichkeit des Einspruchs ist eine Kompensation für das Problem, dass mit der Erteilung des Patents dem Patentinhaber möglichst abschließend und rechtssicher das begehrte Monopol zugesprochen werden soll, auf der anderen Seite dem DPMA jedoch nicht alle Tatsachen bekannt sein können, auf Grund derer die Erteilung möglicherweise nicht gerechtfertigt ist. Das betrifft insbesondere Stand der Technik, der dem DPMA im Erteilungsverfahren nicht zugänglich ist – wie etwa mündliche Offenbarungen oder offenkundige Vorbenutzungen –, sowie den Einspruchsgrund der widerrechtlichen Entnahme, die ebenfalls nicht notwendigerweise publik wird..

Zwar kann die Allgemeinheit solche Tatsachen im Wege der Nichtigkeitsklage geltend machen. Wäre ein Dritter jedoch hierauf verwiesen, würde auf ihn das Risiko abgewälzt, nach § 84 (2) PatG i.V.m. § 91 (1) ZPO im Falle eines Unterliegens mit den Prozesskosten belastet zu werden. Für wirtschaftlich schwächere Kläger wäre dies eine hohe Hürde, wenn der Patentinhaber wirtschaftlich wesentlich stärker und der Streitwert sehr hoch ist. Die Streitwertbegünstigugn nach § 144 (1) PatG, die an eine erhebliche Gefährdung der wirtschaftlichen Lage gekoppelt ist, ist hierfür nur ein eingeschränkter Ausgleich.

Daher ist das Einspruchsverfahren als der Patenterteilung nachgeschaltetes Verwaltungsverfahren vorgesehen. Es bietet der Allgemeinheit als Popularrechtsbehelf befristet die Möglichkeit, Einwände gegen die Rechtmäßigkeit der Erteilung vorzubringen, bevor sie sich in das Monopol fügen muss. Indem im Regelfall – von den Ausnahmen gemäß § 62 PatG abgesehen – im Einspruchsverfahren jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt, ist das Risiko für den Einsprechenden überschaubarer.

Das Verwaltungsverfahren ist auf den Erlass eines Verwaltungsaktes, nämlich des begehrten Beschlusses der Patentabteilung, gerichtet und wird durch den Antrag des Einsprechenden in Gang gesetzt. Der Patentinhaber ist nicht Partei, wohl aber Verfahrensbeteiligter: Indem der begehrte Verwaltungsakt in sein subjektives Recht (das Patent) eingreift, muss ihm nach allgemeinen Grundsätzen das rechtliche Gehör gewährt werden.

Die Einsprechendenstellung ist ein subjektives öffentliches Recht, das nicht frei übertragbar ist.

Frage 4

Indem das Einspruchsverfahren eine Überprüfung der im Erteilungsverfahren gefällten Entscheidung ermöglicht, gilt auch hier der Amtsermittlungsgrundsatz. Das DPMA kann auch andere als die vom Einsprechenden geltend gemachten Einspruchsgründe prüfen. Erst im Beschwerdeverfahren ist die Berücksichtigung neuer Widerrufsgründe ausgeschlossen („Aluminium-Trihydroxid“). Der Amtsermittlungsgrundsatz hat im Einspruchsverfahren einen so hohen Stellenwert, dass zu seinen Gunsten sogar die Dispositionsmaxime eingeschränkt ist: nach § 61 (1) S. 2 PatG kann das Verfahren von Amts wegen ohne den Einsprechenden fortgesetzt werden, wenn der Einspruch zurückgenommen wird.

