Mal wieder Thema Abmahnung

Fip

*** KT-HERO ***
Der I. Senat des BGH hat in verschiedenen Entscheidungen jüngeren Datums wiederholt betont, dass wettbewerbsrechtliche Abmahnungen und Schutzrechtsverwarnungen unterschiedlich zu beurteilen sind, oder er hat zumindest in der Entscheidung viel Wert darauf gelegt, dass die Entscheidung eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung und keine Schutzrechtsverwarnung betrifft (I ZR 139/08; I ZR 31/10; I ZR 140/08).

Nun habe ich einen Fall auf dem Tisch, bei dem der Mandant zwei Dinge wissen will. Es handelt sich um eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung aufgrund eines unzulässigen Patentierungshinweises:

  • Wäre der Mandant schadenersatzpflichtig wg. Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, wenn die Abmahnung wider Erwarten doch (schuldhaft) unberechtigt wäre? (nach der neuen BGH Rechtsprechung wohl ziemlich klar zu verneinen).
  • Hat der Mandant Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten durch den Gegner, wenn sich die Abmahnung - ggf. vor Gericht - als berechtigt erweist (GoA)?
Ist die Erstattungsfähigkeit also abhängig davon, ob ich als Abmahnender GoA geltend mache oder als Abgemahnter § 823 BGB, jeweils anders zu beurteilen.

Das ist wahrscheinlich schon zig-mal durchgekaut worden, aber die oben zitierte Rechtsprechung verunsichert mich da doch etwas ...
 

Fip

*** KT-HERO ***
Ach so, um das Thema komplett zu machen:

Kann ich als Patentanwalt diese wettbewerbsrechtlich Abmahnung außergerichtlich selbst "vertreten" (ist ja wegen § 146 PatG sehr "patentrechtslastig") oder muss das ein RA machen?
 

paule

BRONZE - Mitglied
Zu 1. sehe ich das genauso, wobei ich mir mit dem "schuldhaft" nicht so sicher wäre.

Zu 2. ist die Anspruchsgrundlage eben gerade nicht GoA sondern §12(1) S. 2 UWG.
 

studi

GOLD - Mitglied
Die Unterscheidung zwischen Abmahnung wegen wettbewerbsrechtlicher Verstößen im allgemeinen und Schutzrechtsverletzungen im Besonderen ist nicht (vollständig) willkürlich vom BGH gezogen worden.

Dahinter steht die Überlegung, dass Abmahnungen wegen Schutzrechtsverletzungen besonders intensiv in den Betrieb des Abgemahnten eingreifen und dessen Ausübung ggfs. zum erliegen bringen kann. Daher sind besonders hohe Anforderung zu stellen bzw. kann der Abgemahnte leichter gegen die Abmahnung vorgehen, was sonst nicht ohne Weiteres geht:

  • besonders genaue Prüfung der Verletzungshandlung, sonst schuldhafte Nichtberechtigung
  • SE- Recht des Abgemahnten
  • Gegenabmahnung
Eine unzulässiger Patentierungshinweis ist keine Schutzrechtsverletzung. Ich gehe mal davon aus, dass dein Mandant über das Berechtigte Interesse in § 146 hinaus keine besondere Betroffenheit hat. Eine Abmahnung deswegen kann nicht die o.g. Folgen auslösen. Der Patentierungshinweis sehe ich dogmatisch eher bei falschen Preisen, Verstoß gegen die PreisAngabeVO, unlauterer Werbung etc. und müsste nach der zugehörigen Rechtsprechung behandelt werden, insbesondere in Bezug auf die Sorgfalt zur Berechtigung der Abmahnung.

Ob aber ein Gericht erster Instanz dem folgt wage ich zu bezweifeln. Da dürfte es lauten: Patentierungshinweis = hat irgendwas mit Patenten zu tun = Schutzrecht = BGH Rechtsprechung zu Schutzrechtsverletzung.

Grüße,
 

Fip

*** KT-HERO ***
@ paule: Vielen Dank! Das mit dem § 12 UWG ist natürlich richtig. Irgendwie stehe ich mit dem Wettbewerbsrecht auf Kriegsfuß.

