EPÜ Hilfsanträge EPA Einspruchsverfahren...

Ah-No Nym

*** KT-HERO ***
Hallo...

folgender fiktiver Fall, der in der Praxis aber durchaus vorkommt...

Patent wurde mit mehreren nebengeordneten Ansprüchen erteilt (z.bB. mehrere unter eine allgemeine Idee fallende Ausführungsformen + Verfahren o.ä.), sagen wir Ansprüche 1 - 5.

Sinnvollerweise sollte die Einspruchsabteilung ja jeden einzelnen Anspruch auf Patentierbarkeit prüfen.

Wie formuliert man nun formell richtige Hilfsansprüche, die auf eine Aufrechterhaltung möglichst vieler dieser Ansprüche gerichtet sind und dabei klar genug sind, ohne dass man sich in Unmengen von Hilfsanträgen der Art:

HA 1: Ansprüche 1-4
HA 2: Ansprüche 1-3 und 5
HA 3: Ansprüche 1,2,4 und 5
HA 4: Ansprüche 1 und 3-5
HA 5: Ansprüche 2-5
HA 6: Ansprüche 1-3
HA 7: Ansprüche 1,2 und 4
HA 8: Ansprüche 1,2 und 5
...

verstrickt, wobei ggf. geänderte Ansprüche noch nicht einmal berücksichtigt wurden!

Hat jemand Erfahrungen mit Formulierungen wie:

HA 1: Aufrechterhaltung im Rahmen einer beliebigen Kombination von 4 unabhängigen Ansprüchen
HA 2: Aufrechterhaltung im Rahmen einer beliebigen Kombination von 3 unabhängigen Ansprüchen
HA 3: Aufrechterhaltung im Rahmen einer beliebigen Kombination von 2 unabhängigen Ansprüchen
HA 4: Aufrechterhaltung im Rahmen eines beliebigen unabhängigen Anspruchs

um das ganze zu straffen?

Oder hat jemand sonstige Vorschläge ?

Danke im voraus

Ah-No Nym
 

Horst

*** KT-HERO ***
Also ich würde nur beantragen, das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten. Das genügt, das Amt hat dann über alle Ansprüche einzeln zu entscheiden, schließlich gilt der Amtsermittlungsgrundsatz.

Die Entscheidungsmöglichkeiten stehen auch in Art. 102 EPÜ, siehe insbesondere Absatz 3 "Aufrechterhaltung in geändertem Umfang", und § 61 PatG.

Hilfsanträge lohnen sich eventuell, um eigene Argumentationslinien zu stützen und das Augenmerk der Abteilung auf bestimmte Ansprüche zu richten.
 
E

EPA-Greenhorn

Guest
Gilt nicht auch vor dem EPA das aus dem deutschen Verfahren bekannte Prinzip "Alles oder nichts", wenn kein konkreter Antrag auf eine erteilbare Anspruchsfassung gerichtet wird?
 

Ah-No Nym

*** KT-HERO ***
EPA-Greenhorn schrieb:
Gilt nicht auch vor dem EPA das aus dem deutschen Verfahren bekannte Prinzip "Alles oder nichts", wenn kein konkreter Antrag auf eine erteilbare Anspruchsfassung gerichtet wird?
Genau das ist mein (formales) Problem !

Das EPA ist m.E. eben gerade nicht verpflichtet, alle Ansprüche zu prüfen. Der Hauptantrag, das Patent in der erteilten Form aufrecht zu erhalten, fällt mit dem ersten Anspruch, der nicht gewährbar ist. Der Rest kann ungeprüft bleiben. Ob das die zuständige Einspruchsabteilung dann auch knallhart so durchzieht, bleibt natürlich abzuwarten, aber man hat schon Pferde kotzen sehen und beim EPA-typischen Formalismus würde mich nix wundern...
 
K

Kandidatenschwämme

Guest
Ah-No Nym schrieb:
EPA-Greenhorn schrieb:
Gilt nicht auch vor dem EPA das aus dem deutschen Verfahren bekannte Prinzip "Alles oder nichts", wenn kein konkreter Antrag auf eine erteilbare Anspruchsfassung gerichtet wird?
Genau das ist mein (formales) Problem !

