Mist! Schon 30 Verfahrensansprüche, jetzt auch noch die Vorrichtung!?!

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Hallo Forum,

im Lauf der Ausarbeitung einer aktuellen Patentanmeldung mit einem Verfahren und einer dazu passenden Vorrichtung bin ich jetzt schon bei 30 Verfahrensansprüchen, und fange gerade mit der nebengeordneten Vorrichtung an.

In den Verfahrens-Unteransprüchen sind auch eine Menge "vorrichtungsbezogener" Merkmale enthalten nach dem Motto "Verfahren mit einem X-Halter nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der X-Halter eine Y-Klappe mit einem Z-Hebel umfasst" usw.

Muss ich jetzt die ganzen vorrichtungsbezogenen Merkmale nochmal in zwei Dutzend Unteransprüchen des nebengeordneten Vorrichtungsanspruchs wiederholen?

Oder gibt's eine andere Möglichkeit, zum Beispiel

"Vorrichtung mit einem X-Halter, dadurch gekennzeichnet, dass der X-Halter eine Y-Klappe mit den Merkmalen gemäß einem der Verfahrensansprüche 2 bis 17 enthält?

Was ist sinnvoll, was ist möglich, was ist rechtssicher (bezüglich Schutzbereich)?

Danke schonmal für alle Tipps,
Grüße,
Marc.
 
J

Justus2

Guest
Wir praktizieren es seit einiger Zeit, daß wir nur die "wichtigsten" Aspekte in den eigentlichen Anspruchssatz packen, alle anderen in "Anspruchssprache" in die Beschreibung aufnehmen. So bleibt der Umfang der Patentansprüche übersichtlich, die Kosten auch, man hat dennoch alles abgedeckt und kann es je nach Verlauf des Prüfungsverfahren relativ problemlos aus der Beschreibung in die Claims holen.
 
G

grond

Guest
Marc N. Zeichen schrieb:
im Lauf der Ausarbeitung einer aktuellen Patentanmeldung mit einem Verfahren und einer dazu passenden Vorrichtung bin ich jetzt schon bei 30 Verfahrensansprüchen, und fange gerade mit der nebengeordneten Vorrichtung an.
Echt? Poste mal die Ansprüche, dann können wir mal gucken, ob die gut sind... :)

Ich habe bei fiesen Erfindungen (Bildbearbeitung und dergleichen) auch schon Anspruchssätze mit bis zu 50 Ansprüchen produziert. Inzwischen versuche ich, das alles deutlich einzudämmen und das wesentliche in etwa einem Dutzend Ansprüchen wiederzugeben. Letztlich hilft mir ein Merkmal, das Aufgabe B löst, für die Einschränkung im Verfahren nicht, wenn die Merkmale zum Lösen von Aufgabe A nicht neu sind und ich mich deshalb einschränken muss. Also kann ich auch die Merkmale zum Lösen von Aufgabe B in der Beschreibung lassen. Wenn die so wichtig sind, dass der Mandant sie unbedingt in den Ansprüchen sehen will, hat man eh oft ein Problem mit der Einheitlichkeit. Dann sollte man dem Mandanten zu zwei Anmeldungen raten oder wenigstens eine "Sollbruchstelle" in die Anmeldung einbauen, damit für eine spätere Teilung alles klar ist und man sich nicht plötzlich durch Merkmale der anderen Teilerfindung einschränken muss.

Bei meinem Tätigkeitsgebiet (E-Techniker) stehen die Vorrichtungsansprüche immer im Vordergrund, weil lieber die Vorrichtung "in der Verpackung" (und natürlich auch im Betrieb) in den Schutzbereich fallen soll, als die Vorrichtung nur im Betrieb (das Verfahren ausführend). Von daher habe ich eigentlich nur mal bei Softwaresachen, bei denen sich die Vorrichtungsmerkmale prinzipbedingt nicht so richtig gut feststellen lassen, die Verfahrensansprüche in den Vordergrund gestellt und anschließend Vorrichtungsmerkmale eingeführt, die einzelne oder mehrere Schritte des Verfahrens ausführen. Z.B. "Kantenextrahiereinheit", die dann eben laut Beschreibung eine Houghraumtransformation oder dergleichen durchführt. Dabei habe ich eigentlich nie alle Merkmale zwischen den Klassen überführt, nur die wesentlichen.

Also überlege, was Deinem Mandanten wichtiger sein sollte (Verfahren oder Vorrichtung) und lass bei der weniger wichtigen Anspruchsklasse die uninteressanteren Merkmale weg (um bei der Informatik zu bleiben: beschneide den Anspruchsbaum von den Spitzen her).
 
