Allg. Fragen einer potentiellen Kandidatin...

chrono

Schreiber
Hallo allerseits,

ich habe mich schon ein wenig durch das Forum gelesen, hätte aber dennoch einige Fragen zur Ausbildungs zum Patentanwalt. Möglicherweise wurden sie auch schon gestellt, in diesem Fall wäre ein Link super. Einen Patentanwalt habe ich schonmal ausgefragt, aber da er ein potentieller Chef sein könnte, wollte ich ihn nicht unbedingt mit allen Fragen behelligen ;)

1. Ist hier zufällig jemand, der gerade in Frankfurt/Main ausgebildet wird? Ich würde gerne mal in eine AG hineinschnuppern, einfach mal zugucken, wie das so abläuft. Leider habe ich keine Ahnung, wann oder wo die nächste stattfindet. Meint ihr, ich kann da einfach mal teilnehmen?

2.Gibt es hier jemanden, der die Ausbildung abgebrochen hat, oder es ernsthaft überlegt, sie abzubrechen? Ich würde gerne einmal die negativen Seiten/Gründe hören, von jemandem der sehr unzufrieden ist, da ich überall nur höchst euphorische Berichte finde (100% Zufriedenheit???!!!neeee...)

3.Wie kommt ihr im Amtsjahr zurecht? Ist der Wohnungsmarkt in München wirklich so scheußlich, wie man hört? Müsst ihr auf diese Art Bafög zurückgreifen, oder kommt man mit "Kollegenarbeit" gut hin? Oder werdet ihr aus eurer Kanzlei weiter mit "Arbeit und Lohn versorgt"?

4.Glaubt ihr, dass auch Leute gesucht sind, die Chemie studiert, in Pharmazie ihre Diplomarbeit gemacht haben und nun in der Medizinischen Grundlagenforschung promovieren gebraucht werden?

5.Hattet ihr schon vorher irgendwelchen Bezug zu Jura während Studium/Promotion (außer "Recht für Chemiker")?

6.Was erwartet ihr von eurem Ausbilder? Inwieweit ist man auf sich alleine gestellt?

7.Habt ihr Auslandsbezug in eurer Arbeit? War ein Auslandssemester während des Studiums Pflicht?

8.Was würdet ihr sagen ist tendenziell besser? Große Kanzlei, kleine Kanzlei, Industrie? Wofür habt ihr euch entschieden und warum?


Chrono ;)
 

Blood für PMZ

*** KT-HERO ***
Hallo chrono,

hier einige Antworten auf Deine Fragen:

Wertvoller für Dich als eine Teilnahme an einem Treffen der Arbeitsgemeinschaft wäre ein ein- oder möglichst zweiwöchiges Praktikum in einer Kanzlei. Patentabteilung geht auch, vermittelt aber einen ganz anderen Eindruck. Solche Praktika bieten viele Kanzleien an, vielleicht auch der Kollege, mit dem Du schon gesprochen hast. Als möglicher Arbeitgeber wäre er vermutlich auch bereit, ein solches (unbezahltes und unverbindliches) Praktikum für Dich zu veranstalten. Falls Dir das nicht gefällt, suche Dir ein anderes Büro, vielleicht an einem anderen Ort, etwa dort, wo Du die zwei Wochen bei Oma, ehemaligem Studienkollegen oder Cousine wohnen kannst.

Durch Deine Angaben zum Studiengang und Ort hast Du Dich aber ohnehin schon geoutet, die Kollegenschaft liest ja hier mit. Dein Gesprächspartner wird also ohnehin in einigen Tagen wissen, dass und was Du hier gefragt hast. Im Grunde kannst Du ihn jetzt auch direkt fragen.

Der Grund für viele Kanzleien, solche Praktika anzubieten, obwohl dabei nichts Sinnvolles produziert wird, liegt in der erfahrungsgemäß großen Zahl an Praktikanten, die nach einem solchen Praktikum diese zwei Wochen zwar als sehr interessant und lehrreich, aber auch die dort gesehene Tätigkeit als "nichts für mich" einstufen. Gut im allseitigen Interesse, wenn man das rechtzeitig merkt. Das spricht nicht gegen den Praktikanten und wird nicht übel genommen, im Gegenteil.