Das EPA ist m.E. eben gerade nicht verpflichtet, alle Ansprüche zu prüfen. Der Hauptantrag, das Patent in der erteilten Form aufrecht zu erhalten, fällt mit dem ersten Anspruch, der nicht gewährbar ist. Der Rest kann ungeprüft bleiben. Ob das die zuständige Einspruchsabteilung dann auch knallhart so durchzieht, bleibt natürlich abzuwarten, aber man hat schon Pferde kotzen sehen und beim EPA-typischen Formalismus würde mich nix wundern...
Das ist eher die Regel als die Ausnahme, denn beim EPA gilt das Antragsprinzip.
Ein Patent kann nur mit der Zustimmung des Patentinhabers erteilt werden.
Dieser muss beantragen, was er haben will, damit nämlich das Amt überhaupt prüfen kann ob der Antrag erteilungsfähig ist.
Ich würde daher dringend empfehlen, entsprechende ausgefertigte Anspruchssätze rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung einzureichen. Nicht jede Einspruchsabteilung fragt den Patentinhaber noch einmal, ob man nicht doch noch einen Antrag stellen möchte, bevor sie sich zur Beratung zurückzieht...
 

Ah-No Nym

*** KT-HERO ***
Kandidatenschwämme schrieb:
Ich würde daher dringend empfehlen, entsprechende ausgefertigte Anspruchssätze rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung einzureichen. Nicht jede Einspruchsabteilung fragt den Patentinhaber noch einmal, ob man nicht doch noch einen Antrag stellen möchte, bevor sie sich zur Beratung zurückzieht...
Ja aber das ist ja gerade das Problem... wie würde man denn vorliegend sinnvolle und klare Anspruchssätze formulieren?

Ich kann natürlich auch schön dezidiert 32 ( = 5 aus 5 + 4 aus 5 + 3 aus 5 + 2 aus 5 + 1 aus 5 = 1 + 5 +10 + 10 + 5 + 1) Hilfanträge formulieren, wobei nur Kombinationen der einzelnen unabhängigen Ansprüche ohne Veränderungen umfasst wären ...

was aber sicher bereits nicht unbedingt als klare Antragsstellung erachtet werden würde....

Also, sonstige Vorschläge, die der Erfahrung nach vom EPA akzeptiert werden... ?

Ah-No Nym
 

Horst

*** KT-HERO ***
Das hat mich mal interessiert, also habe ich nachgeschlagen.

Grundsätzlich gelten ja vor EPA und DPMA (in dieser Reihenfolge):
a) Antragsgrundsatz
b) Verfügungsgrundsatz
c) Amtsermittlungsgrundsatz.

Amtsermittlung erfolgt also nur (!) innerhalb der gestellten Anträge.

Für den Einsprechenden sind diese Grundsätze jedoch etwas aufgeweicht. So wird das Einspruchsverfahren nach Rücknahme des Einspruchs fortgesetzt (im PatG zwingend, im EPÜ fakultativ). Des weiteren wird davon ausgegangen, dass ein Angriff gegen einen unabhängigen Anspruch auch die abhängigen einbezieht, selbst wenn diese nicht benannt sind.

Für den Patentinhaber gelten die Grundsätze jedoch tatsächlich streng.

"Ein vom Haupt- oder Hilfsantrag abweichendes Patent kann weder erteilt noch im Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren aufrechterhalten werden" (BGH GRUR 81,162 - Zahnpasta).

"Unteransprüche und Nebenansprüche bedürfen keiner Prüfung, wenn der Hauptanspruch nicht patentfähig ist und ein Hilfsantrag nicht gestellt ist" (BGH GRUR 83,171 Schneidhaspel; BGH GRUR 97, 120 Elektrisches Speicherheizgerät).

"Ein Einverständnis des Patentinhabers mit der geänderten Fassung iSd Art 102 liegt nur vor, wenn der Anmelder diese Fassung auch zumindest hilfsweise selbst beantragt hat" (G 1/88).

Da Einreichung von Hilfsanträgen auch nach der Erörterung in der mündlichen Verhandlung möglich ist, bedarf es zumindest nach Schulte vorab keiner Vielzahl von Hilfsanträgen. Zudem unterliegen zumindest DPMA und BatG einer Aufklärungs- und Hinweispflicht, so dass sie auf entsprechende Anträge hinwirken sollen und sich nicht einfach zurückziehen und entscheiden können.

Also scheint es am sinnvollsten zu sein, zunächst die Zurückweisung des Einspruchs und unveränderte Aufrechterhaltung zu beantragen, und in die Verhandlung dann sie sorgsam ausgearbeiteten Anspruchssätze B,C,D,E,... mitzubringen - wie bereits mein Vorredner vorgeschlagen hat.

Ein Hilfsantrag im schriftlichen Vorverfahren hat natürlich den Vorteil, dass man eventuell einen Zwischenbescheid über den Antrag bekommt und sich besser auf die Verhandlung vorbereiten kann.
 
G

Gast999

Guest
Warum machst Du nicht einen Hilfsantrag 1 nach dem Motto:

Es wird hilfsweise beantragt, das Patent auf der Grundlage derjenigen unabhängigen Ansprüche gemäß Hauptantrag, die als gewährbar erachtet werden, eingeschränkt aufrecht zu erhalten.
 