@ studi: Eine Abmahnung wegen nicht zulässigem (insb. irreführender) Patentierungshinweis ist anerkannter Maßen (siehe Kommentarliteratur) eine wettbewerbsrechtliche Angelegenheit und hat mit einer Schutzrechtsverwarnung nichts zu tun. Daran ändert auch die inhaltliche Nähe der Fallgestaltung zu § 146 PatG nichts. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Gericht das anders sehen würde und so entscheiden würde, wie Du andeutest.

Was ich trotzdem nicht ganz verstehe: Warum schreibt man dem Abmahnenden die Erstattungsfähigkeit der Abmahnung sogar ins Gesetz, während man die sich daraus ergebenden notwendigen Abwehrmaßnahmen als kategorisch nicht erstattungsfähig hinstellt.

Ich sehe zwar ein, dass ein Schutzrecht ein "absoluteres" Recht ist als ein Wettbewerbsverstoß, trotzdem kann auch ein Wettbewerbsverstoß ähnliche Folgen haben und ebenso problematische Konsequenzen mit sich bringen.

Denn wo ist der Unterschied in den Konsequenzen für den Abgemahnten, wenn er ein Produkt wegen Geschmacksmusterverletzung (Schutzrecht). Veretzung einer 3D-Marke oder sklavischer Nachahmung (UWG) einstellen muss bzw. sich gegen eine unberechtige Verwarnung aus einem Geschmacksmuster oder gegen eine unberechtige Abmahnung wegen sklavischer Nachahmung wehren muss? Ich kann wirklich nicht erkennen, dass die eine Sache notwendigerweise ein gravierenderer Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellt als die andere.

Vor allen Dingen gilt meines Erachtens eines: Die BGH Rechtsprechung öffnet doch jedem Abmahnenden Tor und Tür. Mahne ich halt ab. Wenn sie berechtigt ist, kriege ich sogar das Geld zurück. Wenn die Abmahnung unberechtigt ist, wen kümmert's? Also immer schön raus mit den Abmahnungen, immer schön drauf auf die Konkurrenz und Verwirrung stiften .... (vor allem, wenn ich außerdem noch einen internen RA für mich arbeiten habe, den zahle ich ja sowieso). Und das Wettbewerbsrecht bietet it seinen schwammigen Formulierungen doch so viele schöne Möglichkeiten, sich einen Wettbewerbsverstoß herbeizudefinieren, selbst wenn da keiner ist.

In Anlehnung an BGH GSZ 1/04, die ich mal als bekannt voraussetze (eckige Klammern hinzugedacht):
"Im wirtschaftlichen Ergebnis liefe das darauf hinaus, einem Schutzrechtsinhaber [Wettbewerber] zu gestatten, zu Lasten des freien Wettbewerbs nahezu risikolos den Schutzbereich seines Schutzrechts [die Reichweite des vom UWG gewährten Schutzes vor dem unlauteren Wettbewerb] nach eigenem Gutdünken zu bestimmen. Das wäre mit dem schon vom Reichsgericht für notwendig erkannten angemessenen Interessenausgleich unvereinbar und ginge weit über dasjenige hinaus, was der wirksame Schutz der gewerblichen Schutzrechte [der wirksame Schutz des UWG vor unlauterem Wettbewerb] gebietet."

Mir scheint als ist der unterlegene I. Zivilsenat etwas beleidigt aus der Verhandlung des großen Senats herausgegangen.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Fip schrieb:
Was ich trotzdem nicht ganz verstehe: Warum schreibt man dem Abmahnenden die Erstattungsfähigkeit der Abmahnung sogar ins Gesetz, während man die sich daraus ergebenden notwendigen Abwehrmaßnahmen als kategorisch nicht erstattungsfähig hinstellt.
Köhler/Bornkamm, UWG 29. Auflage 2011, § 12 Rn 1.77:

"Mit der Normierung der Kostentragungspflicht in § 12 I 2 hat der Gesetzgeber "die Rspr nachvollzogen, die über die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag einen Aufwendungsersatzanspruch des Abmahnenden hergeleitet hat" (Begr RegE BT-Drucks 15/1487 S 25). Diese Bestimmung, die im Gesetzgebungsverfahren niemals umstritten war, zeigt, dass es dem Gesetzgeber (UWG-Novelle 1994) und der Rspr in den letzten zwanzig Jahren gelungen ist, die mit dem Kostenerstattungsanspruch verbundenen Missbrauchsgefahren weitgehend einzudämmen."

