GebrMG Fristablauf bei Neuheitsschonfrist §3(1) S. 3 GbrMG

Kask

GOLD - Mitglied
Hallo zusammen,

§3(1) S. 3 GbrMG gewährt bekanntermaßen die sogenannte "Neuheutsschonfrist" _VOR_ dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag, wobei die Neuheitsschonfrist zu laufen beginnt, wenn die neuheitsschädliche Veröffentlichung oder Benutzung erfolgt.

Was ist, wenn das Ende der Frist auf einen Samstag, Sonn- oder Feiertag fällt? Ist §193 BGB anwendbar? Intuitiv würde ich das eher bejahen. Ich habe aber weder eine Kommentarmeinung noch Rechtsprechung dazu gefunden.

Weiß jemand weiter?
Gruß Kask
 

Kask

GOLD - Mitglied
Hallo Grond,

ich habe Deine Äußerung zum Anlass genommen, nochmal genau nachzulesen:

§193 BGB:
"Ist an einem bestimmten Tage oder innerhalb einer Frist eine Willenserklärung abzugeben oder eine Leistung zu bewirken..."
Haben wir beides nicht, also wohl keine Verlängerung. Ich wundere mich nur, dass es nirgends im Kommentar steht.

Kask
 

grond

*** KT-HERO ***
Kask schrieb:
§193 BGB:
"Ist an einem bestimmten Tage oder innerhalb einer Frist eine Willenserklärung abzugeben oder eine Leistung zu bewirken..."
Haben wir beides nicht, also wohl keine Verlängerung. Ich wundere mich nur, dass es nirgends im Kommentar steht.
Es ergibt sich auch logisch dadurch, dass diese "Frist" rückwärts berechnet wird, also die sechs Monate vor dem Anmeldetag betrifft, nicht umgekehrt eine Anmeldung innerhalb von sechs Monaten nach einer ersten Zugänglichmachung gefordert wird.

Du selbst hast "Neuheitsschonfrist" in Anführungsstriche gesetzt, wie das oft gemacht wird. Meines Erachtens, weil eben ausgedrückt werden soll, dass es rechtlich eine andere Sache ist.

Für die ähnliche Sechsmonatsfrist für eine unschädliche Offenbarung aufgrund offensichtlichen Missbrauchs zum Nachteil des Anmelders (Art. 55 (1) a EPÜ) gibt es eine G-Entscheidung, die ebenfalls feststellt, dass es sich um keine Frist im rechtlichen Sinne handelt (G98/0003).
 

Kask

GOLD - Mitglied
Hallo zusammen,

nach einigem Suchen habe ich doch noch eine Entscheidung gefunden, dass §193 BGB auf eine Neuheitsschonfrist anwendbar ist, in der Tat nicht unmittelbar, aber doch analog:

BPatGE 28, 90, Seite 91 Mitte

wobei es damals allerdings um eine Neuheitschonfrist nach PatG68 ging. Für das GebrMG sollte die Entscheidung jedoch ebenfalls anwendbar sein.

Gruß
Kask
 

grond

*** KT-HERO ***
Kask schrieb:
BPatGE 28, 90, Seite 91 Mitte

wobei es damals allerdings um eine Neuheitschonfrist nach PatG68 ging.
Gibt es irgendwo ein Zitat der alten Regelung? In einem Streitverfahren kann man es natürlich immer versuchen, ich würde dennoch sehr vorsichtig sein. Die Chance, dass die genannte Entscheidung als Partikulärentscheidung oder überholt angesehen würde, ist m.E. groß.
 

Kask

GOLD - Mitglied
Hallo Grond (Grond will breach it),

grond schrieb:
Gibt es irgendwo ein Zitat der alten Regelung?
Ich habe es dann doch im Schulte gefunden, 7. Auflage, Einleitung, Rn 141. Benkard, Busse, Mes: nichts.

Ich habe auch die Entscheidung elektronisch ausgegraben, hier ein kleiner Auszug:

BPatG 26 schrieb:
"§ 193 ist auf die Neuheitsschonfrist schon deshalb nicht unmittelbar anzuwenden, weil eine Patentanmeldung nicht nur eine Willenserklärung i. S. des BGB, sondern zugleich eine Verfahrenshandlung darstellt [...]

[Vergleich mit Prioritätsregelung PVÜ und Anwendbarkeit §193BGB]

Gegenüber den vorgenannten Fällen [war: Prioritätsregelung in der PVÜ] weist die Neuheitsschonfrist die Besonderheit auf, daß sie ihrem Wortlaut nach nicht eine (vorwärts laufende) Frist für die Einreichung der Patentanmeldung vorsieht [...]