Horst

*** KT-HERO ***
Hatte ich auch überlegt, aber:

" Die endgültige Festlegung des Gegenstands des Patents im Einspruchsverfahren liegt beim Patentinhaber; er kann sie nicht dadurch auf das EPA oder die anderen Verfahrensbeteiligten abwälzen, daß er eine Unzahl von Hilfsanträgen mit nicht ausformulierten Varianten unterbreitet" (T 382/96).

Siehe auch Art 113(2) EPÜ.

Nach Benkard "EPÜ" ist eine derart aktive Teilnahe des Patentinhabers aber nicht zwingend. Das EPA kann auch nach Aktenlage entscheiden und eine Version vorschlagen, R. 58(4).

Es bleibt wohl dabei, schriftlich allgemein Zurückweisung beantragen und gut für die Verhandlung präparieren.

Oder einfach alle Varianten stellen. Zehn und zwölf Hilfsanträge habe ich schon gesehen, da ist 32 auch nicht mehr weit. Das haben sie dann von ihren merkwürdigen Normen.
 

Ah-No Nym

*** KT-HERO ***
alles schön und gut, nur

a) Akzeptanz des EPA von neuen Anträgen in der mündlichen Verhandlung ist äußerst ungewiss ("verspätetes Vorbringen") => man sollte ggf. alles im vorab einreichen oder man muss ein gewisses Restrisiko mit sich rumschleppen

b) der konkrete Fall hat 7 neben geordnete Ansprüche... also wären es deutlich mehr als 32 Hilfsanträge, nämlich (wenn ich mich nicht täusche) 135 ....

c) die Formulierung "im Umfang der als gewährbar zu erachtenden Ansprüche" wird meines Wissens nach nicht akzeptiert

Ah-No Nym
 

Horst

*** KT-HERO ***
Das Restrisiko ist nicht zu verhehlen. Das neue "Rechtsprechung der Beschwerdekammern" führt dazu gut aus (siehe T 382/97 bzw. Seite 655).

Grundsätzlich kommt es darauf an, in welchem Stadium man sich befindet.

In der ersten Erwiderung kann man doch noch die Zurückweisung des Einspruchs und Aufrechterhaltung wie erteilt beantragen.

Dann sollte man um eine Zwischenentscheidung über den Hauptanspruch oder eine Mitteilung nach R. 58(4) bitten (siehe auch Amtsblatt 89,393).

Wenn das alles schiefgeht, stellt man einen neuen Antrag(Anträge), alles im schriftlichen Verfahren.

Wenn irgendwann mal eine Mitteilung nach R.71a kommt (in mündlicher Verhandlung zu erörternde Fragen und Frist zur Einreichung) ist man letztlich erst gezwungen, sämtliche Sicherheitsnetze zu spannen.

Wie macht Ihr/machen Sie das denn sonst in der Praxis? Stellt Ihr/ Stellen Sie alle Hilfsanträge gleich mit der ersten Erwiderung?
 
P

ppa

Guest
Ah-No Nym schrieb:
alles schön und gut, nur

a) Akzeptanz des EPA von neuen Anträgen in der mündlichen Verhandlung ist äußerst ungewiss ("verspätetes Vorbringen") => man sollte ggf. alles im vorab einreichen oder man muss ein gewisses Restrisiko mit sich rumschleppen
ein neuer antrag in der mündlichen Verhandlung sollte nicht als verspätetes Vorbringen gerügt werden; nur neue Tatsachen, insb. neuer SdT, können/kann zurückgewiesen werden, soweit nicht offensilchtlich relevant.

Auch m.E. besteht für das EPA strikte Antragsbindung; außerdem müssen Anträge bestimmt sein, d.h. nicht "genehmigt soviel wie möglich."

Damit sollte es keine Alternative zu einer Kaskade von Anträgen geben.

Allerdings kann man die am Ende der mündlichen Verhnadlung aufstellen, wenn man die Erfolgsaussichten der einzelnen ansprüche ein wenig abschätzen kann.

Außerdem sind auch unabh. Ansprüche oftmals formell rückbezogen (leidiges thema eines früheren chats), so dass es dann oftmals gar nicht mehr so viele Kombinationen gibt, wenn zb Anspr. 2 "vorr. zum Durchführen eines Verf. nach Anspr 1 " ist.
 

