Priorität und explizite Länderbenennung

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Ralf

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Hallo,
kann mir jemand bei folgender Frage weiterhelfen:
Bei einer Patentanmeldung beim EPA in München wurden explizit die Länder SE und IT benannt. Kann man unter Inanspruchnahme der Priorität dieser Erstanmeldung nun in einer Nachanmeldung Schutz für die Länder IT, FR und DE beanspruchen?
Vielen Dank,
Ralf
 
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schorschi

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Nach Art. 87 (2) EPÜ kann die Priorität einer frühreren europäischen Patentanmeldung für eine "neue" EP-Anmeldung in Anspruch genommen werden. Insbesondere hat nach Art. 66 EPÜ die prioritätsbegründende europäische Anmeldung die Wirkung einer vorschriftsmäßigen nationalen Hinterlegung.

Für die "neue" EP-Anmeldung gelten (im Gegensatz zu Teilanmeldungen) keine Einschränkungen bezüglich Benennungen von Vertragsstaaten, Art. 79 EPÜ.
 
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Gast 2

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Deine Benennungen werden erst dann "fix", wenn auch die Gebühren bezahlt wurden. Da dies innerhalb des Prioritätsjahres noch gar nicht passiert sein kann, sind immer noch alle Länder benannt => kein problem
 
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Ralf

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Die Benennung mindestens eines Vertragsstaates ist doch aber mit einzureichen, um einen gültigen Anmeldetag zu erhalten, oder bin ich da falsch informiert worden?
 
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Guest
Also in diesem Fall macht es nur Sinn, die ursprüngliche europäische Anmeldung fallenzulassen. Eventuell bereits gezahlte Gebühren sind in jedem Fall verloren bzw. noch einmal zu entrichten. Mit der die ursprüngliche Anmeldung als Priorität in Anspruch nehmenden neuen Anmeldung sind dann alle gewünschten oder vorsorglich alle Staaten zu benennen. Das Ganze hat in jedem Fall aber sowieso den entscheidenden Nachteil, das die Priorität für Europa nicht nocheinmal in Anspruch genommen werden kann.

Einer Einwendung mit der Argumentation, das bei der ursprünglichen Anmeldung ein Fehler in der Benennung passiert ist, würde ich wenig Chancen einräumen. Die Meßlatte dafür ist einfach zu hoch.
 
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gast 2 schrieb:
Deine Benennungen werden erst dann "fix", wenn auch die Gebühren bezahlt wurden. Da dies innerhalb des Prioritätsjahres noch gar nicht passiert sein kann, sind immer noch alle Länder benannt => kein problem
Das ist schlicht falsch, da hier von der vorsorglichen Benennung explizit kein Gebrauch gemacht wurde. Damit können keine weiteren Länder für die ursprüngliche Anmeldung benannt werden. Da solche Benennungsfehler früher recht häufig waren, hat man vor Jahren die vorsorgliche Benennung eingeführt. Die Lösung hier ist, die alte Anmeldung fallenzulassen.
 
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Ralf schrieb:
Die Benennung mindestens eines Vertragsstaates ist doch aber mit einzureichen, um einen gültigen Anmeldetag zu erhalten, oder bin ich da falsch informiert worden?
Wie bereits beschrieben gilt die vorsorgliche Benennung aller Staaten, die hier aber explizit durch konkrete Benennung abgewählt wurde.
 
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Gert

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Gast schrieb:
Das Ganze hat in jedem Fall aber sowieso den entscheidenden Nachteil, das die Priorität für Europa nicht nocheinmal in Anspruch genommen werden kann.
??? Wieso denn das?
 
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Gert schrieb:
Gast schrieb:
Das Ganze hat in jedem Fall aber sowieso den entscheidenden Nachteil, das die Priorität für Europa nicht nocheinmal in Anspruch genommen werden kann.
??? Wieso denn das?
Vielleicht ein wenig missverständlich formuliert. Gemeint ist, die Priorität einer europäischen Patentanmeldung kann für eine weitere europäische Anmeldung nur einmal in Anspruch genommen werden.

Siehe Artikel 87 (4) EPÜ: ... ebensowenig darf diese ältere Anmeldung schon Grundlage für die Inanspruchnahme des Prioritätsrechts gewesen sein. Die ältere Anmeldung kann in diesem Fall nicht mehr als Grundlage für die Inanspruchnahme des Prioritätsrechts dienen.

Das ist aber auch bei der inneren Priorität gemäß §40 PatG so.
 
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Gast schrieb:
gast 2 schrieb:
Deine Benennungen werden erst dann "fix", wenn auch die Gebühren bezahlt wurden. Da dies innerhalb des Prioritätsjahres noch gar nicht passiert sein kann, sind immer noch alle Länder benannt => kein problem
Das ist schlicht falsch, da hier von der vorsorglichen Benennung explizit kein Gebrauch gemacht wurde. Damit können keine weiteren Länder für die ursprüngliche Anmeldung benannt werden.
Das kommt davon, wenn man die Anmeldung nicht mehr selbst prozessiert, sondern das die Admin Damen machen läßt. Laut aktuellem Formular 1001 in Punkt 32 : http://www.european-patent-office.org/epo/formul/epc/1001_0705.pdf

ist die Auswahl aller Vertragsstaaten gar nicht abwählbar. Ich nehme also an, bei der Anmeldung hier ist 2b angekreuzt und die besagten Länder angeben worden. Damit erhält man keine Mitteilung über eventuelle Rechtsverluste für die nicht genannten Länder.