Frage 1

Indem der Amtsermittlungsgrundsatz greift, gibt es – anders als im kontradiktorischen Zivilverfahren – keine Zurückweisung eines Vorbringens als verspätet. Ohne die Verpflichtung zur Angabe der Tatsachen nach § 59 (1) S: 4 PatG könnte die Einspruchsfrist ausgehebelt werden, indem gegen erteilte Patente formal ein Einspruch mit dem vollen Kanon an möglichen Gründen anhängig gemacht und erst später, wenn überhaupt, Material zur Stützung nachgereicht wird. Ein solcher als Formschreiben gestaltbarer „Einspruch“ wäre ohne stützende Tatsachen auf die bloße Behauptung reduziert, dass dem Einsprechenden die Patenterteilung nicht passt. Das DPMA, das die Anmeldung gerade erst im Erteilungsverfahren geprüft hat, bekäme also nur den Handlungsauftrag, über die gerade erst geprüften Gründe, die gegen eine Patenterteilugn sprechen, neu zu entscheiden ohne Anhaltspunkt, warum die über diese Gründe getroffene Entscheidung unrichtig sein soll. Das Fehlen stützender Tatsachen ist damit gleichbedeutend mit dem völligen Fehlen einer Begründung.

Somit bezweckt § 59 (1) S. 4 PatG, die Pflicht zur Begründung dahingehend zu konkretisieren, dass der Einsprechende vorbringen muss, warum das DPMA im Erteilungsverfahren über den konkreten Widerrufsgrund (= Nichterteilungsgrund) unrichtig entschieden hat. Damit genügt die Einspruchsbegründung, wenn sie geeignet ist, dem DPMA die Überprüfung der Patenterteilung auf einem gegenüber dem Erteilungsverfahren veränderten Informationsstand zu ermöglichen, wenn sie sich also nicht in einer bloßen Wiederholung der bereits im Erteilungsverfahren geprüften Gründe erschöpft.

Dass die Tatsachen mit dem Einspruch bzw. bis zum Ablauf der Einspruchsfrist vorgebracht werden müssen, schützt zugleich dagegen, dass Informationen zunächst zurückgehalten und scheibchenweise vorgebracht werden. Hierin finden die allgemeine Prozessförderungspflicht aus dem Zivilrecht (§ 282 ZPO) bzw. die Mitwirkungspflicht der Beteiligten an einem Verwaltungsverfahren (§ 26 (2) S: 1 VwVfG) ihre Entsprechung.

Frage 2

Die Befugnis des BpatG, die Zulässigkeit des Einspruchs zu prüfen, könnte daran scheitern, dass diese Frage nicht Gegenstand des Verfahrens ist. Was Gegenstand des Verfahrens ist, bestimmt sich nach §§ 99 PatG, 529 (1) ZPO analog. Demnach fällt in der Beschwerdeinstanz der Streitstoff nur in dem Umfang an, in dem in der ersten Instanz über ihn entschieden worden ist. Entscheidung bedeutet, dass die Gründe abgewägt wurden, die für bzw. gegen die Entscheidung sprechen. Indem die Frage einer ausreichenden Begründung nicht erörtert wurde, liegt in der Bejahung der Zulässigkeit des Einspruchs durch das DPMA also keine Entscheidung über die ausreichende Begründung. Damit fällt diese Frage in der Beschwerdeinstanz nicht an.

Dem könnte entgegenstehen, dass es sich bei der Zulässigkeit des Einspruchs um das Analogon zu einer Prozessvoraussetzung handelt. Prozessvoraussetzungen sind grundsätzlich der Parteidisposition entzogen und im Interesse der Allgemeinheit von Amts wegen zu prüfen. Dies schließt die Befugnis der Rechtsmittelinstanz ein, die Prozessvoraussetzungen der ersten Instanz zu prüfen: sind diese nicht erfüllt, hat auch das Rechtsmittelverfahren keine Existenzberechtigung. Im Einspruchsbeschwerdeverfahren liegt eine analoge Situation vor, so dass diese Grundsätze des Zivilrechts kraft § 99 PatG analog anzuwenden sind.

Somit ist das BpatG in der Beschwerdeinstanz berechtigt, die Zulässigkeit des Einspruchs zu prüfen.

