Bezugnahme auf unveröffentlichten Stand der Technik in der Beschreibung?

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Servus Forum,

folgende 2 Fragen treten gerade bei der Ausarbeitung von Anmeldungsunterlagen auf:

a) Spricht eigentlich irgend etwas dagegen, dass man (eigene) frühere Patentanmeldungen, die jedoch noch nicht offengelegt sind, per Aktenzeichen in der Beschreibungseinleitung als den Stand der Technik angibt, von dem die vorliegende Erfindung ausgeht -- und somit der Gegenstand der unveröffentlichten Patentanmeldung auch den Oberbegriff des Patentanspruchs 1 der späteren Patentanmeldung bildet?

Ich habe einen solchen Fall jetzt zum ersten Mal, meines Erachtens sollte eigentlich nichts dagegen sprechen, aber vielleicht habe ich etwas übersehen?

b) Wie ist das eigentlich mit dem Institut des Zusatzpatents, bzw. welche Vor- oder Nachteile gibt es in obigem Fall, wenn die spätere Anmeldung als Zusatzanmeldung eingereicht wird?

Danke und Gruß, Marc
 
E

Elke

Guest
Etwas spricht dagegen : wenn du die frühere Anmeldung vor Offenlegung zurückziehen willst, dann hast du ein Problem.
 

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Aber warum habe ich dann ein Problem?

Das Problem tritt doch nur dann auf, wenn ich ausdrücklich per Querverweis die Offenbarung der früheren Anmeldung in die spätere Anmeldung einbeziehe.

Wenn ich aber die frühere Anmeldung nur in der Beschreibungseinleitung zitiere, wo liegt da das Problem? Allenfalls müsste dieses Zitat vielleicht aus der späteren Anmeldung herausgestrichen werden.

Auch der Gegenstand der früheren Anmeldung im Oberbegriff des Patentanspruchs dürfte keine Probleme bereiten, selbst wenn die frühere Anmeldung zurückgezogen wird. Denn es ist doch meine Sache, wenn ich jede Menge der Merkmale der späteren Anmeldung im Oberbegriff statt im kennzeichnenden Teil platziere, selbst wenn für die Platzierung im Oberbegriff keine Notwendigkeit besteht.

Bitte noch um Aufklärung, sollte dies nicht zutreffen.

Danke und Gruß, Marc.
 
G

Gast 2

Guest
Also, ich mache das regelmäßig, wenn es sich um relevanten Stand der Technik handelt.

Zunächst kommt das deutsche Aktenzeichen in den Text, später wird das dann durch die Offenlegungsnummer ergänzt.

Bekanntlich muss man ja den nächsten Stand der Technik zitieren.
Man beachte insbesondere, dass man in den USA die Verpflichtung hat, dem Prüfer allen relevanten Stand der Technik zu nennen (IDS). Tut man das nicht, dann ist das sogar ein Grund, dass die US-Anmeldung zurückgewiesen werden kann.

In EP handelt es sich dabei ja um 54(3) Stand der Technik. Ein Prüfer, der aufpasst würde später sowieso verlangen, dass relevanter S.d.T. in die Beschreibung aufgenommen wird.

Wenn man es von Anfang an aufnimmt, dann vergisst man wenigstens nichts.

Das gilt jetzt aber nur für die Würdigung als S.d.T.. Incorporation-by-reference würde ich mit einer nicht offengelegten Anmeldung auf keinen Fall machen. Dann lieber die entsprechenden Passagen in den Text mit aufnehmen.
 
G

Gast999

Guest
Hinsichtlich einer Abgrenzung des Anspruchs von einer nicht vorveröffentlichten Anmeldung siehe Schulte, 6 Auflage, §3, Rd. 40:

"Für die Bildung des Oberbegriffs ... darf deshalb nur vorveröffentlichter Stand der Technik iSd §3 I herangezogen werden, nicht aber der Inhalt älterer Anmeldungen gemäß §3 II ..."
 