Damit ist weiter gar nichts zu tun als das Amt auf die geänderten Benennungsabsichten hinzuweisen. Die Anmeldung muß nicht fallengelassen werden und eine neue ist auch nicht nötig, und damit wird auch die Priorität nicht verbraucht.

Wenn es Erstreckungsstaaten betreffen würde oder nicht das Formular 1001 zur Anmeldung verwendet wurde, dann hätte man besagtes Problem tatsächlich.

Die obige Aussage, dass das alles nicht in dem Prioritätsjahr passieren kann, ist aber trotzdem nicht ganz korrekt (aber in der Regel in der Praxis so). Rein theoretisch ist es möglich, dass der Recherchebericht so schnell kommt und der Anmelder die Anmeldung ASAP veröffentlichen will (um z.B. angemessene Entschädigung für Benutzung zu verlangen), dass die 6 Monate und die Nachfrist seit dem Hinweis im Amtsblatt auf die Veröffentlichung des Rechercheberichts vergangen sind.
 
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Gast schrieb:
Gert schrieb:
Gast schrieb:
Das Ganze hat in jedem Fall aber sowieso den entscheidenden Nachteil, das die Priorität für Europa nicht nocheinmal in Anspruch genommen werden kann.
??? Wieso denn das?
Vielleicht ein wenig missverständlich formuliert. Gemeint ist, die Priorität einer europäischen Patentanmeldung kann für eine weitere europäische Anmeldung nur einmal in Anspruch genommen werden.

Siehe Artikel 87 (4) EPÜ: ... ebensowenig darf diese ältere Anmeldung schon Grundlage für die Inanspruchnahme des Prioritätsrechts gewesen sein. Die ältere Anmeldung kann in diesem Fall nicht mehr als Grundlage für die Inanspruchnahme des Prioritätsrechts dienen.

Das ist aber auch bei der inneren Priorität gemäß §40 PatG so.
 
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Gert

Guest
Gast schrieb:
Vielleicht ein wenig missverständlich formuliert. Gemeint ist, die Priorität einer europäischen Patentanmeldung kann für eine weitere europäische Anmeldung nur einmal in Anspruch genommen werden.

Siehe Artikel 87 (4) EPÜ: ... ebensowenig darf diese ältere Anmeldung schon Grundlage für die Inanspruchnahme des Prioritätsrechts gewesen sein. Die ältere Anmeldung kann in diesem Fall nicht mehr als Grundlage für die Inanspruchnahme des Prioritätsrechts dienen.

Das ist aber auch bei der inneren Priorität gemäß §40 PatG so.
Immer die Artikel ganz lesen:

Als die erste Anmeldung, von deren Einreichung an
die Prioritätsfrist läuft, wird auch eine jüngere Anmeldung
angesehen, die denselben Gegenstand betrifft wie eine
erste ältere in demselben oder für denselben Staat
eingereichte Anmeldung, sofern diese ältere Anmeldung
bis zur Einreichung der jüngeren Anmeldung
zurückgenommen, fallengelassen oder zurückgewiesen
worden ist, und zwar bevor sie öffentlich ausgelegt
worden ist und ohne daß Rechte bestehen geblieben
sind; ebensowenig darf diese ältere Anmeldung schon
Grundlage für die Inanspruchnahme des Prioritätsrechts
gewesen sein. Die ältere Anmeldung kann in diesem Fall
nicht mehr als Grundlage für die Inanspruchnahme des
Prioritätsrechts dienen.

'in diesem Fall' ist nicht auf den Teil hinter ';' bezogen, sondern auf den gesamten ersten Satz. Das geht klar aus der englischen Fassung hervor. Damit kann aber, falls die ältere Anmeldung nicht unter die Vorraussetzungen des gesamten ersten Satzes fällt, die Prio nochmal in Anspruch genommen werden (sonst ist es die Jüngere). Das dient der Vermeidung von Kettenprios. Um den Art. 87(4) bestand insofern auch nie Unklarheit. Deine Meinung könnte allenfalls durch Art. 87(1) gestützt sein, in dem es heisst:'die Anmeldung derselben Erfindung'. Das wurde in T998/99 fälschlich dahingehend interpretiert, dass mit 'die' eine Anmeldung bezeichnet wird. Da wird aber demnächst eine Entscheidung veröffentlicht, die das wieder gerade rückt (T15/01). Sonst noch: Schulte 7.A., §40, R19.
 
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Guest
@Gert

Gemeint war aber, dass die Voraussetzung ist, dass die Anmeldung fallengelassen wurde. Dann kann eben die Priorität nur einmal in Anspruch genommen werden.

