Kettenpriorität

P

Priorisierer

Guest
Angenommen, eine Erstanmeldung DE-1 ist Prioritätsbasis für eine kurz danach eingereichte Zweitanmeldung DE-1-IP.

DE-1 gilt dann als zurückgenommen, so weit so gut.

Wenn nun eine Auslandsanmeldung AU-1 auf dieselbe Erfindung eingereicht werden soll, dann habe ich doch die Wahl, ob ich die Erstanmeldung DE-1 oder die Zweitanmeldung DE-1-IP als Prioritätsanmeldung verwende, richtig?

Im ersteren Fall (DE-1 als Prioritätsanmeldung für AU-1) muss ich außer der Prioritätsfrist erstmal nichts besonderes beachten.

Im letzteren Fall (DE-2-IP als Prioritätsanmeldung für AU-1) müsste ich jedoch spätestens am Anmeldetag der AU-1 (bzw. am Tag der Beanspruchung der Priorität) auf die ursprünglich in Anspruch genommene innere Priorität der DE-1 verzichten, um keine Kettenpriorität zu erzeugen - stimmt's?
 

Horst

*** KT-HERO ***
Die konkreten Länder wären hilfreich.

In manchen Ländern (USA) sind Kettenprioritäten erlaubt, in manchen Ländern muss die Priorität der ersten Offenbarung in Anspruch genommen werden.

Es ist auch möglich, mehrere Prios in Anspruch zu nehmen, d.h. DE-1 und DE-1-IP, falls DE-1-IP gegenüber DE-1 erweitert wurde. Dann hättest Du für den DE-1 Inhalt den D1-Tag und für den erweiterten Inhalt den DE1-IP-Tag.
 
P

Priorisierer

Guest
Horst schrieb:
Es ist auch möglich, mehrere Prios in Anspruch zu nehmen, d.h. DE-1 und DE-1-IP, falls DE-1-IP gegenüber DE-1 erweitert wurde. Dann hättest Du für den DE-1 Inhalt den D1-Tag und für den erweiterten Inhalt den DE1-IP-Tag.
Hast Recht: Hier ist es tatsächlich so, dass die DE-1-IP gegenüber DE-1 erweitert wurde.

Kann ich mehrere Prioritäten denn auch dann in Anspruch nehmen, wenn die AU-1 eine PCT-Anmeldung ist?
 

Horst

*** KT-HERO ***
Also wir haben folgende Konstellation:

DE-1 angemeldet-
DE-1-IP aufgebohrt mit inner Prio aus PatG von DE-1 angemeldet. => DE-1 zurückgenommen, ich gehe davon aus auch nicht veröffentlicht und "keine Rechte geblieben" iSv Art. 4 PVÜ.

Dann kannst Du äußere Prio aus PVÜ meines Wissens noch 12 Monate nach DE-1-IP (!) anmelden. Auf der Auslandsanmeldung finden sich dann automatisch beide älteren Schutzrechte als Prioverweis.

Bitte darum, mich zu korrigieren, falls ich Nonsens geredet habe. Priorecht ist und bleibt knifflig.

Abschließend noch zu PCT: Mehrfachprio möglich, im vorliegenden Fall aus obigen Gründen nicht nötig bzw. möglich, da DE-1 nicht mehr priofähig nach PVÜ.
 
R

Robby

Guest
Da war ich zu langsam. Also: So lange Du die Prio von DE1 in Anspruch nimmst, bleiben Rechte bestehen, nämlich die Prio. D.h. DE1 ist die erste Anmeldung und setzt mit ihrem AT die 12-Monatsfrist ins Laufen. Es besteht u.U. die Möglichkeit auf die Prio aus DE1 zu verzichten, dann ist die zweite DE-IP(?) die "erste" Anmeldung.
 
P

Priorisierer

Guest
Horst schrieb:
Priorecht ist und bleibt knifflig.
Mir wird schon fast warm ums Herz, das von Dir zu hören ;)

Horst schrieb:
Also wir haben folgende Konstellation:

DE-1 angemeldet, DE-1-IP aufgebohrt mit inner Prio aus PatG von DE-1 angemeldet. => DE-1 zurückgenommen, ich gehe davon aus auch nicht veröffentlicht und "keine Rechte geblieben" iSv Art. 4 PVÜ.
Hmm, das "keine Rechte bestehen geblieben" droht mich erneut bis in die Nacht zu verfolgen; aber ist es nicht so, dass die für die DE-1-IP beanspruchte Priorität der DE-1 bereits ein "bestehen gebliebenes Recht" der DE-1 darstellt?