G

grond

Guest
Justus2 schrieb:
Wir praktizieren es seit einiger Zeit, daß wir nur die "wichtigsten" Aspekte in den eigentlichen Anspruchssatz packen, alle anderen in "Anspruchssprache" in die Beschreibung aufnehmen. So bleibt der Umfang der Patentansprüche übersichtlich, die Kosten auch, man hat dennoch alles abgedeckt und kann es je nach Verlauf des Prüfungsverfahren relativ problemlos aus der Beschreibung in die Claims holen.
So versuche ich das jetzt auch zu machen. Ein befreundeter Patentanwalt geht inzwischen soweit, dass er keine Ansprüche mehr auf alle anderen zurückbezieht; er schreibt also keine Ansprüche "Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche" mehr, weil er meint, dass das Merkmal dann entweder in den Hauptanspruch muss (erfindungswesentlich, wenn es bei allen Ausführungsvarianten dabei sein muss), oder nur in die Beschreibung sollte (nebensächlich, wenn es beliebig mit den anderen Merkmalen kombiniert werden kann). Damit verbleiben nur Unteransprüche, die ein Merkmal des Hauptanspruchs oder des übergeordneten Unteranspruchs konkretisieren.

Prinzipiell gefällt mir das sehr gut, meinen Chef ist aber eher ein Freund von "sicher ist sicher" (lieber alles rein in die Ansprüche, das gefällt dem Erfinder, und man kann eine Anmeldung viel länger gewinnbringend durch das Verfahren schleifen, weil ja noch sooo viele Unteransprüche zur Abgrenzung zur Verfügung stehen...).
 

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Du verdammter Hellseher! Woher weißt du, dass es in der Anmeldung um eine Houghraumtransformation geht, verdammt noch mal??!!!

Ich sag' kein Wort mehr!

Guten Rutsch!

Marc!

112f8ijyzri0x.jpg
 
G

grond

Guest
Marc N. Zeichen schrieb:
Du verdammter Hellseher! Woher weißt du, dass es in der Anmeldung um eine Houghraumtransformation geht, verdammt noch mal??!!!
Ach weißt Du, alle Neuanmeldungen von Konkurrenzkanzleien auf diesem Gebiet landen automatisch bei mir auf dem Tisch, bevor Ihr sie zum Amt gebracht habt. Wenn etwas Interessantes dabei ist, informieren wir natürlich unsere Mandanten. Das nennen wir Service... :D
 
G

GAST_DELETE

Guest
grond schrieb:
Ein befreundeter Patentanwalt geht inzwischen soweit, dass er keine Ansprüche mehr auf alle anderen zurückbezieht; er schreibt also keine Ansprüche "Vorrichtung nach einem der vorhergehenden Ansprüche" mehr, weil er meint, dass das Merkmal dann entweder in den Hauptanspruch muss (erfindungswesentlich, wenn es bei allen Ausführungsvarianten dabei sein muss), oder nur in die Beschreibung sollte (nebensächlich, wenn es beliebig mit den anderen Merkmalen kombiniert werden kann). Damit verbleiben nur Unteransprüche, die ein Merkmal des Hauptanspruchs oder des übergeordneten Unteranspruchs konkretisieren.
Haben die Unteransprüche in der Praxis irgendeine rechtliche Bedeutung?

Für ein Verletzungsverfahren wohl nicht, denn jeder Verletzung eines Unteranspruchs ist ja zugeleich auch eine Verletzung des Hauptanspruchs.

Und im Erteilungsverfahren kann ich ja auf die Beschreibung zurück greifen, wenn ich zur Abgrenzung zusätzliche Merkmale in den Hauptanspruch einführen muss.

Wozu also Unteransprüche?
 
D

Dr. No

Guest
Und im Erteilungsverfahren kann ich ja auf die Beschreibung zurück greifen, wenn ich zur Abgrenzung zusätzliche Merkmale in den Hauptanspruch einführen muss.

Wozu also Unteransprüche?
Deine Aussage ist grundsätzlich schon richtig.

Jedoch sollte man im europäischen Verfahren folgendes im Hinterkopf behalten:

"Wenn geänderte Ansprüche auf einen Gegenstand gerichtet sind, der nicht recherchiert worden ist (z. B. weil er nur in der Beschreibung enthalten war und die Recherchenabteilung es nicht für zweckmäßig hielt, die Recherche auf diesen Gegenstand auszudehnen, siehe B-III, 3.5) und der mit der ursprünglich beanspruchten und recherchierten Erfindung oder Gruppe von Erfindungen nicht durch eine einzige allgemeine erfinderische Idee verbunden ist, so sind die Änderungen nicht zulässig."

Quelle: Prüfungsrichtlinien Teil C, Kapitel VI, Punkt 5.2

Somit kann man Probleme bekommen, wenn man ein Merkmal NUR in der Beschreibung offenbart und nicht in einem Anspruch definiert hat.
 
G

GAST_DELETE

Guest
Im deutschen Verfahren ist die Prüfung an das Ergebnis der Recherche nicht gebunden. Siehe z.B. Schulte, 7. Auflage, Rnr. 47.

Allerdings bezieht sich der Recherchenbericht nur auf die Ansprüche. Siehe z.B. Schulte, 7. Auflage, Rnr. 26.
 