Z

Zitierer

Guest
Hier tauchte eben das Stichwort 'incorporation by reference auf': das geht doch meines Wissens weder in Europa noch in Deutschland. Ein entsprechender Hinweis ist ein Zitat, nicht mehr. Später Merkmale aus der zitierten Schrift, die nicht in der Beschreibung explizit (also nicht by reference) wiederholt werden, in die Ansprüche aufzunehmen, wäre unzulässige Erweiterung.

Zitierer
 
G

Gast999

Guest
Zitierer: siehe RiLi, C, VI:

5.3.8
Reference document



Features which are not disclosed in the description of the invention as originally filed but which are only described in a cross-referenced document which is identified in such description are prima facie not within "the content of the application as filed" for the purpose of Art. 123(2). It is only under particular conditions that such features can be introduced by way of amendment into the claims of an application.



Such an amendment would not contravene Art. 123(2) if the description of the invention as originally filed leaves no doubt to a skilled reader (see T 689/90, OJ 10/93, 616) that:


(i)
protection is or may be sought for such features;

(ii)
such features contribute to solving the technical problem underlying the invention;

(iii)
such features at least implicitly clearly belong to the description of the invention contained in the application as filed (Art. 78(1)(b)) and thus to the content of the application as filed (Art. 123(2)); and

(iv)
such features are precisely defined and identifiable within the disclosure of the reference document.



Sorry, dass ich den englsichen Text genommen habe, aber der geltende deutsche ist scheinbar nicht als HTML auf der Website des EPA verfügbar. Zum Abtippen bin ich dann doch etwas zu faul gewesen. :)
 

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
@ Gast999:

Hinsichtlich einer Abgrenzung des Anspruchs von einer nicht vorveröffentlichten Anmeldung siehe Schulte, 6 Auflage, §3, Rd. 40:

"Für die Bildung des Oberbegriffs ... darf deshalb nur vorveröffentlichter Stand der Technik iSd §3 I herangezogen werden, nicht aber der Inhalt älterer Anmeldungen gemäß §3 II ..."
Habe im Moment nur den Busse zur Hand, der zu dieser Frage offenbar nichts hergibt. Daher würde mich noch interessieren, warum Schulte schreibt "... deshalb darf ..." - was ist denn Schulte's Begründung für diese hier aufgestellte Vorschrift, m.a.W., weshalb darf nur vorveröffentlichter Stand der Technik ... ?
 
G

Gast999

Guest
Hier der ganze Absatz aus dem Schulte:

"c) Abgrenzung der jüngeren Anmeldung gegenüber einer älteren Anmeldung kann nicht verlangt werden, denn entweder ist die ältere Anmeldung neuheitsschädlich, dann ist die jüngere Anmeldung zurückzuweisen, oder die jüngere Anmeldung weist zumindest eine ausreichende Abweichung auf, dann ist sie neu und nach §4 Satz 2 als Ganzes auf Erfindungshöhe zu prüfen." weiter siehe letztes Posting

siehe hierzu auch

BGH GRUR 84, 272 Isolierglasscheibenrandfugenfüllvorrichtung (welch schönes Wort)
BPatG GRUR 85, 123 = Bl 85, 45
 

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Interessant - und danke mal soweit.

Nicht allzu fern vom vorliegenden Thema hatten wir uns neulich in der Kanzlei gefragt, was passiert eigentlich, wenn ein zuständiger Prüfer kurz nacheinander von zwei verschiedenen Anmeldern zwei Neuanmeldungen mit fast identischem Gegenstand hereinbekommt.

Der Prüfer darf dem späteren Anmelder doch nicht etwa die noch unveröffentlichte frühere Anmeldung entgegenhalten, denn diese ist der Öffentlichkeit gegenüber ja noch "geheim"? Oder liegt hier eine Denkblockade meinerseits vor - hat jemand einen solchen Fall schon einmal gehabt?

Danke und Gruß, Marc.
 

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Interessant - und danke mal soweit.

Nicht allzu fern vom vorliegenden Thema hatten wir uns neulich in der Kanzlei gefragt, was passiert eigentlich, wenn ein zuständiger Prüfer kurz nacheinander von zwei verschiedenen Anmeldern zwei Neuanmeldungen mit fast identischem Gegenstand hereinbekommt.