Horst schrieb:
Dann kannst Du äußere Prio aus PVÜ meines Wissens noch 12 Monate nach DE-1-IP (!) anmelden.
Das aber doch nur dann, wenn ich auf die Priorität der DE-1 verzichtet hätte? Denn andernfalls wäre die DE-1-IP nicht die erste Anmeldung im Sinne der PVÜ...?

Warum wird denn immer betont, dass man im Fall einer deutschen Prioritätsanmeldung "vor Ablauf von 30 Monaten die Bestimmung Deutschlands im Rahmen der internationalen Anmeldung zurücknehmen" muss, damit die Ursprungsanmeldung nicht als zurückgenommen gilt?

Ich meine, ich bekomme doch schlussendlich wieder ein WO-EP-DE-Schutzrecht in DE, da kann doch die DE-1-Ursprungsanmeldung meinetwegen untergehen...?
 
P

PatFan

Guest
Klar kann sie das - wenn es denn gewollt ist. Es soll aber auch Anmelder geben, die beim BPatG in der Anmelderbeschwerde stecken und sich vom Senat über die gestern eingetretene Rücknahme haben belehren müssen.

Wenn der Mandant trotz der längeren Laufzeit etc. die Stammanmeldung weiterverfolgen möchte (z.B. um schnell ein Patent zu bekommen), sollte man ihm auch diesbezüglich Gelegenheit geben, d.h. beraten.

Gruß PatFan
 

Horst

*** KT-HERO ***
Robby hat es gelöst.

Möglichkeit A: Wir sind noch im Priojahr der DE-1.

Mehrfachprio DE-1 und DE-IP-1 für PCT zu nehmen. Erweiterungen haben dann IP-Tag, der Rest DE-1-Tag.

Möglichkeit B: Priojahr DE-1 abgelaufen, Priojahr DE-IP-1 läuft noch.

Verzicht Prio DE-IP-1 auf DE-1 zu erklären. Dann DE-IP-1 in Anspruch nehmen. Alles hat dann den IP-Tag.

Alternativ Prio DE-IP-1 ohne Verzicht nehmen, dann hat man die IP-Prio nur für die Erweiterungen, für den Rest gar keine, ist im Einzelfall evtl. sinnvoll, vielleicht braucht die DE-IP die innere Prio unbedingt.
 
P

Priorisierer

Guest
Danke Euch erstmal für die Beiträge. Ich wollte eigentlich gleich noch etwas dazu beitragen bzw. fragen ;)

-- aber leider stecke ich gerade so tief im Sumpf der Prioritätsvorschriften, dass ich nicht einmal mehr imstande bin, die richtigen Fragen zu stellen....

Ich werf vorerst nur ma "Erschöpfung der Priorität" und "Aussetzung des deutschen Prüfungsverfahrens" in den leeren Raum.

Danke,
Priorisierer
 

Horst

*** KT-HERO ***
Erschöpfung der Priorität geistert immer mal wieder durch den Raum, wenn ein Urteil so etwas anklingen lässt. Demnach kann die Prio erschöpfen, d.h. nur einmal in Anspruch genommen werden. Vor etwa einem Jahr kam das mal wieder auf, ist aber eine Mindermeinung, die aus der PCT herausgelesen wird und sich praktisch nie durchgesetzt hat. Momentan gilt: Es gibt keine Erschöpfung der Priorität.

Das deutsche Prüfungsverfahren kann ausgesetzt werden, wenn unter Priobeanspruchung bspw. eine PCT-Anmeldung mit DE als ausgewähltem Staat anhängig ist. Dazu gab es mal eine Mitteilung des Präsidenten. Im TABU glaube ich 106a. In solchen Fällen kann man um Fristverlängerungen von 12 oder 24 Monaten bitten, die dann auch gewährt werden.
 

Horst

*** KT-HERO ***
Erschöpfung der Priorität geistert immer mal wieder durch den Raum, wenn ein Urteil so etwas anklingen lässt. Demnach kann die Prio erschöpfen, d.h. nur einmal in Anspruch genommen werden. Vor etwa einem Jahr kam das mal wieder auf, ist aber eine Mindermeinung, die aus der PCT herausgelesen wird und sich praktisch nie durchgesetzt hat. Momentan gilt: Es gibt keine Erschöpfung der Priorität.

