'fiktiver Stand der Technik' in den USA

F

fighting_candidate

Guest
Liebe Kollegen;

das US-Patentrecht unterscheidet sich ja in einigen Dingen, u. a. auch der Beurteilung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit, vom europäischen Patentrecht.

Hat jemand eine Erkenntniss dazu, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine Anmeldung mit einem älteren Zeitrang, die aber nach der eigenen Anmeldung veröffentlich wurde, d. h. fiktiver Stand der Technik ist, in den USA ebenfalls zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit (obviousness) herangezogen werden kann.
 
G

GAST_DELETE

Guest
Soweit ich das weiss, gibt es in den USA erst seit Beginn dieses Jahrtausends überhaupt Offenlegungsschriften, davor wurde erst nach der Erteilung eine Patentschrift veröffentlicht.

Sicher ist in jedem Fall, dass, wo es noch keine OS gibt, alles, was einen älteren Zeitrang hat, zum Stand der Technik zählt, also auch für die erfinderische Tätigkeit (obviousness) relevant ist.

Ob sich das mit der Einführung der OS geändert hat, entzieht sich im Moment meiner Kenntnis, aber ich muss ehrlich sagen: ich bezweifle es.
 
L

LostJedi

Guest
Ich habe wenig Ahnung von amerikanischer Rechtsprechungspraxis, aber wenn ich das richtig verstehe, den 35 USC 103:

§103. Conditions for patentability; non-obvious subject matter


(a)
A patent may not be obtained though the invention is not identically disclosed or described as set forth in section 102 of this title, if the differences between the subject matter sought to be patented and the prior art are such that the subject matter as a whole would have been obvious at the time the invention was made to a person having ordinary skill in the art to which said subject matter pertains. Patentability shall not be negatived by the manner in which the invention was made.


103 verweist also auf 102, was "prior art" angeht. So etwas wie "nachveröffentlicht" steht da nicht, und ich wüßte auch nicht, wo im 35 USC das stehen sollte.

102 wiederum, was man bemerken sollte, schreibt vor:

§102. Conditions for patentability; novelty and loss of right to patent

A person shall be entitled to a patent unless--


(a)
the invention was known or used by others in this country, or patented or described in a printed publication in this or a foreign country, before the invention thereof by the applicant for patent, or

(...)

Das ist bemerkenswert, aus zwei Gründen, die neugieriger machen:

  • Offenbar reicht das blosse Wissen eines anderen schon als Stand der Technik aus, die auch in die obviousness eingeht,
  • "before the invention thereof". Stellt das amerikanische Gesetz hier tatsächlich auf den Zeitpunkt der Erfindung ab? Woher soll man den denn bitte belegen?
Weiss jemand näheres?
 
Z

zaphod

Guest
LostJedi schrieb:
2. "before the invention thereof". Stellt das amerikanische Gesetz hier tatsächlich auf den Zeitpunkt der Erfindung ab? Woher soll man den denn bitte belegen?
Wissen weiß ich auch nichts, aber belegen kann man sowas z.B. mit Labortagebüchern (mit numerierten Seiten), Produktionsprotokollen etc, die ja in der Regel bei ordentlicher Führung gegengezeichnet werden. Da es derartige Vorgänge in den Entwicklungsabteilungen gibt, denke ich einfach, daß sie u.a. deshalb existieren, um ggf. eine Vorbenutzung oder Priorität der Erfindung zu dokumentieren.
In den USA könnte ich mir sowas durchaus vorstellen ;-)
(Selbstverständlich kann ich so ein LAbortagebuch auch in 2 TAgen nachträglich erstellen :)
 
G

grond

Guest
LostJedi schrieb:
Das ist bemerkenswert, aus zwei Gründen, die neugieriger machen:

  • Offenbar reicht das blosse Wissen eines anderen schon als Stand der Technik aus, die auch in die obviousness eingeht,
  • "before the invention thereof". Stellt das amerikanische Gesetz hier tatsächlich auf den Zeitpunkt der Erfindung ab? Woher soll man den denn bitte belegen?
Weiss jemand näheres?
Genau hier liegt der "berühmteste" Unterschied zwischem US-amerikanischem Patentrecht und dem anderer Länder: das first-to-invent-Prinzip gegenüber dem first-to-file-Prinzip. Daher reicht der (nachzuweisende) frühere Erfindungsbesitz aus, um ein Patent zu erlangen. Zur Feststellung des Erfindungszeitpunktes gibt es aufwendige Verfahren. Deshalb werden in den Staaten auch immer Laborbücher geführt, um den Erfindungszeitpunkt im Zweifelsfall nachweisen zu können.
 
G

GAST_DELETE

Guest
Zur Feststellung des Erfindungszeitpunktes gibt es aufwendige Verfahren. Deshalb werden in den Staaten auch immer Laborbücher geführt, um den Erfindungszeitpunkt im Zweifelsfall nachweisen zu können.


In der Tat, die sog. Interference-Verfahren können nicht nur lange dauern sondern sind auch sehr kostenintensiv - 6stellige Beträge sind durchaus normal.
Deshalb führen Forschungsbetriebe auch hier entsprechend Laborbücher nach amerikanischen Standards, um vor den dortigen Gerichten entsprechend gewappnet zu sein.
Allerdings ist im US-Recht so einiges in Bewegung: so wie es inzwischen die Offenlegung nach 18 Monaten gibt und gleiche Patent-Lebensdauer, scheint es noch weitere Annäherungen an das europäische Recht zu geben, d.h. auch das "first-to-invent"-Prinzip ist am wackeln.
 
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