was ist ein abhängiger Anspruch

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A

alter Kandidat immer noch ganz unwissend

Guest
Ich hätte folgende Frage:

Ist nach EPÜ ein Anspruch, welcher durch Rückbezug alle Merkmale eines unabhängigen Anspruches enthält, auch dann ein "abhängiger Anspruch" im Sinne der Regel 29 EPÜ, wenn er auf ein anderes Produkt gerichtet ist?

Beispiel:
Anspruch 1: Polymermischung, dadurch gekennzeichnet, dass...
Anspruch 2: Formgegenstand, welcher die Polymermischung gemäß Anspruch 1 als Lacküberzug trägt

RiLi C-III, 3.7a nennt zwei spezielle Fälle, Apparatus for carrying out the process of claim 1... und plug for co-operation with the socket of claim 1..., jedoch sind in diesen Fällen die Merkmale in dem Anspruch anscheinend nicht zwingend vorhanden.
 

Horst

*** KT-HERO ***
Da bin ich mal auf die Antworten gespannt...

Meiner Meinung nach ist die Antwort ein ganz klares Nein. Es handelt sich um einen nebengeordneten Anspruch.

Der Anspruch 2 enthält nicht alle Merkmale des Anspruchs 1, weil er nicht auf denselben Gegenstand gerichtet ist. Der Schutzbereich ist ein gänzlich anderer. Der Bezug "nach Anspruch.." erfolgt aus dem Erfordernis der Knappheit, Art. 84, nicht nach Regel 29.

Andere Meinungen oder Gesetzestexte?
 
S

Softie

Guest
Nach R. 29 (2) a) EPÜ gehts... zumindest im Bereich der Chemie. In anderen Fachgebieten gibt es mitunter Probleme (s. RiLi C III 7.3).
 
P

Patato

Guest
Horst schrieb:
Der Anspruch 2 enthält nicht alle Merkmale des Anspruchs 1, weil er nicht auf denselben Gegenstand gerichtet ist. Der Schutzbereich ist ein gänzlich anderer.
Ich beliebe zu widersprechen.

Zunächst mal gehören beide Ansprüche zur selben Kategorie (Produkt, s. R. 29(2)) Der Anspruch 2 sagt zudem ausdrücklich, dass der Formgegenstand die Polymermischung nach Anspruch 1 enthält. Damit enthält der Formgegenstand auch sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 und ist IMHO ganz klar ein abhängiger Anspruch im Sinne der Regel 29(4) EPÜ.

Ich meine mich zudem zu erinnern, dass so etwas in den letzten Jahren mal in einem DII-Teil drankam und man dort ziemlich viel Zeit mit R. 29(2) vergeuden konnte, wenn man nicht erkannt hat, dass es sich um einen abhängigen Anspruch handelt.
 
G

GAST_DELETE

Guest
Patato schrieb:
Zunächst mal gehören beide Ansprüche zur selben Kategorie (Produkt, s. R. 29(2)) Der Anspruch 2 sagt zudem ausdrücklich, dass der Formgegenstand die Polymermischung nach Anspruch 1 enthält. Damit enthält der Formgegenstand auch sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 und ist IMHO ganz klar ein abhängiger Anspruch im Sinne der Regel 29(4) EPÜ.
Schau noch mal in die RiLi (Teil C III 3.7a)...
 
D

Dr. No

Guest
Zitat: Patato
Zunächst mal gehören beide Ansprüche zur selben Kategorie (Produkt, s. R. 29(2)) Der Anspruch 2 sagt zudem ausdrücklich, dass der Formgegenstand die Polymermischung nach Anspruch 1 enthält. Damit enthält der Formgegenstand auch sämtliche Merkmale des Anspruchs 1 und ist IMHO ganz klar ein abhängiger Anspruch im Sinne der Regel 29(4) EPÜ.

Schau noch mal in die RiLi (Teil C III 3.7a)...
@Gast:

Du übersiehst den entscheidenden Punkt, den Patato angesprochen hat. Der von dir genannte Punkt der Richtlinien zieht hier eben nicht. Denn im vorliegenden Fall handelt es sich den Ansprüchen 1 und 2 um Ansprüche der SELBEN Kategorie. Die Richtlinie Teil C, III, 3.7a wäre nur maßgeblich, wenn Ansprüche unterschiedlicher Kategorie, also z.B. zum einen ein Verfahren und zum anderen eine Vorrichtung vorliegen würden.

Demnach stimmt Patatos Argumentation. Anspruch 2 ist definitiv ein abhängiger Anspruch.
 
G

GAST_DELETE

Guest
@Dr. No

1) Interpretierst Du die Formulierung "Ein Beispiel hierfür ist..." als abschließend? Na, ich weiß nicht...