Das deutsche Prüfungsverfahren kann ausgesetzt werden, wenn unter Priobeanspruchung bspw. eine PCT-Anmeldung mit DE als ausgewähltem Staat anhängig ist. Dazu gab es mal eine Mitteilung des Präsidenten. Im TABU glaube ich 106a. In solchen Fällen kann man um Fristverlängerungen von 12 oder 24 Monaten bitten, die dann auch gewährt werden.
 
P

Patato

Guest
Horst schrieb:
Robby hat es gelöst.

Möglichkeit A: Wir sind noch im Priojahr der DE-1.

Mehrfachprio DE-1 und DE-IP-1 für PCT zu nehmen. Erweiterungen haben dann IP-Tag, der Rest DE-1-Tag.
Einverstanden.

Horst schrieb:
Möglichkeit B: Priojahr DE-1 abgelaufen, Priojahr DE-IP-1 läuft noch.

Verzicht Prio DE-IP-1 auf DE-1 zu erklären. Dann DE-IP-1 in Anspruch nehmen. Alles hat dann den IP-Tag.
Nicht einverstanden: Art 4C(4) PVÜ: "... ältere Anmeldung bis zum Zeitpunkt der Hinterlegung der jüngeren Anmeldung zurückgezogen, "... ebensowenig darf die ältere Anmeldung schon Grundlage für die Inanspruchnahme des Prioritätsrechts gewesen sein."

Beides ist hier nicht erfüllt. M.E. kann man DE-IP-1 nicht mehr nachträglich zur "ersten Anmeldung" für diejeingen Teile, die schon in DE-1 offenbart waren, machen.

Horst schrieb:
Alternativ Prio DE-IP-1 ohne Verzicht nehmen, dann hat man die IP-Prio nur für die Erweiterungen, für den Rest gar keine, ist im Einzelfall evtl. sinnvoll, vielleicht braucht die DE-IP die innere Prio unbedingt.
Einverstanden. Aber das gilt wie gesagt m.E. auch dann, wenn die Prioerklärung in DE-IP-1 zurückgenommen wurde.
 

Horst

*** KT-HERO ***
Interessante Einwände.

Meine Meinung:

DE-1 gilt mit Einreichung der DE-IP-1 als zurückgenommen, siehe PatG. Daher sehe ich Punkt 1 erfüllt.

Die "Inanspruchnahme des Prioritätsrechts" bezieht sich mE NUR auf die äußere Prio nach PVÜ, deshalb ist die innere Prio nicht schädlich. Innere Prio ist ein "sonstiges Recht" nach Art. 4 PVÜ , dass durch den Verzicht untergeht. Somit sind mE alle Punkte erfüllt.
 
P

Priorisierer

Guest
Horst schrieb:
Das deutsche Prüfungsverfahren kann ausgesetzt werden, wenn unter Priobeanspruchung bspw. eine PCT-Anmeldung mit DE als ausgewähltem Staat anhängig ist. Dazu gab es mal eine Mitteilung des Präsidenten. Im TABU glaube ich 106a. In solchen Fällen kann man um Fristverlängerungen von 12 oder 24 Monaten bitten, die dann auch gewährt werden.
Leider finde ich die entsprechende Mitteilung weder im TABU noch auf den Seiten des DPMA...

Trifft es denn im Prinzip zu, dass das deutsche Prüfungsverfahren der Prioritätsanmeldung solange ausgesetzt werden kann, bis über die Patenterteilung einer zugehörigen EP-DE- oder PCT-EP-DE-Nationalisierung rechtskräftig entschieden ist?
 

Horst

*** KT-HERO ***
Tut mir leid, 106a war der beschleunigte Erstbescheid.

Das mit dem Aussetzen steht in der Mitteilung 7/87, siehe Thread "Wo steht eigentlich...?". Findet man im BlPMZ.
 
P

Priorisierer

Guest
Vielen Dank für die Info.