Spätestens nach einem solchen Praktikum sollten sich die Fragen 1, 2, 3, 4, 6, 7 und 8 geklärt oder jedenfalls mit Informationen unterlegt haben.

Ansonsten zu 3: Ja, ist scheußlich und bleibt auch so. Dafür gibt es den Wohnungsmarkt hier im Forum oder man schaut, ob in der Rablstraße noch was frei ist. Da gibts genug Tipps während der Kandidatenzeit.

zu 5: Viele ja, manche nein.

zu 7: ja. Auslandsaufenthalt im Lebenslauf in irgendeiner Form ist inzwischen wohl üblich, aber nicht Bedingung.

zu 8: Jeder schwört auf seine eigene Ausbildung - oder (wenn grauenhaft) empfiehlt das Gegenteil. Industriepatentabteilung: Mehr Geld, mehr Unterstützung, viel Bürokratie, meist einseitigere Ausbildung. Große Kanzlei: Große Fälle, viel Bürokratie, viele Möglichkeiten aber wenig individuelle Betreuung, gute und schlechte Ausbilder gleichen sich aus. Kleine Kanzlei: Individuellere Form der Mitarbeit - im sehr guten wie auch im sehr schlechten Sinne mit allem dazwischen; wenig Bürokratie, mehr Eigenverantwortung. Natürlich gibt es von allem auch Ausnahmen und Sonderfälle. Überlege, wozu Du Lust hast und das versuche dann zu bekommen.
 

chrono

Schreiber
Vielen Dank schon mal für die ausführliche Antwort ;)

nein geoutet habe ich mich nicht, Frankfurt ist schon der Oma-Ort. ;) Nur hab ich da demnächst ne längere Fortbildung und da hätte das recht gut gepasst. Und mit meinem Studienhintergrund gibt es noch ein paar mehr, die in jedes naturwissenschaftliche Institut mal reingeschnuppert haben. ;) alleine bei meinem jetzigen Brötchenprovider sind wir 4 in einem Jahrgang die das gemacht haben - scheint wohl nicht zu selten zu sein? Oder doch nur Ruhrpott-spezifisch?

Praktikum ist momentan nicht möglich. Mein Arbeitsvertrag erlaubt keine Praktika an anderen Arbeitsstellen, dazu müsste ich unbezahlten Urlaub nehmen (mein Chef lyncht mich) aber dann könnte ich die Miete nicht mehr zahlen...

Ah mir ist noch eine Frage eingefallen: muss ich mein Schulfranzösisch aufpolieren oder genügen als Fremdsprachen Englisch, Latein und ein bissl Chinesisch?

Und noch eine: meint ihr, es empfiehlt sich, eine Summer School in einem fachfremden Bereich zu besuchen? Vielleicht bei mir Physik, Biotechnologie, Recht oder Business... hat jemand sowas zur Vorbereitung/Weiterbildung besucht?

Ah und noch eine: was versteht man unter dem Passus, der immer wieder auftaucht, mit dem einen Jahr technischen Arbeiten nach dem Studium: meint das z.B das Thema der Promotion, dass man da biochemisch gearbeitet hat mit Pipette, Bakterien oder Mikroskop, oder wäre das eher sowas wie: "wir bekamen ein neues Gerät, ich hab es zusammengeschraubt und in Betrieb genommen und nun läuft es"?
LG Chrono
 

Blood für PMZ

*** KT-HERO ***
Ja, ich bins wieder.

Französisch? Nun ja. Ein Tipp: Du musst doch auch jetzt schon ohnehin Fachaufsätze auf Deinem Fachgebiet lesen. Üblicherweise greift man dabei doch gern mehr oder weniger geschickt an den französischen Literaturstellen vorbei, weil die englisch- und deutschsprachigen auch reichen sollten .... Einfach mal zugreifen und schauen, ob es reicht. - Ach ja, es gibt Mandanten, die französische Korrespondenz in beide Richtungen verlangen und für die umgekehrt auch sehr viel aus dem Französischen und in das Französische übersetzt werden muss, häufig Kandidatenarbeit. Kanzleien mit solcher Mandantschaft werden Dich mit nur Schulfranzösisch aber ohnehin nicht einstellen.

