Prioritätserklärung zurücknehmen?

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Mal eine vielleicht ungewöhnliche Frage:

Kann man eine gegenüber dem DPMA abgegebene Prioritätserklärung (innere Priorität) zurücknehmen oder auf die Priorität verzichten?
Laut Busse (§40 Rn 21) kann das DPMA unter Umständen einen Verzicht auf die Priorität verlangen; daraus könnte man schließen, dass die Anmelderin das auch freiwillig tun kann. Dazu habe ich aber konkret nichts gefunden.
Und andererseit heisst es (Busse, § 40 Rn 6), dass die Inanspruchnahme einer inneren Priorität diese nicht verbraucht und daher kein Bedürfnis für eine Rücknahme bestehe. Aber muss man denn zwingend ein Bedürfnis haben?

Grundsätzlich kann man doch auf Rechte auch verzichten. Ich könnte mir nur vorstellen, dass in diesem Fall das Interesse der Öffentlichkeit an Rechtssicherheit entgegensteht, weil möglicherweise die zweite Anmeldung mit Nennung der Priorität schon veröffentlicht ist.

Wie seht ihr das?
 

Patman

GOLD - Mitglied
Mir fällt dazu gleich ein, dass die ältere Anmeldung, die die Prioität begründen würde, möglicherweise der neuen Anmeldung, die die Priorität nun nicht mehr in Anspruch nimmt, nun als neuheitsschädlich entgegensteht.

Nach §3 Abs 2 können auch noch nicht veröffentlichte Anmeldungen neuheitsschädlich sein. Da die jüngere ohne Prioinanspruchnahme nichts mehr mit der älteren zu tun hat, nimmt sie den Inhalt vorweg.
 
H

Hagen

Guest
wenn die priorität schon formal beansprucht ist, dann geht ein verzicht nicht mehr, sofern kein rechtsschutzbedürfnis geltend gemacht werden kann. ansonsten einfach die sachen nicht einreichen, die man vor ablauf der 16 monate (§41 PatG) hätte einreichen sollen, und der prioritätsanspruch verfällt.

außerdem sehe ich das pragmatisch:

  • der gegenstand ist derselbe wie jener der früheren anmeldung, dann ist die spätere anmeldung neuheitsschädlich vorweggenommen, wie mein vorredner richtig sagte.
  • oder der gegenstand ist nicht derselbe. dann hält der prioritätsanspruch keiner materiell-rechtlichen prüfung stand.
insofern würde ich gerne vom fragesteller die beweggründe des verzichts wissen.
 

LostJedi

BRONZE - Mitglied
Wie die Ente schon sagte: Muss man denn immer Gründe haben?

Aber mich würde auch mal interessieren, warum man darauf verzichten sollte, insbesondere wegen der Neuheitsschädlichkeit der alten Anmeldung....?
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Hm, ich sehe die Problematik ...

Zu §3 Abs. 2 PatG: Hier ist ja die Rede von älteren Anmeldungen, die später veröffentlicht werden. Was aber, wenn die ältere wg. Rücknahme gar nie publiziert wird? Diese Regelung dient ja eigentlich der Verhinderung von Doppelpatentierungen, so dass sie in diesem Fall nicht greifen sollte.

Beweggrund könnte sein, dass man eine Priorität aus der jüngeren Anmeldung (mit deren Anmeldetag) in Anspruch nehmen will, z.B. für eine PCT-Anmeldung, weil die zwölf Monate seit der Älteren schon verstrichen sind. So was kann schon mal vorkommen ;-)

Art. 4 C Abs. 4 PVÜ lässt das auch grundsätzlich zu, wenn aus der älteren Anmeldung keine Rechte mehr bestehen und ihre Prio noch nicht in Anspruch genommen wurde. Fraglich ist nur, ob dies auch nach Rücknahme/Verzicht bezügl. der einst beanspruchten Priorität gilt.
 
M

Muffel

Guest
Pat-Ente schrieb:
Beweggrund könnte sein, dass man eine Priorität aus der jüngeren Anmeldung (mit deren Anmeldetag) in Anspruch nehmen will, z.B. für eine PCT-Anmeldung, weil die zwölf Monate seit der Älteren schon verstrichen sind. So was kann schon mal vorkommen ;-)

Art. 4 C Abs. 4 PVÜ lässt das auch grundsätzlich zu, wenn aus der älteren Anmeldung keine Rechte mehr bestehen und ihre Prio noch nicht in Anspruch genommen wurde. Fraglich ist nur, ob dies auch nach Rücknahme/Verzicht bezügl. der einst beanspruchten Priorität gilt.
Diese Beispiele verstehe ich nicht. Zunächst dürfte die jüngere Anmeldung die Prio der älteren nicht gezogen haben, sonst wäre die Inanspruchnahme der jüngeren eine Kettenprio (außer für zusätzlichen Offenbarungsgehalt), die nun mal verboten ist. Das ist allerdings ein ziemlich abwegiges Szenario.

