PCT 'Technizität' beim EPA

T

Techniker

Guest
Hallo,

ich bin gerade mal wieder auf ein EP-Patent gestoßen, bei dem mir die Haare zu Berge stehen. Es handelt sich um EP1033263.

Dessen Anspruch 1 lautet:

Rezeptformular bestehend aus Papier oder ähnlichem, das Flächenbereiche für alphanumerische Informationen enthält,
dadurch gekennzeichnet, dass
mit dem Rezeptformular mindestens ein elektronischer Datenträger zur Aufnahme alphanumerischer Information lösbar verbunden ist.

Kann mir jemand erklären, was daran noch technisch sein soll?
Sieht man sich die Akten an, erkennt man dass der Patenterteilung noch nicht einmal ein Amtsbescheid vorausgegangen ist, die Anmeldung wurde von der Prüfungsstelle ohne jeden Kommentar durchgewunken.
Jetzt soll das Patent als elektronisches Rezeptformular mit einem Mindestgebot von 11 Mio Euro versteigert werden.

Ich glaube wir sollten für dieses Thema alle ein wenig sensibilisiert werden. Solche Patente landen auf den Webseiten von Patentgegnern (von daher weiss ich auch davon) und sind Wasser auf die Mühlen derer, die sich als Softwarepatentgegner formiert haben und bei der Gelegenheit gleich das ganze Patentsystem mit abschaffen wollen. Mit solchen Beispielen ist es ein Leichtes, die Akzeptanz des Patentwesens in der Öffentlichkeit zu untergraben und die Gesamtheit der Patentanwälte und -prüfer als "Patentmafia" hinzustellen.
Letztenendes sägen solche Patente also den Ast ab, auf dem wir alle sitzen.

Das wollte ich nur mal hier zur Sprache bringen, Kommentare sind natürlich erwünscht.
 
G

Gast999

Guest
Was soll daran nicht technisch sein? Verstehe ich nicht. Über eine reine Wiedergabe einer Information geht es auch hinaus, da es letztlich auf die wiedergegebene Information nicht ankommt. Haben die Softwarepatentgegner jetzt auch schon Teile der IP-Gemeinde mit ihrer Seuche angesteckt? :)
 
K

Kand.

Guest
Hallo,

mir ist beim besten Willen nicht klar, weshalb Du die Technizität dieses Anspruchs in Frage stellst.

Im Anspruch sind eindeutig technische Merkmale enthalten :

Oberbegriff:

1. Das Rezeptformular ist aus Papier oder ähnlichem
2. Es enthält einen Flächenbereich für alphanumerische Informationen

Kennzeichen

3. Es gibt wenigstens einen elektronischen Datenträger
4. Dieser muß lösbar mit dem Rezeptformular verbunden sein

Wo ist das Problem?????????????????????????????????

Meiner Ansicht nach würde sich höchstens das Problem der Erfindungshöhe stellen, aber falls - wie in der Beschreibung des Patents erwähnt - bisher wirklich nur mechanische "Vignetten" in diesem Zusammenhang bekannt waren, dann dürfte die Erfindungshöhe wohl auch kaum in Frage gestellt werden können.

Da hatte halt dann jemand eine Idee, die vor ihm nach keiner hatte, und hat sich diese vollkommen zu Recht schützen lassen!
 
J

Johnny

Guest
Das haben wir ja hier schon öfters gesehen, dass Leute meinen, patentfähig sei nur das, was einen promovierten Diplom-Ingenieur intellektuell nicht langweilt.
 
