US-Supreme-Court ermöglicht Weiterproduktion von Produkten aus pot. Patentverletzung

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Candydat

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Zitat ftd-Online: "US-Gericht schwächt Patentinhaber
von Martin Ottomeier, Hamburg, und Thomas Clark, New York
Aufatmen in der IT-Branche, Rückschlag für die Pharmabranche: Der oberste US-Gerichtshof hat in einem viel beachteten Verfahren dem Online-Auktionshaus Ebay die Möglichkeit eröffnet, eine umstrittene Funktion weiter zu benutzen, obwohl das Unternehmen die Patente eines anderen Anbieters verletzt.
Damit hat der Supreme Court eine langjährige Praxis beendet. In der Vergangenheit hatte eine Patentverletzung praktisch immer zur Folge, dass der umstrittene Dienst oder das in Frage stehende Produkt vom Markt genommen werden musste.

Nach Ansicht des obersten Gerichtshofs haben Richter an Bezirksgerichten aber einen Ermessensspielraum, ob sie ein Produkt stoppen oder nicht. Sie müssten in Patentverfahren die Sachlage genau prüfen, bevor sie eine entsprechende Entscheidung fällen, teilte das Gericht in der Nacht zu Dienstag mit. "Die Entscheidung des Supreme Court gibt Richtern nun wieder die Möglichkeit, in entsprechenden Fällen eine Unterlassung zu verweigern", sagt Jeff Randall von der Großkanzlei Skadden-Arps, der Ebay im Rechtsstreit vertritt.

Im Streit zwischen dem Online-Händler Mercexchange und Ebay geht es um die Sofort-Kaufen-Funktion des Online-Auktionshauses. Hiermit können Artikel sofort erworben statt ersteigert werden. Rund ein Drittel des Ebay-Handelsvolumens werden darüber abgewickelt. Mercexchange besitzt hierauf ein Patent. Der Fall wurde nun an die erste Instanz zurückverwiesen.

Geschwächte Waffe
Die Entscheidung ist ein wichtiger Erfolg für die IT-Industrie. In dieser Branche berühren Produkte nicht selten mehrere Hundert Patente. Verletzt eines davon die Rechte eines anderen Anbieters, drohte bislang die Einstellung. Das führte dazu, dass kleine Firmen viel Geld einsammeln konnten, obwohl manche Patente von zweifelhaftem Wert waren. "Die Angst vor einer einstweiligen Verfügung, die einen gesamten Produktions- oder Vertriebkanal lahm legen kann, hat Klägern in Patentrechtsverfahren bislang eine extrem starke Stellung gegeben", sagt US-Professor Jonathan Zittrain, zurzeit in Oxford tätig. Mit dem Ende der Praxis, automatisch einen Verkaufsstopp zu verhängen, sei "eine Waffe im Arsenal des Klägers geschwächt" worden.

Die Klagefreude in der Branche zeigte sich erst kürzlich erneut. So reichte Creative Technology am Montag in den USA eine Patentklage gegen Apple ein, weil der Musikplayer iPod angeblich Rechte des Unternehmens verletzt. Creative hat sich das Verfahren schützen lassen, die Musikstücke auf einem mobilen Abspielgerät in dessen Menü nach Interpreten, Alben und Titeln zu sortieren. Diesem Prinzip folgt die Bedienung Creative-eigener Geräte, aber auch der iPod.

IT-Branche erfreut
IT-Firmen haben das Urteil positiv aufgenommen. "Wir sind über die Entscheidung erfreut", teilte auch der Chiphersteller Intel mit. Das Urteil würde die Risiken beim Gang vor Gericht für Unternehmen wie Intel reduzieren. Ebay teilte mit, man sei "außerordentlich erfreut über die einmütige Entscheidung des Supreme Court".

Das dürfte auf Vertreter anderer Branchen weniger zutreffen. Vor allem die Pharmabranche hatte sich hinter Mercexchange gestellt. Diese Firmen sorgen sich um den Schutz ihrer teuren Entwicklungen. Gestern hielten sie sich aber zurück. Ein Sprecher des US-Pharmaverbandes PhRMA wollte sich nicht äußern. Man müsse die Entscheidung erst "genau prüfen".

Patentanwalt Zittrain zufolge betreffe die Entscheidung zwar im Grundsatz auch traditionelle Branchen wie die Pharmaindustrie. Allerdings dürfte hier die Gefahr gering sein, dass eine einstweilige Verfügung tatsächlich abgelehnt werde. Denn die Abwägung dürfte hier fast immer ergeben, dass der Patenthalter andere vom unzulässigen Gebrauch seiner Erfindung stoppen kann. Ähnlich sieht das James Hopenfeld: "Ich denke, die Pharmabranche und andere Branchen, die traditionell stark von Patenten abhängig sind, können ruhig bleiben."


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Quelle: http://www.ftd.de/unternehmen/handel_dienstleister/74062.html"




Meine Meinung hierzu ist:

Nachdem in den USA in Patentrechtsfragen die von vielen Seiten beklagte Willkür bzw. beklagten Exzesse (insbesondere betreffend Streitgegenstände und Schadenshöhen) offensichtlich nicht in den Griff bekommen hat der Supreme Court nun entschieden, dass der potentielle Patentverletzer nun nicht zwingend seine Produktion einstellen muß. Das schwächt nun die Position der Inhaber von Rechten im Vergleich zu der Position der potentiellen Patentverletzer.