2) s. Schulte PatentG § 34 Rdn. 194
 
G

GAST_DELETE

Guest
Gast schrieb:
2) s. Schulte PatentG § 34 Rdn. 194
Aktuell ist die 7. Auflage. Allerdings entgeht mir dann, was uns dieser Hinweis auf die Rdn. sagen soll?

Dort geht es um unechte Unteransprüche, also selbständige Erfindungen. Das hat mit dem Problem hier doch erst einmal nichts zu tun, weil es hier ja gerade nicht um eigenständige Erfindungen geht.
 
G

GAST_DELETE

Guest
Also für mich war und ist die Lage eigentlich eindeutig und ich kann patato nur zustimmen.

Auch Singer/Stauder 2. Auflage, Art. 84, Rnr. 57 läßt eigentlich keine andere Lesart zu:

"Ein abhängiger Patentanspruch hat nach R 29 (4) im Wege der Bezugnahme alle Merkmale eines anderen Anspruchs zu enthalten und noch zusätzliche Merkmale anzugeben, für die im Zusammenhang mit diesem anderen Anspruch Schutz begehrt wird. Ob dieser abhängige Anspruch selbst patentfähig ... ist, spielt keine Rolle..."
 
D

Dr. No

Guest
@Gast (der, dem ich bereits geantwortet hatte):

Dann bleib bei Deiner Auffassung und probier es in der EQE aus...
 
D

Dr. No

Guest
@der letzte Gast, also, der, welcher direkt vor mir geantwortet hat:

Exakt. So ist es.
 
X

XYZ

Guest
Ergibt sich das so nicht auch genau aus Schulte, 7. Auflage, § 34 Rdn 170?

"9.5. Nebenanspruch - enthält wie der Hauptanspruch eine unabhängige, selbständige Erfindung. Dazu gehören:
a) Ansprüche, die sich zutreffend auf keinen anderen Anspruch rückbeziehen, mögen sie derselben oder einer anderen Kategorie angehören,
b) Ansprüche, die sich auf einen Anspruch unterschiedlicher Kategorie rückbeziehen (....)"

Wenn unter a) schon die Rückbeziehung auf dieselbe Kategorie angesprochen wird, wäre doch wohl davon auszugehen, dass sie unter b) auch angesprochen würde, wenn auf Ansprüche derselben Kategorie rückbezogene Ansprüche Nebenansprüche wären?

Witzigerweise vertrete ich hier nur gerade nicht die Meinung meiner beiden Chefs.... Kann ja eigentlich irgendwie auch nicht sein...
 
G

GAST_DELETE

Guest
XYZ schrieb:
"9.5. Nebenanspruch - enthält wie der Hauptanspruch eine unabhängige, selbständige Erfindung. Dazu gehören:
a) Ansprüche, die sich zutreffend auf keinen anderen Anspruch rückbeziehen, mögen sie derselben oder einer anderen Kategorie angehören,
b) Ansprüche, die sich auf einen Anspruch unterschiedlicher Kategorie rückbeziehen (....)"
Ich denke wir reden hier vom EPÜ. Da gibt es keine Haupt- und Nebenansprüche. Es gibt unabhängige undabhängige Ansprüche und besondere Ausführungsarten. Siehe wiederum Singer/Stauder, 2. Auflage, Art. 84, Rnr. 55.
 
G

Gast, dem Dr. No bereits geantwortet hatte

Guest
Dr. No schrieb:
Dann bleib bei Deiner Auffassung und probier es in der EQE aus...
Hab ich. Und auch gleich beim ersten Mal erfolgreich. :)

Den A/B-Teil in Chemie besteht man ja leider nicht, wenn man eine andere Auffassung hat.

Ich glaube aber, dass Softy recht hat: grade bei dieser Frage macht es einen Riesenunterschied, ob man über Patente aus dem Bereich der Chemie redet (da geht es) oder über Patente aus anderen Bereichen.
Ich war mit meinem Ausbilder bei einer Verhandlung am BPatG, da haben sich die technischen Richter (Chemiker und Nichtchemiker) genau über diesen Punkt in die (nicht mehr vorhandenen) Haare gekriegt. War lustig.
 

dasAundO

BRONZE - Mitglied
Ich weiß nicht, was es beim Auslegen der EPA-Prüfrichtlinien C-III 3.7a für Unklarheiten geben kann. Darin steht u.a.:

"Ebenso ist - wie bei dem Beispiel des Steckers und der Steckdose unter III, 3.2 i) - ein auf ein Teilstück gerichteter Patentanspruch, der auf das andere Teilstück Bezug nimmt (z. B. "Stecker ..., der mit der Steckdose nach Anspruch 1 zusammenwirkt ..."), kein abhängiger Anspruch."

