Unzulässige Erweiterung im Einspruchsverfahren (EPÜ)

A

Arno

Guest
Hallo Forum.

Folgendes:

Angenommen, ein Patent wird mit einem im Prüfungsverfahren hinzugefügten Anspruch erteilt, der eine unzulässige Erweiterung enthält.

Und zwar: der hinzugekommene Anspruch habe in diesem Fall nicht ein Merkmal *zuviel* - sondern es *fehlt* in diesem Anspruch vielmehr ein als *wesentlich* offenbartes Merkmal.

Damit ist die Anspruchsbreite von der ursprünglichen Offenbarung nicht gedeckt und stellt einen Einspruchsgrund dar.

Nun kann doch aber im Einspruchsverfahren das ja ursprünglich offenbarte Merkmal ohne weiteres in den Anspruch aufgenommen werden, da hierdurch der Schutzbereich nicht erweitert, sondern natürlich verkleinert wird.

Hier liegt also keineswegs eine unentrinnbare Falle vor.

Wollte das nur noch mal bestätigt haben - oder gibt es da etwa irgendwelche Fallstricke zu beachten?
 
G

grond

Guest
Re: Unzulässige Erweiterung im Einspruchsverfahren

Arno schrieb:
Hier liegt also keineswegs eine unentrinnbare Falle vor.

Wollte das nur noch mal bestätigt haben - oder gibt es da etwa irgendwelche Fallstricke zu beachten?
Nö, ich teile Deine Einschätzung, solange wirklich keinerlei Zwischenverallgemeinerungsproblematik vorliegt.
 
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Arno

Guest
Re: Unzulässige Erweiterung im Einspruchsverfahren

Nö, ich teile Deine Einschätzung, solange wirklich keinerlei Zwischenverallgemeinerungsproblematik vorliegt.
Allright, danke. Nur - wat is' nen Zwischenverallgemeinerungsproblematik?

Eine Unterkombination? Ein beschränkend erweitertes Merkmal? Eine unzulässige Erweiterung der Offenbarung...?
 
G

Gast999

Guest
Re: Unzulässige Erweiterung im Einspruchsverfahren

Das mit der Zwischenverallgemeinerungsproblematik (was für ein Wort) verstehe ich auch nicht, denn selbst wenn ich sage, daß das Merkmal X doch nicht wesentlich ist, und das Patent erteilt wird, kann ich doch Merkmal X im Einspruchsverfahren wieder aufnehmen.

Ich verstehe die Ausgangsfrage aber auch nicht so ganz, den die sich in der Praxis stellende Problematik ist doch genau anders herum.

Ich nehme ein Merkmal in den Anspruch auf, das Patent wird erteilt und dann kommt ein Einspruch wegen unzulässiger Erweiterung. Dann kann ich das Merkmal nicht ohne weiteres streichen wegen 123(3), kann es aber auch nicht im Anspruch lassen wegen 123(2).
 
A

Arno

Guest
Re: Unzulässige Erweiterung im Einspruchsverfahren

Ich verstehe die Ausgangsfrage aber auch nicht so ganz, den die sich in der Praxis stellende Problematik ist doch genau anders herum.
Nun ja, praxisrelevant oder nicht, der Fall stammt aus der EQE 2004 Teil C...
 
K

Kand.

Guest
Re: Unzulässige Erweiterung im Einspruchsverfahren

Naja, es kann schon vorkommen, daß ein Mandant - während sich seine Patentanmeldung im Erteilungsverfahren befindet - einen potentiellen Patentverletzer ausfindig macht, der jedoch gerade ein Merkmal des Hauptanspruchs nicht verwirklicht hat. In einem solchen Fall könnte es schon einmal sinnvoll sein, das Merkmal aus dem Patentanspruch zu streichen und - sofern sich auch ohne dieses Merkmal im Hinblick auf den vom Amt recherchierten Stand der Technik eine erfinderische Tätigkeit begründen läßt - den Prüfer davon zu überzeugen, daß dieses Merkmal bereits im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung als nicht erfindungswesentlich anzusehen war.

Wenn der Prüfer dies so akzeptiert, dann wäre diese Streichung später, z.B. falls die Einspruchsabteilung hierzu eine andere Ansicht hat, wieder heilbar, indem das Merkmal wieder in den Anspruch aufgenommen wird. Ist meiner Meinung nach eigentlich gar nicht so praxisfern ....
 
V

versucher

Guest
Re: Unzulässige Erweiterung im Einspruchsverfahren

kann hier nicht in Analogie G1/99 einschlägig sein?

"... Unter diesen Umständen kann zur Beseitigung des Mangels gestattet werden, Folgendes zu beantragen:

- in erster Linie eine Änderung, durch die ein oder mehrere ursprünglich offenbarte Merkmale aufgenommen werden, durch die der Schutzbereich des Patentes in der aufrechterhaltenen Fassung einschränken;..."
 
G

Gast999

Guest
Re: Unzulässige Erweiterung im Einspruchsverfahren

Arno: Ich glaube Du denkst zu kompliziert (nicht böse gemeint). Hier zuerst aus dem Examiner's Report:

"Many candidates did not realise that the introduction of claim 4 during prosecution of
the application contravened Article 123(2). Those who did usually failed to appreciate
that paragraph 17 required a particular arrangement of surfaces on the wiper blade in
order to produce a uniform liquid layer. Such an arrangement of surfaces was an
essential feature for embodiments relating to wiper blades. Its absence from claim 4 is
what leads to the added subject matter objection.

A number of candidates correctly attacked claim 4 but then wrongly stated that claim 5
was also objectionable because it was dependent on claim 4. Some candidates, who
objected to added subject matter, did realise that claim 5 restored the essential
features missing from claim 4."

