Fragen zum Berufsbild

WP

Schreiber
Hallo zusammen,

ich habe zwei Fragen, die ich bereits dem DPMA und der Patentanwaltskammer gestellt habe. Nur leider habe ich hierauf keine Antwort bekommen. Ich hoffe jemand in diesem Forum kann mir weiterhelfen:

1.) Inwieweit kann man als European Patent Attorney (EPA) in einer Kanzlei oder einem Unternehmen tätig werden, ohne dass man zuvor/gleichzeitig die Ausbildung zum Patentanwalt (PA) durchlaufen hat? Welche Einschränkungen gelten bezüglich des EPA gegenüber dem EPA/PA in einer Person (davon abgesehen, dass der EPA nur auf europäische Ebene aktiv werden kann)?

2.) Wie unterscheidet sich die Tätigkeit eines EPA von der eines PA?

3.) Kennt jemand eine Kooperation zwischen Patentanwälten und Wirtschaftsprüfern, beispielsweise im Bereich der Patentbewertung?

Ich wäre Euch für jede Antwort dankbar.

Viele Grüße
 

Alex:jura

*** KT-HERO ***
Ich versuche mal Licht ins Dunkel zu bringen.

EPA-Vertreter: Darf Personen in Patentangelegenheiten vor dem EPA vertreten (hört sich banal an, ist aber entscheident). D.h., dass er jede Firma und jede Person vor dem EPA vertreten darf. Beispiel: Ein EPA Vertreter in der Industrie kann auch für Tochterunternehmen Patentanmeldungen beim EPA einreichen.

Patentanwalt: Darf rechtsgeschäftliche Vertretung machen. Sowohl vor dem DPMA als auch der WIPO als auch beim HABM. Zudem darf er bei Gerichtsverfahren mitwirken (nicht vertreten). Er darf nicht vor dem EPA vertreten. Er kann also Marken, Gebrauchsmuster, Patente, Geschmacksmuster,Sortenschutz und Halbleitertopographien für andere anmelden und deren Rechte durchsetzen, aber nicht beim EPA.

zur dritten Frage: nein!

Gruß
Alex
 

Lysios

*** KT-HERO ***
1.)
Unternehmen: Abgesehen von der Bezahlung (und den Jobchancen hinsichtlich Führungspositionen) macht es nur dann einen Unterschied , wenn Dein Arbeitgeber eine Tochtergesellschaft einer ausländischen Muttergesellschaft ohne Sitz in DE ist. Die Mutter kannst Du dann nur vor dem EPA vertreten.

Kanzlei:Wichtigster Unterschied ist, dass ein EPA sich nicht assoziieren kann (also mit RA, PA,... eine Sozietät bilden). Entsprechend erstreckt sich dies auf PA-Gesellschaften. Praktisch bedeutet das, das Du nur als Angestellter in einer Kanzlei arbeiten kannst. Auch hinsichtlich des Außenauftritts (Briefkopf, Web Site etc.) bestehen Einschränkungen. Kanzleien suchen EPAs idR als "Arbeitstiere", die keine Gefahr hinsichtlich Partnerschaftswunsch darstellen (insbesondere suchen entsprechende Ableger ausländischer Law Firms immer wieder mal EPAs).

In beiden Fällen gilt, wo Du nicht vertreten kannst, kannst Du trotzdem die ganze Arbeit machen, aber ein anderer mit Vertretungsberechtigung unterschreibt dafür.

2.) Hier sind alle Varianten vertreten: Von gar nicht bis total. IdR. in Unternehmen ist es so, dass EPA die Pflicht und PA die Kür für die Führungspositionen ist. In der Kanzlei eher nur EPA-Verfahren und/oder Tätigkeit eines Patentingenieurs.

3.) Eine solche Sozietät ohne RA würde mich erstaunen, da ich sonst die Synergieeffekte nicht erkennen kann.
 

PhD

SILBER - Mitglied
Alex:jura schrieb:
Patentanwalt: Darf rechtsgeschäftliche Vertretung machen. Sowohl vor dem DPMA als auch der WIPO als auch beim HABM. Zudem darf er bei Gerichtsverfahren mitwirken (nicht vertreten).
Das ist so nicht richtig. Ein PA darf sehr wohl vor Gericht allein vertreten, aber nur vor dem BPatG, z.B. bei der Nichtigkeitsklage. Nur bei Verletzungsstreitigkeiten bzw. vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit (LG, OLG usw) kann der PA nur mitwirken, jedoch nicht allein vertreten, benötigt also einen RA.
 

Alex:jura

*** KT-HERO ***
Wenn wir es so genau haben wollen, dann darf der EPA-Vertreter auch bei den Beschwerdekammerverfahren einen Mdt vertreten.

