2. Klausur Lösungsvorschlag zur 2. Hagen-Klausur vom 12.05.2010

AachenerKreuz

GOLD - Mitglied
Und noch ein Lösungsvorschlag, diesmal zu der Klausur vom 12.05.2010. Das kann's irgendwie nicht sein für 180 Punkte, da habe ich mindestens die Hälfte überhaupt nicht auf dem Schirm gehabt - wenn das jetzt die echte Klausur gewesen wäre, hätte ich ein so ein miesepetriges und damit verdächtiges Gesicht aufgesetzt, dass man mich am Flughafen nackt ausgezogen hätte. Bitte die fehlende Hälfte ergänzen.

2. Hagen-Klausur vom 12.05.2010

Zuständigkeit

Nach § 13 GVG könnte der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben sein. Dazu müsste es sich um einen bürgerlichen Rechtsstreit handeln, d.h. ein Anspruch bürgerlich-rechtlicher Natur geltend gemacht werden. K hat gemäß § 433 BGB einen Kaufvertrag mit B über das Grundstück abgeschlossen und macht geltend, dass ihm auf Grund eines Mangels des Grundstücks ein Schaden entstanden ist. Sowohl das Kaufrecht als auch der Schadenersatz bei Pflichtverletzungen aus Schuldverhältnissen sind im BGB geregelt. Somit handelt es sich um einen bürgerlichen Rechtsstreit, und der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist gegeben.

Nach §§ 12, 71 (1) GVG ist damit das Landgericht zuständig, sofern der Rechtsstreit nicht durch § 23 GVG dem Amtsgericht zugewiesen ist. Keiner der in § 23 GVG aufgezählten Gründe für eine Zuweisung an das Amtsgericht ist einschlägig. Insbesondere liegt der Streitwert deutlich über 5.000 €. Damit ist das Landgericht sachlich zuständig.

Nach § 12 ZPO kann K die Klage am allgemeinen Gerichtsstand des B anhängig machen, sofern kein ausschließlicher Gerichtsstand begründet ist.

Ein ausschließlicher Gerichtsstand könnte durch § 24 (1) ZPO begründet sein. Dazu müsste eine dingliche Belastung des Grundstücks geltend gemacht werden. Bei dem Erfordernis, dass für die Errichtung und Nutzung eines Gebäudes eine Baugenehmigung notwendig ist, handelt es sich jedoch um eine allgemeine gesetzliche Vorschrift und nicht um eine dingliche Belastung, die speziell dieses Grundstück betrifft. Damit begründet § 24 (1) keinen ausschließlichen Gerichtsstand.

Damit kann K die Klage am allgemeinen Gerichtsstand des B einreichen. Dies ist nach § 13 GVG Bochum als Wohnsitz des B.

Daneben könnte nach § 29 (1) ZPO noch ein besonderer Gerichtsstand gegeben sein. Sofern es sich um eine Streitigkeit aus einem Vertragsverhältnis handelt, kann die Klage auch dort anhängig gemacht werden, wo die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. K macht geltend, dass der B ihm nicht wie geschuldet ein als Büro und Lager nutzbares Grundstück übergeben hat. Diese Verpflichtung kann nur in Dortmund erfüllt werden, wo das Grundstück belegen ist. K kann die Klage also beim LG Dortmund einreichen.

Ergebnis: Nach § 35 ZPO hat K die Wahl, ob er die Klage beim LG Bochum als allgemeinem Gerichtsstand oder beim LG Dortmund als besonderem Gerichtsstand des Erfüllungsorts anhängig macht.

Entscheidung des Gerichts


Das Gericht erlässt nach § 331 ZPO ein Versäumnisurteil, wenn kumulativ
  • die Klage zulässig ist;
  • der K den Erlass eines Versäumnisurteils beantragt;
  • ein Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt ist;
  • der B im Termin säumig ist;
  • die Klage des K schlüssig ist;
  • ein Unzulässigkeitsgrund nach § 335 ZPO fehlt;
  • ein Vertagungsgrund nach § 337 ZPO fehlt.
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit wurde bereits geprüft. Ansonsten genügt der K dem Anwaltszwang gemäß § 78 (1) ZPO und stellt auf konkrete Rechtsfolgen gerichtete, hinreichend bestimmte Anträge, so dass die Klage auch im Sinne des § 253 ZPO ordnungsgemäß erhoben ist. Weitere Zulässigkeitshindernisse für die Klage sind nicht ersichtlich.

Es ist für den 12.11.2008 ein Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt worden. Klageschrift und Terminsverfügung werden mehr als zwei Wochen vorher zugestellt, so dass sowohl die Einlassungsfrist des § 274 (3) ZPO als auch die Ladungsfrist des § 217 ZPO gewahrt sind.