G

Gast999

Guest
Ich glaube wir sollten für dieses Thema alle ein wenig sensibilisiert werden. Solche Patente landen auf den Webseiten von Patentgegnern (von daher weiss ich auch davon) und sind Wasser auf die Mühlen derer, die sich als Softwarepatentgegner formiert haben und bei der Gelegenheit gleich das ganze Patentsystem mit abschaffen wollen. Mit solchen Beispielen ist es ein Leichtes, die Akzeptanz des Patentwesens in der Öffentlichkeit zu untergraben und die Gesamtheit der Patentanwälte und -prüfer als "Patentmafia" hinzustellen.
Letztenendes sägen solche Patente also den Ast ab, auf dem wir alle sitzen.
Kleiner Nachschlag: Ich lasse mir durchaus eingehen, dass es Softwarepatentgegner gibt, schließlich leben wir in einer Demokratie. Aufregen tun mich aber genau die, die im Internet gegen das Patentsystem wettern, Leute persönlich angreifen und beleidigen und dann noch nicht mal die geringste Ahnung haben, über was sie eigentlich reden, und von diesen Leuten gibt es leider genug. Die IP-ler sägen sich meiner Meinung nach nicht den Ast ab, wenn sie solchen Leuten ohne Emotion begegnen und sachlich diskutieren, was Sache ist. Dann sägen sich diese "Experten" selber den Ast ab, auf dem sie sitzen und man kann mit "echten" Softwarepatentgegnern sachlich diskutieren, wohin die Reise in der Zukunft gehen soll.
 
R

Robby

Guest
Die Frage ist doch: Was ist dieses Patent tatsächlich wert? Da haben wir:
- Ein Rezeptformular,
- einen Datenträger, der lösbar (!) mit dem Rezeptformular verbunden ist.
Und irgendwelche Bereiche, die mich jetzt nicht interessieren.

Ich vermute nun, dass ein Angriff über §10 PatG gegen jemanden, der entsprechende Teile einzeln verkauft (ohne speziellen Hinweis), mit grossen Unsicherheiten behaftet ist, weil diese Teile schon lange vor Priotag bekannt waren. Und die Verwendung in der Arztpraxis anzugreifen, erscheint wenig lukrativ.

11 Mio. ist das sicher nicht wert.

Und jetzt sind wir wieder bei dem alten Problem, dass Patente für den Laien oft anders aussehen, als für den Fachmann (siehe Amazon). So ist das nun mal und wird sich auch nicht so einfach ändern lassen. Patente sind etwas anderes als die Bild-Zeitung.
 
G

ghast

Guest
Ist die Frage wirklich der Wert des Patents??

Kannst Du diesen Gedankengang vielleicht ein wenig detaillierter darlegen?
 
S

Softie

Guest
Robby schrieb:
Die Frage ist doch: Was ist dieses Patent tatsächlich wert?
Nein, Deine Frage berührt allenfalls die Rechte AUS dem Patent. Diese waren jedoch nicht Thema von Technikers Meinungsäußerung, in der es vielmehr um das Recht AUF das Patent aufgrund eines etwaigen Mangels an Technizität ging.

Also, technisch mag das ja noch so halbwegs sein (obgleich gewisse Anklänge an eine "Geschäftsmethode" nicht völlig von der Hand zu weisen sind).

Ich sorge mich hierbei eher um die Neuheit & zugrundeliegende erfinderische Tätigkeit dieser Anmeldung, da der Anspruch sehr weit gefaßt ist, unter anderem trifft er ja auch auf Rezepte zu, an denen mit einer Büroklammer ein Magnetstreifenabschnitt befestigt ist, oder aber auf Audiokassetten (in einer Kassettenhülle mit Einleger)...
 
V

Vorbenutzer

Guest
hm, wenn ich mir meine Diktierzettel-Formulare mit den daran angehefteten Kassetten an meiner AKte so anschaue ....
 
G

Gast999

Guest
Neuheit, erfinderische Tätigkeit, Vorbenutzung und was weiß ich hin oder her, es ging doch "nur" um die Technizität. Die ist ja wohl gegeben.
 
R

Robby

Guest
Technizität: klar, da gibt es keinen Zweifel (Zettel, Datenträger, Verbinden, alles Technik)

Mein Beitrag bezog sich auf die Patentmafia-Schreihälse.
Warum könnten sich Menschen über dieses Patent aufregen? Weil sie glauben irgendjemand bekommt damit illegitim (nicht illegal) Geld. Aber, so wird es nicht sein (siehe obige Argumentation), deswegen bräuchte sich auch niemand aufregen.
 
A

Andi Brehme

Guest
Stimme den (meisten) Vorrednern absolut zu - technisch: klar, erfinderisch: weiß ich nicht -, möchte aber noch eine Randbemerkung anfügen.

