Frage: Ausbildung in Großbritannien

italicus

BRONZE - Mitglied
Hallo,

ich werde Ende Juni meine Doktorarbeit in organischer Chemie abschließen und möchte ab Juli/August als Patentanwaltskandidat in einer Kanzlei arbeiten. Leider habe ich festgestellt, dass zur Zeit in Deutschland fast nur Physiker/Maschinenbauer/Elektrotechniker gesucht werden. Anders sieht es in Großbritannien aus: In London habe ich mindestens 10 Stellenangebote für Chemiker (am besten mit zusätzl. Deutsch- oder Französisch-Kenntnissen) gefunden, so dass ich mir überlege, mich auch dort zu bewerben.


Meine Fragen sind: Hat jemand schon Erfahrung auf dem Gebiet des Patentrechts in England gesammelt? Wie ist dort die Ausbildung zum UK bzw. European Patent Attorney? Wenn ich dort zum Englischen Patent- und Europ. Patentanwalt ausgebildet werde, werde ich später auch in Deutschland eine Chance haben, in einer Kanzlei/Firma zu arbeiten?

Ich bedanke mich im Voraus für eure Antworten!
 

pg

Schreiber
italicus schrieb:
Hallo,

ich werde Ende Juni meine Doktorarbeit in organischer Chemie abschließen und möchte ab Juli/August als Patentanwaltskandidat in einer Kanzlei arbeiten. Leider habe ich festgestellt, dass zur Zeit in Deutschland fast nur Physiker/Maschinenbauer/Elektrotechniker gesucht werden. Anders sieht es in Großbritannien aus: In London habe ich mindestens 10 Stellenangebote für Chemiker (am besten mit zusätzl. Deutsch- oder Französisch-Kenntnissen) gefunden, so dass ich mir überlege, mich auch dort zu bewerben.


Meine Fragen sind: Hat jemand schon Erfahrung auf dem Gebiet des Patentrechts in England gesammelt? Wie ist dort die Ausbildung zum UK bzw. European Patent Attorney? Wenn ich dort zum Englischen Patent- und Europ. Patentanwalt ausgebildet werde, werde ich später auch in Deutschland eine Chance haben, in einer Kanzlei/Firma zu arbeiten?

Ich bedanke mich im Voraus für eure Antworten!
Ich habe mich mal erkundigt, weil ich in England promoviert habe. Man muss schon sehr sehr gut Englisch sprechen (beinahe auf dem Niveau eines Muttersprachlers). Die Ausbildung ist nicht so strukturiert wie in Deutschland und dauert oft laenger. Es gibt meistens nur in-house training, manchmal wird man auch zu einem dreimonatigen Kurs an der Queen Mary Uni in London geschickt. Die Ausbildung dauert dann so lange, bis man alle Pruefungen bestanden hat, nicht selten 4 Jahre oder sogar laenger. Was mich am meistens stoert ist das geringe Anfangsgehalt (ca. 23000 Pfund, und das in London!) und ausserdem das Einstiegsniveau. Es ist im Prinzip ein graduate job, d.h. man kann direkt nach der Uni anfangen, oft sind die Leute erst 21 Jahre alt. Mit Doktor 24-25. Der Doktor und ein hoeheres Alter bringen keinen Gehaltsvorteil, man steigt auch nicht schneller auf. Fuer Deutschland bin ich als 29-jaehriger Doktor ja noch relativ jung, in England aber ein alter Sack und alle Kollegen waeren deutlich juenger. Das Geld ist fuer 21-jaehrige zwar ok, ich wuerde mich aber deutlich unterbezahlt fuehlen (sogar Postdocs bekommen deutlich mehr).
Es gibt aber sicher auch Vorteile. Ich kann mir z.B. vorstellen, dass die Atmosphaere im Buero lockerer ist als in Deutschland. In England ists informeller und man geht dort mit den Kollegen auch oefters mal nach der Arbeit in den Pub, wo dann alle sozialen Konventionen ueber Bord geworfen werden...
Wie man mit den Anschluessen in Deutschland arbeiten kann, weiss ich nicht. Es gibt aber auch englische Kanzleien, die Bueros in Muenchen unterhalten. In der Industrie sollte es auch kein Problem sein.

PS: Hast Du in England sowas wie kandidatentreff.de gefunden, oder zumindest eine Webseite, auf der man Stellenangebote finden kann? Keine Sorge, bin kein Chemiker und nehme Dir auch keine Stelle weg ;-)
 

Khisanth

SILBER - Mitglied
Auch wenn im Moment vielleicht einige Stellen in London angeboten
werden, ist es nicht notwendigerweise einfacher, dort etwas zu finden. Dazu sollte man sagen, dass die englischen Firmen nicht das ganze Jahr ueber Kandidaten einstellen, sondern im Fruehjahr Kandidaten auswaehlen, damit die dann, synchron mit dem akademischen Jahr, im Oktober anfangen. D.h. die 10 im Moment angebotenen Stellen sind ein erheblicher Teil der in 2009
angebotenen Stellen, und in 2 Monaten wird es kaum noch Angebote geben. Ausserdem ist die Ausbildung auch bei den Englaendern sehr beliebt und die Zahl der Bewerber, darunter idR zahlreiche mit (formal) hervorragender Qualifikation, entsprechend.