B ist nach § 220 (2) ZPO säumig, wenn er bis zum Schluss des Termins nicht verhandelt. Voraussetzung für ein Verhandeln ist die Postulationsfähigkeit, die dem B im Anwaltsprozess fehlt. B kann somit nicht verhandeln, obwohl er zum Termin erscheint. § 333 ZPO stellt noch einmal klar, dass eine erschienene, aber nicht verhandelnde Partei säumig ist. Somit ist B säumig.

Unzulässigkeits- oder Vertagungsgründe nach §§ 335, 337 ZPO sind nicht ersichtlich.

Dies hat zur Folge, dass das tatsächliche mündliche Vorbringen des K als zugestanden gilt. Wenn das Vorbringen des K den Tatbestand eines Rechtssatzes verwirklicht, aus dem sich die von K begehrten Rechtsfolgen ergeben, dann wird das Gericht antragsgemäß ein Versäumnisurteil erlassen.

K könnte einen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 433 (1), 437 Nr. 3, 434 (1), 280 (1) BGB gegen B haben. Dazu müsste das Grundstück einen Sachmangel aufweisen, also entweder nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufweisen oder sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte oder für die gewöhnliche Verwendung eignen.

Die Baugenehmigung ist zwar zunächst nicht vorhanden, wird aber später erteilt, ohne dass sich am Grundstück oder den darauf errichteten Gebäuden erkennbar etwas geändert hat. Damit ist die Beschaffenheit des Grundstücks und der Gebäude nicht für das Fehlen der Baugenehmigung verantwortlich, und mit ihrer späteren Erteilung wird die Eignung für die Nutzung offiziell festgestellt. Damit ist das Grundstück nicht mit einem Sachmangel behaftet.

Zwischenergebnis: K hat keinen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 433 (1), 437 Nr. 3, 434 (1), 280 (1) BGB gegen B.

K könnte jedoch einen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 276 (1), 280 (1) BGB gegen B haben. Dazu müsste er eine Garantie dafür übernommen haben, dass der Nutzung des Grundstücks keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen.

Eine Garantie ist das Versprechen, verschuldensunabhängig dafür einzustehen, dass eine bestimmte Tatsache oder Eigenschaft gegeben ist. B hat K ausdrücklich zugesichert, dass die damalige Grundstücksnutzung allen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht. Damit hat er hierfür eine selbständige, neben dem Kaufvertrag stehende Garantie übernommen.


Indem die Baugenehmigung zunächst nicht vorliegt, darf das Grundstück nicht als Bürogebäude genutzt werden. An dem Rechtsverhältnis, das durch das Baurecht geschaffen wird, ist zwingend der Staat beteiligt, der allein Baugenehmigungen erteilen und ungenehmigte Nutzung sanktionieren kann. Die Vorschrift, die die Nutzung untersagt, gehört somit zum Öffentlichen Recht.

Damit ist für den Zeitraum bis zur späteren Erteilung der Baugenehmigung die zugesicherte Tatsache, dass der Nutzung keine öffentlich-rechtlichen Einwände entgegenstehen, nicht gegeben. Hierfür muss K nach § 280 (1) BGB einstehen, sofern dem K hierdurch in adäquat kausaler Weise ein Schaden entstanden ist.

Schaden ist jede Einbuße, die jemand an seinen Rechtsgütern erleidet. Hätte die Baugenehmigung vorgelegen, hätte der K mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf das ihm von A durch seine Unterschrift unter den Mietvertrag erklärte Angebot durch seine Gegenzeichnung die Annahme erklärt und den Mietvertrag zustande kommen lassen. Dann hätte er im fraglichen Zeitraum 60.000 € eingenommen. Indem nun die Baugenehmigung nicht vorlag, der dem K angetragene Vertrag jedoch wiederum eine Garantie für die Nutzung als Bürogebäude enthielt, konnte K den Mietvertrag nicht zustande kommen lassen, ohne von vornherein außerstande zu sein, die geschuldete Leistung zu erbringen und sich selbst schadensersatzpflichtig zu machen. Somit sind ihm als direkte Folge der fehlenden Baugenehmigung der Abschluss des Mietvertrages, und damit auch der daraus zu erwartende Gewinn, im Sinne von § 252 BGB entgangen.

Zwischenergebnis: K hat einen Anspruch auf Schadensersatz von 60.000 € gegen B aus §§ 276 (1), 280 (1), 252 BGB. Nach §§ 291, 288 (1) BGB hat er auch Anspruch auf die von ihm begehrte Verzinsung. Sofern ein Versäumnisurteil erlassen wird, ist es nach § 708 Nr. 2 ZPO ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären.

Damit erfüllt der von K vorgebrachte Sachverhalt den Tatbestand von Rechtssätzen, aus denen sich die von K begehrten Rechtsfolgen ergeben.

Damit ist die Klage schlüssig.

Indem somit B vollständig unterliegt, fallen ihm gemäß § 91 (1) S. 1 ZPO auch die Kosten des Rechtsstreits zur Last.

Ergebnis: Das Landgericht wird gegen den B antragsgemäß ein Versäumnisurteil erlassen.

