Regel 37 EPÜ

grond

*** KT-HERO ***
Die Regel 37 EPÜ finde ich merkwürdig:

Absatz 1b) verlangt, dass die Weiterleitung einer bei einer nationalen Patentbehörde eingereichten europäischen Anmeldung innerhalb von vier Monaten nach Anmeldetag oder 14 Monaten seit Priotag (falls Prio inanspruch genommen wurde) vorgenommen wird (verkürzt ausgedrückt)

Absatz 2 stellt als Rechtsfolge fest, dass die Anmeldung als zurückgenommen gilt, wenn die Anmeldung nicht innerhalb von vierzehn Monaten seit Anmeldetag oder Priotag weitergeleitet wird

Ich meine, man kann es natürlich bestimmen, wie man will, aber warum sind die beiden Bestimmungen so merkwürdig disjunkt? Soll heißen, warum wird in Abs. 1 b) einmal auf vier Monate seit AT oder alternativ vierzehn Monate seit Priotag abgestellt, während Abs. 2 die Rechtsfolge in beiden Fällen erst nach vierzehn Monaten ab dem maßgeblichen Tag eintreten lässt?

Gibt es einen logischen Grund, der sich mir nicht offenbart, ist das willkürlich so bestimmt worden oder hat man da einfach nur geschludert?
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Also ohne jetzt tiefgründige Kommentare wie Visser oder Singer/Stauder oder Protokolle der Diplomatischen Konferenz (für EPÜ 1973) bzw. des Verwaltungsrates (für AusfO EPÜ 2000) zur Hand zu haben, denke ich, diese "Divergenz" ergibt sich ganz einfach daraus, dass 14+2=12+4=16 ist.

Weiterhin beachte man, dass R 136(1) eine 12+2=14 Monatsfrist setzt.

Man beachte prinzipiell, dass R 132 eine Mindestfrist von 2 Monaten festlegt.

Bekanntlich gibt es auch 2 Monatsfristen in Bezug auf Wiedereinsetzung und Weiterbehandlung.

Auf 14 Monate kommt man, indem man 12+2 rechnet. Die 12 Monate sind aber wiederum die Prioritätsfrist. Auch ohne Inanspruchnahme einer Priorität bei einer Anmeldung, möchte man oft die Anmeldung selber wieder als Grundlage für die Inanspruchnahme einer Priorität nehmen. Deshalb sind die 4 Monate doch angemessen.

16 Monatsfristen gibt es in Bezug auf:
  • Erfindernennung (R 60 (1))
  • Prioritätserklärung (R 52 (3))
  • Prioritätsunterlagen (R 53(1))
Aufgrund dieser ganzen Zahlenmystik glaube ich, dass Regel 36 tief durchdacht ist :)
 
Wenn man Lysios glauben schenken darf dann steckt hinter dem EPÜ2000 eine geheime Systematik. Autokorrelationskalkulationen an zufälligen Paragraphen des EPÜ ergeben eine signifikante Prädisposition für 2-Monats Intervalle. Das dies keine Laune der Natur oder quantenmechanische Zufallsartefakte sind, erkennt man an der gleichzeitigen Häufung von 12, 14, 16 und 18 Monatsfristen. Die Neigung zu geradzahligen Monatesfristen demonstriert die hohe Wertschätzung des Gesetzgebers für mathematische Ästhetik; oder ist hier gar eine versteckte Botschaft von Außerirdischen enthalten, die eine neue Spielwiese suchen, nachdem wir ihnen mit der Entschlüsselung des DNA Codes auf die Schliche gekommen sind?

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Mit R. 37(1) werden die nationalen Ämter angehalten EP Anmeldung ans EPA weiterzuleiten. Dazu werden Sollfristen von 6W bzw. 4M gesetzt. Sollten die nationalen Ämter diese Fristen nicht einhalten, treten die Negativfolgen für den Anmelder aber sowohl im Fall der Anmeldung mit Prio als auch bei der Erstanmeldung ab dem 14M ein. Damit hat das nationale Amt die Sollfrist von 4M im Fall ohne Prio zwar verpasst, die Wirkungen für den Anmelder sind aber erst ab dem 14 M spürbar, der Anmelder ist also um 10M besser gestellt.

Diese Erleichterung ist möglich, weil der entscheidende Zeitpunkt für das Amt die 18M Frist ist, in der die Anmeldung veröffentlicht werden muss (Art. 93). Allerdings gilt diese Frist in dem ersten Fall schon ab dem Priotag. Daher hat das EPA für die Erstanmeldung ohne Prio wesentlich mehr Zeit bis zur Veröffentlichung und gibt diese Mehrzeit auch an den Anmelder weiter. In beiden Fällen hat das EPA aber mindestens 4M (14+4) zwischen Erhalt der Anmeldung und Veröffentlichung. Wird diese Zeit unterschritten, gilt die EP Anmeldung als zurückgenommen, obwohl der Anmelder an der späten Weiterleitung keine Schuld hat und es bleibt ihm nur noch die Umwandlung nach Art 135.
 

grond

*** KT-HERO ***
wer suchet er findet schrieb:
Wenn man Lysios glauben schenken darf dann steckt hinter dem EPÜ2000 eine geheime Systematik.
Danke, habe sehr gelacht. So etwas braucht man beim Lernen manchmal... :)


Diese Erleichterung ist möglich, weil der entscheidende Zeitpunkt für das Amt die 18M Frist ist, in der die Anmeldung veröffentlicht werden muss (Art. 93).
Muss sie gerade nicht, da sie doch als zurückgenommen gilt. Diese Fiktion muss aber, wie Du zurecht sagst, natürlich vor dem Veröffentlichungstermin eintreten (sogar im Interesse des Anmelders). Insofern erscheinen die vierzehn Monate ab Prioritäts- bzw. Anmeldetag sinnvoll. Wie das EPA allerdings eine Anmeldung veröffentlichen könnte, die ihm nicht übermittelt wurde, ist sicherlich ein Thema für philosophische Erörterungen... :)

Was bringen die "geschenkten" zehn Monate im Falle keiner Prioinanspruchnahme aber eigentlich dem Anmelder? Erhält er irgendwo die Möglichkeit, auf den Übermittlungsprozess einzuwirken? Kann er die fehlende Übermittlung anders bemerken, als durch das Ausbleiben einer Empfangsbestätigung vom EPA?
 
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