Stecker und Steckdose sind gleicher Kategorie, aber keine abhängigen Ansprüche.
 

dasAundO

BRONZE - Mitglied
Nachtrag:

Die Polymermischung aus dem Beispiel ist IMHO durchaus als Teilstück des Formgegenstands zu sehen. Der Formgegenstand hat alle Eigenschaften der Polymermischung. Und "tragen" kann man als Bezugnahme verstehen.

Aber das ist ja vielleicht wirklich nur die Meinung eines ahnungslosen Chemikers...
 
P

Patato

Guest
dasAundO schrieb:
Stecker und Steckdose sind gleicher Kategorie, aber keine abhängigen Ansprüche.
Einverstanden. Stecker und Steckdose sind selbständige Teile einer gemeinsamen Einheit. Sie haben im Sinne der Mengenlehre eine leere Schnittmenge. Wenn der Anspruch für den Stecker nun auf den Anspruch 1 für die Steckdose Bezug nimmt, ist das ein unabhängiger Anspruch. Soweit sind wir alle einer Meinung (hoffe ich). Ich habe übrigens nie behauptet, dass "gleiche Kategorie" ein *hinreichendes* Kriterium für einen abhängigen Anspruch sei, sondern nur ein *notwendiges*.

Hier aber umfasst der Formgegenstand die Polymermischung, er bildet im Sinne der Mengenlehre eine Obermenge. Dies ist ein völlig anderer Fall als bei Stecker und Steckdose. In diesem Fall ist der Anspruch auf den Formgegenstand mit der Polymermischung aus Anspruch 1 ein abhängiger Anspruch.

Davon abgesehen, habe ich in unzähligen Prüfungsverfahren derartige Ansprüche gehabt (na ja, unzählig heisst vielleicht mehr als ein Dutzend). Es hat nie auch nur ansatzweise eine Diskussion zur R. 29(2) gegeben. Das EPA scheint also zumindest implizit ebenfalls der hier von mir vertretenen Ansicht zu folgen.
 
G

GAST_DELETE

Guest
Patato schrieb:
Davon abgesehen, habe ich in unzähligen Prüfungsverfahren derartige Ansprüche gehabt (na ja, unzählig heisst vielleicht mehr als ein Dutzend). Es hat nie auch nur ansatzweise eine Diskussion zur R. 29(2) gegeben. Das EPA scheint also zumindest implizit ebenfalls der hier von mir vertretenen Ansicht zu folgen.
...was leider ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage sein dürfte.
 

Horst

*** KT-HERO ***
Mit Interesse habe ich insbesondere Patatos durchaus schlüssige Mengenlehre verfolgt. Anbei zitiere ich mal aus einem Urteil des BGH "Mikoprozessor", das kürzlich ergangen ist und sich auch zu diesem Thema äußert.

Dieses Urteil war der Hauptgrund für meine inbrünstige Stellungnahme für den unabhängigen Anspruch, da ich (erfrischend naiv) immer noch davon ausgehe, dass solche grundlegenden Fragen aus PatG und EPÜ mit gleichem Ergebnis zu beantworten sein müssten.

Aus der Entscheidung:

Anspruch 1 betrifft einen Mikroprozessor.

Anspruch 19 betrifft ein Computersystem, aufweisend: einen Speicher, der Befehle in einem Programmablauf speichert, wobei [...], und einen Mikroprozessor nach einem der Ansprüche 1 bis 9."

Zu klären war eigentlich das Rechtschutzbedürfnis an Anspruch 19, der neben dem Mikroprozessor nur selbstverständliche Merkmale enthielt. Das BPatG hatte der Argumentation des Präsidenten des DPMA folgend entschieden, dass kein Rechtschutzbedürfnis bestehe. Der BGH war jedoch anderer Ansicht.

Der Präsident führte dabei folgendes aus:

Da es sich bei den Patentansprüchen 1 und 19 um zwei Sachansprüche handelt, von denen keiner eine (unmittelbare) Rückbeziehung auf den anderen enthält, ist davon auszugehen, dass die Anmelderin Nebenansprüche hat aufstellen wollen.

Im folgenden wird Anspruch 19 dann als unabhängiger Anspruch angesehen.

Da der Sachverhalt unserem Polymerverbindung/Formgegenstand-Beispiel entspricht (Computersystem umfasst Mikroprozessor), haben wir ein klares Votum für den unabhängigen Anspruch.

Als Gegenargument könnte jetzt natürlich "PatG ist nicht EPÜ" kommen, lieber wäre mir jedoch mal eine Zitierung, die auf den Sachverhalt direkt übertragbar ist und klar ein Votum für den abhängigen Anspruch abgibt. Das hatten wir nämlich noch nicht! (Und jetzt bitte nicht Regel 29 bringen.)
 
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