Wenn die Anmeldung nicht fallengelassen wird, zahlt man nicht nur viele Gebühren doppelt, sondern hat auch das Problem, dass man das Rechtsschutzbedürfnis für zwei unabhängige Anmeldungen mit zwei verschiedenen Ländern erklären muß, da man ja bei der zweiten Anmeldung alle gewünschten Länder benennen kann.
 
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Gert

Guest
Art. 87(3): Unter vorschriftsmäßiger nationaler Anmeldung ist
jede Anmeldung zu verstehen, die zur Festlegung des
Tags ausreicht, an dem die Anmeldung eingereicht
worden ist, wobei das spätere Schicksal der
Anmeldung ohne Bedeutung ist.

Ich sehe immer noch keinen Grund, wieso die 1. Anmeldung (mit der verhunzten Länderbenennung) nicht für weitere Nachanmeldungen (3.+ weitere Anmeldung) als Prioanmeldung in Anspruch genommen werden kann.
 
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Guest
Weil hier doch A 87 (4) für A 87 (3) weitere Merkmale hinzufügt. Ich sehe darin keinen Widerspruch.

A 87 (3): Das spätere Schicksal ist erst einmal nur ohne Bedeutung für die Eigenschaft vorschriftsmäßige nationale Anmeldung zu sein.

A 87 (4): Wenn es sich um eine vorschriftsmäßige nationale Anmeldung handelt, die zurückgenommen, fallengelassen oder zurückgewiesen wurde, dann kann man deren Priorität nur einmal in Anspruch nehmen, sofern das nicht schon passiert ist, als die Anmeldung noch nicht zurückgewiesen, fallengelassen, oder zurückgenommen wurde.
 
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Da das Ganze doch recht verwirrend ist, sollte man sich dem Problem schrittweise nähern und T 998/99 erst einmal ausklammern:

  • Erste Anmeldung ist tot (keine Rechte übrig, inbesondere keine Anmeldung am Leben, die die Priorität der ersten Anmeldung in Anspruch nimmt)
  • Zweite Anmeldung der gleichen Erfindung für das gleiche benannte Land wie die tote Anmeldung
  • dann wird man die Priorität der toten Anmeldung in Anspruch nehmen, weil nach A 87 (4) sonst der Tag der zweiten Anmeldung die Priorität begründet und ein späteres Anmeldedatum u.U. neuheitsschädlich für die Erfindung sein kann
  • stirbt dann die zweite Anmeldung, ist wiederum nach A 87 (4) die Priorität der ersten verbraucht, und damit kann wiederum nach A 87 (4) nur noch der Tag einer dritten späteren Anmeldung der gleichen Erfindung prioritätsbegründend sein.
Die Priorität der ersten Anmeldung ist dann aber nicht verbraucht, solange die zweite Anmeldung lebt.

Jetzt käme erst die Argumentation von T 998/99 ins Spiel. Diese Entscheidung sagt dann, die Priorität ist auch in dem Fall verbraucht, dass die zweite Anmeldung lebt.
 
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Das Ganze ist wirklich total verwirrend.

Gast schrieb:
- stirbt dann die zweite Anmeldung, ist wiederum nach A 87 (4) die Priorität der ersten verbraucht, und damit kann wiederum nach A 87 (4) nur noch der Tag einer dritten späteren Anmeldung der gleichen Erfindung prioritätsbegründend sein.
Der letzte Teil ist falsch. Aus A 87 (4) folgt doch dann, dass sich die dritte Anmeldung wieder automatisch im Prioritätsintervall der ersten befindet, ohne selbst deren Priorität in Anspruch zu nehmen, was ja gerade A 87 (4) verbietet.
 
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Gert

Guest
Art. 87 (4) verbietet nicht, dass eine dritte Anmeldung die Prio der ersten in Anspruch nimmt. Sie verbietet lediglich eine Kettenpriorität, denn Art. 87(4) betrifft die erste Anmeldung, von deren Einreichung die Prioritätsfrist läuft . Falls also die erste (ältere Anmeldung) bereits als Prio verwendet wurde für die zweite (jüngere Anmeldung) ist der AT der ersten Anmeldung ausschlaggebend für die Fristen. Das ist alles. Kompliziert finde ich das alles nicht, zur Lektüre empfehle ich Wieczoreck, "Die Unionspriorität im Patentrecht". Ist leider schon etwas älter, es ist nicht alles richtig (u.a. geht er davon aus, dass eine Nachanmeldung eine Unionspriorität "verbraucht", S. 184, Absatz 1; siehe auch T998/99), aber trotzdem die beste Einführung zu dem Thema.

Und die Entscheidung mit den vielen Neunern können wir getrost vergessen, T15/01.
 
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Gast schrieb:
Wenn es Erstreckungsstaaten betreffen würde oder nicht das Formular 1001 zur Anmeldung verwendet wurde, dann hätte man besagtes Problem tatsächlich.
Also laut J25/88 gilt immer die Anwendung des Grundsatzes der vorsorglichen Benennung. D.h. implizite Vorsorgebenennung aller Vertragsstaaten bei fehlender Benennung, auch wenn das Formblatt (Form 1001) nicht verwendet wird.

D.h., im Prinzip ist der ganze Thread gegenstandslos!
 
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