Es wird also dem Wortlaut nach nicht auf ein bestimmtes Handeln am Ende einer Frist, sondern auf ein in der Vergangenheit liegendes Ereignis abgestellt. Bei näherer Betrachtung wird jedoch klar, daß darin kein inhaltlich bedeutsamer Unterschied liegt, sondern nur ein formaler. Sachlich bewirkt die Regelung der Neuheitsschonfrist, daß - beginnend mit der Bekanntgabe der Erfindung - eine Frist von sechs Monaten läuft, innerhalb deren die Patentanmeldung eingereicht werden muß. Diese Betrachtung macht deutlich, daß der Grundgedanke des § 193, nämlich die Wahrung der Sonn- und Feiertagsruhe, auch für den Lauf der Neuheitschonfrist bedeutsam ist. Der entsprechenden Anwendung des § 193 auf die Neuheitsschonfrist stehen (wie bei der Prioritätsfrist) weder der Sinn und Zweck dieser Regelung, noch andere Vorschriften oder Interessen Dritter entgegen [...]"
Kask
 

grond

*** KT-HERO ***
Kask schrieb:
(Grond will breach it),
Da kennt jemand seinen Tolkien... :)


BPatG 26 schrieb:
Gegenüber den vorgenannten Fällen [war: Prioritätsregelung in der PVÜ] weist die Neuheitsschonfrist die Besonderheit auf, daß sie ihrem Wortlaut nach nicht eine (vorwärts laufende) Frist für die Einreichung der Patentanmeldung vorsieht [...]
Hier würde mich wirklich der Wortlaut der Bestimmung aus dem damaligen PatG interessieren. Im GebrMG steht "Eine innerhalb von sechs Monaten vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag erfolgte Beschreibung oder Benutzung bleibt außer Betracht, wenn sie auf der Ausarbeitung des Anmelders oder seines Rechtsvorgängers beruht." Ich kann dem keinen Hinweis auf eine Rechtsnatur des Zeitraums als Frist entnehmen. Das Ende der angeblichen "Frist" steht fest, von diesem Ende berechnen sich sechs Monate zurück. Da kann man nichts verschieben.


Es wird also dem Wortlaut nach nicht auf ein bestimmtes Handeln am Ende einer Frist, sondern auf ein in der Vergangenheit liegendes Ereignis abgestellt.
Richtig. Deswegen müsste man sich ja auch fragen, an welchem Ende der Frist die Verschiebung stattfinden soll. Der Anmeldetag steht fest. Muss demzufolge der Anfang auf einen Feiertag fallen? :eek:)


Diese Betrachtung macht deutlich, daß der Grundgedanke des § 193, nämlich die Wahrung der Sonn- und Feiertagsruhe
Okay, hier wird auf ein im Deutschland der 60er Jahre unantastbares und somit eindeutig höheres Recht verwiesen... :)


Der entsprechenden Anwendung des § 193 auf die Neuheitsschonfrist stehen (wie bei der Prioritätsfrist) weder der Sinn und Zweck dieser Regelung, noch andere Vorschriften oder Interessen Dritter entgegen [...]"
Keine Interessen Dritter? Was soll denn bei einem Gebrauchsmusterlöschungsverfahren sonst entgegenstehen? Auch bei Bezug auf ein Patent im Prüfungsverfahren ist diese Sichtweise kurzsichtig, weil in einem Einspruchs- oder Verletzungsverfahren automatisch Interessen Dritter an einer weniger großzügigen Auslegung als Frist entgegenstünden.
 

Horst

*** KT-HERO ***
Habe die Kommentare auch mal studiert und im wesentlichen zwei Meinungen gefunden.

a) Abzustellen ist auf den Zeitpunkt der Vorveröffentlichung. Ab dann +6 Monate (187,188 BGB) gibt ein Frist(!)ende, das dann wohl auch § 193 BGB unterliegt.

b) Abzustellen (wie im Gesetzeswortlaut) ist auf den Zeitrang der Anmeldung und dann die -6 Monate davor (187,188 BGB). Natürlich keine Frist und kein 193 BGB.

Meines Erachtens ist anhand des Gesetzeswortlauts eindeutig b) zu bevorzugen. Siehe auch die schon zitierte EPA-Rechtsprechung. Aber auch aus PatG, GbrmG, BGB, ZPO ergibt sich nichts, das a) irgendwie nahe kommt.

Sollte a) gelten, hätte man das Gesetz etwa so formulieren müssen:

"Eine Offenbarung ist unschädlich, wenn der Anmelder die Anmeldung bzw. im Falle einer Prioritätsbeanspruchung die prioritätsbegründene Anmeldung innerhalb von 6 Monaten nach dem Tag, an dem die Offenbarung erfolgt ist, einreicht."
 

grond

*** KT-HERO ***
Horst schrieb:
Siehe auch die schon zitierte EPA-Rechtsprechung.
Der wäre noch die J03/0024 hinzuzufügen (zwecks EQE-Vorbereitung treffe ich naturgemäß gegenwärtig vermehrt auf EPA-Rechtsprechung, auch wenn es hier um nationale DE-Rechtsetzung geht und somit die EPA-Rechtsprechung nicht so wirklich relevant ist).

Meines Erachtens deckt sich der zweite Leitsatz jedoch voll mit dem deutschen Rechtsverständnis von Bedingungen einerseits und Fristen andererseits und wäre somit auch für die Bestimmung nach dem GebrMG gültig. Die Anwendung des Leitsatzes würde wiederum einer Verlängerung der "Neuheitsschonfrist" widersprechen, da das Gesetz lediglich eine Bedingung aufstellt (Veröffentlichung geht auf Anmelder zurück und geschah in nicht weniger als sechs Monaten vor AT), statt eine Frist für eine Handlung zu setzen (siehe Horsts Formulierungsvorschlag für diesen Fall):

http://legal.european-patent-office.org/dg3/biblio/j030024dp1.htm
 
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