Summer School für fachfremden Bereich? Wie schon gesagt, im Patentwesen musst Du sehr rasch in immer wieder neue technische Fachgebiete einsteigen. Das macht ja durchaus einen erheblichen Teil des Reizes unseres Berufes aus. Aber "sehr rasch" heßt "sehr rasch", also auch schon mal "komplette Einarbeitung in völlig neues Thema in weniger als 30 Minuten". Und es dürfte weit mehr technische Fachgebiete geben, als eine Summer School abdecken kann.

Wirklich: Wichtiger wäre für Dich, wenn Du genauer wüsstest, auf was Du Dich da gerade einlassen willst. Das Patentwesen hat mit "Aufbaustudium" oder "Postdoc" oder auch einem "naturwissenschaftlichen Institut" wie in Deinem Posting erwähnt überhaupt nichts zu tun. Und da kann Dir dieses Forum wenig helfen. An dem Praxisschock kommt keiner vorbei.

Das "praktische Jahr" ist schon so häufig durchgenudelt worden, da findest Du auch hier im Forum schon überreichlich Beiträge zu. Ansonsten lass Dir von der Patentanwaltskammer die Merkblätter schicken; das solltest Du ohnehin tun.

Frohes Schaffen
Blood für PMZ
 

Das gelbe U

*** KT-HERO ***
Es gibt durchaus Leute, die das wieder hinschmeißen - klar auch, dass die hier nicht auftauchen, die wollen mit der Sippe schließlich nix mehr am Hut haben. Problem ist, dass Du nach ein, zwei Jahren nur noch schlecht hinwerfen kannst oder es sich die Leute zumindest nicht trauen. Ich kenne einige seehhr frustrierte Gestalten... Das posaunt aber niemand herum, das bekommt man im persönlichen Gespräch nach dem 3, 4 Bier ausführlicher zu hören. Meist hat das mit gelinde gesagt sozial schwierigen Partnern zu tun.

Um mal kurz die Nachteile der Arbeit selbst zusammenzufassen: Kaum Teamarbeit, 90% der Zeit Akten, Akten und nochmal Akten, kaum Kontakt zu Menschen außerhalb der Kanzlei, es gibt kein greifbares Ergebnis, 95% der "Erfindungen" hast Du in 1-2 Minuten kapiert und schlägst Dich dann stundenlang mit Formulierungskleinklein herum, es ist eine pedantische Erbsenzählerei usw usw... Zur Erläuterung noch: Mandantenkontakte sind selten, wenn man Geld verdienen möchte. In der Regel verdient man am besten Geld, wenn man still in seinem Kämmerlein Akten runterschrubbt.

Dazu kommen dann noch die Gepflogenheiten der Branche: Nette Kanzleien gibt es, sie tauchen nur selten in den Stellenanzeigen auf, denn die können ihr Personal halten. Grundsätzlich ist sich in der Branche ansonsten meist jeder selbst der Nächste. Früher war das alles kein großes Problem, Arbeit, vor allem auch gut bezahlte Kollegenarbeit, gab es an jeder Häuserecke. Heute ist das schon schwieriger, da wird bei Kollegenarbeit doch glatt mal nach der Qualität geguckt... Und preislich ist in den letzten 10 Jahren eigentlich auch nichts voran gegangen, die Kollegenarbeitssätze sind angeblich mehr oder weniger so wie vor 10 Jahren. Es wird nach wie vor extrem viel mehr Nachwuchs ausgebildet als alte Anwälte ausscheiden.