Der Prüfer darf dem späteren Anmelder doch nicht etwa die noch unveröffentlichte frühere Anmeldung entgegenhalten, denn diese ist der Öffentlichkeit gegenüber ja noch "geheim"? Oder liegt hier eine Denkblockade meinerseits vor - hat jemand einen solchen Fall schon einmal gehabt?

Danke und Gruß, Marc.
 
E

Ex Tunc

Guest
Marc N. Zeichen schrieb:
Interessant - und danke mal soweit.

Nicht allzu fern vom vorliegenden Thema hatten wir uns neulich in der Kanzlei gefragt, was passiert eigentlich, wenn ein zuständiger Prüfer kurz nacheinander von zwei verschiedenen Anmeldern zwei Neuanmeldungen mit fast identischem Gegenstand hereinbekommt.
interessante Frage. Denke der Prüfer wird das Verfahren aussetzen bis zur Veröffentlichung der älteren Anmeldung bzw. bis zur Erledigung der älteren A.

s.a. Schulte, 7. Aufl., Rn 86 zu § 3. Interessant aber auch Rn 78, wie soll das Entgegenhalten bei Geheimpatenten funktionieren?

ET
 
G

Gast 2

Guest
So wie ich § 3 PatG und 54(3) EPÜ verstehe:

S.d.T. ist eine ältere Anmeldung,
die erst nach dem ..... der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist.

S.d.T. wird die ältere Anmeldung also erst durch die Publikation; vorher ist sie keiner (sie könnte ja auch noch zurückgezogen werden!).

Der Prüfer darf also eine noch nicht offen gelegte Anmeldung nicht als S.d.T. verwenden.


Zum Thema oben:
Incorporation-by-reference darf man natürlich nicht verwenden, um Ansprüche darauf richten.
Aber dennoch: Beim EPA verlangen die Prüfer häufig, auch 54(3) S.d.T. zu würdigen und in den USA ist sowieso alles anders.
 

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
Der Prüfer darf also eine noch nicht offen gelegte Anmeldung nicht als S.d.T. verwenden
Das könnte wohl die richtige Antwort auf die Frage gewesen sein. Allerdings - man stelle sich vor, man reicht im Rahmen einer solchen Situation eine Anmeldung ein, die flutscht nur so durchs Amt, und wird ruck-zuck erteilt.

Zwischenzeitlich wird nun aber die ältere Anmeldung offengelegt, es kommt was kommen muss, mein schönes Patent erledigt sich genauso schnell wie es erteilt wurde, per Einspruch anhand der älteren Anmeldung - von der der Prüfer ja schon im Prüfungsverfahren genau wusste - dies jedoch für sich behalten hat.

Pech?
 
R

Robby

Guest
Da kommt dann ein Bescheid in dem steht, dass SdT vorhanden ist, der berücksichtigt werden müsste, falls er nicht zurückgenommen wird. Natürlich wird er nicht mitgeschickt. D.h. man kann nicht überprüfen, ob der Prüfer Recht hat mit seiner Einschätzung. Falls der SdT nicht zurückgenommen wird und offengelegt wird kommt ein neuer Bescheid mit dem SdT, wenn er zurückgenommen wird, kommt logischerweise ebenfalls ein neuer Bescheid.
 
G

Gast999

Guest
Marc N. Zeichen:

Wenn der Prüfer nicht ganz bescheuert ist, wird er das Verfahren aussetzen, bis die ältere Anmeldung veröffentlicht ist, wie es Ex Tunc bereits gesagt hat.

Ex Tunc:

Bezüglich Geheimanmeldungen gehe ich mal davon aus, das man die entsprechende Sicherheitsstufe haben muß.
 

Marc N. Zeichen

*** KT-HERO ***
@Gast999:
Wenn der Prüfer nicht ganz bescheuert ist, wird er das Verfahren aussetzen, bis die ältere Anmeldung veröffentlicht ist, wie es Ex Tunc bereits gesagt hat.
Nun ja, man möchte ja öfter mal ein frühzeitiges Prüfungsergebnis, um eine Einschätzung für die prioritätsgestützten Auslandsanmeldungen zu bekommen - da wird man mit der Aussetzung des Verfahrens auch nicht so richtig froh.
 
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