Abwandlung:

D könnte nach §§ 233 ff. ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen. Wird diesem Antrag stattgegeben, hat dies zur Folge, dass die Einspruchsschrift noch berücksichtigt wird.

D hat mit Ablauf des 16.12.2008 die zweiwöchige Einspruchsfrist versäumt. Damit diese Frist wiedereinsetzungsfähig ist, müsste sie eine Notfrist sein. Dies ist nach § 339 (1) ZPO der Fall.

Weiterhin müsste der D verhindert gewesen sein, die Frist einzuhalten. D hatte kein funktionsfähiges Faxgerät zur Verfügung, bis er zu seiner Abendveranstaltung musste. Somit war er nicht in der Lage, das Fax fristgerecht abzusenden. Auch die Backup-Lösung, das Fax durch S übermitteln zu lassen, hat versagt. Somit war D verhindert, die Frist einzuhalten.

Weitere Voraussetzung ist, dass D an der Verhinderung kein Verschulden trifft, d.h. dass er die Verhinderung nicht zu vertreten hat. D hat mindestens Vorsatz und Fahrlässigkeit im Sinne von § 276 (1) BGB zu vertreten; fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. D wusste seit dem 09.12.2008, dass er eine Woche später eine Einspruchsschrift auf den Weg bringen musste und dass es sich bei der Einspruchsfrist um eine Notfrist handelt. Trotzdem hat er vor Beginn der Installationsarbeiten keinerlei erkennbare Vorkehrungen getroffen, um auf jeden Fall für den rechtzeitigen Versand des Faxes zu sorgen, obwohl allgemein bekannt ist, dass ein gewisser Prozentsatz der neu gelieferten Elektrogeräte von vornherein defekt ist. Als der Termin der Abendveranstaltung heranrückte, hat D dem S die Übersendung des Faxes übertragen, obwohl dieser über keinerlei erkennbare Qualifikation oder Einarbeitung als Hilfskraft für fristrelevante Tätigkeiten in einer Anwaltskanzlei verfügte. D hat sich anschließend blind auf S verlassen, ohne den Erfolg der Übermittlung zu kontrollieren. Zur „Beachtung aller gebotenen Sorgfalt“, die für die Gewährung einer Wiedereinsetzung regelmäßig erwartet wird, wäre es hingegen sachgerecht gewesen, auf die Teilnahme an der Abendveranstaltung zu verzichten und sich der Lösung des drängenden Problems zu widmen.

Ergebnis: D hat die Einspruchsfrist durch sein Verschulden versäumt, so dass ihm nach § 233 ZPO keine Wiedereinsetzung zusteht. Wegen § 514 (1) ZPO ist es dem D auch verwehrt, das Versäumnisurteil mit der Berufung anzufechten.

Hilfsgutachten

Hätte der D die Frist nicht schuldhaft versäumt, hätte er nach § 234 ZPO innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses am 17.12.2008 den Wiedereinsetzungsantrag stellen und nach § 236 (2) die Übermittlung der Einspruchsschrift nachholen müssen.

Die Gewährung der Wiedereinsetzung hätte zur Folge gehabt, dass die Einspruchsschrift nach § 340 ZPO geprüft worden wäre. Sie enthält alle erforderlichen Elemente und hätte damit zur Folge gehabt, dass nach § 342 ZPO über den Einwand, dass wegen des fehlenden Mietvertrages der Nutzungsausfall zu Unrecht zugesprochen wurde, neu verhandelt wird.

Zu prüfen wäre dann die Frage, ob trotz der Tatsache, dass es keinen Mietvertrag gab, der K den Gewinn aus dem Mietvertrag im Sinne von § 252 S. 2 BGB mit Wahrscheinlichkeit erwarten konnte.

Ein Mietvertrag kommt wie jeder andere Vertrag auch durch Angebot und Annahme zustande. Ein Angebot ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, in der der Antragende den Inhalt des Vertrages so vollständig zusammenfasst, dass der Empfänger durch ein einfaches „Ja“ den Vertrag entstehen lassen kann. Indem A dem K den von ihm unterschriebenen Mietvertrag übermittelte, fasste er die Bedingungen, zu denen er das Grundstück mieten wollte, so vollständig zusammen, dass der K durch seine Unterschrift, also durch einfache Zustimmung, den Vertrag entstehen lassen konnte. Nach § 145 BGB war A an diesen Antrag gebunden, und es lag nur noch an K, ob er den Vertrag zustande kommen lässt.

Es war zumindest wahrscheinlich, dass der K den Mietvertrag unterzeichnet. Dies änderte sich erst, als das Fehlen der Baugenehmigung bemerkt wurde. Damit ist ihm ein wahrscheinlicher Gewinn durch das Fehlen der zugesicherten Tatsache Baugenehmigung entgangen.

Ergebnis: Dass kein Mietvertrag zustande gekommen ist, berührt das Endergebnis, dass dem K der Nutzungsausfall zusteht, nicht.
 
Oben