G

GAST_DELETE

Guest
Dr. No schrieb:
Jedoch sollte man im europäischen Verfahren folgendes im Hinterkopf behalten:

"Wenn geänderte Ansprüche auf einen Gegenstand gerichtet sind, der nicht recherchiert worden ist (z. B. weil er nur in der Beschreibung enthalten war und die Recherchenabteilung es nicht für zweckmäßig hielt, die Recherche auf diesen Gegenstand auszudehnen, siehe B-III, 3.5) und der mit der ursprünglich beanspruchten und recherchierten Erfindung oder Gruppe von Erfindungen nicht durch eine einzige allgemeine erfinderische Idee verbunden ist, so sind die Änderungen nicht zulässig."

Quelle: Prüfungsrichtlinien Teil C, Kapitel VI, Punkt 5.2

Somit kann man Probleme bekommen, wenn man ein Merkmal NUR in der Beschreibung offenbart und nicht in einem Anspruch definiert hat.
Gut, aber in allzu große Probleme scheint man sich dabei nicht zu bringen:

ii) Wechseln auf nicht recherchierte Gegenstände:
Wenn geänderte Ansprüche auf einen Gegenstand gerichtet sind, der nicht recherchiert worden ist (z. B. weil er nur in der Beschreibung enthalten war und die Recherchenabteilung es nicht für zweckmäßig hielt, die Recherche auf diesen Gegenstand auszudehnen, siehe B-Ill, 3.6) und der mit der ursprünglich beanspruchten und recherchierten Erfindung oder Gruppe von Erfindungen nicht durch eine einzige allgemeine erfinderische Idee verbunden ist, so sind die Änderungen nicht zulässig. Dies gilt insbesondere dann, wenn nur noch dieser eine nicht recherchierte Gegenstand beansprucht wird; anders verhält es sich dagegen, wenn ein ursprünglich in der Beschreibung offenbartes Merkmal in einen ursprünglich eingereichten Anspruch aufgenommen wird, um einem vom Prüfer erhobenen Einwand z. B. wegen mangelnder Neuheit oder mangelnder erfinderischer Tätigkeit zu begegnen, in diesem Fall kann jedoch eine zusätzliche Recherche erforderlich sein (siehe VI, 8.5 und 8.6).
Aber gut, gleich am Anfang eine möglichst vollst. Recherche zu habe, ist natürlich schon von Vorteil. Aber danach bräuchte man sich mit den abhängigen Anspüchen eigentlich keine Arbeit mehr zu machen, sondern könnte sie bei jedem Einwand der Prüfungsstelle sofort fallen lassen.
 
G

grond

Guest
Gast schrieb:
Haben die Unteransprüche in der Praxis irgendeine rechtliche Bedeutung?

Für ein Verletzungsverfahren wohl nicht, denn jeder Verletzung eines Unteranspruchs ist ja zugeleich auch eine Verletzung des Hauptanspruchs.
Hier schonmal . Es gibt, auch wenn das schlechter Stil ist bzw. durch lange und harte Erteilungsverfahren eventuell notwendig werden kann, Unteransprüche, denen zufolge ein Merkmal des Hauptanspruchs alternativ durch ein anderes Merkmal verwirklicht werden kann.


Und im Erteilungsverfahren kann ich ja auf die Beschreibung zurück greifen, wenn ich zur Abgrenzung zusätzliche Merkmale in den Hauptanspruch einführen muss.

Wozu also Unteransprüche?
Hauptsächlich wohl methodische Gründe, die Einschränkungen im Erteilungsverfahren lassen sich mit Formulierungen im "Anspruchsstil" einfach sicherer durchführen als mit Formulierungen der Beschreibung. Gerade beim EPA kann es sehr schwierig werden, eine Formulierung der Beschreibung in einen Anspruch zu übernehmen und dabei leicht anzupassen.
 
G

GAST_DELETE

Guest
>

Doch, denn ein abhängiger Anspruch mit einem alternativen Merkmal ist nebengeordneter Anspruch.
 
G

GAST_DELETE

Guest
Gast schrieb:
>

Doch, denn ein abhängiger Anspruch mit einem alternativen Merkmal ist nebengeordneter Anspruch.
Das scheint mir ein Missverständnis. Siehe für deutsches Verfahren z.B. Lindenmaier PatG, 6. Auflage, §26 Rnr. 72:

"Die Gegenstände des Hauptanspruchs und des Nebenanspruchs dienen der Lösung einer einheitlichen Gesamtaufgabe. Die den beiderseitigen Ansprüchen zugrunde liegenden Erfindungsgedanken stehen aber nicht in Abhängigkeit voneinander; vielmehr enthält der Nebenanspruch einen unabhängigen selbständigen Erfindungsgedanken."

Schulte, 7. Auflage, Rnr. 170: "... Ansprüche, die sich auf einen Anspruch unterschiedlicher Kategorie rückbeziehen ..." sind auch Nebenansprüche.

Im europäischen Verfahren gibt es nur unabhängige und abhängige Ansprüche. Diese werden in Regel 29 EPÜ definiert.
 
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