Geht man dennoch von dieser Annahme aus, so ist die Prio der älteren halt nicht wirksam gezogen worden, sondern nur die der jüngeren. Mehrere Prios darf man ja verwenden.

Wenn die ältere nicht veröffentlicht worden ist (Nichtzahlung JG, Rückzug), steht sie der Neuheit jedenfalls nicht im Wege.
 
P

PatFan

Guest
Das Szenario ist doch einfach:

  • DE-Patentanmeldung eingereicht, dann
  • 6 Monate später 2. DE-Anmeldung, weil etwas erweitert, aber gleiche Erfindung, Prio von 1. beansprucht. (Rücknahmefiktion für 1. Anmeldung), dann
  • Veröffentlichung auf Messe, dann
  • weitere 8 Monate später: PCT gewünscht, geht das?
Antwort: So erstmal nicht, weil für erste die Priofrist abgelaufen und Erfindung veröffentlicht. Aber: Wenn der Prioanspruch weg wäre, wären keine Rechte der ersten Anmeldung mehr übrig geblieben, die Prio der 2. DE.Anmeldung, die dann plötzlich 1. Hinterlegung wird, kann beansprucht werden.

Meiner Meinung nach wäre das Verfahren so völlig in Ordnung.
 
G

Gast12

Guest
patfan schrieb:
.... 2. DE-Anmeldung, ... (Rücknahmefiktion für 1. Anmeldung)
Art. 4 C (4) liest sich so: "sofern diese ältere Anmeldung BIS ZUM ZEITPUNKT DER HINTERLEGUNG der jüngeren Anmeldung zurückgezogen, fallengelassen ... WORDEN IST ..." ---> geht wohl nicht in einem Szenario mit Rücknahmefiktion, denn § 40 (5) PatG setzt für Rücknahmefiktion eine noch anhängige Anmeldung voraus.

Schulte § 41 Rn 15 (6. Aufl.): Die wahre erste Anmeldung ist die Anmeldung, die die Erfindung der nachfolgenden Anmeldungen neuheitsschädlich vorwegnimmt (BPatGE 18, 21; T 132/90). Dies wohl nicht der Fall, wenn vor Veröffentlichung zurückgenommen wird.

Allerdings: Ist die Abschrift der älteren Anmeldung schon in der Akte der jüngeren Anmeldung?... Als Teil der Akte wird die Abschrift mit Veröffentlichung der jüngeren Anmeldung der Öffentlichkeit zugänglich, gehört aber nicht zum Stand der Technik iSd § 3 (2) Nr. 1 PatG, weil sie nicht Teil der jüngeren Anmeldung in der ursprüngliche eingereichten Fassung ist.

Art. 4 C (4) liest sich weiter so: "ebensowenig darf diese ältere Anmeldung schon Grundlage für die Inanspruchnahme des Priorechts gewesen sein" Dies dürfte auch interne Prioritäten erfassen. Was wäre sonst die Prioritätsfrist wert?

(Evtl. ist auch hier ein Hinweis zu finden: Urt. v. 6.10.1959 - I ZR 117/57, GRUR Ausl. 1960, 506, 507 - Schiffslukenverschluß)
 
G

GAST_DELETE

Guest
gast12 dürfte recht haben, denn die 2. anmeldung kann nur dann eine priorität begründen, wenn die priorität der 1. anmeldung niemals beansprucht wurde. dabei ist das schicksal der 1. anmeldung unbeachtlich.
 

Pat-Ente

*** KT-HERO ***
Gast schrieb:
gast12 dürfte recht haben, denn die 2. anmeldung kann nur dann eine priorität begründen, wenn die priorität der 1. anmeldung niemals beansprucht wurde. dabei ist das schicksal der 1. anmeldung unbeachtlich.
Ja, so sollte das sein. Allerdings bezieht sich die PVÜ ja auf die Auslandspriorität, und in dem von patfan sehr treffend dargestellten Szenario war ja die innere Priorität beansprucht worden. Macht das einen Unterschied im Sinne der PVÜ?
 
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