Änderung nach Art. 123(2) EPÜ2000

toddimonster

Schreiber
Hallo liebe Kollegen,

in den ursprünglichen Unterlagen ist eine Zstg. mit "mindestens zwei Säuren" offenbart und beansprucht.

Der Mandant schlägt nun vor den Hauptanspruch in
"mindestens drei Säuren" zu ändern.
Allerdings sind drei Säuren als Untergrenze nirgendwo offenbart im Anmeldetext. Andererseits liesse sich argumentieren, dass die Definition von mindestens zwei Säuren auch einschliesst, dass mindestens drei Säuren vorliegen.

Ist die Änderung noch im Einklang mit Art. 123(2) EPÜ2000?

Danke.
 

Horst

*** KT-HERO ***
Das hat mit EPÜ1973/2000 eigentlich gar nichts zu tun. Die anwendbaren Vorschriften (Art.123) bleiben gleich.

Allerdings sind drei Säuren als Untergrenze nirgendwo offenbart im Anmeldetext.
Schlecht. Dann müsste man wohl allgemein den Neuheitstest anwenden und am konkreten Beispiel prüfen, ob 3->unendlich neu gegenüber 2->unendlich.

Zu Neuheit eines ausgewählten Bereichs siehe T198/84 für die drei Kriterien (eng, Abstand, technischer Effekt).

Diese Prüfung kann man sich aber m.E. schon vorab sparen, denn

a) Du bist nicht neu. Dann liegt kein 123(2) vor, aber die Einschränkung bringt zur Abgrenzung gegenüber Stand der Technik gar nichts.

b) Du bist neu. Dann bringt die Einschränkung was, aber Du bist unzulässig erweitert, sogar mit unentrinnbarer Falle.

Andererseits liesse sich argumentieren, dass die Definition von mindestens zwei Säuren auch einschliesst, dass mindestens drei Säuren vorliegen.
Diskrete Zwischenwerte gelten beim EPA (im Gegensatz zum DPMA) leider nicht als automatisch offenbart.

Hat jemand Ergänzungen?
 

grond

*** KT-HERO ***
Eine Bereichsangabe offenbart nicht alle Punkte des Bereichs. Eine Auswahl aus dem Bereich muss also ursprünglich offenbart sein, um zulässig zu sein. Ist "mindestens drei Säuren" als Gegenstand unmittelbar und eindeutig offenbart? Nach dem, was Du geschrieben hast, offenbar nicht. Also handelt es sich um eine unzulässige Erweiterung. Wie Horst schon geschrieben hat, ändert sich durch Anwendung des EPÜ2000 in dieser Hinsicht nichts.
 

Horst

*** KT-HERO ***
Die anwendbaren Vorschriften (Art.123) bleiben gleich.
Wobei ich mich hier etwas korrigieren muss. Art.123(3) wurde etwas erweitert. Bei einer unzulässigen Erweiterungen in der Beschreibung droht jetzt auch eine unentrinnbare Falle (eigentlich auch was für den C-Teil?!).
 

grond

*** KT-HERO ***
Horst schrieb:
Wobei ich mich hier etwas korrigieren muss. Art.123(3) wurde etwas erweitert. Bei einer unzulässigen Erweiterungen in der Beschreibung droht jetzt auch eine unentrinnbare Falle (eigentlich auch was für den C-Teil?!).
Ist das nicht eine Übernahme dessen, was in der Rechtsprechung ohnehin gilt, in den Artikel? Da die Ansprüche ja ohnehin im Lichte der Beschreibung auszulegen sind und die Ansprüche ja den Schutzbereich definieren, hat sich m.E. da nicht wirklich etwas geändert. Auch früher konnte ich einen Anspruch mit Merkmal A dadurch unzulässig erweitern, dass ich nachträglich in die Beschreibung reingeschrieben habe "wobei im Rahmen der Erfindung das Merkmal A auch ein Merkmal B umfasst".
 

Horst

*** KT-HERO ***
Korrekt, die Entscheidung damals war T1149/97.
Ich wollte nur nicht verbreiten, der Art.123 sei unverändert geblieben.
 

paule

BRONZE - Mitglied
Vielleicht gibt's ja ein Ausführungsbeispiel mit genau drei Säuren? dann sieht die Sache schon anders aus da Randpunkt offenbart.
 

ander

*** KT-HERO ***
Hi,

123(3) wird wohl kaum Gegenstand des C-Teils sein können, da sich 123(3) ja auf das Patent und nicht die Patentanmeldung bezieht (ausser das Patent wurde in einem vorhergehenden Beschränkungsverfahren beschränkt und im Rahmen des Beschränkungsverfahrens wurde durch Änderung von z.B. der Beschreibung der Schutzbereich erweitert).

Wenn ich mir das recht überlege wäre so ein Fall doch "ideal" für den C-Teil, nach Art. 105a ff. ja neu ist.

Ander
 

grond

*** KT-HERO ***
ander schrieb:
ich revidiere: 123(3) ist kein Einspruchsgrund.
Wäre eine nette Falle: Patentanmeldung wurde gegenüber den ursprünglichen Unterlagen im Prüfungsverfahren eingeschränkt, dann erteilt, Beschränkungsverfahren, Patent wurde unbemerkt erweitert, aber nicht über die ursprünglichen Unterlagen hinaus, Einspruch...
 

grond

*** KT-HERO ***
grond schrieb:
Wäre eine nette Falle: Patentanmeldung wurde gegenüber den ursprünglichen Unterlagen im Prüfungsverfahren eingeschränkt, dann erteilt, Beschränkungsverfahren, Patent wurde unbemerkt erweitert, aber nicht über die ursprünglichen Unterlagen hinaus, Einspruch...
Hm, was würde denn dann eigentlich passieren? Das Patent dürfte schließlich nicht in der erweiterten Form aufrecht erhalten werden, wenn ein Einspruch zulässig eingelegt wurde. Man könnte 123(3) zwar nicht als Einspruchsgrund geltend machen, wenn man aber z.B. einen Hauptanspruch aus einem anderen Grund angreifen kann, müsste man vermutlich auch einen unzulässig erweiterten Unteranspruch wegschießen können, oder?
 

Sandokan

Vielschreiber
Hallo,

dazu hätte ich auch noch eine Frage.

Kann man aus einem Bereich einen Teilbereich auswählen, obwohl dieser ursprünglich nicht offenbart ist, ohne gegen Art. 123 EPÜ zu verstoßen.

z.B.

ursprüngliche Offenbarung: L>1 und L1.2 und L<1.4
diese Einschränkung ist jedoch derart nicht offenbart.

Ciao
Sando
 

Horst

*** KT-HERO ***
Das geht vor DPMA und BPatG, aber NICHT NICHT NICHT vor dem EPA. Ist nunmal so.

Deshalb findet man in einigen Patenten lustige Sätze wie:

"Die Temperatur liegt zwischen 10 und 20°C, also bspw. bei 11,12,13,14,15,16,17,18,19°C."

Das beugt dem Problem vor.
 

grond

*** KT-HERO ***
Horst schrieb:
Deshalb findet man in einigen Patenten lustige Sätze wie:

"Die Temperatur liegt zwischen 10 und 20°C, also bspw. bei 11,12,13,14,15,16,17,18,19°C."

Das beugt dem Problem vor.
Aber auch nur bei 54(3) Dokumenten, ansonsten würde es an der erfinderischen Tätigkeit fehlen.
 
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