a.a.O. Rn 1.78a:

"Weder unmittelbar noch analog anwendbar ist § 12 I 2 auf die Kosten, die der (vermeintliche) Schuldner aufwenden muss, um eine unbegründete Abmahnung abzuwehren. Hier gelten die allgemeinen Bestimmungen, was bedeutet, dass ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch nur ganz ausnahmsweise in Missbrauchsfällen (§ 826 BGB!) in Betracht kommt. Insoweit gilt nichts anderes als bei der Geltendmachung nichtbestehender Forderungen außerhalb des Wettbewerbsrechts. Auch wenn der (vermeintliche) Gläubiger noch ein Gericht anruft und dort die Bestätigung erhält, dass ihm kein Anspruch zusteht, kann der zu Unrecht in Anspruch genommene Beklagte die Kosten des Abwehrschreibens nicht als Kosten des Rechtsstreits festsetzen lassen (BGH GRUR 2008, 639 - Kosten eines Abwehrschreibens)."

Aktuelles Hagen I Skript zum UWG, S. 305 (mit Fußnoten auf Rechtsprechung):

"Als Anspruchsgrundlage kommen jedoch das Auftragsrecht mit § 678 BGB (Übernahmeverschulden erforderlich) und die culpa in contrahendo in Betracht."
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Fip schrieb:
Kann ich als Patentanwalt diese wettbewerbsrechtlich Abmahnung außergerichtlich selbst "vertreten" (ist ja wegen § 146 PatG sehr "patentrechtslastig") oder muss das ein RA machen?
Also ein Patentanwalt kann als Verkehrsanwalt in Wettbewerbssachen tätig sein und dann abrechnen, siehe (OLG Frankfurt WRP 1980, 337, 338) zitiert in Köhler/Bornkamm, UWG 29. Auflage 2011 § 12 Rn 2.121. Aber a.a.O.:

"Die Kosten sind nicht gleichbedeutend mit den Gebühren, da Patentanwälte ihre Tätigkeit regelmäßig nach Stundensätzen abrechnen."
 

Fip

*** KT-HERO ***
Danke, Lysios, für die Zitate aus der Kommentarliteratur.

Aber: Die Zitate geben lediglich zutreffend die Rechtslage wieder, liefern aber keinen verständlichen und inhaltlichen Grund für die Rechtslage.

Soll heißen: Dass es zumindest derzeit so ist, wie es ist, kann (muss) ich akzeptieren. Aber ich will ja den Sinn und Zweck dahinter verstehen, und zwar nicht basierend auf der Begründung "weil es im Gesetz steht", sondern basierend auf einer Begründung, die mir (hoffentlich) darlegt, warum es sinnvoll ist, dass es im Gesetz steht.
 

studi

GOLD - Mitglied
Der Grund dahinter ist rechtspolitischer Natur:

Der Abmahner übt eine Ordnungsfunktion aus, von der man sich eine Belebung des Wettbewerbes verspricht. Es gibt keine Behörde, die effektiv das Wettbewerbshandeln der Marktteilnehmer kontrollieren kann, das müssen die Konkurrenten übernehmen. Der Abmahner braucht dafür einen Anreiz und geringes Risiko, daher die Beschränkung der Erstattung auf Fälle evidenten Missbrauchs. Abmahnexzesse nimmt man billigend in Kauf um o.g. Ziel zu erreichen. Das diese möglich sind, hat auch historische Gründe, sprich schlechte Umsetzungen von EU-Richtlinien und gesetzgeberische Schlamperei.

Die Privilegierung bei Schutzrechtsverwarnungen rüht daraus, dass hier genügend andere Instrumente vorliegen um eine Verletzung zu korrigieren. Außerdem wird in den Abmahnkonstellationen regelmäßig ein Schutzrecht des Abgemahnten vorliegen. Man will Schutzrechte nicht dadurch entwerten, dass der Inhaber sich auch mit diversen Abmahnungen ohne Aussicht auf Kompensation rumärgern muss.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Fip schrieb:
Soll heißen: Dass es zumindest derzeit so ist, wie es ist, kann (muss) ich akzeptieren. Aber ich will ja den Sinn und Zweck dahinter verstehen, und zwar nicht basierend auf der Begründung "weil es im Gesetz steht", sondern basierend auf einer Begründung, die mir (hoffentlich) darlegt, warum es sinnvoll ist, dass es im Gesetz steht.
Also es ist klar, dass es im Gesetz steht, weil es nur die frühere Rechtsprechung wiedergibt. Ich wollte nicht die komplette Rn zitieren (irgendwann ist ja die zulässige Zitatgrenze überschritten).