Frage 5

a) Für eine Bindungswirkung spricht der Grundsatz „ne ultre petita“: Dem Einsprechenden als Antragsteller kann nur dasjenige zugesprochen werden, was er beantragt hat, oder aber ein Minus, nicht jedoch ein Aliud.

Für eine Bindungswirkung spricht ebenfalls die Dispositionsmaxime, nach der der Antragsteller über den Verfahrensgegenstand im Ganzen oder teilweise verfügen kann.

b) Gegen eine Bindungswirkugn spricht, dass, wie zuvor festgestellt, die Dispositionsmaxime im Einspruchsverfahren eingeschränkt ist. Das Einspruchsverfahren dient dem Interesse der Allgemeinheit, sich nur Monopolen in Form von Patenten fügen zu müssen, wenn diese die Erfordernisse des PatG erfüllen. Stellt das DPMA im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes nun fest, dass auch der Widerruf nicht angegriffener Teile des Patents gerechtfertigt wäre, ist ihm der Widerruf jedoch versagt, ist zwar der Einsprechende hinsichtlich seines Antrags befriedigt. Die Allgemeinheit muss jedoch ein Monopol beachten, das es eigentlich nicht geben dürfte, so dass das Einspruchsverfahren seinen Zweck nicht erfüllt hat. Diesem Zweck widerspricht es, wenn die hoheitliche Aufgabe des DPMA, über die Rechtfertigung von Monopolen zu entscheiden, zur Disposition eines einzelnen Einsprechenden gestellt wird.

Zum Fall

Nach der Antwort zu Frage 2 fällt die Frage, ob der Einspruch zulässig ist, im Beschwerdeverfahren an. Wird diese Frage verneint, dann ist die Beschwerde unbegründet und wird zurückgewiesen.

Nach der Antwort zu Frage 1 liegt eine ausreichende Begründung bereits dann vor, wenn dem DPMA ein sinnvoller Anhaltspunkt für die Prüfung gegeben wird, warum der Akt der Patenterteilung unrichtig ist. Bezüglich Anspruch 1 liegt eine derartige Substantiierung vor. Damit ist das DPMA in der Lage, den Einspruch sinnvoll zu prüfen, soweit es Anspruch 1 betrifft.

Wie bereits zuvor festgestellt, ist das DPMA befugt, dem Antragsteller ein Minus des Beantragten zuzusprechen. Selbst wenn eine Bindungswirkung an den Antrag des Einsprechenden bestünde, würde eine auf Anspruch 1 beschränkte Prüfung des Einspruchs hiergegen nicht verstoßen.

Im Lichte des zu Frage 3 Festgestellten würde eine Unzulässigkeit des gesamten Einspruchs wegen ungenügender Substantiierung eines Teils dem Allgemeininteresse zuwiderlaufen: Sinn der Substantiierungspflicht ist, dem DPMA eine sinnvolle Prüfung des Einspruchs zu ermöglichen. Es ist nun normal, dass der übliche Dritte als Einsprechender gegen einige Teile des Patents mehr Material ins Feld führen kann als gegen andere. Müsste er riskieren, dass bereits eine teilweise unzulässige Substantiierung zu einer völligen Unzulässigkeit des Einspruchs führt, würde er die „Faust in der Tasche“ ballen und seinen Einspruch sicherheitshalber auf den zweifellos substantiierten Teil beschränken – zum Schaden der Allgemeinheit, die wiederum ungerechtfertigte Monopole befolgen müsste. Er könnte dies nur umgehen, indem er für verschiedene Teile des Patents mehrere Einsprüche einlegt und mehrere Einspruchsgebühren zahlt – womit weder ihm noch dem DPMA, das das zersplitterte Verfahren führen müsste, geholfen wäre.

Somit ist ein Einspruch nicht in seiner Gesamtheit unzulässig, wenn er lediglich bezüglich eines Teils des angegriffenen Patents ungenügend substantiiert ist.
 
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