Es kann ein toller Job sein, wirklich, eigene Erfahrung. Ich empfehle Dir aber dringend, die Kanzlei gut auszusuchen - nach persönlichem Geschmack, wie Dir die Partner so gefallen. Du solltest spontan das Gefühl haben, dass man mit den Partnern ein Bier trinken gehen kann/will (oder nach was Dir so in der Freizeit ist). Lass Dich nicht blenden von Geld/tollen Versprechen/schicken Möbeln und Geschichten darüber, wie nett doch angeblich alle sind. Hör auf Deinen Bauch. Und mach ein Praktikum vorher in der Kanzlei Deiner Wahl oder hab einen Plan B im Hinterkopf.
 

arcd007

*** KT-HERO ***
Hi allerseits,

zu Deiner zweiten Frage:

Ein (ehemaliger) Kollege von mir hat die Ausbildung nach 9 Monaten hingeschmissen und ist wieder zurück in die Forschung. Gründe waren schlechte Ausbildung, jähzorniger Chef (Akten flogen abundzuin seine Richtung, er wurde angeschrieen), schlechte Büroausstattung (saß mit einer Sachbearbeiter/in in einem Büro zusammen), Job war auch generell nichts für ihn (nur Aktenarbeit, kaum Mandantenkontakte). Er ist dann zurück an die Uni, aber nicht mehr direkte Forschung, sondern eher als Projektleiter für einen Forschungsbereich...sein Wissen über Patente in den 9 Monaten hat ihm den Wunschjob beschert.

Zwei andere Kollegen merkten ebenfalls, daß der Job nichts für sie ist...waren nicht in der Lage sich in Erfindungen reinzudenken, zu verallgemeinern und/oder durchschauten im 1. jahr einfach das generelle Prinzip nicht. Sind dann in die Industrie und wieder als Entwickler bzw. Projektmanager tätig. Auch denen lag mehr das Präsentieren, die Interaktion mit anderen, insbes. im Team, nicht so sehr die einsame Arbeit mit der Akte.

zu Deiner sechsten Frage:
6.Was erwartet ihr von eurem Ausbilder? Inwieweit ist man auf sich alleine gestellt?

Man ist schon auf sich größtenteils alleine gestellt...hängt allerdings vom Ausbilder ab. Das Ganze ist als "training-on-the-job", "learning-by-doing" oder wie man das sonst grausig Neudeutsch umschreiben könnte, ausgelegt: Man orientiert sich an einer Vorlage, man versucht das Beste, der Ausbilder, gerne mit Rotstift, korrigiert und spricht mehr oder weniger ausführlich mit einem über die gemachten Fehler und dann gehts wieder von vorne los. Der iterative Prozeß kann dabei schon 5-10 Durchläufe aufweisen, je nach Dringlichkeit und/oder Laune des Ausbilders. Das Wort "Z-Korrektur" wird ebenfalls in Deinen Sprachschatz eingebracht (die Form des "Z" repräsentiert die Linienführung Deines Ausbilders beim
Durchstreichen ganzer Seiten Deiner Entwürfe).

HTH

Ciao

arcd007
 
Zuletzt bearbeitet:

Patentrezept

BRONZE - Mitglied
Man ist schon auf sich größtenteils alleine gestellt...hängt allerdings vom Ausbilder ab. Das Ganze ist als "training-on-the-job", "learning-by-doing" oder wie man das sonst grausig Neudeutsch umschreiben könnte, ausgelegt: Man orientiert sich an einer Vorlage, man versucht das Beste, der Ausbilder, gerne mit Rotstift, korrigiert und spricht mehr oder weniger ausführlich mit einem über die gemachten Fehler und dann gehts wieder von vorne los. Der interative Prozeß kann dabei schon 5-10 Durchläufe aufweisen, je nach Dringlichkeit und/oder Laune des Ausbilders. Das Wort "Z-Korrektur" wird ebenfalls in Deinen Sprachschatz eingebracht (die Form des "Z" repräsentiert die Linienführung Deines Ausbilders beim
Durchstreichen ganzer Seiten Deiner Entwürfe).

Auch wenn es in dem zitierten Abschnitt bereits angesprochen wird, kann man es nicht oft genug wiederholen: Auch das hängt vom Ausbilder ab. Eine sorgfältige "Ausbilder-Auswahl" vorausgesetzt, kann die Betreuung während der Ausbildung auch deutlich besser als die sein, die man von der Uni gewohnt ist oder sogar seinen eigenen Studenten angetan hat.

Patentrezept
 
Oben