Auswahlerfindung?

test123

Schreiber
Hallo

angenommen der StdT (Patentschrift) offenbart eine Größenangabe in prozentualer Form, also zum Beispiel soll der Raddurchmesser des Autos 50% der Höhe des Autos betragen.

Unsere Erfindung besagt jedoch, daß der Autoraddurchmesser einen absoluten Wert, also zum Beispiel stets 0,5m, betragen soll.

Hat man hier noch eine Chance? Könnte dies eine Auswahlerfindung darstellen? Ich sehe ein Problem darin, dass bei einer Autohöhe von 1m der StdT bereits das Ergebnis der Erfindung offenbart?!

vielen dank
test123
 

grond

*** KT-HERO ***
test123 schrieb:
angenommen der StdT (Patentschrift) offenbart eine Größenangabe in prozentualer Form, also zum Beispiel soll der Raddurchmesser des Autos 50% der Höhe des Autos betragen.

Unsere Erfindung besagt jedoch, daß der Autoraddurchmesser einen absoluten Wert, also zum Beispiel stets 0,5m, betragen soll.
Ist eine besondere oder überraschende Wirkung mit dem exakten Durchmesser von 0,5m verbunden? (Ich vermute jetzt einfach mal, dass wir nicht wirklich über Raddurchmesser reden...) Wenn nicht, ist die Wertangabe ja eh willkürlich und nicht erfinderisch.


Hat man hier noch eine Chance? Könnte dies eine Auswahlerfindung darstellen? Ich sehe ein Problem darin, dass bei einer Autohöhe von 1m der StdT bereits das Ergebnis der Erfindung offenbart?!
Ist der eine Meter in derselben Druckschrift offenbart? Dann wäre diese neuheitsschädlich und es wäre vorbei, weil dadurch tatsächlich wenigstens implizit der Raddurchmesser von 0,5m offenbart wäre. Wird nur ein Autohöhenbereich von 0,8 bis 1,5m offenbart, dann wäre die Auswahl 0,5m Raddurchmesser bei Vorliegen einer besonderen Wirkung (notfalls durch Vergleichsversuche belegbar) neu und erfinderisch.

Bei zwei verschiedenen Druckschriften müsste man eine Motivation für den Fachmann finden können, genau einen Meter für das Auto und damit genau 0,5m für das Rad zu benutzen. Auch wenn der Fachmann diese Werte nehmen könnte, trägt die Argumentation gegen die erfinderische Tätigkeit nur, wenn er es auch tatsächlich so tun würde (allgemein als "could-would approach" bekannt). Und dazu braucht es eben eine Anregung aus dem Stand der Technik. Ich würde eine erfinderische Tätigkeit gegeben sehen, wenn im zweiten Dokument nicht etwas von der Art "eine Autohöhe von einem Meter ist für die meisten Fälle geeignet" oder derlei stünde.

Besonders interessant wird es, wenn die 50% Raddurchmesser und der eine Meter Autohöhe in derselben Druckschrift, aber in verschiedenen Ausführungsbeispielen offenbart sind. Denn dann müsste der Prüfer/Einsprechende m.E. aus einem einzigen Dokument gegen die erfinderische Tätigkeit argumentieren. Hier dürfte es dann sehr schwierig werden zu argumentieren, dass der Fachmann sich nicht der Einfachheit halber bei der Größenangabe des zweiten Ausführungsbeispiels bedient. Wenn beide Ausführungsbeispiele aber als Alternativen dargestellt werden, könnte man noch dünne Bretter bohren...
 

Lysios

*** KT-HERO ***
Ich äußere mich zwecks Vorbereitung auf die EQE nur zum Verfahren vor dem EPA.

M.E. muss man diesen Fall unter "Auswahl aus einem bekannten breiteren Bereich" subsumieren. Hierfür ist dann die T 198/84 einschlägig.

Die Frage wäre dann, ob es bereits ein Auto (ggf. auch nur ein Fahrzeug mit 4 Rädern) mit 1 m Höhe und 0.5 m Raddurchmesser gibt. Falls ja, dann wäre die Frage, ob dies eine zufällige Vorwegnahme ist. Siehe dazu dann RiLi C-VI, 5.3.11.

Falls es noch kein solches Auto/Fahrzeug gibt, dann gilt (vgl. T 198/84):

  • Da hier ein einziger konkreter Wert von 0.5 m vorliegt, wäre die Bedingung, dass die Auswahl im Vergleich zum bekannten Bereich eng ist, sicherlich erfüllt.
  • Es ist nun zu klären, ob die 0.5 m einen besonderen technischen Effekt verursachen, der nur bei diesem Wert auftritt. Da dies offensichtlich unwahrscheinlich ist, wäre diese Erkenntnis alleine sicher schon ausreichend zur Begründung einer erfinderischen Tätigkeit.