Die Folge ist nun wohl, dass ein dreister Fälscher in den USA mit guten Anwälten bzw. Beziehungen zum Richter seine Fälscherwerkstatt weiterbetreiben kann. Damit bleiben sich die Amerikaner in der Linie treu, dass man sich Recht mit guten bzw. teuren Anwälten erkaufen kann.

Während die Amerikaner hiermit einen Ausnahmetatbestand schaffen gibt es in Deutschland als Ausgleichsinstrument das Rechtsinstrument des unerlaubten Eingriffs in den Gewerbebetrieb, der zivilrechtliche Strafen nach sich ziehen kann, eine aus meiner Sicht viel elegantere Lösung, oder was meint Ihr?
 
K

Kand.

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Re: US-Supreme-Court ermöglicht Weiterproduktion von Produkten aus pot. Patentverletzung

Der zitierte Artikel ist derart allgemein und nichtssagend, daß nicht im Geringsten klar wird, was denn nun entschieden wurde.

Geht es hier darum, daß mittels einstweiliger Verfügungen ein Unterlassungsanspruch nicht bzw. nur unter bestimmten Voraussetzungen durchgesetzt werden kann? Oder gilt dies für den Unterlassungsanspruch allgemein, was ja wohl kaum zutreffen dürfte? Hatte hier etwa Einfluß, daß das Patent in einem Parallelverfahren (z.B. Re-Examination) überprüft wird und aus Sicht der (Verletzungs-)Richter mit überwiegender Wahrscheinlichkeit widerrufen wird???? Fragen über Fragen ...

Das allgemeine Geschwätz dieses Artikels ist offensichtlich nicht von einer juristisch vorgebildeten Person verfaßt worden, so daß eigentlich jede Diskussion hierüber müßig ist - jedenfalls solange keiner einen Link zur Urteilsbegründung des in Rede stehenden Urteils hat.
 
K

Kand.

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Re: US-Supreme-Court ermöglicht Weiterproduktion von Produkten aus pot. Patentverletzung

P.S. Der Link zur Quellenangabe funktioniert nicht
 
K

Kand.

Guest
Re: US-Supreme-Court ermöglicht Weiterproduktion von Produkten aus pot. Patentverletzung

Aha, in dem letztgenannten Link wird es schon etwas konkreter:

Die Frage ist also die, ob ein Unteralssungsanspruch schon durchgesetzt werden kann, bevor der Rechtszug durchschritten und über die Sache abschließend entschieden wurde.

Etwas anderes gilt (mit Ausnahme von per einstweiliger Verfügung durchgesetzter Unterlassungsansprüche, was jedoch auch hier nur selten gelingt) prinzipiell auch in Deutschland nicht. Denn die in einem Verletzungsverfahren zugelassenen Rechtsmittel haben grundsätzlich aufschiebende Wirkung, solange ein Urteil nicht für vorläufig vollstreckbar erklärt wird. Auch eine vorläufige Vollstreckbarkeit kann jedoch in aller Regel - auf entsprechenden Antrag hin - durch Hinerlegung einer Sicherheitsleistung abgewendet. Somit gilt auch hier grundsätzlich nichts anderes.
 
P

Patato

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Re: US-Supreme-Court ermöglicht Weiterproduktion von Produkten aus pot. Patentverletzung

Kand. schrieb:
Aha, in dem letztgenannten Link wird es schon etwas konkreter:

Die Frage ist also die, ob ein Unteralssungsanspruch schon durchgesetzt werden kann, bevor der Rechtszug durchschritten und über die Sache abschließend entschieden wurde.
Nein, hier geht es nicht um die vorläufige Vollstreckbarkeit eines Unterlassungsurteils, sondern darum, ob ein Unterlassungsurteil (permanent injunctive relief) überhaupt ergehen muss, wenn die Patentverletzung und Gültigkeit des Patents festgestellt wurde und Unterlassung beantragt wurde.

Der Supreme Court sagt "nein". Ein Unterlassungsurteil ergeht nur, wenn die Bedingungen des "Four-factor test" erfüllt sind, der traditionell in Zivilstreitigkeiten ausserhalb des Patentrechts angewendet wird. Das Gericht unterscheidet zwischen dem Verbietungsrecht und den Massnahmen, die einem Gericht zur Verfügung stehen, um einen Kläger zu befriedigen, dessen Verbietungsrecht verletzt wurde. Diese Massnahmen müssen nicht notwendig eine Unterlassungsverfügung umfassen.

Meines Erachtens ist das Urteil eine bedauerlicher Rückschritt gegenüber der klaren Position des CAFC. Die "equitable discretion" der ersten Instanz wird dazu führen, dass z.B. ausländische oder kleine Kläger praktisch keine Chance mehr haben werden, ihr Verbietungsrecht in den USA durchzusetzen. Statt Rechtssicherheit mal wieder Wischiwaschi.

Hier der Volltext des Urteils:
http://straylight.law.cornell.edu/supct/pdf/05-130P.ZO
 
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