Zu den anderen Fragen kann ich mich heute leider - wegen einer mit Schlafmangel begründeten Denkblockade in Sachen Prioritätszusammenhänge - trotz besten Willens zunächst nicht äußern ;)

Vielleicht geht's ja nach dem Nachmittagskaffee wieder,

Gruß
Priorisierer
 
P

Priorisierer [edit]

Guest
Nur mal eben zwischendurch gefragt:

Wenn eine Erschöpfung der Priorität nach allgemeiner Mehrheitsmeinung nicht stattfindet, was um alles in der Welt bedeutet dann Satz 2 in Art. 4 C Abs. 4 PVÜ, wo es heißt (fett):

Als "erste" Anmeldung, von deren Hinterlegungszeitpunkt an die Prioritätsfrist läuft, wird auch eine zweite Anmeldung (DE-1-IP) angesehen, die denselben Gegenstand betrifft wie eine allererste Anmeldung (DE-1), sofern diese allererste Anmeldung (DE-1) bis zum Zeitpunkt der Hinterlegung der zweiten Anmeldung (DE-1-IP) zurückgezogen, fallengelassen oder zurückgewiesen worden ist, und zwar bevor die allererste Anmeldung (DE-1) öffentlich ausgelegt worden ist und ohne dass Rechte bestehen geblieben sind; ebensowenig darf die allererste Anmeldung (DE-1) schon Grundlage für die Inanspruchnahme des Prioritätsrechts gewesen sein.

Die allererste Anmeldung (DE-1) kann in diesem Fall nicht mehr als Grundlage für die Inanspruchnahme des Prioritätsrechts dienen.
(Bezeichnung der Anmeldungen ein kleines bisschen umformuliert, weil, sonst versteht das ja wirklich kein Mensch)

"In diesem Fall" - was soll denn das heißen? Hier ist doch der Beliebigkeit in der Auslegung Tür und Tor geöffnet, für welchen Fall denn nun die allererste Anmeldung doch wieder nicht prioritätsbegründend ist.

Ich kapier's nicht.
 

Horst

*** KT-HERO ***
Lies mal

http://legal.european-patent-office.org/dg3/pdf/t050005du1.pdf

ab Punkt 4.4, da äußert sich eine EPA-Beschwerdekammer zu dem Thema. Entscheidung ist recht aktuell und nimmt Bezug auf die sich entgegenstehenden älteren Entscheidungen, die diesen Erschöpfungsgrundsatz teilweise noch verteten haben.

Übrigens, mach Dir nichts draus, wenn Du es nicht kapierst, das tut keiner. Die Gelehrten streiten schon seit Jahrhunderten über diesen Satz.

Ich verstehe ihn folgendermaßen:
I) Anmeldung A eingereicht.
II) Anmeldung B eingereicht mit innerer Prio von A.
III) A gilt als zurückgenommen, wurde nciht veröffentlicht, die Prio wird nun verzichtet.
IV) A "verschwindet" somit. Anmeldung B ist nun die "erste Anmeldung" im Sinne PVÜ und setzt eine eigene 12 Monatsfrist in Gang.
V) Eine äußere Prio von A kann nun nicht mehr beansprucht werden. (Man muß nun Prio von B beanspruchen.)

Streng genommen müssen B und A nur dieselben Gegenstände betreffen. B muss also nicht zwingend die innere Prio von A beanspruchen, ich habe das Beispiel nur zur Verdeutlichung gewählt.

Es könnten Schritte I) bis III) auch folgendermaßen aussehen:

I) Anmeldung A einreichen.
II) Anmeldung A zurücknehmen vor Veröffentlichung.
II) Anmeldung B auf gleiche Erfindung gerichtet anmelden.

Wie gesagt, die Gelehrten streiten noch. In der Praxis kann ich mir so etwas im Tagesgeschäft nicht vorstellen. Da würde jeder zumindest die innere Prio von B auf A behalten.

Es wurden allerdings schon Anmeldestrategien veröffentlicht, die auf diesem Thema basieren. Wenn man nämlich sicher weiß, dass zwischen den Anmeldetagen A und B kein schädlicher Stand der Technik rausgekommen ist, kann man die Schutzdauer entsprechend des Zeitraums zwischen A und B verlängern und muss seine PCT bzw. EPA-Anmeldung auch erst 12 Monate nach B einreichen. Es bleibt auch alles länger geheim.

Über Sinn und Unsinn solcher "Anmeldestrategien" kann man natürlich trefflich streiten.

Mich würden weitere Meinungen zu diesem Thema (Erschöpfung der Prio aus Art. 4 PVÜ )sehr interessieren.
 
R

Robby

Guest
Wie ich oben anmerkte: Unter Umständen kann man auf eine Prio im Nachinnein verzichten. Auf jeden Fall kann eine Prio irgendwann später untergehen (RiLi VIII 1.5).

Und für die Prio-Lerner: Wieczoreck (der Münchner Wirtschaftsreferent) hat DIE Promotion zu dem Thema geschrieben. Etwas alt, aber seeehhr hilfreich.
 
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