Ah-No Nym

*** KT-HERO ***
ppa schrieb:
ein neuer antrag in der mündlichen Verhandlung sollte nicht als verspätetes Vorbringen gerügt werden; nur neue Tatsachen, insb. neuer SdT, können/kann zurückgewiesen werden, soweit nicht offensilchtlich relevant.
upps, das stimmt so pauschal glaube ich nicht.

neue Anträge, die z.B. neue Ansprüche oder auch nur neue Merkmale beinhalten, müssen nicht unbedingt berücksichtigt werden ... wir hatten schon den Fall, dass in der Verhandlung knallhart gesagt wurde "sorry, late filing"....

die Einspruchsabteilung hat hier durchaus einen Ermessensspielraum, ob sie derartige Anträge zulässt oder nicht

ppa schrieb:
Allerdings kann man die am Ende der mündlichen Verhnadlung aufstellen, wenn man die Erfolgsaussichten der einzelnen ansprüche ein wenig abschätzen kann.
dem stimme ich für BPatG oder DPMA vollkommen zu, aber keinesfalls fürs EPA !

Grüße

Ah-No Nym
 
P

ppa

Guest
Ah-No Nym schrieb:
ppa schrieb:
ein neuer antrag in der mündlichen Verhandlung sollte nicht als verspätetes Vorbringen gerügt werden; nur neue Tatsachen, insb. neuer SdT, können/kann zurückgewiesen werden, soweit nicht offensilchtlich relevant.
upps, das stimmt so pauschal glaube ich nicht.

neue Anträge, die z.B. neue Ansprüche oder auch nur neue Merkmale beinhalten, müssen nicht unbedingt berücksichtigt werden ... wir hatten schon den Fall, dass in der Verhandlung knallhart gesagt wurde "sorry, late filing"....

die Einspruchsabteilung hat hier durchaus einen Ermessensspielraum, ob sie derartige Anträge zulässt oder nicht

ppa schrieb:
Allerdings kann man die am Ende der mündlichen Verhnadlung aufstellen, wenn man die Erfolgsaussichten der einzelnen ansprüche ein wenig abschätzen kann.
dem stimme ich für BPatG oder DPMA vollkommen zu, aber keinesfalls fürs EPA !

Grüße

Ah-No Nym
Im vorliegenden Fall sind wohl alle Ansprüche vorher bekannt und diskutiert, nur die Auswahl der Ansprüche in die einzelnen Ansprüche würde sich ändern; da sehe ich keinen Grund für eine Zurückweisung als "verspätet"

das kann das Epa auch nicht ohne Begründung machen; worauf soll die Zurückweisung begründet sein?
Art.114(2) bezieht sich nur auf Tatsachen und Beweismittel
R 57a sieht keine beschränkung vor

also wohl nur R. 71a. dabei bezieht sich abs. (1) nur auf Tats. und bew.mittel; somit kann nur Abs. (2) relevant sein, wonach das Epa eine frist setzt, innerhlab von der anträge eingereicht werden müssen.

das ist natürlich klar: eine gesetzte frist für anträge muss man einhalten. aber dies erfolgt erst nach der diskussion des SdT.
somit kann man in der mdl. Verhandl. (natürlich innerhalb der gesetzten frist) einen geänderten Antragssatz einreichen. anders habe ich das nie erlebt. wozu dient sonst die mündliche verhandlung?
 

Horst

*** KT-HERO ***
Schlaumeier hat wieder geblättert:

"Änderungen sind in einer Verfahrensökonomie am besten dienlichen Art und Weise vorzunehmen, welche wiederum unter Berücksichtigung der Interessen aller Parteien durch die Einspruchsabteilung zu beurteilen ist" (T 382/97).

Wie diese Beurteilung auszusehen hat:

"Während der mündlichen Verhandlung eingereichte Unterlagen, u.a. auch Patentansprüche, werden berücksichtigt, wenn damit Einwänden der entscheidenden Instanz bzw. des Einsprechenden Rechnung getragen wird, oder wenn Unterlagen eindeutig gewährbar sind. Unerwünschte Verfahrensverzögerungen sollten dabei jedoch vermieden werden" (T 648/96).

Anträge am Ende der mündlichen Verhandlung sollten somit in der Regel angenommen werden. Im vorliegenden Fall bedeutet dieses, dass ein oder zwei passende Anspruchssätze aus den 135, die auf Basis der mündlichen Verhandlung gewährbar sein könnten, problemlos in der Verhandlung eingebracht werden können. Alle 135 werden wohl zurückgewiesen.

Um zur Ausgangsfrage zurückzukehren:

Wenn man tatsächlich eine Entscheidung über alle Ansprüche erzwingen will, um sicherzugehen, keine Kombination unversucht gelassen zu haben, muß man im schriftlichen Verfahren kaskadenartig alle Kombinationen in Hilfsanträge packen.

Letztlich muß man aber auch dann eine Reihenfolge der Anträge festlegen, sich also Gedanken über die Schutzbereiche machen, da bei Gewährbarkeit eines Antrags die nachfolgenden nicht entschieden werden.

Eine Entscheidung über alle 135 Anträge, bei der man sich dann a posteriori den besten rauspickt, gibt es nicht.
 
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