Beim EPA könnte eine solche Anmeldung trotzdem den Gang einer Geschäftsmethode gehen. Wenn der Rechercheprüfer sofort der Ansicht ist, dass die Merkmale, die den erfinderischen Schritt ausmachen könnten, allesamt nicht technisch sind (sowie keine technische Aufgabe oder Lehre vorliegen) und die technischen Merkmale alle Standard-Merkmale sind, dann wird er keine Recherche machen --> R. 45- Erklärung (no meaningful search possible) statt Recherchebericht.

Eigentlich nicht korrekt, da Technizität und erfinderische Tätigkeit zu trennen sind (und nur ersteres die Recherche betrifft). Zumal der Gegenstand technisch ist und eine Recherche damit verdient (man zahlt ja auch dafür). Das ist aber EPA-Politik, um solche Anmeldungen frühzeitig abzublocken (steht auch mehr oder weniger unverblümt so in der R. 45-Erklärung).
 
P

Prüfer

Guest
[....]

3. Es gibt wenigstens einen elektronischen Datenträger
4. Dieser muß lösbar mit dem Rezeptformular verbunden sein

Hat hier schon mal jemand eine EC-, Kredit-, Handy-SIM- oder Krankenkassenkarte zugeschickt bekommen?

Die haben einen Chip oder einen Magnetstreifen (Merkmal 3 des Streitpatentes), sind auf einem Brief aufgeklebt (4a), wobei sie leicht abziehbar sind (4b). Der Brief ist aus Papier (1) und es steht noch etwas gesülze drauf (2).
Bleibt noch die Frage, ob ein Brief neuheitsschädlich gegen ein Rezeptformular stehen kann: "für" bedeutet "brauchbar für", demnach ist die Verwendungsangabe "Rezept-" nicht einschränkend (BGH, Schießbolzen).
ERGO: Natürlich ist der Anspruch technisch, aber er ist nicht neu und für viele ist es noch ein weiter Weg zur Prüfung.
 
G

Gast999

Guest
Neuheit, erfinderische Tätigkeit, Vorbenutzung und was weiß ich hin oder her, es ging doch "nur" um die Technizität. Die ist ja wohl gegeben.
Prüfer: Ich wiederhole mich gerne zum Mitschreiben. Der letzte Halbsatz war übrigens vollkommen überflüssig.
 
K

Kand.

Guest
Auf den Beischeid von "Prüfer":

Vorgelegt wird ein neuer Satz Patentansprüche, der die bisherigen Ansprüche ersetzen soll. Dabei wurde der ursprüngliche Anspruch 1 ergänzt um die Merkmale des bisherigen Anspruchs 4, nach den es sich um zumindest zwei Datenträger handelt, in denen die identische elektronische Information gespeichert ist. Die weiteren Ansprüche blieben unverändert und wurden umnummeriert.

Der Gegenstand des neuen Hauptanspruchs wird durch die vom Prüfer als neuheitsschädlich bezeichnete Ausgestaltung der häufig versendeten Kredit- oder Krankenversicherungskarten nicht vorweggenommen, es ist lediglich eine (!) lösbar mit einem Brief verbundene Karte mit einem Datenträger offenbart. Ebensowenig ist der entgegengehaltene Stand der Technik geeignet, die erfindungsgemäße Ausgestaltung der nunmehr beanspruchten Erfindung nahezulegen.

Selbts wenn ein Kreditinstitut mehrere Kreditkarten auf einem Brief verschicken würde, so wären auf den mehreren Kreditkarten in jedem Fall voneinander unterschiedliche Informationen gespeichert, da jede Kreditkarte bekanntlich individuelle Erkennungsinformationen trägt.

Zudem ist dem zitierten Stand der Technik weder die erfindungsgemäße Verwendung in Zusammenhang mit Rezeptformularen zu entnehmen, noch sind die in diesem Zusammenhang bestehenden Problemstellungen vergleichbar.

Das nunmehr beanspruchte Rezeptformular ist somit neu und erfinderisch.

Nach alledem wird der Mitteilung nach Regel 51(4) entgegengesehen. Lediglich hilfsweise wird, zur Wahrung der Rechte der Anmelderin eine mündliche Verhandlung nach Art. 116 EPÜ beantragt.


Kand.
- leider noch nicht - zugelassener Vertreter

P.S: Zur Erfindungshöhe ließe sich auch noch besser argumentieren bzw. weitere Argumente aufführen, aber schließlich kann ich das hier nicht abrechnen!
 
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