 

grond

*** KT-HERO ***
Lysios schrieb:
Die Frage wäre dann, ob es bereits ein Auto (ggf. auch nur ein Fahrzeug mit 4 Rädern) mit 1 m Höhe und 0.5 m Raddurchmesser gibt. Falls ja, dann wäre die Frage, ob dies eine zufällige Vorwegnahme ist.
Bei einem einzigen Wert laut Anspruch ist die zufällige Vorwegnahme unerheblich, weil nach dessen Ausschluss nix mehr übrig bleibt, das Patent also futsch ist.


- Es ist nun zu klären, ob die 0.5 m einen besonderen technischen Effekt verursachen, der nur bei diesem Wert auftritt. Da dies offensichtlich unwahrscheinlich ist, wäre diese Erkenntnis alleine sicher schon ausreichend zur Begründung einer erfinderischen Tätigkeit.
Das ist etwas verkürzt und damit missverständlich ausgedrückt: die Wirkung müsste vorliegen (sonst eh keine erfinderische Tätigkeit, weil willkürliche Implementierung), wenn sie es tut, ist es unwahrscheinlich, dass dies vom Fachmann mangels Anregung aus dem SdT so erkannt worden wäre => erfinderisch.

P.S.: auch ich habe in meinem obigen Beitrag EPÜ-Logik angewendet. Im deutschen Verfahren ist man nach meinem Eindruck tendenziell etwas "ungenauer" und kümmert sich nicht so sehr um eine Motivation für den Fachmann wie beim EPA, man nähert sich aber wohl immer mehr der europäischen Denkweise an.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
grond schrieb:
Lysios schrieb:
Die Frage wäre dann, ob es bereits ein Auto (ggf. auch nur ein Fahrzeug mit 4 Rädern) mit 1 m Höhe und 0.5 m Raddurchmesser gibt. Falls ja, dann wäre die Frage, ob dies eine zufällige Vorwegnahme ist.
Bei einem einzigen Wert laut Anspruch ist die zufällige Vorwegnahme unerheblich, weil nach dessen Ausschluss nix mehr übrig bleibt, das Patent also futsch ist.
Man kann doch nur das Auto mit 1 m Höhe und 0.5 m Raddurchmesser ausschließen. Es gibt sicherlich nur eine begrenzte Anzahl an Kombinationen Höhe, Raddurchmesser, die sich in diesem Fall durch Disclaimer lösen lassen.
 

grond

*** KT-HERO ***
Lysios schrieb:
Man kann doch nur das Auto mit 1 m Höhe und 0.5 m Raddurchmesser ausschließen.
Interessanter Gedanke, aber ich frage mich, ob das wirklich ginge. Die Abgrenzung geschähe dann ja über ein Merkmal, das selbst nicht im Anspruch vorhanden wäre. Und selbst wenn man es aufnähme, kann ich mich nicht zu der Ansicht durchringen, dass der Disclaimer zulässig wäre. Stanze die Merkmale "Auto mit 1m Höhe" und "ein Rad von 0,5m Durchmesser" aus dem Anspruch, dann bleiben ausschließlich Merkmale übrig, die für sich nicht patentbegründend wären. Es bleibt ja doch der gesamte "Bereich" des erfindungsbegründenden Merkmals durch die zufällige Vorwegnahme betroffen.
 

Lysios

*** KT-HERO ***
grond schrieb:
Stanze die Merkmale "Auto mit 1m Höhe" und "ein Rad von 0,5m Durchmesser" aus dem Anspruch, dann bleiben ausschließlich Merkmale übrig, die für sich nicht patentbegründend wären.
Ich meinte den Ausschluss von einem "Auto mit der Eigenschaft (1m Höhe UND Raddurchmesser 0.5 m)". Wenn ich aber "ein Rad von 0,5m Durchmesser" ausschließe, dann ist das natürlich nicht sinnvoll. Es geht aber laut meiner Frage nur um die Offenbarung eines Autos, dass genau diese Eigenschaft hat (das Spezielle nimmt zwar das Allgemeine vorweg, aber eben nicht im Fall einer zufälligen Offenbarung).
 

grond

*** KT-HERO ***
Lysios schrieb:
Ich meinte den Ausschluss von einem "Auto mit der Eigenschaft (1m Höhe UND Raddurchmesser 0.5 m)".
Das hatte ich schon verstanden. Trotzdem frage ich mich, ob man im Rahmen eines Disclaimers für einen speziellen Fall den gesamten Bereich des erfindungsbegründenden Merkmals herausnehmen kann. Das ist für mich etwas anderes als der typische Fall: ursprünglich offenbart 0,3 bis 0,8m, zufällige Vorwegnahme von 0,5m (nicht ursprünglich offenbart) => Disclaimer "0,3 bis 0,8m, ausgenommen 0,5m".

Vielleicht denke ich auch nur zu kompliziert. (Und die zufällige Vorwegnahme war mir schon immer suspekt, ich bin mehr der Ansicht "Pech gehabt"...)
 
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