Aber hier ist noch der Rest von Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Auflage 2011, § 12 Rn 1.80 weil Du ja die frühere Rechtsprechung verstehen willst und UWG Kommentare nicht unbedingt in Patentanwaltskreisen allgemein verfügbar sind:

"Nach diesen Grundsätzen war das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs indessen nur eine Voraussetzung für den Kostenerstattungsanspruch; die Abmahnung musste ferner dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Schuldners entsprechen. Wären die Abmahnkosten immer dann vom Schuldner zu tragen, wenn der Abmahnung ein Unterlassungsanspruch zugrunde liegt, würden sich die Risiken einer gerichtlichen Klärung erheblich zu Lasten des Schuldners verschieben. Denn er müsste damit rechnen, dass er im Falle des negativen Ausgangs nicht nur die Kosten des Prozessgegners, sondern auch die Kosten sämtlicher Gläubiger tragen müsste, die ihn inzwischen ebenfalls abgemahnt haben. Dadurch, dass das Wettbewerbsrecht jedem Mitbewerber und einer Vielzahl von Verbänden gleichgerichtete Unterlassungsansprüche einräumt, besteht die Gefahr einer übermäßigen Benachteiligung des Schuldners, der durch den Missbrauchstatbestand (§ 8 IV) sowie durch eine angemessene Einschränkung des Anspruchs auf Erstattung der Abmahnkosten begegnet werden muss. Es ist daher zwischen begründeten und berechtigten Abmahnungen zu unterscheiden (s Rdn 1.68). Begründet ist eine Abmahnung, wenn ihr ein Unterlassungsanspruch zugrunde liegt, berechtigt ist sie dagegen nur, wenn sie erforderlich ist, um dem Schuldner einen Weg zu weisen, den Gläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen (BGH GRUR 2010, 354 Tz 8 - Kräutertee)."
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Also nach sorgfältigem Lesen des Kelbel, Kommentar zur PAO, würde ich hier von einer Tätigkeit des Patentanwalts abraten.

Hier noch eine prägnantere Rn aus Köhler/Bornkamm, UWG
29. Auflage 2011, § 12 Rn 1.70:

"Die unterschiedliche Behandlung von unbegründeten Schutzrechtsverwarnungen und unbegründeten wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen ist damit gerechtfertigt worden, dass die Folgen einer Schutzrechtsverwarnung für den Verwarnten, der uU Produktion oder Vertrieb einstellen müsse, ungleich belastender seien als die einer Abmahnung wegen eines Wettbewerbsverstoßes, der meist lediglich eine Werbemaßnahme betreffe (BGH WRP 1965, 97, 99 - Kaugummikugeln; BGH GRUR 1969, 479, 481 - Colle de Cologne; BGH GRUR 1985, 571, 573 - Feststellungsinteresse). Diese Differenzierung überzeugt an sich nicht. ..."
 

Fip

*** KT-HERO ***
@ Lysios: Deine Antworten sind sehr hilfreich, vielen Dank dafür. Sie erklären zumindest nachvollziehbar, warum man die Erstattungsplicht das Abgemahnten ins Gesetz geschrieben hat.

Unterm Strich bleibt für mich aber die Frage offen, weswegen die Rechtsprechung (siehe die eingangs von mir zitierten Entscheidungen des I. Zivilsenats des BGH) dem Abgemahnten die Erstattungsfähigkeit der durch eine unberechtigte Abmahnung hervorgerufenen erforderlichen und berechtigten Gegenmaßnahmen vorenthält.

Klar, man kann jetzt sagen, dann lies doch die BGH Entscheidungsbegründungen. Für mich sind die aber derart wenig überzeugend, dass ich mit den Begründungen nicht wirklich etwas anfangen kann.
 
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