Also die Aufgabe des Teils C ist doch der Einspruch und da A4 eine unzulässige Erweiterung darstellt, wird er angegriffen. Das hat doch damit nicht zu tun, daß ich ihn dann durch Wiederaufnahme des Merkmals von A5 verteidigen kann. Der Einspruch basiert auf den derzeit geltenden Ansprüchen und nicht auf dem, was man potentiell schützen lassen könnte.
 
G

grond

Guest
Re: Unzulässige Erweiterung im Einspruchsverfahren

Arno schrieb:
Nur - wat is' nen Zwischenverallgemeinerungsproblematik?
Ein gemeiner Stolperstrick, über den offenbar auch echte Patentanwälte schon mal stolpern und der mir zugegebenermaßen auch noch etwas nebulös ist. Das passiert wohl gerne mal, wenn man ein vermeintliches Merkmal aus der Beschreibung holt, das dann in dieser Merkmalskombination nicht als eindeutig offenbart gilt.

Man hat Ausführungsbeispiele 1 und 2 mit den Merkmalen ABC und ADE. A ist leider nicht neu und erfinderisch. ABC und ADE, aber auch ABD wären neu und erfinderisch. ABD wurde zum Gegenstand des Hauptanspruch gemacht, weil C und E sehr einschränkende und damit ungewünschte Merkmale sind. ABD ist aber nicht eindeutig offenbart, da bloße Rückbezüge in den Ansprüchen nicht als eindeutige Offenbarung gelten => Zwischenverallgemeinerung. Es kann nicht mehr auf ABC oder ADE ausgewichen werden, weil jeweils ein Merkmal des erteilten Hauptanspruches gestrichen werden müsste (nämlich D oder B). Und ABCDE ist auch nicht offenbart => Patent tot.

Diese ausweglose Falle ist sehr ähnlich der der unzulässigen Erweiterung, bei der ein Merkmal benutzt wurde, das nicht ursprünglich offenbart war. Hier wurden jedoch nur Merkmale benutzt, die für sich eindeutig offenbart waren, aber nicht in der Kombination, die die Grundlage des Hauptanspruchs bildet. Insofern ist diese Falle um einiges hinterhältiger...
 
G

Gast999

Guest
Re: Unzulässige Erweiterung im Einspruchsverfahren

Ach so, das würde ich aber dann nicht als Zwischenverallgemeinerung bezeichnen, denn es ist tatsächlich eine unzulässige Erweiterung. Genauer ist es keíne 123(2), (3) Problematik, sondern eine 123(2), (3), (2) Problematik, wenn man so will. :)

ABC und ABE offenbart

zu ABD geändert -> !123(2) verletzt, da nicht offenbart in der Anmeldung

Patent erteilt

D streichen -> 123(3) verletzt, da Schutzumfang erweitert

ABCDE (oder ABDE oder ABCD) nicht offenbart -> 123(2) verletzt, da der sich auch auf Patente bezieht und nicht nur auf Anmeldungen.

Folge: Gib Dir die Kugel!
 
R

Robby

Guest
Re: Unzulässige Erweiterung im Einspruchsverfahren

Damit sind wir wieder bei der alten Regel bezüglich Beschreibung abfassen: Alle Merkmale, die in Unteransprüchen genannt sind in der Beschreibung besonders würdigen. Dann findet man für eine Kombination auch eine Stütze.
 
G

grond

Guest
Re: Unzulässige Erweiterung im Einspruchsverfahren

Gast999 schrieb:
Ach so, das würde ich aber dann nicht als Zwischenverallgemeinerung bezeichnen, denn es ist tatsächlich eine unzulässige Erweiterung.
Ja schon, nur das so etwas viel leichter mal hinterrücks passiert, will sagen, durch Formulierungsschwächen herbegeführt wird (Grenzbereich zum Art. 84). Tatsächlich hatte die eigentliche Erfindung die Merkmale A, B, C, D und E. Alle Merkmale sind beschrieben. Aber die Beispiele etwas schlecht gewählt und die Beschreibung ungenau.

Wenn ich ein neues Merkmal einfach so reinschreibe, sollte ich wissen, dass ich das nicht darf. Aber Merkmale, die ich da eindeutig hineingeschrieben habe und die nach meiner befangenen Wahrnehmung (ich kenne ja die Erfindungsmeldung) auch in Kombination auftreten sollen, prüfe ich halt schnell mal nicht ganz so kritisch.
 
B

Besserwisser

Guest
Re: Unzulässige Erweiterung im Einspruchsverfahren

grond schrieb:
Arno schrieb:
Nur - wat is' nen Zwischenverallgemeinerungsproblematik?
Man hat Ausführungsbeispiele 1 und 2 mit den Merkmalen ABC und ADE. A ist leider nicht neu und erfinderisch. ABC und ADE, aber auch ABD wären neu und erfinderisch. ABD wurde zum Gegenstand des Hauptanspruch gemacht, weil C und E sehr einschränkende und damit ungewünschte Merkmale sind. ABD ist aber nicht eindeutig offenbart, da bloße Rückbezüge in den Ansprüchen nicht als eindeutige Offenbarung gelten => Zwischenverallgemeinerung.
Das ist falsch. Zwischenverallgemeinerung bedeutet, dass ein einzelnes Merkmal aus der Beschreibung genommen wird, obwohl nicht eindeutig offenbart ist, dass es auch ohne weitere Merkmale desselben Ausführungsbeispiels allein auftreten kann. Wir haben: Ausführungsbeispiel mit zusätzlichen Merkmalen K, L, M. K wird nun isoliert in den Hauptanspruch aufgenommen. Das kann eine Zwischenverallgemeinerung sein. Daraus wird aber gewöhnlich keine inescapable trap, weil man auch noch L und M aufnehmen könnte.
 
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