Alex
 

WP

Schreiber
Hallo,

vielen Dank für Eure Antworten. Ich habe noch kurz zwei weitere Fragen:

1.) Warum sollte jemand ein Patent nur in Deutschland beantragen, wenn er mit einer Anmeldung das Patent in ganz Europa schützen lassen kann? Ist es nicht besser ein Patent für ganz Europa zu beantragen? Was ist der Vorteil eines Patentes, dass nur in Deutschland beantragt wird?

2.) Wie abwechslungsreich ist die Arbeit eines EPA /dt. PA? Sprich wird er eher PAtentanmeldungen durchführen, Lizenzverträge aushandeln, Mandanten vor GErichten vertreten etc.? Gibt es bestimmte Tätigkeiten, die überwiegend ausgeführt werden?

Vielen Dank für Eure Antworten
 

Lysios

*** KT-HERO ***
1.) Es gibt (noch) kein gemeinsames Patent für Europa, sondern nur ein einheitliches Anmeldeverfahren. Nach Erteilung "zerfällt" ein europäisches Patent in einzelne nationale Patente, für die jeweils separate Gebühren zu zahlen sind und u.U. sogar noch Übersetzungen in die Landessprachen notwendig sind (dies wird meist nationalen PAs übertragen). Zudem sind Rechte aus dem Patent (bislang) nur in jedem Land separat geltend zu machen (hierfür kommt höchstens nur ein nationaler PA in Frage). Es ist seit langem ein Gemeinschaftspatent und eine entsprechende Gerichtsbarkeit geplant. Diese Aktivität wird mittlerweile von der EU getrieben. Aber bislang ist nichts entschieden. Z.Z. ist geplant, dass ein EPA hier nur mit rechtlicher Zusatzqualifikation (European Patent Litigation Certificate) vertreten darf (die Lobby der RAs ist einfach zu stark).

2.) In der überwiegenden Mehrheit dürfte es meist nur auf Anmeldungen und Bescheidserwiderungen und gelegentliche Einsprüche und seltene Nichtigkeitsverfahren hinauslaufen. Noch seltener sind dann die Verletzungsverfahren. Als Angestellter ist jedoch die Wahrscheinlichkeit höher, das gesamte Spektrum abzudecken (vor allem Invention/Patent Harvesting und insbesondere auch Lizenzverfahren, Portfolio-Management, Schutzrechtsanalysen, Arbeitnehmererfinderrecht, ...), wobei für Verletzungsverfahren aber idR. externe Kanzleien involviert werden.
 

union

*** KT-HERO ***
WP schrieb:
1.) Was ist der Vorteil eines Patentes, dass nur in Deutschland beantragt wird?
z.B. weil gesamtes DE-Verfahren (Anmeldung/ Recherche/Prüfung/Erteilung) billiger als EP; Keine Übersetzungskosten; Veröffentlichung nur auf Deutsch (versteht kaum jemand auf der welt);

WP schrieb:
2.) Wie abwechslungsreich ist die Arbeit eines EPA /dt. PA?
Kommt drauf an :)

Hier mal eine kurze Brainstorming-Liste dessen, was man so alles als Patentanwalt (DE bzw. EP) tun kann, grob sortiert nach Häufigkeit in einer Standardkanzlei:

  • DE/EP: Bescheide im Prüfungsverfahren kommentieren/erwidern;
  • DE/EP: Patentanmeldungen schreiben
  • DE/EP: Einsprüche schreiben/erwidern
  • DE/EP: Mündliche Anhörungen/Verhandlungen
  • DE/EP: Recherchen für "Freedom to Operate"
  • DE/EP: Recherchen für Patentierbarkeit
  • DE: Recherchen bzgl Verletzung
  • DE/EP: Übersetzen von Anmeldungen/Ansprüchen
  • DE: Nichtigkeitsklagen ausarbeiten
  • DE: Nichtigkeitsverfahren
  • DE: Lizenzverträge ausarbeiten/verhandeln
  • DE: Abmahnungen/Einstweilige Verfügungen
  • DE: Verletzungsklagen ausarbeiten
  • DE: Verletzungsverfahren
  • DE/EP: Marken anmelden, Bescheide kommentieren/erwidern
  • DE/EP: Geschmacksmuster anmelden, Bescheide kommentieren/erwidern
  • DE: Arbeitnehmererfinderrechtliche Fragen bearbeiten
Je nach Kanzlei/Mandant/Gusto fällt diese Sortierung natürlich komplett anders aus: Manche arbeiten hauptsächlich an Verletzungsfällen, andere sind EP-Verfahren-Gurus, wieder andere finden ausschließlich im Markenrecht ihr Glück.

Für Fortgeschrittene PAs fehlt in obiger Liste auch noch so manches, wie z.B. Akquise, Kanzleimanagement...

union
 
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