Nichtsdestotrotz gibt es Deutsche die englische Ausbildung gemacht haben; ich weiss aber nur von Faellen, die in England studiert und/oder promoviert und somit auch die "richtigen" Referenzen hatten, was man nicht unterschaetzen darf.

Wenn Du ohnehin eigentlich in D arbeiten willst, wuerde ich die Ausbildung hier nicht so schnell aufgeben - nicht nur ist es dafuer sicherlich besser, die deutsche Ausbildung zu durchlaufen, sondern
das Angebot ist fuer Chemiker grundsaetzlich besser, als man nach den derzeitigen Angeboten in den Stellenanzeigen meinen sollte. Insofern warte einfach ein paar Wochen, bis es wieder
Angebote fuer Chemiker gibt oder verschicke Iniativbewerbungen
an Kanzleien mit Chemie-Anwaelten. Viel Glueck!
 

italicus

BRONZE - Mitglied
Vielen Dank für die ausführlichen Antworten! Ich hatte im Internet recherchiert und von der Ausbildung in England keinen besonders positiven Eindruck gewonnen. Dieser Eindruck wurde jetzt zusätzlich gestärkt! Die lange Ausbildungsdauer und die geringe Bezahlung sind sicherlich große Nachteile.

Klar werde ich mich weiterhin in Deutschland bewerben (Initiativbewerbungen sind sehr hilfreich, habe ich kürzlich festgestellt!), aber es ist sicherlich reizvoll zu testen, ob man eine Einstellung in England schaffen würde...
 

malaca

Schreiber
Na, so schlimm ist die Ausbildung in Großbritannien mit Sicherheit nicht.

Zum Gehalt: Anders als in Deutschland steigt das Gehalt während der Ausbildung kräftig an, so dass man nach 4 Jahren ca. GBP 60000+ verdient, auch wenn dann noch nicht alle Prüfungen bestanden sind.

Zur Ausbildung an sich: Nahezu alle Kandidaten im VK machen im ersten oder spätestens zweiten Ausbildungsjahr einen sehr intensiven, ein-semestrigen Kurs, z.B. am Queen Mary College. In der Zeit, also ca. 4-4.5 Monate von Mitte September bis Ende Januar, können sich die Kandidaten vollkommen auf diesen sehr guten Kurs (hab ihn selbst gemacht) konzentrieren und müssen nicht nebenher in der Kanzlei arbeiten. Weihnachten fällt halt wg. Prüfungsvorbereitung aus :) Die Kursinhalte sind patent law, trademark law, EU competition law, common law, tort, passing off, und confidential information. Mit Bestehen dieses Kurses hat man automatisch Teile der englischen Patenanwaltsprüfung und der Markenanwaltsprüfung bestanden, die sogennanten foundation papers.

Neben den CEIPI Kursen, die man im VK natürlich auch besucht, bietet auch die englische Patentanwaltskammer, CIPA, vielfältige Kurse und Tutorien an. Die Tutorien eignen sich sehr gut zur Prüfungsvorbereitung, da man viele alte Prüfungsaufgaben, für sowohl die englische als auch die europäische Prüfung, üben kann und konkretes Feedback bekommt. Ich weiss nicht, ob so etwas in Deutschland üblich ist. Die in-house Seminare, die in englischen Kanzleien üblich sind, haben auch einen wirklichen Kurscharakter.

Nach dem Queen Mary Kurs, besteht die restliche englische Prüfung für Patentrecht (Markenanwalt ist eine separate Qualifikation mit anderen Prüfungen) aus weiteren 4 Teilen, so wie die EQE. Allerdings können alle vier Teile unabhängig voneinander geschrieben werden. Zwei Teile entsprechen den EQE A und B Teilen und eine bestandene EQE kann auf die englische Prüfung angerechnet werden. Es blieben in dem Fall also nur 2 der 4 Teile übrig. Der eine Teil ist eine Prüfung mit dem Thema patent infringement, und der anderen Teil ist eine Prüfung mit dem Thema patent agency practice, nicht unähnlich dem D-Teil der EQE. Es gibt keine vorgeschriebene Ausbildungszeit die zu absolvieren ist, um die englische Prüfung abzulegen. Wenn man gut ist, kann man das ganze also in 3 Jahren erledigen (vorher nicht, da man vorher die EQE nicht ablegen kann), so wie in D. Allerdings sind die Durchfallquoten bei der englischen Prüfung noch ein bisschen höher als bei der EQE.

Mit bestandener englischer Prüfung, kannst Du, nach dem Gesetz zur Eignungsprüfung für Patentanwälte, immer noch deutscher Patentanwalt werden, ohne die gesamte deutsche Ausbildung zu durchlaufen. Dazu bedarf es "nur" einer reduzierten deutschen Prüfung (nur die praktischen, nicht die theoretischen Teile).

Und was richtig ist: Die Ausbildungsplätze sind sehr begehrt. Es gibt im VK einige Kandidaten, die vorher den Queen Mary Kurs oder ähnliches (als ein-semestriges Certificate oder zwei-semestriger Master of Science) auf eigene Kosten gemacht haben, um Ihre Chancen bei der Bewerbung zu verbessern!

Im übrigen sagen einige Beschwerdekammermitglieder am EPA, dass ihnen englische Patentanwälte genehmer sind, da besser ausgebildet.

Viel Glück!
 
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